Landgericht Verden
Urt. v. 12.05.2016, Az.: 5 O 214/14
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 12.05.2016
- Aktenzeichen
- 5 O 214/14
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 43129
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Der Klaganspruch wird dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.
Tatbestand:
Die Klägerin macht Ansprüche auf Schadensersatz gegen den Beklagten wegen vermeintlich fehlerhafter Ingenieurleistungen geltend.
Die Klägerin schloss mit dem Beklagten diverse Ingenieurverträge, deren Gegenstand die sogenannte „L.“ in D. über den Fluss B. war. Nachdem der Beklagte bereits im Jahre 2005 für die Klägerin einen Untersuchungsbericht zur Möglichkeit der Grundinstandsetzung der Brücke erstellt hatte, wegen dessen Inhalts auf Bl. 78 ff. der Beiakte 5 OH 5/12 verwiesen wird, beauftragte die Klägerin ihn im Jahre 2008 mit der Erstellung eines Sanierungskonzepts für dieses Brückenbauwerk. Wegen der Einzelheiten wird auf das Vertragsangebot des Beklagten vom 02.02.2008 (Anlage K 1) verwiesen, das die Klägerin mit Schreiben vom 21.02.2008 (Anlage K 2) annahm. Danach verpflichtete sich der Beklagte die Grundleistungen der Leistungsphasen 1 bis 4 des § 55 HOAI 1996 (künftig: HOAI) bezüglich der Objektplanung des Ingenieurbauwerks sowie der Leistungsphasen 2 bis 4 der Tragwerksplanung auszuführen. Der Beklagte erstellte auftragsgemäß die Planung, die u.a. eine Kostenschätzung für die Sanierung bezogen auf das Jahr 2012 in Höhe von 304.900 € beinhaltete.
Sowohl über die Erstellung der Ausführungsplanung, die Vorbereitung der Vergabe, die Mitwirkung bei der Vergabe sowie die Bauüberwachung schloss die Klägerin nach der Beendigung der Zusammenarbeit mit dem Beklagten im Februar 2012 einen Ingenieurvertrag mit dem jetzigen Nebenintervenienten Herrn Dipl.-Ing. T.A..
Im Rahmen der Angebotsauswertung und Vergabeempfehlung während des Ausschreibungsverfahrens gab der Nebenintervenient nach Eingang der Angebote am 04.07.2012 gegenüber der Klägerin die Empfehlung ab, in Anbetracht der deutlichen Überschreitung des ursprünglich angenommenen Kostenniveaus für die Ausführung der ausgeschriebenen Bauleistungen und der darauf basierenden Betrachtungen der Wirtschaftlichkeit der Gesamtmaßnahme aus planerischer Sicht eine Aufhebung der Ausschreibung in Betracht zu ziehen, um die Möglichkeit zu schaffen, durch eine erneute Ausschreibung der Sanierung zu einem ggf. günstigeren Zeitpunkt zu günstigeren Angebotspreisen zu gelangen.
Mit Schreiben der Klägerin vom 10.07.2012 erhielt die B. GmbH & Co. KG als günstigste Bieterin mit einem Angebot in Höhe von 460.557,13 € den Zuschlag für die Durchführung der Sanierungsarbeiten (Anlage K 3, Sonderheft I). Der Nebenintervenient rechnete die ihm vertragsgemäß zustehenden Honoraransprüche gegenüber der Klägerin ab. Wegen weiterer Einzelheiten der Honorarabschlagsrechnungen wird auf diese und die zur Akte gereichte Aufstellung des Klägers Bezug genommen (Anl. K 7- K 14 Sonderheft I; Anl. K 36, Bl. 247 d.A.).
Im Zuge der Ausführung der Sanierungsarbeiten ergaben sich Zweifel daran, ob die im Jahre 1952 erstellte Brücke tatsächlich unter technischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten sanierungswürdig war. Die Klägerin stellte deshalb unter dem 28.12.2012 einen Antrag auf Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens (Landgericht Verden, Aktenzeichen 5 OH 15/12); Antragsgegner waren der hiesige Beklagte und der Nebenintervenient.
Aufgrund der Zweifel an der Sanierungsfähigkeit und -würdigkeit der Brücke kündigte die Klägerin am 01.02.2013 den Bauvertrag mit der B. GmbH & Co. KG (Anl. K 19, Bl. 75 Sonderheft I), nachdem diese bereits vier Abschlagrechnungen in Höhe von insgesamt 123.300,12 € gestellt hatte.
Im Rahmen des selbständigen Beweisverfahrens erstellte der Sachverständige Dipl.-Ing. B. ein Gutachten vom 07.06.2013, in dem er zu dem Ergebnis gelangte, das Brückenbauwerk sei aus technischer Sicht nur eingeschränkt als sanierungsfähig einzustufen. Insgesamt hätte die Brücke sowohl in technischer wie auch in wirtschaftlicher Hinsicht nicht grundinstandgesetzt, sondern durch einen Neubau ersetzt werden sollen. Für die Grundinstandsetzung der alten Brücke brachte der Sachverständige B. Kosten in Höhe von 675.000 € brutto in Ansatz, wohingegen er die Kosten des Neubaus nur mit 605.000 € bezifferte. Wegen der Einzelheiten wird auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 07.06.2013 nebst Ergänzung vom 02.08.2013 sowie auf das Protokoll der Anhörung des Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren vom 04.02.2014 (Bl. 290 ff. der BA) verwiesen.
Nach Einstellung der Sanierungsarbeiten brachte die Klägerin ein Geländer an der Brücke an, um die teilweise noch nutzbare Brücke während der anschließenden, mehrmonatigen Planungszeit bis zum Beginn des Brückenneubaus für Fußgänger und Radfahrer freizugeben. Hierfür entstanden Kosten in Höhe von 7.746,90 € (Rechnung der O. GmbH vom 31.10.2012, Anlage K 23). Ferner wandte die Klägerin für die Prüfung der Statik der Brücke Kosten in Höhe von 2.232 € auf (Rechnung des Dipl.-Ing. D.S. vom 17.9.2012, Anlage K 24) sowie weitere 202,30 € und 392,34 € für Bohrproben zur Beurteilung der Betonfestigkeit (Rechnungen des Betonlabors S. vom 14. 09. 2012, Anlagen K 25 und K 26) und 2.101,54 € für Bohrmehluntersuchungen der Chloridwerte (Rechnung der Materialprüfanstalt B. vom 20.09.2012, Anlage K 27). Im Zuge der Neubaumaßnahme beschäftigte die Klägerin einen Sicherheitskoordinator, der ein Honorar in Höhe von 1.374,75 € (Rechnung vom 20.02.2013, Anlage K 28) erhielt. Schließlich erfolgte eine Prüfung des Asphalts aus dem Brückenbelag zur Festlegung der Entsorgungserfordernisse, die Kosten in Höhe von 1.561,28 € auslöste (Rechnung des Dipl.-Ing. M. vom 11.07.2012, Anlage K 29). Nach dem erfolgten Baustopp wurde ein Statikbüro hinzugezogen, um die Tragfähigkeit des nunmehr freigelegten Überbaus der Stahl-/Betonkonstruktion zu überprüfen. Dies verursachte Kosten in Höhe von 2.897,53 € (Rechnung der Bauingenieure KM GbR vom 04.10.2012, Anlage K 30). Schließlich entstanden der Klägerin Kosten für die Wiederaufstellung der Straßenbeleuchtung während der Planungszeit bis zum Beginn des Brückenneubaus in Höhe von 1.705,13 € (Rechnung der Stadtwerke B. GmbH vom 19.12.2012, Anlage K 31).
Die B. GmbH & Co. KG erteilte am 14.02.2013 eine Schlussrechnung über 219.033,60 EUR gegenüber der Klägerin (Anlage K 20, Bl. 77 Sonderheft I). Die Vertragsparteien einigten sich nach der Vertragsbeendigung schließlich darauf, dass auf diese Schlussrechnung eine letzte Zahlung der Klägerin in Höhe von 124.950 € brutto an die B. GmbH & Co. KG zur Abgeltung sämtlicher Vergütungsansprüche aus dem Bauvertrag (Anlagen K 21, 22 Sonderheft I) erfolgt.
Im Zuge eines weiteren Vergabeverfahrens betreffend den Neubau der Brücke erhielt wiederum die B. GmbH & Co. KG auf ihr Angebot vom 18.09.2013 (Anlage K 32, Bl. 195 ff. d.A.) mit Schreiben der Klägerin vom 30.09.2013 (Anlage K 34, Bl. 218 f. d.A.) den Zuschlag. Die Auftragssumme betrug 639.919,84 € netto = 761.504,61 € brutto; die Abrechnung erfolgte mit Schlussrechnung vom 30.12.2014 (Anlage K 35, Bl. 220 ff. d.A.).
Der Beklagte hat mit der Klageerwiderung vom 13.11.2014 dem Dipl.-Ing. T.A. den Streit verkündet. Dieser ist dem Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 13.02.2015 auf Seiten des Beklagten beigetreten.
Der Beklagte und der Nebenintervenient erheben die Einrede der Verjährung.
Die Klägerin behauptet, das gemäß Architektenvertrag vom Februar 2008 geschuldete Werk des Beklagten sei mit erheblichen Mängeln behaftet. Der Beklagte habe bereits im Zuge der Grundlagenermittlung (Leistungsphase 1), spätestens aber im Zuge der Vorplanung (Leistungsphase 2) prüfen müssen, ob die in Rede stehende Brücke nicht nur aus technischer Sicht sanierungsfähig, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht sanierungswürdig sei. Diese Pflichten habe der Beklagte verletzt, indem er der Klägerin nicht geraten habe, von der Sanierung der Brücke abzusehen und sie stattdessen abzureißen und einen Neubau zu erstellen. Einer entsprechenden Empfehlung wäre die Klägerin – wie nunmehr geschehen – gefolgt. Die Klägerin behauptet, dass ihr hierdurch ein Schaden in Höhe von insgesamt 296.562,64 € entstanden sei, der sich aus folgenden Positionen zusammensetze:
- Honorarzahlungen an den Nebenintervenienten, deren Höhe die Klägerin mit 28.098,75 € behauptet,
- Abschlagszahlungen an die B. GmbH & Co. KG, die in der abgerechneten Höhe von 123.300,12 € geleistet worden seien
- Vergleichszahlung an die B. GmbH & Co. KG in Höhe von 124.950 €, die vereinbarungsgemäß geleistet worden sei
- Zahlungen für Brückengeländer an die O. GmbH in Höhe von 7.746,90 €
- Zahlungen für Statikprüfung an Dipl.-Ing. S. in Höhe von 2.232,00 €
- Zahlungen für Betonprüfung an Betonlabor S. in Höhe von 594,64 €
- Zahlungen für Bohrmehluntersuchung an MPA B. in Höhe von 2.101,54 €
- Zahlungen an Sicherheitskoordinator in Höhe von 1.374,75 €
- Zahlungen für Asphaltprüfung an Dipl.-Ing. M. in Höhe von 1.561,28 €
- Zahlungen für Tragfähigkeitsprüfung an Statikbüro B. in Höhe von 2.897,53 €
- Zahlungen für Straßenbeleuchtung an Stadtwerke B. GmbH in Höhe von 1.705,13 €.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 296.562,64 € nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Der Beklagte und der Nebenintervenient beantragen,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte bestreitet das Vorliegen einer Pflichtverletzung und behauptet hierzu, er habe schon in seinem Untersuchungsbericht aus Dezember 2005 genau die Prüfungen durchgeführt, die die Klägerin in der Klage verlange. Schon zu diesem Zeitpunkt sei bekannt gewesen, dass eine Grundsanierung höhere Kosten als die ursprünglich geschätzten 140.000 € verursachen werde. Es sei dann die Entscheidung der Klägerin gewesen, ob sie eine Instandsetzung oder einen Neubau wählte. Im Rahmen der weiteren Tätigkeit des Beklagten ab dem Jahre 2008 seien dann die angegebenen Kosten für die Sanierung näher konkretisiert und eine Kostenschätzung erstellt worden. Nach Abschluss der Tätigkeit des Beklagten sei es Aufgabe des Nebenintervenienten gewesen, eine Kostenberechnung zu erstellen und dabei auch die Ergebnisse der Tätigkeit des Beklagten einer Prüfung zu unterziehen. Selbst wenn man den Vortrag der Klägerin, eine Wirtschaftlichkeit der Brückensanierung sei nicht gegeben, als zutreffend unterstelle, sei eine Pflichtverletzung allenfalls bei dem nach dem Beklagten tätigen Nebenintervenienten bzw. bei der Klägerin selbst zu sehen. Der Beklagte hält das Gutachten des Sachverständigen B. aus dem selbständigen Beweisverfahren für unbrauchbar. Wegen der Einzelheiten seiner Einwendungen wird auf die Klageerwiderung (dort Seite 6 ff., Bl. 56 ff .d.A.) Bezug genommen.
Der Beklagte bestreitet den geltend gemachten Anspruch auch der Höhe nach und behauptet hierzu, an den Nebenintervenienten seien nur 22.052,81 € gezahlt worden. Die von der B. GmbH & Co. KG abgerechneten Leistungen, insbesondere die Nachträge, seien nicht erforderlich und angemessen gewesen; die Rechnungen und Unterlagen seien nicht prüffähig. Die Anbringung eines neuen Brückengeländers sei nicht erforderlich und allein Entscheidung der Klägerin gewesen. Auch die Kosten für Statikprüfung, Betonprüfung, Beauftragung eines Sicherheitskoordinators, Statikbüro und Beleuchtung seien nicht erforderlich und angemessen. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass die Klägerin für die Durchführung der Sanierungsarbeiten aus sogenannten „LEADER plus-Mitteln“ der EU einen Zuschuss von 150.000 € erhalten hätte; ferner wäre eine Kosteneinsparung von 30.000 € durch eine Statikprüfung möglich gewesen.
Der Nebenintervenient bestreitet ebenfalls das Vorliegen einer Pflichtverletzung des Beklagten und behauptet hierzu, der Beklagte sei zum Zeitpunkt der Beauftragung im Jahre 2008 nicht mehr zur Prüfung verpflichtet gewesen, ob die Sanierung oder aber die Neuherstellung der Brücke wirtschaftlicher war. Konkrete Bauaufgabe sei nur noch die Erstellung eines Sanierungskonzepts gewesen. Auch der Nebenintervenient hält das Gutachten des Sachverständigen B. aus dem selbständigen Beweisverfahren für mangelhaft. Wegen der Einzelheiten seiner Einwendungen wird auf den Schriftsatz vom 26.08.2015 (dort S. 4 ff., Bl. 109 ff. der Akte) verwiesen. Hinsichtlich der Höhe eines etwaigen Schadensersatzanspruches ist der Nebenintervenient der Auffassung, dass die Abschlagszahlungen an die B. GmbH & Co. KG und die an sie geleistete Vergleichszahlung in keinem Fall als Schadensersatz vom Beklagten zu tragen seien. Er behauptet hierzu, die Klägerin hätte die Kosten vermeiden können, indem sie die Ausschreibung der Sanierungsarbeiten wegen ihres unwirtschaftlichen Ergebnisses aufgehoben hätte, und bestreitet das Bestehen von Restwerklohnansprüchen nach der Kündigung mit Nichtwissen. Für den Anbau des Brückengeländers sei nur Werklohn angefallen, weil das alte Geländer im Vermögen der Klägerin verblieben sei.
Die Kammer hat Beweis erhoben durch Verwertung des Gutachtens des Sachverständigen Dipl.-Ing. B. vom 07.06.2013 nebst ergänzender Stellungnahme vom 02.08.2013 und Anhörung des Sachverständigen am 04.02.2014 aus dem selbständigen Beweisverfahren sowie Einholung einer weiteren ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen vom 14.12.2015 und mündlicher Anhörung des Sachverständigen vom 07.04.2016. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die genannten Gutachten und das Sitzungsprotokoll vom 07.04.2016 (Bl. 364 f. d.A.) Bezug genommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach-und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten und zu den Akten gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist dem Grunde nach gerechtfertigt. Die Klägerin hat dem Grunde nach einen Anspruch auf Schadensersatz gegen den Beklagten gem. §§ 634 Nr. 4, 280, 281 BGB.
1) Pflichtverletzung des Beklagten
Nach Durchführung der Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens des Sachverständigen B. steht mit hinreichender Sicherheit zur Überzeugung der Kammer fest, dass der Beklagte es pflichtwidrig unterlassen hat, im Zuge der Grundlagenermittlung (LP 1), spätestens im Zuge der Vorplanung (LP 2) die wirtschaftliche Sanierungswürdigkeit des Brückenbauwerks ausreichend zu prüfen und die voraussichtlichen Kosten nicht nur einer Umbaumaßnahme, sondern auch einer grundlegenden Sanierung nach Durchführung erforderlicher Untersuchungen zutreffend zu ermitteln und den Kosten für einen Neubau gegenüberzustellen.Er hat der Klägerin den Schaden zu ersetzen, der ihr durch die fehlerhafte Planung der Sanierung der Brücke entstanden ist.
Diese Verpflichtung folgte aus dem mit der Klägerin 2008 geschlossenen Ingenieurvertrag, wonach der Beklagte die Erstellung der Objektplanung des Bauwerks LP 1-4 und die Tragwerksplanung LP 2-4 übernahm. Demgemäß schuldete der Beklagte als Werkerfolg eine mangelfreie, insbesondere den technischen Regeln entsprechende Planung und -beratung, die eine wirtschaftliche Durchführung des Bauvorhabens der Klägerin gewährleistete (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 02. Juli 2008 – 1 U 28/07 –, Rn. 28, juris).
Die Kostenberatung durch den Ingenieur hat den Zweck, den Besteller über die zu erwartenden Kosten des Bauvorhabens zu informieren, damit dieser die Entscheidung über die Durchführung des Bauvorhabens auf einer geeigneten und umfassenden Grundlage treffen kann.
Der Beklagte hat diese Pflicht verletzt, indem er die voraussichtlichen Kosten einer umfassenden Sanierung der Brücke nicht zutreffend und umfassend ermittelt und die wirtschaftlich sinnvollere Alternative eines Neubaus der Brücke nicht in Erwägung gezogen hat.
Dies steht zur hinreichenden Überzeugung der Kammer nach Durchführung der Beweisaufnahme fest. Der Sachverständige B. hat im Gutachten vom 07.06.2013 und in den ergänzenden Stellungnahmen vom 02.08.2013 und 14.12.2015 sowie in den mündlichen Anhörungen am 04.02.2014 und 07.04.2016 überzeugend ausgeführt, dass die Sanierung der Brücke im Zeitpunkt der Untersuchungen und Planungen seitens des Beklagten 2008 unwirtschaftlich gewesen ist. Das Bauwerk sei aus technischer Sicht nur eingeschränkt sanierungsfähig gewesen. Es wären Unsicherheiten hinsichtlich der Sanierungsfähigkeit der Unterbauten, des Überbaus und der Brückenausrüstung verblieben. Es hätten Nachweise über die Sicherstellung der Standsicherheit gefehlt, was weitere Prüfungen erforderlich gemacht hätte. Eine Lösung für die nicht den heutigen Ausführungsrichtlinien entsprechende Auflagerung des Überbaus mittels Schienenkopflagerung sei noch nicht gefunden und der Korrosionsschutz bei der vorgeschlagenen Lösung sei nicht gewährleistet gewesen. Weiter führt der Sachverständige aus, dass die Stahlträger Korrosionserscheinungen aufgewiesen hätten und nur eingeschränkt sanierungsfähig gewesen seien, insofern erscheine zweifelhaft, ob die vorgesehenen Maßnahmen ausgereicht hätten. Zu den im Leistungsverzeichnis enthaltenen Kosten des Umbaus des Überbaus wären Kosten für die Sanierung des Unterbaus und der erneuerungsbedürftigen Lagerung hinzugekommen, die der SV geschätzt hat, um einen realistischen Vergleich herzustellen.
Der Sachverständige hat weiter ausgeführt, dass eine Sanierung unabhängig von den noch durchzuführenden Untersuchungen zur technischen Sanierungsfähigkeit wirtschaftlich nicht sinnvoll gegenüber einem Neubau gewesen sei. Wegen der Nachteile, die eine Instandsetzung mit sich gebracht hätte (z.B. erheblich verkürzte Restnutzungsdauer), wäre es wirtschaftlich bereits dann sinnvoll gewesen, einen Neubau anstelle einer Sanierung in Erwägung zu ziehen, falls die Instandsetzungskosten nur 50-60% der Neubaukosten betragen hätten, zumal eine Anpassung an die geänderte Verkehrsbelastung möglich gewesen sei. Nach umfassender Sanierung hätte die Restnutzungsdauer nur 19 Jahre bei ungewissem Alter der Unterbauten betragen. Ein neues Bauwerk habe eine Standzeit von 80 Jahren. Ferner sei im Falle der Sanierung der höhere Unterhaltungsaufwand zu berücksichtigen.
Der Sachverständige hat für die Grundinstandsetzung eine nach Ansicht der Kammer schlüssige und nachvollziehbare Kostenschätzung in Höhe von 675.000,00 EUR brutto vorgenommen, wobei er zur Ermittlung der Kosten vom Ergebnis der Ausschreibung ausgeht. Gegen dieses Vorgehen bestehen aus Sicht der Kammer keine Bedenken. Die Kosten für einen Neubau hat der Sachverständige mit 605.000,00 EUR brutto geschätzt. Der inzwischen durchgeführte Neubau der Brücke für 691.527 EUR bestätigt die Einschätzung des Sachverständigen. Diese liegen zwar deutlich über den im Gutachten prognostizierten Kosten, was aber zum einen mit der allgemeinen Teuerungsrate und zum anderen damit zu erklären ist, dass anstelle einer Flachgründung eine teurere Tiefgründung ausgeführt worden ist. Es sei also ein qualitativ anderes Bauwerk geschaffen worden. Auch insofern schließt sich die Kammer den schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen an.
Dahinstehen kann, ob ein Zuschuss für Sanierung in Höhe von 150.000,00 Euro gezahlt worden wäre, was ohnehin nicht feststeht. Ebenso wenig steht fest, dass durch eine Überprüfung der Statik und Herausnahme einiger vom Beklagten geplanter Positionen eine Kosteneinsparung von etwa 30.000 € erzielt hätte werden können. Selbst wenn diese Positionen vom Sachverständigen zu Unrecht berücksichtigt worden wären, wäre die Grundinstandsetzung in Relation zum Neubau nach wie vor unwirtschaftlich, da ein Neubau auch nach Überzeugung der Kammer aus den vom Sachverständigen genannten Vorteilen bereits dann wirtschaftlich sinnvoller ist, wenn die Instandsetzungskosten mehr als die Hälfte der Neubaukosten ausmachen. Gleiches gilt im Hinblick auf nach Ansicht des Nebenintervenienten zu Unrecht in Ansatz gebrachte Stillstandskosten und Kosten für die Prüfung der Unterbauten und Korrektur der Auflagersituation.
Dem Umstand, dass sich die Brücke in einem Landschaftsschutzgebiet befindet, kommt nach Ansicht der Kammer ebenfalls keine maßgebliche Bedeutung zu. Der Vertreter der Stadt, Herr T., hat in der mündlichen Verhandlung vom 07.04.2016 zwar ausgeführt, dass im Rahmen des Neubaus der Landkreis als untere Wasserschutzbehörde beteiligt worden sei und Expertisen erforderlich gewesen seien, die Kosten ausgelöst hätten. Auch diese Kosten fallen allerdings angesichts der obigen Erwägungen nicht ins Gewicht.
Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass der Beklagte im Schreiben der Klägerin vom 21.02.2008 beauftragt worden ist, ein Sanierungskonzept für die Brücke zu erstellen. Da die Beklagte auch dazu verpflichtet war, die Wirtschaftlichkeit der Sanierungsmaßnahme sicherzustellen, hätte er der Klägerin von der - nach den Feststellungen des Sachverständigen unwirtschaftlichen Sanierung - abraten müssen. Dass die Klägerin die Erstellung eines Sanierungskonzepts vorgegeben hatte, ändert hieran nichts.
Als Fachmann traf ihn vielmehr die Pflicht, auch Wünsche und Vorgaben der Klägerin zu überprüfen (vgl. Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 6. Oktober 1988, NJW-RR 1989, S. 470 [OLG Hamm 06.10.1988 - 26 U 74/88]) und jederzeit die wirtschaftlichste Maßnahme zu ermitteln und die Klägerin hierüber aufzuklären. Nach dem eigenen Vortrag des Beklagten hatte er die Kosten im Rahmen der Untersuchung der Brücke 2005 nicht abschließend ermittelt bzw. nicht einmal geschätzt. Deshalb oblag dem Beklagten die vertragliche Pflicht, im Rahmen der Erstellung eines Sanierungskonzepts 2008 nicht nur eine umfassende Kostenprognose für eine Grundinstandsetzung nach sorgfältiger Prüfung der Brücke zu erstellen, sondern auch eine konkrete Prüfung etwa bestehender wirtschaftlich sinnvoller Alternativen, z.B. Abriss und Neubau, in Betracht zu ziehen.
2) Kausalität der Pflichtverletzung für Schaden
Die festgestellte Pflichtverletzung seitens des Beklagten ist auch kausal für den eingetretenen Schaden. Es sind weder Gründe vorgetragen noch ersichtlich, weshalb die Klägerin bei richtiger Beratung nicht die wirtschaftlichere Variante gewählt hätte und sich gegen den Rat für die Sanierung der Brücke entschieden hätte.
3) Verschulden
Der Mangel der Planungen zur Sanierung der Brücke beruht auf einem Umstand, den der Beklagte zu vertreten hat (§ 276 BGB). Insoweit konnte er nicht dartun, dass er die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat, § 280 I 2 BGB. Er hat es fahrlässig und damit schuldhaft unterlassen, die Brücke und ihre Unterbauten pflichtgemäß zu untersuchen. Hätte er dies in ausreichendem Maße getan, hätte er erkennen können und müssen, dass die in Aussicht genommene Sanierung wirtschaftlich sinnlos war und die von ihm veranschlagten Kosten bei weitem nicht ausreichen. Er hat es zudem bei der Entwurfsplanung in der Leistungsphase 3 gemäß § 55 HOAI schuldhaft versäumt, die voraussichtlichen Kosten für einen Neubau der Brücke zu ermitteln und diese den Kosten der Grundinstandsetzung gegenüber zu stellen.
4) Kein Mitverschulden
Die Klägerin ist ihrer Pflicht zur Schadensminderung, § 254 BGB, durch die Kündigung nachgekommen.
Entgegen der Ansicht des Beklagten und des Nebenintervenienten trifft die Klägerin kein Mitverschulden, weil sie die Ausschreibung nicht aufgehoben hat. Es ist schon fraglich, ob eine Aufhebung angesichts des in der Sphäre der Klägerin liegenden Fehlers rechtmäßig gewesen wäre.
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind bei der Prüfung eines zur Aufhebung berechtigenden schwerwiegenden Grundes strenge Maßstäbe anzulegen. Ein zur Aufhebung der Ausschreibung Anlass gebendes Fehlverhalten der Vergabestelle kann danach schon deshalb nicht ohne weiteres genügen, weil diese es andernfalls in der Hand hätte, nach freier Entscheidung durch Verstöße gegen das Vergaberecht den bei der Vergabe öffentlicher Aufträge bestehenden Bindungen zu entgehen. Das wäre mit Sinn und Zweck des Vergabeverfahrens nicht zu vereinbaren. Berücksichtigungsfähig sind grundsätzlich nur Mängel, die die Durchführung des Verfahrens und die Vergabe des Auftrags selbst ausschließen, wie etwa das Fehlen der Bereitstellung öffentlicher Mittel durch den Haushaltsgesetzgeber. Im Einzelnen bedarf es für die Feststellung eines schwerwiegenden Grundes einer Interessenabwägung, für die die Verhältnisse des jeweiligen Einzelfalls maßgeblich sind (BGH, Urteil vom 12. Juni 2001 - X ZR 150/99, NZBau 2001, 637; BGH, Beschluss vom 20. März 2014 – X ZB 18/13 –, Rn. 25, juris). Die Korrektur eines eigenen vergaberechtlichen Fehlers berechtigt grds. nicht zur Aufhebung. Im Zeitpunkt der Vergabe war für die Klägerin nicht erkennbar, ob eine Sanierung unwirtschaftlich ist. Dies stellte sich vielmehr erst nach dem Beginn der Sanierungsarbeiten heraus. Dementsprechend hat der Nebenintervenient eine Aufhebung der Ausschreibung empfohlen, um die Möglichkeit zu schaffen, in Verhandlungen mit dem mindestfordernden Bieter oder auch durch eine erneute Ausschreibung zu einem günstigeren Zeitpunkt zu günstigeren Angebotspreisen für den erforderlichen Bauleistungsumfang zu kommen. Auch für diesen war zu diesem Zeitpunkt die Unwirtschaftlichkeit der Maßnahme offensichtlich nicht bewusst.
5) Keine Verjährung
Die Einrede der Verjährung greift nicht durch, weil die Schadensersatzansprüche nicht auf Grundlage des vom Beklagten erstellten Untersuchungsbericht 2005 geltend gemacht werden, sondern aus der Pflichtverletzung im Zuge der Durchführung der Sanierung 2008. Da es sich um Schadensersatzansprüche wegen Mängeln an einem Bauwerk handelt, beträgt die Verjährungsfrist gem. § 634 a Abs. 1 Nr. 2 BGB fünf Jahre und begann frühestens mit dem Schluss des Jahres 2008. Der Antrag auf Durchführung des selbständigen Beweisverfahrens vom 28.12.2012 ist dem Beklagten am 08.01.2013 förmlich zugestellt worden und hat die Verjährung gem. § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB gehemmt. Die Hemmung wirkte fort, solange das selbständige Beweisverfahren betrieben wurde und im Hauptsacheverfahren mündete.
6) Die Kammer hat ein Grundurteil gemäß § 304 ZPO erlassen, da die Höhe des Anspruchs noch der Aufklärung bedarf.