Landgericht Verden
Beschl. v. 21.03.2016, Az.: 6 T 143/15

Bibliographie

Gericht
LG Verden
Datum
21.03.2016
Aktenzeichen
6 T 143/15
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2016, 43026
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG - 15.06.2015 - AZ: 2 M 46/15

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde vom 10.07.2015 wird der Beschluss des Amtsgerichts Rotenburg vom 15.06.2015, Az. 2 M 46/15, aufgehoben und die Kostenrechnung des Obergerichtsvollziehers ... vom 14.01.2015, DR II .../14, dahingehend abgeändert, dass eine Gebühr in Höhe von 16,00 € für eine gütliche Erledigung nach KV207 nicht in Ansatz gebracht wird.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Die weitere Beschwerde wird zugelassen.

Gründe

I.

Die Beschwerdeführerin betreibt die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner aus einem Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Uelzen vom 09.01.2009, Az. 08991992304. Mit Schreiben vom 16.12.2014 erteilte die Firma L. KG als Vertreterin der Beschwerdeführerin einen Auftrag zur Abnahme der Vermögensauskunft bei der Verteilerstelle für Gerichtsvollzieheraufträge des Amtsgerichts Rotenburg (Wümme). Der Obergerichtsvollzieher hat in seiner Kostenrechnung vom 14.01.2015 (Bl. 7 d.A.) zu seinem Aktenzeichen DR II .../14 unter anderem Kosten in Höhe von 16,- Euro für den Versuch einer gütlichen Einigung gemäß KV 207 in Rechnung gestellt.

Hiergegen wandte sich die Firma L. KG mit ihren Schreiben an den Gerichtsvollzieher vom 19.01.2015 und 20.01.2015 (Bl. 4, 6 d.A.). Der Gerichtsvollzieher lehnte eine Korrektur seiner Kostenrechnung ab (Bl. 3, 5 d.A.).

Auf Grund dessen legte die Firma L. KG als Vertreterin der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 26.01.2015 (Bl. 1-2 d.A.) Erinnerung gemäß § 766 Abs. 2 ZPO wegen der von dem Gerichtsvollzieher in Ansatz gebrachten Kosten ein.

Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass nur ein Auftrag zur Abnahme der Vermögensauskunft und kein separater Auftrag für eine gütliche Einigung erteilt worden sei. Insofern sei auf Seite 2 des Auftrages (Bl. 9 d.A.) aufgeführt:

„Gütliche Erledigung, § 802b ZPO (kein separater Auftrag!)

Es wird keine separate gütliche Erledigung beantragt. Aber nach § 802b Abs. 1 ZPO soll der Gerichtsvollzieher in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung bedacht sein. Sollte der Schuldner eine Ratenzahlung vorschlagen, wird dieser unter folgenden Bedingungen schon jetzt zugestimmt: (…)“

Daraus ergebe sich, dass kein Auftrag für eine gütliche Einigung erteilt werde. Sollte der Schuldner Interesse an einer Ratenzahlung äußern, so würden dem Gerichtsvollzieher die Bedingungen mitgeteilt, unter denen eine entsprechende Einigung möglich wäre. In dem Fall einer solchen Einigung werde eine Einigungsgebühr nach KV 207 ausgelöst.

Die Beschwerdeführerin behauptet, dass keine gütliche Erledigung oder deren Versuch stattgefunden habe. Es könne nicht sein, dass ein Ratenzahlungsangebot neben einer Zahlungsfrist in der Terminsladung zur Vermögensauskunft zusätzliche Kosten nach KV 207 auslöse, zumal dies gesetzlicher Auftrag des Gerichtsvollziehers nach §§ 802b Abs. 1, Abs. 2 S. 1, 802f Abs. 1 S. 1 ZPO sei.

Die Beschwerdeführerin ist der Ansicht, dass der Gerichtsvollzieher mit der Abrechnung der Gebühr nach KV 207 gegen die Verpflichtung aus § 802a Abs. 1 ZPO verstoße, auf eine zügige, vollständige und Kosten sparende Beitreibung von Geldforderungen hinzuwirken.

Der Obergerichtsvollzieher hat mit Schreiben vom 30.01.2015 gegenüber dem Amtsgericht Rotenburg (Wümme) Stellung genommen (Bl. 15 d.A.). Hierin führt er aus, dass kein separater Antrag auf gütliche Einigung durchgeführt wurde. Vielmehr sei dem Schuldner in der Ladung zu dem Termin auf Abgabe der Vermögensauskunft die ratenweise Tilgung der Forderung angeboten worden. Da es sich nicht um einen Antrag gemäß § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 4 ZPO handele, sei eine Gebühr gemäß KV 207 in Rechnung gestellt worden.

Die Firma L. KG führt in einem Schreiben vom 03.02.2015 (Bl. 17ff d.A.) hierzu aus, dass entsprechend der Nachbemerkung im Kostenverzeichnis die Gebühr nach KV 207 nicht entstehe, wenn der Gerichtsvollzieher gleichzeitig mit einer auf eine Maßnahme nach § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 4 ZPO gerichtete Amtshandlung beauftragt ist. Der Gebührentatbestand des KV 207 sei eingeführt worden, um eine Vergütung für einen isolierten Güteversuch zu gewähren. Ohne einen solchen Gebührentatbestand würde der Gerichtsvollzieher bei einem isolierten Güteversuch keine Gebühren erhalten. Der neue Gebührentatbestand sollte jedoch nicht dazu dienen, den gemäß § 802b Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens zu unternehmenden Güteversuch im Zusammenhang mit einer Maßnahme nach § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 oder 4 ZPO zusätzlich zu vergüten.

Der Bezirksrevisor hat unter dem 21.04.2015 Stellung genommen (Bl. 36-37 d.A.). Nach dessen Auffassung komme es darauf an, wie das Vollstreckungsgericht den Einwand der Erinnerungsführerin werte, wonach eine gebührenrelevante Tätigkeit des Obergerichtsvollziehers in Bezug auf eine gütliche Einigung fehle. Insoweit könne der Bezirksrevisor der Ansicht der Kostenschuldnerin einiges abgewinnen, wonach die Einräumung einer Zahlungsfrist in der Terminsladung zur Abnahme der Vermögensauskunft nichts mit einer gütlichen Erledigung zu tun habe, sondern dem Schuldner gemäß § 802f Abs. 1 ZPO in jedem Fall vor dem Termin zu gewähren sei.

Hierauf hat der Obergerichtsvollzieher mit Schreiben vom 26.05.2015 reagiert (Bl. 53-54 d.A.). Er führt insbesondere aus, dass er in dem vorliegenden Fall dem Schuldner sowohl eine Zahlungsfrist zur Begleichung der Forderung als auch eine Ratenzahlung schriftlich angeboten habe.

Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 15.06.2015 die Erinnerung zurückgewiesen und die Beschwerde zugelassen (Bl. 59-60 d.A.).

Gegen die Entscheidung des Amtsgerichtes hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 10.07.2015, bei dem Amtsgericht eingegangen am 13.07.2015, sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 62-63 d.A.).

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht Verden zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 64 d.A.).

II.

Die gemäß § 5 Abs. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 2 S. 2 GKG zulässige Beschwerde ist begründet.

Darauf, ob in dem Vollstreckungsauftrag der Beschwerdeführerin ein gesonderter Auftrag zur gütlichen Einigung enthalten ist, kommt es vorliegend nicht an. Der Gerichtsvollzieher ist gemäß § 802b Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens gehalten, auf eine gütliche Erledigung hinzuwirken. Das bedeutet, dass unabhängig von einem Antrag der Beschwerdeführerin der Gerichtsvollzieher die rechtliche Pflicht hat, eine gütliche Einigung zu prüfen. Ein isolierter Auftrag zur Durchführung eines Güteversuches ist jedenfalls nicht erteilt worden. Allein bei einer isolierten Durchführung einer gütlichen Erledigung besteht Einigkeit dahingehend, dass eine Gebühr nach Nr. 207 KV-GvKostG entsteht.

Entscheidend ist vielmehr, ob vorliegend eine Gebühr für den Versuch einer gütlichen Erledigung entstanden ist, obwohl ein Auftrag der Beschwerdeführerin zur Abnahme der Vermögensauskunft erteilt worden ist.

Gemäß Nr. 207 der Anlage zu § 9 GvKostG entsteht eine Gebühr in Höhe von 16,00 € für den Versuch einer gütlichen Erledigung der Sache (§ 802b ZPO). Diesem Tatbestand ist eine Bemerkung nachgestellt, die bestimmt, dass die Gebühr nicht entsteht, wenn der Gerichtsvollzieher gleichzeitig mit einer auf eine Maßnahme nach § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 4 ZPO gerichteten Amtshandlung beauftragt ist.

Vorliegend ist der Obergerichtsvollzieher lediglich mit einer Maßnahme nach § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 ZPO, nämlich der Einholung der Vermögensauskunft, beauftragt worden, nicht jedoch mit einer Maßnahme nach § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO, also einer Sachpfändung.

In der Rechtsprechung ist umstritten, wie die Nachbemerkung zu Nr. 207 KV-GvKostG auszulegen ist.

So haben das Oberlandesgericht Köln (Beschluss vom 11.06.2014, Az. 17 W 66/14), das Oberlandesgericht Stuttgart (Beschluss vom 04.02.2015, Az. 8 W 458/14), das Oberlandesgericht Karlsruhe (Beschluss vom 25.08.2015, Az. 11 W 3/15), das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (Beschluss vom 28.12.2015, Az. 14 W 84/15), das Landgericht Dresden (Beschluss vom 28.06.2013, Az. 2 T 325/13), das Landgericht Freiburg (Beschluss vom 22.01.2014, Az. 3 T 177/13) sowie das Landgericht Hannover (Beschluss vom 17.02.2015, Az. 92 T 16/15) die Auffassung vertreten, dass die Gebühr Nr. 207 des KV-GvKostG bereits dann nicht anfalle, wenn der Gerichtsvollzieher entweder mit der Sachpfändung oder mit der Abnahme der Vermögensauskunft beauftragt sei. Insofern sei der Wortlaut der Nachbemerkung nicht eindeutig, vielmehr sei das „und“ als „oder“ zu lesen. Hierfür spreche, dass die Vorschrift von einer Maßnahme und einer Amtshandlung spreche. Sinn und Zweck der Schaffung von Nr. 207 KV-GvKostG sei gewesen, zu verhindern, dass der Gerichtsvollzieher im Falle einer isolierten erfolglosen gütlichen Erledigung keine Vergütung erhalte. Der neue Gebührentatbestand solle jedoch nicht dazu dienen, den gemäß § 802b Abs. 1 ZPO in jeder Lage des Verfahrens zu unternehmenden Güteversuch im Zusammenhang mit einer Maßnahme nach § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 oder 4 ZPO zusätzlich zu vergüten. Ein solcher Güteversuch sei mit der Gebühr für die Vermögensauskunft bzw. Pfändung abgegolten.

Dagegen haben das Landgericht Kleve (Beschluss vom 06.03.2014, Az. 4 T 66/14), das Landgericht Mönchengladbach (Beschluss vom 04.12.2014, Az. 5 T 256/14) sowie das Oberlandesgericht Düsseldorf (Beschluss vom 03.03.2015, Az. 10 W 25/15) entschieden, dass die Gebühr für den Versuch einer gütlichen Einigung nach § 802b Abs. 1 ZPO nur dann nicht anfalle, wenn kumulativ eine Beauftragung mit einer Maßnahme nach § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 4 ZPO vorliege. Einer abweichenden Auslegung sei die Formulierung nicht zugänglich, da es sich um einen Ausnahmetatbestand handele, der grundsätzlich eng auszulegen sei. Es erscheine nicht sachgerecht, die Anwendung des Nr. 207 KV-GvKostG auf die wenigen Fälle zu beschränken, in denen der Gerichtsvollzieher nur einen isolierten Auftrag zur gütlichen Erledigung erhalten habe.

Die Kammer schließt sich der überwiegenden Rechtsprechung an, die für das Entfallen der Gebühr nach KV 207 des GvKostG das Vorliegen entweder eines Antrages auf Abnahme der Vermögensauskunft oder auf Sachpfändung ausreichen lässt. Die insoweit in den zitierten Entscheidungen angeführten Argumente überzeugen.

Der Wortlaut der Nachbemerkung ist nicht eindeutig. Zum einen wird auf § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und Nr. 4 ZPO Bezug genommen, zum anderen von einer auf eine Maßnahme gerichteten Amtshandlung gesprochen. Der Wortlaut ergibt daher keine eindeutige Auslegung. Insoweit kann der Auffassung der Landgerichte Kleve und Mönchengladbach sowie des OLG Düsseldorf nicht gefolgt werden.

Die Gesetzesmaterialien (Bundestagsdrucksache 16/10069, S. 48) kommentieren die Änderung der Nr. 207 KV-GvKostG wie folgt:

„Zu Buchstabe b (Nummer 207 KV GvKostG-E):

Nach § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO-E kann der Gläubiger den Gerichtsvollzieher isoliert mit dem Versuch einer gütlichen Erledigung der Sache beauftragen. In derartigen Fällen soll der Gerichtsvollzieher eine Gebühr in Höhe von 12,50 Euro erheben können, um den mit dem Versuch einer gütlichen Erledigung verbundenen Aufwand abzugelten. Ohne diesen Gebührentatbestand würde der Gerichtsvollzieher bei einem erfolglosen Güteversuch für seine Tätigkeit keinerlei Gebühren erhalten. Nach der Anmerkung entsteht die Gebühr nicht, wenn der Gerichtsvollzieher gleichzeitig mit einer auf eine Maßnahme nach § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 und 4 ZPO-E gerichteten Amtshandlung beauftragt wird. In diesen Fällen wird sein Aufwand für den Versuch der gütlichen Erledigung, insbesondere das Aufsuchen des Schuldners, durch die Gebühren für die Einholung der Vermögensauskunft und für die Pfändung mit abgegolten.“

Dies zeigt, dass Sinn und Zweck der Einführung der Vorschrift war, für einen zusätzlichen Aufwand zur gütlichen Einigung eine weitere Gebühr entstehen zu lassen. Sofern der Gerichtsvollzieher den Schuldner wegen einer Maßnahme nach § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 und 4 ZPO-E aufsucht, soll der Aufwand für den Versuch der gütlichen Einigung durch die entsprechend entstehenden Gebühren als mit abgegolten zählen.

Sofern der Gerichtsvollzieher ausschließlich mit der Einholung der Vermögensauskunft beauftragt ist, ist sein Aufwand geringer als wenn er zusätzlich mit der Pfändung beauftragt wäre. Denn bei einer isolierten Vermögensauskunft kann der Gerichtsvollzieher den Schuldner - wie hier geschehen - in sein Büro laden, während er bei einer Pfändung diesen aufsuchen müsste. Es ist zweckwidrig, wenn der Gerichtsvollzieher für einen geringeren Aufwand (isolierte Einholung der Vermögensauskunft) eine höhere Vergütung dadurch erhalten könnte, dass er eine Gebühr für den Versuch einer gütlichen Einigung abrechnet, während dies bei einem höheren Aufwand (Einholung der Vermögensauskunft und Pfändung) nicht der Fall sein soll.

Daher ist die Nachbemerkung zu Nr. 207 KV-GvKostG dahingehend auszulegen, dass auch im Falle der isolierten Beauftragung nach Nr. 2 oder Nr. 4 eine Gebühr für den Versuch der gütlichen Einigung nicht entsteht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 8 GKG.

Gegen diesen Beschluss wird gemäß § 5 Abs. 2 S. 2 GvKostG i.V.m. § 66 Abs. 4 S. 1 GKG die weitere Beschwerde zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Dies ist der Fall, wenn eine klärungsbedürftige Frage zu entscheiden ist, deren Auftreten in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen zu erwarten ist und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Dies ist vorliegend der Fall.