Landgericht Verden
Urt. v. 24.06.2016, Az.: 4 O 372/15
Bibliographie
- Gericht
- LG Verden
- Datum
- 24.06.2016
- Aktenzeichen
- 4 O 372/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 43100
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Klägerin und ihre Eltern sowie die Beklagte schlossen am 26./29. Oktober 2009 zur Finanzierung einer Immobilie einen Darlehensvertrag über 68.000,00 € mit einem effektiven Jahreszins von 5,24 % fest bis 2019. Dem Darlehensvertrag war eine Widerrufsbelehrung beigefügt. Wegen der Einzelheiten wird auf Anlage K 1, Bl. 24 ff d.A. Bezug genommen. Im Juni 2010 schloss die Klägerin ohne Beteiligung ihrer Eltern einen im Wesentlichen inhaltsgleichen Darlehensvertrag, der nach den besonderen Vereinbarungen den ursprünglichen Darlehensvertrag ersetzen sollte (Anlage B 1, Bl. 71 ff. d.A.).
Mit Schreiben vom 17.03.2015 widerrief die Klägerin „den Darlehensvertrag“ (Anlage K 2, Bl. 30 d.A.). Die Beklagte wies den Widerruf als verspätet zurück.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag aus 2009 sei fehlerhaft. Hierzu meint sie, das in der Widerrufsbelehrung nach der Widerrufsfrist von 2 Wochen folgende lange weiße Feld sei geeignet, den Verbraucher zu irritieren. Außerdem seien die in der streitgegenständlichen Widerrufsbelehrung enthaltenen Fußnotenzusätze („1 Nicht für Fernabsatzgeschäfte“, „2 Bezeichnung des konkret betroffenen Geschäfts“) geeignet, den Verbraucher von seinem Widerrufsrecht abzuhalten. Bei der Angabe der Empfängerkanäle sei nicht hinreichend deutlich, dass es sich um eine alternative Aufzählung handele. Schließlich sei die Belehrung über die finanzierten Geschäfte geeignet, dem Verbraucher die Ausübung des Widerrufsrechts zu erschweren, weil darin auch unnötige Textpassagen enthalten seien über das Widerrufsrecht bei einfachen Darlehensverträgen oder auch Überlassung einer Sache.
Die Klägerin errechnet nach Rückabwicklung des Darlehensvertrages einen noch an die Beklagte zu leistenden Betrag in Höhe von 55.306,12 €. Dabei hat die Klägerin ihre Ansprüche aus der Summe der Rückzahlung ihrer Zinsleistung und der Erstattung hieraus gezogener Nutzung in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz verrechnet mit den Ansprüchen der Beklagten aus der Summe der Darlehensvaluta abzüglich Zinsleistung und einer Verzinsung in Höhe des jeweils monatlich festgestellten marktüblichen Zinssatzes.
Die Klägerin beantragt,
1. festzustellen, dass die Klägerin an ihre auf Abschluss des Verbraucherdarlehensvertrages Nr. xxx vom 29.10.2009 gerichtete Willenserklärung infolge wirksamen Widerrufs nicht mehr gebunden ist und in der Folge der Verbraucherdarlehensvertrag rückabzuwickeln ist;
2. weiter festzustellen, dass der Beklagte nach Rückabwicklung des Verbraucherdarlehensvertrags Nr. xxx zum Zeitpunkt des 31.10.2015 kein über einen Betrag in Höhe von 55.306,12 € hinausgehender Zahlungsanspruch gegen die Klägerin zusteht und sich dieser Betrag bis zur gerichtlichen Entscheidung in dem Maße verringert, in dem die Klägerin ab dem 31.10.2015 weiterhin die ursprünglich vereinbarten monatlichen Darlehensraten an die Beklagte leisten wird;
3. weiterhin festzustellen, dass sich die Beklagte seit dem 27.08.2015 mit der Annahme des Leistungsangebots der Klägerin zur Rückabwicklung des Verbraucherdarlehensvertrags Nr. xxx in Verzug befindet;
4. weiterhin festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den Schaden in vollem Umfang zu ersetzen, der ihr nach dem 17.04.2015 aus der zeitlich verzögerten Umfinanzierung der Restschuld aus dem Verbraucherdarlehensvertrag Nr. xxx bei einem anderen Kreditinstitut entstehen wird;
5. die Beklagte zu verurteilen, die Rechtsschutzversicherung der Klägerin, die D. Rechtsschutz-Versicherungs-AG, vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 2.253,31 € sowie an die Klägerin 150,00 € zu zahlen, hilfsweise diese in jeweils gleicher Höhe freizuhalten.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist der Meinung, der Widerruf sei verfristet. Die Widerrufsbelehrung entspreche dem Deutlichkeitsgebot und sei auch inhaltlich nicht zu beanstanden. Im Übrigen beruft sich die Beklagte auf Rechtsmissbrauch und Verwirkung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung der Verpflichtung zur Rückabwicklung des Darlehensvertrags aus 2009 aufgrund Widerrufs der Vertragserklärung gemäß § 495 BGB.
Es kann offen bleiben, ob die Klägerin überhaupt Ansprüche aus dem ursprünglichen Darlehensvertrag vom 29. Oktober 2009 herleiten kann. Das ist zweifelhaft, da der Darlehensvertrag durch Abschluss einer neuen Vereinbarung im Juni 2010 ersetzt worden ist. Der Widerruf der Klägerin vom 17.03.2015 ist jedenfalls verfristet. Gemäß § 355 Abs. 1 BGB a. F. beträgt die Widerrufsfrist für einen Verbraucher zwei Wochen, gerechnet vom Erhalt der Widerrufsbelehrung und der Vertragsurkunde im Jahr 2009. Der erst im Jahr 2015 erklärte Widerruf ist damit verspätet.
Die Widerrufsbelehrung zum Darlehensvertrag vom 29. Oktober 2009 ist fehlerfrei und hat deshalb die Widerrufsfrist von zwei Wochen in Gang gesetzt.
Nach § 355 BGB a. F. (in der Fassung vom 2. Dezember 2004, gültig bis zum 10. Juni 2010) beginnt die Frist mit dem Zeitpunkt, zu dem dem Verbraucher eine deutlich gestaltete Belehrung über sein Widerrufsrecht, die ihm entsprechend den Erfordernissen des eingesetzten Kommunikationsmittels seine Rechte deutlich macht, in Textform mitgeteilt worden ist, die auch Name und Anschrift desjenigen, gegenüber dem der Widerruf zu erklären ist, und einen Hinweis auf den Fristbeginn und die Regelung des Abs. 1 S. 2 enthält. Nach § 355 Abs. 2 S. 3 beginnt die Frist allerdings nicht zu laufen, bevor dem Verbraucher auch eine Vertragsurkunde, der schriftliche Antrag des Verbrauchers oder eine Abschrift der Vertragsurkunde oder des Antrags zur Verfügung gestellt werden, wenn der Vertrag - wie hier - schriftlich abzuschließen ist. Alle diese Voraussetzungen erfüllt die vorliegende Widerrufsbelehrung.
Das vorhandene lange weiße Feld schränkt die Deutlichkeit der Widerrufsbelehrung nicht ein, zumal hier durch den eingefügten Strich unmissverständlich erkennbar ist, dass kein Zusatz fehlt. Auch unabhängig davon hat die Kammer keinen Zweifel daran, dass der durchschnittliche Verbraucher angesichts der davor formulierten eindeutigen „zwei Wochen“ keine in irgendeiner Weise fehlerhafte Vorstellung von der Dauer der Widerrufsfrist bekommt.
Auch die Verwendung einer Fußnote in der Überschrift Widerrufserklärung gefährdet bei dem durchschnittlichen Verbraucher das Verständnis von seinem Widerrufsrecht nicht. Die Fußnote verweist unten auf den Hinweis „nicht für Fernabsatzgeschäfte“. Angesichts des Umstandes, dass hier der Darlehensvertrag mit der vor Ort sitzenden Beklagten abgeschlossen worden ist, ist der Hinweis auf die Nichtgeltung der Widerrufsbelehrung für Fernabsatzgeschäfte so fernliegend, dass der durchschnittliche Verbraucher hierdurch nicht in Zweifel geraten kann, ob ihm das Widerrufsrecht zusteht oder nicht. Offensichtlich unproblematisch ist die weitere Fußnote, die ausschließlich zur näheren Individualisierung bzw. Konkretisierung das Datum nennt, an dem das Vertragsformular vorbereitet worden ist. Gleiches gilt für die beanstandete Darstellung der Empfängerkanäle. Auch hier ist gar nicht ersichtlich, dass ein durchschnittlicher Darlehensverbraucher auf die Idee kommen könnte, alle drei genannten Widerrufsempfängerkanäle etwa ausschöpfen zu müssen, um seinen Widerruf wirksam ausüben zu können.
Schließlich hält die Kammer auch die Darstellung der Rechtsfolgen bei finanzierten Geschäften nicht für irreführend. Vielmehr setzt die hier verwendete Darstellung der Folgen bei finanzierten Geschäften den Verbraucher in die Lage, ohne größere Schwierigkeiten selbst zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für ein finanziertes Geschäft vorliegen. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass dieser Teil der Widerrufsbelehrung, der ja gar nicht einschlägig ist, einen Großteil der Gesamtwiderrufsbelehrung ausmacht. Dies ist jedoch deshalb unschädlich, weil der Verbraucher bei der Lektüre unschwer erkennen kann, ob dieser Fall für ihn eingreift oder nicht. Insofern ist die Verwendung unschädlich (so auch OLG Celle, u.a. Hinweisbeschluss vom 18. Mai 2016, Az. 3 U 65/16).
Ist aber den Anforderungen des § 355 BGB a. F. Genüge getan, kommt es nicht mehr darauf an, ob auch die Widerrufsbelehrung dem Muster aus der Anlage 2 zu § 14 Abs. 1 und 3 der BGB-Infoverordnung entspricht.
Da kein Widerrufsrecht nach § 495 BGB mehr bestand, sind auch die Folgeanträge unbegründet.
Die prozessualen Nebenentscheidung beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.