Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 17.01.2024, Az.: 8 A 426/21

Anfechtung von Rechtshandlungen; Duldungsbescheid; gesetzliche Duldungspflicht; Gläubigerbenachteiligung; Gläubigerbenachteiligungsvorsatz; Nahe Angehörige; Steuerforderungen außerhalb des Insolvenzverfahrens; Vermögensverschiebung; Vermutungsregelung; Zur Inanspruchnahme eines Grundstückserwerbers für Vergnügungs- und Gewerbesteuerschulden des Grundstücksverkäufers durch Duldungsbescheid nach § 191 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt, Satz 2 AO

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
17.01.2024
Aktenzeichen
8 A 426/21
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 13559
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2024:0117.8A426.21.00

Fundstelle

  • NZI 2024, 503-507

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    § 191 Abs. 1 Satz 2 AO enthält eine Privilegierung der steuererhebenden Behörde, weil sie einen Rückgewähranspruch aus § 11 Anfechtungsgesetz (AnfG) nicht nach den zivilrechtlichen Vorschriften im Wege der Klage (§ 13 AnfG) verfolgen muss, sondern die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens durch Duldungsbescheid erfolgt.

  2. 2.

    Da sich die Anfechtungstatbestände nach § 3 Abs. 1 AnfG und § 3 Abs. 4 AnfG gegenseitig nicht ausschließen, kommt auch bei einem entgeltlichen Vertrag zwischen nahestehenden Personen (§ 138 Insolvenzordnung - InsO) eine Vorsatzanfechtung nach § 3 Abs. 1 AnfG in Betracht, wenn eine erleichterte Anfechtbarkeit nach Abs. 4 ausscheidet.

  3. 3.

    Die Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners wird beim Anfechtungsgegner vermutet, wenn er die Höhe der bestehenden Verbindlichkeiten des Schuldners kannte und wusste, dass die Rechtshandlung den Gläubiger benachteiligt, weil das erworbene Grundstück diesem als Zwangsvollstreckungsobjekt entzogen wird.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann eine Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht zuvor die Beklagte Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 122.603,99 € festgesetzt.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen einen Duldungsbescheid, mit dem die Beklagte eine Grundstücksübertragung seiner Eltern an ihn angefochten hat, um ihn zur Duldung der Zwangsvollstreckung in das übertragene Grundstück für Vergnügungs- und Gewerbesteuerschulden seines Vaters heranzuziehen.

Der Vater des Klägers, Herr A., den die erkennende Kammer auf Anregung des Prozessbevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung als Zeugen gehört hat (im Folgenden deshalb "Zeuge" genannt), meldete im Januar 2013 sein Gewerbe mit der Tätigkeit "Aufstellen von Spielgeräten mit Gewinnmöglichkeit sowie Unterhaltungsspielgeräten" an seinem Wohnsitz C-Straße, 38100 Braunschweig bei der Beklagten an. Außerdem betrieb er in A-Stadt als Gastwirt und Automatenaufsteller Schankwirtschaften in der H. (Sport-Bar), I. (Balkan Imbiss), J. (Casino Club II) und (Café 1967) sowie in der K. (L.). Für die aufgestellten Spielgeräte zog die Beklagte den Zeugen quartalsweise regelmäßig auf der Grundlage ihrer Vergnügungssteuersatzung zur Vergnügungssteuer heran. Im April 2016 legte der Kläger eine Vollmacht vom 22.04.2016 vor, mit der ihn der Zeuge bevollmächtigte, in seinem Namen zu handeln und ankündigte, dass der Kläger in Zukunft für ihn die Unterlagen bei der Beklagten einreichen werde.

Ende des Jahres 2015 bzw. Anfang des Jahres 2016 stellte die Beklagte Unregelmäßigkeiten bei der Festsetzung der Vergnügungssteuer fest und setzte mit Änderungsbescheiden vom 29.05.2016, 08.07.2016 und 29.07.2016 erhöhte Steuern für den Zeitraum Januar 2013 bis März 2016 in Höhe von 12.945,58 €, 8.000 € und 69.915,49 €, insgesamt 90.861,07 €, fest. Grundlage für die Nacherhebungen waren polizeilich beschlagnahmte Kassenstreifen und Schätzungen der Beklagten. Die Beklagte übersandte die Änderungsbescheide, in denen der Zeuge als Abgabepflichtiger genannt wurde, an den Kläger.

Gegen den Bescheid vom 08.07.2016 legte der Zeuge "Einspruch" ein, weil die Festsetzung des Betrages von 8.000 € auf einer Schätzung beruhte. Mit Änderungsbescheid vom 15.08.2016 setze die Beklagte für den Zeitraum Februar bis März 2016 statt des geschätzten Betrages in Höhe von monatlich 4.000 € Beträge in Höhe von 4.175,32 € und 3.653,42 € fest (insgesamt 7.828,74 €).

Am 16.08.2016 rief der Kläger bei der Beklagten an, teilte mit, dass der Zeuge die fälligen Forderungen zum Teil nicht bezahlen könne und erkundigte sich nach der Möglichkeit einer Stundung. Mit E-Mail vom 18.08.2016 und Schreiben vom 17.08.2016 beantragte der Zeuge eine Ratenzahlung für die Summe von 8.096 €. In der Folgezeit fanden verschiedene Gespräche und Schriftwechsel zwischen dem Kläger und der Beklagten bezüglich einer Stundung sowie der Höhe der Ratenzahlung statt. Die Ratenzahlungen gingen im Verhältnis zur Höhe der Vergnügungssteuerforderung nur in geringem Umfang ein. Im Rahmen eines Telefongesprächs erfragte der Kläger bei der Beklagten am 29.09.2016 den Rückstand der laufenden Vergnügungssteuer, weil er diesen Betrag umgehend überweisen wolle, bevor er für zwei Wochen im Urlaub sei. Er gab außerdem an, der Zeuge habe ihm auf Nachfrage mitgeteilt, "die Verkaufserlöse" zur Tilgung seiner Rückstände beim Finanzamt verwendet zu haben.

Unter dem 24.10.2016 informierte die Beklagte den Zeugen schriftlich darüber, dass sein Vergnügungssteuerkonto derzeit eine Forderung von 83.599,65 € aufweise und bei Durchsicht der Steuerkonten festgestellt worden sei, dass das Finanzamt unter zwei verschiedenen Steuernummern nunmehr Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 2013 und 2014 festgesetzt habe. In Kürze würden daher die Gewerbesteuerfestsetzungsbescheide ergehen.

Mit Schreiben vom 15.12.2016 teilte der Zeuge der Beklagten mit, er habe die Selbstständigkeit aufgrund gesundheitlicher Probleme (Schlaganfall mit Krankenhausaufenthalt während des Urlaubs in der Türkei) zum 07.11.2016 aufgegeben. Der Kläger unterstütze ihn bei der Ratenzahlung, und sie würden ihre Schulden weiterhin monatlich in Höhe von 1.000 € überweisen. Er bitte um eine "Schlussrechnung", auf der die gesamte Forderung ersichtlich sei. Aufgrund der Gewerbeabmeldung kämen weitere Vergnügungssteuerzahlungen nicht mehr hinzu.

Unter dem 17.05.2017 wandte sich der Zeuge erneut an die Beklagte und beantragte eine Ratenzahlung in Höhe von 50 € monatlich. Da er momentan mittellos sei und keine weiteren Einkünfte außer ALG 2 beziehen werde, könne er höhere Raten nicht zahlen. Er bitte um eine Übersicht über alle offenen Forderungen und um Aussetzung der Vollstreckung. Mit Verfügung vom 12.06.2017 bestätigte die Beklagte den Eingang des Ratenzahlungsantrages.

Mit Bescheiden vom 05.02.2018 lehnte die Beklagte gegenüber dem Zeugen den Antrag auf Ratenzahlung der Vergnügungssteuerrückstände in Höhe von 98.571,33 € und seine Anträge auf Stundung rückständiger Gewerbesteuern in Höhe von 16.707 € wegen dessen Zahlungsunfähigkeit und der sich daraus ergebenden Gefährdung des Steueranspruchs ab.

Die Beklagte wollte noch am selben Tag Vollstreckungsmaßnahmen gegen den Zeugen einleiten und forderte einen Auszug aus dem Grundbuch sowie einen Flurstücks- und Eigentumsnachweis über das vermeintlich dem Schuldner zur Hälfte gehörende Grundstück C-Straße in A-Stadt an. Daraus ergab sich, dass der Kläger aufgrund einer Auflassung vom 05.08.2016 seit dem 18.10.2016 als neuer Eigentümer im Grundbuch und in Abteilung III für seine Eltern ein lebenslanges Wohnrecht eingetragen ist.

Mit Schriftsatz vom 06.02.2018 hörte die Beklagte den Zeugen zu einer beabsichtigten Anfechtung der Übertragung des Grundstückes nach dem Anfechtungsgesetz in Verbindung mit dem Erlass eines Duldungsbescheides gegenüber dem Kläger als Anfechtungsgegner an.

Der Kläger, dem die Beklagte das Anhörungsschreiben zur Kenntnis übersandt hatte, sprach am 27.02.2018 bei der Beklagten vor und bot dieser zur Vermeidung der Zwangsvollstreckung eine Zahlung in Höhe von 50.000 € in monatlichen Raten von 1.500 € an. Auf Rückfrage teilte er mit, der Wert des Kaufpreises sei in Höhe von 400.000 € geschätzt worden, ein Gutachten hierfür liege nicht vor. In einem schriftlichen Angebot vom 27.02.2018 gab er an, seine Eltern hätten das Objekt C-Straße an ihn übertragen, weil sie die monatlichen Darlehensraten in Höhe von ca. 1.300 € nicht mehr hätten zahlen können. Er habe das Objekt gekauft, weil er nicht gewollt habe, dass es versteigert werde.

Der Kläger legte außerdem den notariellem Grundstückskauf- und Übertragungsvertrag vom 05.08.2016 vor, mit dem seine Eltern ihm ihr Eigentum an dem teilweise vermieteten Mehrfamilienhausgrundstück C-Straße in A-Stadt, Gemarkung Innenstadt, Flur M., Flurstück N., Hof und Gebäudefläche zur Größe von 437 m2 übertragen hatten. Nach § 1 des Vertrages ist in Abteilung III das Grundstück mit einer brieflosen Grundschuld in Höhe von 238.000 € belastet. Unter § 2 Nr. 4 des Kaufvertrages haben sich die Eltern des Klägers ein lebenslanges, dingliches Wohnrecht an der von ihnen bewohnten Wohnung im ersten Obergeschoss bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad sowie einem Raum im Dachboden vorbehalten. Gemäß § 3 Nr. 1 des Vertrages betrug der Kaufpreis 186.500,11 € und bestand in der schuldbefreienden Übernahme der grundpfandrechtlich gesicherten Darlehensverbindlichkeit bei der Nord LB in Höhe von seinerzeit 116.500,11 € durch den Kläger und der Zahlung eines sofort fälligen Kaufpreisteilbetrages in Höhe von 70.000 € von dem Käufer an den Verkäufer. Gemäß § 8 des Vertrages bezifferten die Parteien den Verkehrswert des Vertragsgegenstandes auf 400.000 € und den Jahreswert des dinglichen Wohnrechts auf 6.000 €.

Die Beklagte stimmte dem "Angebot" des Klägers (auf Zahlung von 50.000 € in monatlichen Raten zu 1.500 €) nicht zu, weil damit der Verzicht auf eine Restforderung von seinerzeit 65.278,33 € verbunden gewesen wäre. Mit Verfügung vom 09.03.2018 kündigte sie dem Kläger gemäß § 7 Abs. 2 des Anfechtungsgesetzes die Anfechtung der Grundstücksübertragung und seine Inanspruchnahme durch Duldungsbescheid, wonach er die Vollstreckung in das Grundstück zu dulden bzw. Wertersatz zu leisten habe, an.

Unter dem 14.02.2019 teilte die Beklagte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers mit, dass gegen den Zeugen ein Steuerrückstand in Höhe von insgesamt 122.603,99 € bestehe, der sich aus rückständigen Vergnügungssteuerforderungen nebst Säumniszuschlägen, Mahngebühren und Vollstreckungskosten in Höhe von 106.222,49 € und Gewerbesteuerforderungen nebst Säumniszuschlägen, Mahngebühren und Vollstreckungskosten für die Jahre 2013, 2014 und 2015 in Höhe von 10.026 €, 4.445,50 € und 1.910 € zusammensetzte. Sie bezog sich auf ihre Schriftsätze aus dem Jahr 2018 und teilte mit, sie beabsichtige das bereits angekündigte Duldungsverfahren in Verbindung mit der Anfechtung des Grundstückskaufvertrages durchzuführen. Zwischenzeitlich habe der Zeuge am 18.07.2018 die Vermögensauskunft geleistet, und aus dem Vermögensverzeichnis würden sich keine weiteren Vollstreckungsmöglichkeiten ergeben.

Mit streitgegenständlichem Duldungsbescheid vom 14.09.2021 focht die Beklagte die Übertragung des Eigentums der Eltern des Klägers an dem Objekt C-Straße in A-Stadt aufgrund des Grundstückskauf- und Übertragungsvertrages vom 05.08.2016 an. Sie führte die rückständigen Vergnügungs- und Gewerbesteuerforderungen nebst Säumniszuschlägen, Mahngebühren und Vollstreckungskosten, die eine Gesamtforderung von 122.603,99 € ergeben, im Einzelnen auf. Insoweit wird auf die Seiten 1 und 2 des streitgegenständlichen Bescheides Bezug genommen. Die Beklagte wies darauf hin, dass der Kläger nach § 11 Anfechtungsgesetz die Vollstreckung in das übertragene Eigentum bis zur Höhe des Gesamtbetrages von 122.603,99 € so zu dulden habe, als gehöre die Liegenschaft noch zur Hälfte zum Vermögen seines Vaters, des Zeugen. Zur Begründung führte sie aus, dem Kläger sei die finanzielle Situation des Zeugen im August 2016 bekannt gewesen. Dies ergebe sich aus persönlichen Gesprächen, die mit ihm geführt worden seien. Auch sei er zum Zeitpunkt des Kaufvertrages bereits Empfangsbevollmächtigter für die entsprechenden Vergnügungssteuerbescheide gewesen. Aus dem Vergnügungssteuerbescheid vom 29.07.2016 habe sich beispielsweise eine Nachforderung in Höhe von 69.915,49 € ergeben. Der Zeuge habe seine Zahlung eingestellt, ihm würden keine Mittel zur Verfügung stehen, den Rückstand auszugleichen. Er habe letztmals am 26.11.2018 eine freiwillige Zahlung erbracht. Die Vollstreckung in sein Vermögen sei bislang ohne Erfolg geblieben. Mit der Übertragung seines halben Eigentumsanteils an dem Grundstück C-Straße, 38100 Braunschweig habe der Zeuge Rechtshandlungen vorgenommen, durch die sie - die Beklagte - als Steuergläubigerin benachteiligt worden sei. Sie habe den Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung zu beachten und müsse dabei insbesondere sicherstellen, dass Steuern nicht verkürzt würden. Da das übertragene Eigentum der einzige Vermögensgegenstand sei, in den vollstreckt werden könne, sei es ermessensgerecht, den Kläger zur Duldung dieser Vollstreckung heranzuziehen.

Am 14.10.2021 hat der Kläger Klage erhoben. Er ist der Ansicht, es bestehe kein Anfechtungsgrund, und die Anfechtungsfrist sei abgelaufen. Da es sich um eine Rechtshandlung gegenüber nahen Angehörigen handele, gelte gemäß § 3 Abs. 4 Satz 2 Anfechtungsgesetz eine Zweijahresfrist, sofern der Vorsatz des Schuldners, den Gläubiger zu benachteiligen, nicht bekannt gewesen sei. Dies sei hier der Fall. Seit der Übertragung des Eigentumsanteils im Jahre 2016 seien bereits fünf Jahre vergangen. Anders als die Beklagte behaupte, habe er - der Kläger - keine Kenntnis von einem Vorsatz gehabt, Gläubiger zu benachteiligen. Das Gegenteil sei der Fall gewesen, denn er habe seinerzeit mit dem Zeugen besprochen, den Eigentumsanteil zu erwerben, um ihm die Möglichkeit zu geben, seine Schulden zu bezahlen. Aus diesem Grund habe er neben der Schuldübernahme bei der finanzierenden Bank auch einen der Forderungshöhe entsprechenden Betrag an den Zeugen überwiesen, damit dieser seine Schulden begleichen könne. Er habe niemanden benachteiligen wollen und dies auch nicht billigend in Kauf genommen. Er habe sich darauf verlassen, dass der Zeuge die Steuerschulden tilge.

Der Kläger beantragt,

den Duldungsbescheid der Beklagten vom 14.09.2021 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erwidert: Bei der Übertragung des hälftigen Miteigentumsanteils an dem Mehrfamilienhausgrundstück C-Straße vom Zeugen an den Kläger handele es sich um eine anfechtbare Rechtshandlung, die den Kläger zu Duldung der Zwangsvollstreckung verpflichte. Der Zeuge habe als Steuerschuldner mit dem Vorsatz der Gläubigerbenachteiligung gehandelt, denn zum Zeitpunkt der Übertragung des Hausgrundstückes hätten sich die offenen Vergnügungssteuerforderungen auf 77.915,49 € belaufen. Dies habe der Zeuge, dem die entsprechenden Vergnügungssteuerbescheide vom 08.07.2016 und vom 29.07.2016 bekannt gegeben worden seien, gewusst. Er sei zum Zeitpunkt der Übertragung am 05.08.2016 bereits zahlungsunfähig gewesen, zumindest habe seine Zahlungsunfähigkeit gedroht, sodass sein Benachteiligungsvorsatz vermutet werden könne. Ein weiteres starkes Beweisanzeichen hierfür sei, dass der Zeuge und seine Ehefrau das Hausgrundstück mit knapp einem Drittel deutlich unter Wert an den Kläger verkauft hätten. Dies ergebe sich aus der folgenden Berechnung, bei der der Wert des Wohnrechts aus dem im Vertrag angegebenen Jahreswert von 6.000 € x Kapitalwertfaktor 14.11 (laut BMF-Schreiben zur Bewertung einer lebenslänglichen Nutzung oder Leistung für Stichtage ab 01.01.2022) angesetzt worden sei:

Wert der Immobilie: 400.000,00 €
Darlehensverbindlichkeit: -116.500,11 €
Restkaufpreis: -70.000,00 €
Wert Wohnrecht: -84.660,00 €
Differenz: 128.839,89 €

Der Gläubigerbenachteiligungsvorsatz folge zudem daraus, dass der Zeuge die zu geringen Einnahmen aus der Grundstücksveräußerung gerade nicht zur zumindest anteiligen Tilgung der Steuerschulden verwendet habe. Der Kläger habe auch Kenntnis von der Gläubigerbenachteiligung des Zeugen gehabt, denn er habe gewusst, dass dessen Zahlungsunfähigkeit gedroht habe. Da der Zeuge ihm am 22.04.2016 eine Dauervollmacht für die Korrespondenz mit ihr - der Beklagten - erteilt habe, sei der Kläger über die Höhe der bestehenden und zukünftig zu erwartenden Vergnügungssteuerforderungen zum Zeitpunkt der Vermögensübertragung am 05.08.2016 informiert gewesen. Dass dem Kläger die finanzielle Situation des Zeugen bewusst gewesen sei, werde bestätigt durch sein Angebot vom 27.02.2018, in dem er angegeben habe, das Hausgrundstück sei veräußert worden, weil seine Eltern die laufenden monatlichen Darlehensraten von 1.300 € nicht mehr hätten zahlen können. Das Vorbringen des Klägers, er habe den Eigentumsanteil erworben, um die Schulden des Zeugen zu bezahlen, stelle sich als Schutzbehauptung dar, denn der - deutlich zu geringe - Kaufpreisanteil in Höhe von 70.000 € habe bereits nicht ausgereicht, die zu diesem Zeitpunkt bestehenden Vergnügungssteuerforderung in Höhe von 77.915,49 € zu begleichen. Außerdem habe der Kläger bereits zwei Wochen nach der Veräußerung für den Zeugen einen Stundungsantrag gestellt. Dies bestätige, dass der Kaufpreisanteil in Höhe von 70.000 € nicht gezahlt worden sei. Zusätzlich sei auf die Nähebeziehung zwischen dem Kläger und dem Zeugen hinzuweisen, der eine indizielle Bedeutung für das Bestehen der Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners zukomme.

Ergänzend hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 10.05.2022 mitgeteilt, dass sie zwischenzeitlich einen Antrag auf Eintragung einer Zwangssicherungshypothek in das Grundbuch zum Grundstück des Mehrfamilienhauses C-Straße gestellt habe und ab dem 01.06.2022 die Pfändung der Mieteinnahmen aus dem teilweise vermieteten Mehrfamilienhaus beabsichtige.

Die erkennende Kammer hat den Kläger informatorisch angehört und auf dessen Anregung zu den Fragen betreffend die streitgegenständliche Grundstücksübertragung den Vater des Klägers, Herrn A. als Zeugen vernommen. Wegen des Ergebnisses der informatorischen Anhörung und der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 17.01.2024 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge. Diese Unterlagen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der angefochtene Duldungsbescheid der Beklagten vom 14.09.2021 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Rechtsgrundlage für den Erlass des Duldungsbescheides ist § 191 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. Abgabenordnung (AO). Nach § 191 Abs. 1 Satz 1, 2. Alt. AO kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden. Eine solche gesetzliche Duldungspflicht kann sich insbesondere aus dem Gesetz über die Anfechtung von Rechtshandlungen eines Schuldners außerhalb des Insolvenzverfahrens (Anfechtungsgesetz - AnfG) ergeben. Gemäß § 11 Abs. 1 AnfG muss, soweit es zur Befriedigung des (Steuer-)Gläubigers erforderlich ist, diesem zur Verfügung gestellt werden, was durch eine anfechtbare Rechtshandlung aus dem Vermögen des (Steuer)Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben wurde. Diese Regelung begründet die Pflicht des Anfechtungsgegners, der den Vermögensgegenstand erlangt hat, die Zwangsvollstreckung in den Gegenstand zu dulden. Der Anfechtungsgegner muss sich vom Anfechtungsgläubiger so behandeln lassen, als gehöre der weggegebene Gegenstand noch zum Vermögen des Schuldners. Den Rückgewähranspruch aus § 11 Abs. 1 AnfG braucht die Behörde nicht nach den zivilrechtlichen Vorschriften im Wege der Klage (§ 13 AnfG) zu verfolgen, sondern ihr steht dafür der Duldungsbescheid nach § 191 Abs. 1 Satz 1 AO zur Verfügung. § 191 Abs. 1 Satz 2 AO regelt ausdrücklich, dass die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens durch Duldungsbescheid erfolgt. Der die Anfechtungsklage im Sinne des § 13 AnfG ersetzende Duldungsbescheid muss dabei die zu befriedigende Forderung, den betreffenden Vermögensgegenstand sowie die Art und Weise der Rückgewähr sowie den Anfechtungsgrund angeben. Außerdem müssen die allgemeinen und besonderen Anfechtungsvoraussetzungen vorliegen (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 25.05.2011 - 5 K 3087/10 -, juris Rn. 4 unter Hinweis auf BVerwG, Urt. v. 18.04.1997 - 8 C 43.95 -, juris Rn. 36 ff.).

Diese Voraussetzungen sind hier in formeller und materieller Hinsicht erfüllt.

Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 14.09.2021 gibt den notwendigen Inhalt hinreichend bestimmt i.S.v. § 119 Abs. 1 AO wieder und ist, da der Kläger mit Schreiben vom 14.02.2019 vor Erlass des Duldungsbescheides angehört wurde, auch im Übrigen in formeller Hinsicht nicht zu beanstanden. Das zwischen der Anhörung und dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheides ein Zeitraum von mehr als zwei Jahren liegt, ist rechtlich unschädlich, weil es einen "Verbrauch" der Anhörung durch Zeitablauf nicht gibt.

Die zu befriedigenden Vergnügungs- und Gewerbesteuerforderungen werden in den Gründen des Bescheides getrennt nach Steuerart, Steuernummern und den jeweiligen Erhebungszeiträumen einschließlich Fälligkeitsdatum betragsmäßig ausgewiesen, sodass für den Adressaten ohne weiteres erkennbar ist, für welche Ansprüche er die Vollstreckung zu dulden hat. Außerdem wird der von der Anfechtung betroffene Gegenstand, der Eigentumsanteil des Zeugen (Vaters des Klägers) zu 1/2 am Grundstück C-Straße in A-Stadt, Flurstück XXX/1, Flur XXX, Gemarkung Innenstadt im streitgegenständlichen Bescheid genau bezeichnet sowie die Art und Weise der Rückgewähr angegeben (Duldung der Zwangsvollstreckung in das übertragene Eigentum bis zur Höhe des geschuldeten Gesamtbetrages, als gehöre die Liegenschaft noch zur Hälfte dem Schuldner, hier dem Zeugen A., oder Wertersatz). Außerdem hat die Beklagte den Anfechtungsgrund genannt und sich hierbei auf den Tatbestand der vorsätzlichen Gläubigerbenachteiligung gemäß § 3 Abs. 1 AnfG durch Übertragung des Grundbesitzes auf den Kläger als Sohn des Steuerschuldners gestützt.

Der streitgegenständliche Duldungsbescheid ist auch materiell rechtmäßig.

Die allgemeinen Anfechtungsvoraussetzungen des § 2 AnfG sind erfüllt. Danach ist zur Anfechtung jeder Gläubiger berechtigt, der einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dessen Forderung fällig ist, wenn die Zwangsvollstreckung in das Vermögen des Schuldners nicht zu einer vollständigen Befriedigung des Gläubigers geführt hat oder wenn anzunehmen ist, dass sie nicht dazu führen würde.

Vollstreckbare Schuldtitel sind hier die bestandskräftigen Vergnügungs- und Gewerbesteuerfestsetzungsbescheide der Beklagten aus den Jahren 2016. Die Höhe der Rückstände ist vom Kläger bzw. dem Zeugen zu keinem Zeitpunkt bestritten worden. Die Vergnügungssteuern für die Jahre 2013 bis 2016 nebst Säumniszuschlägen waren spätestens Anfang des Jahres 2017 fällig, die rückständige Gewerbesteuer für die Jahre 2013 bis 2015 einschließlich Nachforderungszinsen und Säumniszuschlägen war spätestens Ende des Jahres 2018 fällig.

Die Vollstreckungsversuche der Beklagten gegenüber dem Steuerschuldner, dem Zeugen A., sind außerdem ohne Erfolg geblieben. Dies folgt aus der Niederschlagungsempfehlung vom 17.09.2018 im Verwaltungsvorgang der Beklagten, wonach fruchtlos in das bewegliche Vermögen des Schuldners gepfändet worden ist, Forderungspfändungen ebenfalls erfolglos geblieben sind, der Schuldner am 18.07.2018 eine eidesstattliche Versicherung geleistet hat und sich aus dem Vermögensverzeichnis erfolgversprechende Vollstreckungsmöglichkeiten nicht ergeben. Dass der Zeuge hierbei - wie sich in der mündlichen Verhandlung herausgestellt hat - möglicherweise bewusst falsche Angaben gemacht und wahrheitswidrig angegeben hat, eine monatliche Miete von 550 € zahlen zu müssen, obgleich er aufgrund des dinglichen Wohnrechts mietfrei wohnt, ändert nichts daran, dass die Vollstreckungsversuche der Beklagten ohne Erfolg geblieben sind.

Die besonderen Anfechtungsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 AnfG liegen entgegen der Auffassung des Klägers vor. Danach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten zehn Jahren vor der Anfechtung mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen hat, wenn der andere Teil zur Zeit der Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte (§ 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG). Diese Kenntnis wird vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligte (§ 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG). Daneben besteht ein weiterer selbstständiger Anfechtungstatbestand in § 3 Abs. 4 AnfG. Danach ist ein vom Schuldner mit einer nahestehenden Person (§ 138 der Insolvenzordnung - InsO) geschlossener entgeltlicher Vertrag, durch den seine Gläubiger unmittelbar benachteiligt werden, innerhalb einer Frist von zwei Jahren anfechtbar, sofern dem anderen Teil zur Zeit des Vertragsschlusses ein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht bekannt war. § 3 Abs. 4 AnfG ermöglicht bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen eine erleichterte Anfechtbarkeit durch eine für den anfechtenden Gläubiger günstige Beweislastverteilung (zu Einzelheiten vgl. Huber, AnfG, 12. Aufl. 2021, BeckOK, § 3 Rn. 62 ff.). Da sich die Anfechtungstatbestände von Abs. 1 und Abs. 4 gegenseitig grundsätzlich nicht ausschließen, kommt bei einem entgeltlichen Vertrag zwischen nahestehenden Personen eine Vorsatzanfechtung nach § 3 Abs. 1 AnfG in Betracht, wenn eine erleichterte Anfechtbarkeit nach Abs. 4 ausscheidet, insbesondere, weil die Rechtshandlung außerhalb der zweijährigen Anfechtungsfrist vorgenommen wurde (Huber, aaO, § 3 Rn. 65). Aus diesem Grund ist das Vorbringen des Klägers, eine Anfechtung der Rechtshandlung sei ihm gegenüber als nahem Angehörigen (gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 2 InsO) nach Ablauf der Zweijahresfrist nicht mehr möglich, rechtlich unbeachtlich, zumal die Beklagte die Anfechtung nicht auf Abs. 4, sondern auf Abs. 1 gestützt hat.

Bei der Übertragung des hälftigen Eigentumsanteils an dem Grundstück C-Straße in A-Stadt durch notariellen Kaufvertrag vom 05.08.2016 handelt es sich um ein entgeltliches Rechtsgeschäft des Schuldners mit seinem Sohn, dem Kläger, und damit auch um eine Rechtshandlung i.S.v. § 3 Abs. 1 Satz 1 AnfG.

Die Übertragung führte zu einer objektiven Gläubigerbenachteiligung (§ 1 Abs. 1 AnfG). Eine solche liegt vor, wenn durch die Rechtshandlung des Schuldners die Befriedigungsmöglichkeit des Gläubigers aus dem Schuldnervermögen beeinträchtigt wird, d.h. ganz oder teilweise wegfällt, erschwert oder auch verzögert wird. Dabei kommt es nicht auf die Verminderung des Schuldnervermögens insgesamt an, sondern auf die Erschwerung der Vollstreckungsmöglichkeiten in den konkreten Gegenstand (vgl. VG Gelsenkirchen, Beschl. v. 25.05.2011 - 5 K 3087/10 -, juris Rn. 13).

Die Vollstreckungsmöglichkeiten der Beklagten sind durch die Eigentumsübertragung beeinträchtigt worden, denn ohne die Eigentumsübertragung hätte die Beklagte die Zwangsvollstreckung in den Miteigentumsanteil des Schuldners, des Zeugen A., betreiben können. Durch die Übertragung des Grundstücks auf den Kläger ist dieses jedoch den Zwangsvollstreckungsmaßnahmen der Beklagten entzogen worden. Eine Benachteiligung würde nur dann ausscheiden, wenn das Grundstück bereits bei der Vornahme der Rechtshandlung wertausschöpfend belastet gewesen oder eine gleichwertige Gegenleistung in das Vermögen des Schuldners gelangt wäre. Dies ist hier nicht der Fall. Ausgehend von dem im notariellen Kaufvertrag angegebenen Wert der Immobilie in Höhe von 400.000 € bestand nach Abzug der seinerzeit mit einer Höhe von 116.500,11 € valutierten Darlehensverbindlichkeit bei der Nord LB sowie eines Wohnrechts von knapp 85.000 € eine Belastung des Grundstücks allenfalls in Höhe von 200.000 € und damit der Hälfte des geschätzten Wertes.

Auch ist eine gleichwertige Gegenleistung nicht in das Vermögen des Schuldners gelangt, denn statt eines Kaufpreises von 200.000 € wurde im notariellen Vertrag vom 05.08.2016 nur ein Kaufpreis von 70.000 € vereinbart. Zwar hat der Kläger bei seiner informatorischen Befragung in der mündlichen Verhandlung am 17.01.2024 versichert, den Betrag überwiesen zu haben und dies durch Vorlage von Quittungsbelegen vom 16.08.2016 für sieben Überweisungen zu je 10.000 € an seinen Vater mit dem Verwendungszweck "Kaufvertrag vom 05.08.2016 Objekt C-Straße" glaubhaft gemacht. Allerdings hat die Beklagte zu Recht darauf verwiesen, dass das Hausgrundstück deutlich unter Wert an den Kläger verkauft wurde. Selbst wenn der Schuldner den geleisteten Kaufpreis in Höhe von 70.000 € bzw. der ihm zustehenden Hälfte zur Tilgung einer anderen Verbindlichkeit, z.B. gegenüber dem Finanzamt geleistet hätte - was jedoch nicht der Fall ist, wie sich in der mündlichen Verhandlung ergeben hat -, hätte aus der Befreiung des Schuldners (des Zeugen) von einer Verbindlichkeit der Beklagten als Gegenleistung kein vollstreckungsfähiges Vermögen zur Verfügung gestanden.

Der Vater des Klägers, der Zeuge, hat die Grundstücksübertragung mit dem Vorsatz, seine Gläubiger zu benachteiligen, vorgenommen. Er hat die Benachteiligung der Beklagten zumindest billigend in Kauf genommen (vgl. Huber, AnfG, BeckOK, § 3 Rn. 21). Dies ergibt sich aus seiner unstreitig vorhandenen Kenntnis des stetigen Ansteigens seiner Steuerschulden, dem zeitgleich geschlossenen Grundstücksübertragungsvertrag unter Wert an seinen Sohn, den Kläger und dem Umstand, dass er nicht einmal ansatz- bzw. teilweise versucht hat, die gegenüber der Beklagten bestehenden Steuerschulden zu tilgen.

Zum Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages am 05.08.2016 beliefen sich die offenen Vergnügungssteuerforderungen gegenüber dem Zeugen auf einen Gesamtbetrag in Höhe von 77.915,49 €. Obgleich er im April 2016 dem Kläger eine Vollmacht erteilt hatte, künftig in seinem Namen zu handeln, hatte er Kenntnis von den Änderungsbescheiden der Beklagten vom 29.05.2016, 08.07.2016 und 29.07.2016. Zwar waren diese Bescheide an den Kläger adressiert, doch hat der Zeuge Herr A. gegen den Bescheid der Beklagten vom 08.07.2016 persönlich Einspruch eingelegt und beanstandet, dass die Festsetzung des Betrages von 8.000 € auf einer Schätzung beruhte. Deshalb und auch wegen seiner Nähe zum Kläger waren dem Zeugen auch die übrigen offenen Forderungen bekannt.

Auf das Vorhandensein des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes des Zeugen deutete weiter, dass der Kläger in seinem schriftlichen Angebot an die Beklagte vom 27.02.2018 angab, seine Eltern hätten das Objekt C-Straße am 05.08.2016 an ihn übertragen, weil sie die monatlichen Darlehensraten in Höhe von ca. 1.300 € nicht mehr hätten bezahlen können. Demnach wusste der Schuldner, der Zeuge, im Zeitpunkt der Eigentumsübertragung, dass seine Zahlungsunfähigkeit - sofern sie nicht bereits eingetreten war - zumindest drohte.

Diese Annahme drängt sich zusätzlich aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung am 17.01.2024 auf. Zwar hat der Zeuge zunächst angegeben, vor allem wegen des Bankdarlehens, das er nicht mehr habe bedienen können, Angst gehabt zu haben, dass er und seine Frau ihre Wohnung verlieren. Deshalb hätten sie das Haus an ihren Sohn, den Kläger, verkauft und könnten jetzt dort bis zu ihrem Tod leben, ohne Miete zahlen zu müssen. Im weiteren Verlauf seiner Aussage hat er jedoch bestätigt, dass die Schulden bei der Bank von seinen Kindern direkt übernommen worden seien, wohingegen er von seinem Sohn den Betrag von 70.000 € in einer Summe bekommen habe, um damit weitere Schulden zu tilgen. Dieses Geld habe er stattdessen in Wolfsburg in der Spielhalle innerhalb von drei Tagen ausgegeben, weil er spielsüchtig sei. Seine Kinder hätten mit ihm geschimpft, weil er nicht - wie besprochen - damit seine Schulden beglichen habe. Unabhängig davon, ob der Zeuge tatsächlich spielsüchtig gewesen und wieder rückfällig geworden ist oder es sich hierbei um eine Schutzbehauptung handelt, hat er beim Verspielen oder anderweitigem Ausgeben des Geldes in Kenntnis der rückständigen Steuerschulden mit Gläubigerbenachteiligungsvorsatz gehandelt.

Zu Recht verweist die Beklagte deshalb darauf, der beim Schuldner vorhandene Benachteiligungsvorsatz werde dadurch bestätigt, dass er und seine Ehefrau das Hausgrundstück erheblich unter Wert an den Kläger verkauft haben. Außerdem erwähnt die Beklagte zutreffend, dass der Schuldner den (zu geringen) Kaufpreis aus der Grundstücksveräußerung gerade nicht zur wenigstens anteiligen Tilgung der Steuerschulden ihr gegenüber eingesetzt hat.

Schließlich hatte der Kläger im Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages auch Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz seines Vaters. Nach § 3 Abs. 1 Satz 2 AnfG wird diese Kenntnis vermutet, wenn der andere Teil wusste, dass die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners drohte und die Handlung die Gläubiger benachteiligt. Diese Vermutungsregelung greift zulasten des Klägers als Erwerber, denn er kannte im Zeitpunkt des Abschlusses des notariellen Kaufvertrages am 05.08.2016 die finanziellen Verhältnisse seines Vaters und damit die Verbindlichkeiten des Schuldners schon aufgrund der Dauervollmacht, die dieser ihm am 22.04.2016 ausgestellt hatte, sehr genau. Seitdem gingen ihm die Vergnügungssteuerfestsetzungsbescheide zu, weshalb er die Höhe der offenen Forderungen im Einzelnen kannte. Er hat auch gewusst, dass der Kaufpreisanteil in Höhe von 70.000 € (von dem nur die Hälfte seinem Vater zustand) für den Ausgleich der Verbindlichkeiten nicht genügen würde oder gar nicht dafür gedacht war.

Andernfalls hätte er nicht bereits 11 Tage nach Abschluss des notariellen Kaufvertrages - am 16.08.2016 - bei der Beklagten angerufen und mitgeteilt, sein Vater könne die fälligen Forderungen teilweise nicht bezahlen und bitte um Stundung bzw. Ratenzahlung. Dies hat er in seinem Angebot vom 27.02.2018 bestätigt (Zahlung in Höhe von 50.000 € zur Tilgung der Gesamtschuld von damals 115.278,33 € in monatlichen Raten von 1500 €), in dem er angegeben hat, seine Eltern hätten die monatlichen Darlehensraten nicht mehr bezahlen können, und er habe das Objekt gekauft, um dessen Versteigerung zu verhindern. Dies bestätigt, dass er das Grundstück erworben hat, damit es den Gläubigern als Zwangsvollstreckungsobjekt entzogen wird.

Sein Vorbringen im Klageverfahren, ihm sei schon deshalb kein Gläubigerbenachteiligungsvorsatz bekannt gewesen, weil er seinerzeit mit seinem Vater besprochen habe, den Eigentumsanteil zu erwerben, um ihm die Möglichkeit zu geben seine Schulden zu bezahlen, ist nicht geeignet, die Vermutungsregelung zu entkräften. Selbst wenn er seinem Vater den Betrag von 70.000 € überwiesen hat, damit dieser seine Schulden begleichen konnte, hat er gewusst, dass der Betrag (der außerdem zur Hälfte seiner Mutter zugestanden hätte) zur Schuldentilgung nicht ausreichen würde. Nach seiner Einlassung in der mündlichen Verhandlung will er zusätzlich gewusst haben, dass sein Vater spielsüchtig ist und die Gefahr bestand, dass dieser das Geld verspielt und nicht einmal den Betrag von 70.000 € zur teilweisen Schuldentilgung einsetzt, Auch die Nähebeziehung (vgl. § 138 Abs. 1 Nr. 2 InsO) zwischen beiden ist ein Indiz dafür, dass der Kläger die Umstände im Einzelnen gekannt hat und seinen Eltern die Möglichkeit geben wollte, ihren Grundbesitz nicht endgültig aufzugeben, sondern ihn nur rechtlich zu verschieben, ohne die Vorteile einer weiteren Immobilienbenutzung (durch lebenslanges, unentgeltliches Wohnrecht) zu verlieren (vgl. zu zahlreichen Fällen von Vermögensverschiebungen dieser Art unter Angehörigen in der Praxis: Huber, AnfG, BeckOK, § 3 Rn. 65).

Die Angaben des Klägers im Rahmen der informatorischen Anhörung bei der mündlichen Verhandlung am 17.01.2024 konnten erst recht die Vermutung seiner Kenntnis vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Zeugen nicht entkräften. Vielmehr entstand der Eindruck eines Zusammenwirkens des Klägers und des Zeugen mit dem Ziel der Vermögensverschiebungen zum Nachteil der Beklagten. Dabei glaubt die erkennende Kammer dem Kläger zwar grundsätzlich, dass er seinen Eltern helfen und ihnen ein mietfreies lebenslanges Wohnrecht sichern wollte. Allerdings hat der Kläger selbst ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung angegeben, ihm sei bewusst gewesen, dass die Zahlungsunfähigkeit seines Vaters, des Zeugen, drohte, und das Haus dessen einziges Vermögen gewesen sei. Auf Vorhalt hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nochmals bestätigt, von der Spielsucht seines Vaters - die im gesamten vorherigen Verfahren zu keinem Zeitpunkt thematisiert worden ist - gewusst zu haben. Er würde auch heute in einer derartigen Situation aufgrund seiner Erziehung nochmals so handeln, d.h. seinem Vater eine derartige Summe überweisen in Kenntnis der Gefahr, dass dieser statt Schulden zu tilgen das Geld verspielt. Dies bestätigt sehr eindrucksvoll, dass er sich sehenden Auges und in Kenntnis des Gläubigerbenachteiligungsvorsatzes seines Vaters, der weder beabsichtigte, seine Schulden bei der Beklagten zu tilgen, noch die Vollstreckung in sein Hausgrundstück in Kauf nehmen wollte, auf die Vermögensverschiebung eingelassen und den Betrag von 70.000 € überwiesen hat, obgleich er die angebliche Spielsucht des Zeugen und damit die Gefahr der missbräuchlichen Verwendung des Geldes kannte.

Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte bei Erlass des Duldungsbescheides ihr in § 191 Abs. 1 Satz 1 AO eingeräumtes Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, sind nicht ersichtlich.

Als Unterlegener hat der Kläger gemäß § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 GKG und entspricht der Höhe der Forderung der Beklagten, deren Vollstreckung der Duldungsbescheid dienen soll.