Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 17.01.2024, Az.: 8 A 55/22

Amtsermittlungspflicht; Aufwandsteuer; Berufsfreiheit; Kunstfreiheit; Satzungshoheit; Striptease; Vergnügungssteuer; Werbung; Vergnügungssteuerpflicht für Show mit vorwiegend erotischem Charakter

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
17.01.2024
Aktenzeichen
8 A 55/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2024, 12753
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGBRAUN:2024:0117.8A55.22.00

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Steuertatbestände einer kommunalen Vergnügungssteuern stehen im Ermessen der Kommune. Die Besteuerung von Veranstaltungen mit vorwiegend erotischem Charakter überschreitet auch mit Blick auf den aktuellen Zeitgeist die Ermessensgrenzen nicht.

  2. 2.

    Eine steuererhebende Kommune darf die Beurteilung, ob ein Vergnügungssteuertatbestand erfüllt ist, ohne Verstoß gegen den Amtsermittlungsgrundsatz daran ausrichten, wie die Veranstaltung im Vorfeld beworben und im Nachgang in der Presse aufgefasst worden ist und mit welche Rezensionen sich der Veranstalter schmückt.

  3. 3.

    Die Professionalität von Veranstaltungsinhalten sowie das Vorhandensein künstlerischer Elemente stehen einer Einordnung als vergnügungssteuerpflichte Veranstaltung nicht entgegen. Eine Besteuerung verletzt auch nicht die Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG.

In der Verwaltungsrechtssache
A.,
A-Straße, A-Stadt
- Klägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwalt B.,
B-Straße, A-Stadt - 015-2022 -
gegen
Stadt Braunschweig - Rechtsreferat -
vertreten durch den Oberbürgermeister,
Bohlweg 30, 38100 Braunschweig -
- Beklagte -
wegen Vergnügungssteuer
hat das Verwaltungsgericht Braunschweig - 8. Kammer - auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2024 durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgericht Düfer, die Richterin am Verwaltungsgericht Köhler, den Richter Rother sowie die ehrenamtlichen Richterinnen E. und F. für Recht erkannt:

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, soweit nicht die Beklagte zuvor Sicherheiten in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 14.316,96 EUR festgesetzt.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zur Vergnügungssteuer für zwei Veranstaltungen im Stadtgebiet der Beklagten.

Die Klägerin ist Unternehmerin und führt bundesweit als "Touren" bezeichnete Veranstaltungen durch, die in verschiedenen Veranstaltungsräumlichkeiten zahlreicher Städte als Gastspiele stattfinden. Daneben verfügt sie nach eigenen Angaben über sechs Veranstaltungsörtlichkeiten - auf der Internetseite der Klägerin als "Theaters" bezeichnet -, in denen sie in regelmäßigen Abständen ihre Veranstaltungen aufführt. Bei diesen Veranstaltungen tanzen die ausschließlich männlichen Darsteller entsprechend einer vorher eingeübten Chorografie zu - teilweise selbst komponierter - Musik, singen und bieten Akrobatik dar. Dabei ziehen sie sich entweder schrittweise nahezu vollständig aus oder aber sie sind während der Darbietung nur wenig bekleidet. Auf ihrem Internetauftritt beschreibt die Klägerin die Veranstaltungsinhalte ihrer Touren unter anderem wie folgt:

"DIE HEISSESTE SHOW EUROPAS";

"Adrenalin, jede Menge Wow-Effekte und Gänsehautmomente gehören genauso zum Programm, wie die klassische Stripshow neu & aufregend verpackt."

"Zehn muskelbepackten Männern in über 80 coolen Location's Deutschlands, Schweiz und Österreich heizen euch in knapp 3 Stunden heisser Bühnenshow so richtig ein. Die H. imponieren mit ihrer artistischen Show, sexy Kostümen und eindrucksvollen Bühnenbildern. Für musikalische Unterstützung sorgt ein Special-Guest. So viel sei verraten: Hier gibt's Erotik nicht nur fürs Auge, sondern auch für die Ohren. Die Jungs entführen euch in eine unglaublich heiße Traumwelt. Aber Achtung: Beim Anblick der stählernen Körper und hotten Dance-Moves wird euch garantiert die ein oder andere Hitzewelle überkommen. Erlebt mit euren Freunden/innen und zahlreichen anderen Gästen eine feuchtfröhliche Nacht, die euch für immer in Erinnerung bleiben wird."

Zudem gibt die Klägerin auf ihrer Homepage einige Rezensionen von Besucherinnen wieder, die beispielsweise lauten:

"Sehr heiße Männer, die supersexy tanzen können. Ein Traum für die Damenwelt";

"Die Jungs sind der pure Wahnsinn. Frauenherzen schlagen höher ...";

"Frauenträume werden wahr. Es ist für mich immer wieder aufs neue faszinierend";

"Geil und niveauvoll ... Hingucker absolut empfehlenswert."

Am 25. Januar 2019 traten die Darsteller der Klägerin im Rahmen der "F.-Tour" in der Stadthalle G.-Stadt auf. Das Programm der "F.-Tour" bewarb das H.-Ticket Portal mit der folgenden Beschreibung:

"Harte Muskeln, lodernde Flammen und heiße Striptease-Shows. Wenn die Mannsbilder von A. auf der Bühne stehen, wird Euch der Atem stocken - versprochen! Auf der "F.-Tour" könnt ihr die unwiderstehlichen Verführer hautnah, mit allen Sinnen live erleben und euch von vielseitigen Chorografien der Extraklasse verzaubern lassen."

Am 13. Februar 2020 bespielte die Klägerin die Stadthalle G.-Stadt erneut im Rahmen der "F.-Tour". Diese Veranstaltung stufte die Beklagte als vergnügungssteuerpflichtige Tanzveranstaltung im Sinne ihrer Satzung über die Erhebung von Vergnügungssteuern (Vergnügungssteuersatzung - VStS) ein und setzte mit Bescheid vom 17. März 2020 eine Vergnügungssteuer in Höhe von 6.703,36 EUR fest. Diesen Bescheid ließ die Klägerin in Bestandskraft erwachsen, stellte aber ab April 2020 zwei Stundungsanträge, denen die Beklagte auch jeweils stattgab. Für den Auftritt der Klägerin am 25. Januar 2019 erhob die Beklagte mit Blick auf gestundete Vergnügungssteuer für das Jahr 2020 zunächst keine Vergnügungssteuer.

Am 28. Oktober 2021 trat die Klägerin in dem I. Center im Stadtgebiet der Beklagten im Rahmen ihrer "J.-Tour" auf. Diese Veranstaltung bewarb das H.-Ticket Portal mit der Beschreibung:

"Vergesst Mr. Big, Ladys! - Auf der A. J.-Tour liefert viele junge und vor allem gutaussehende Männer, die nichts lieber tun, als sich für euch auszuziehen, für euch zu tanzen und euch den heißesten Abend eures Lebens zu bescheren! Was will Frau mehr?"

Weiter hieß es in den Informationen zur Veranstaltung bei H.-Ticket Portal.:

"Waschbrettbäuche, sexy Outfits und gnadenlose Verführung on point. Die Mannsbilder von A. performen auf ihrer neuen J.-Tour mehr als zweieinhalb Stunden - Schöner als im Film! Zu sehen gibt's in ihrem aktuellen Streifen prickelnde Live-Erotik zwischen Tanz, Gesang und Akrobatik. Zahlreiche Überraschungen lassen die frivolsten Frauenträume wahr werden. Nehmt euch einen Drink, lehnt euch zurück und genießt das feuchtfröhliche Spektakel!"

In der im Verwaltungsvorgang der Beklagten enthaltenen Beschreibung der Veranstaltung am 28. Oktober 2021 wird diese von E. wie folgt beschrieben:

"Die Zeiten untrainierter Oberkörper sind vorbei: 2020 und 2021 sind A. zusammen mit L. auf "F."- und "J."-Tour. Macht euch gefasst auf gestählte Männerbodys, die mit heißen Tanz- und Stripeinlagen die Massen zum Durchdrehen bringen."

Mit Schreiben vom 7. Januar 2022 teilte die Beklagte der Klägerin mit, sie beabsichtigte für die Veranstaltungen vom 25. Januar 2019 und 28. Oktober 2021 Vergnügungssteuern zu erheben, und forderte sie auf, eine Steuererklärung zu den Veranstaltungen abzugeben, da sie die Steuer ansonsten schätzen werde. Die Klägerin reagierte hierauf nicht.

Unter dem 1. Februar 2022 erließ die Beklagte den hier streitbefangenen Bescheid, mit welchem sie für die Veranstaltungen der Klägerin am 25. Januar 2019 und 28. Oktober 2021 Vergnügungssteuern erhob und diese auf 14.316,96 EUR festsetzte. Zur Begründung führte sie aus, sie qualifiziere die Veranstaltungen der Klägerin als "Tanzveranstaltungen und sonstige Veranstaltungen" im Sinne von § 1 Nr. 2 der Vergnügungssteuersatzung. Weil keine Erklärung über die Einnahmen erfolgt sei, habe sie die Bemessungsgrundlage gemäß § 162 Abs. 1 Abgabenordung (AO) geschätzt. Für die Veranstaltung am 25. Januar 2019 habe sie die Werte aus der Steuererklärung für die Veranstaltung am 13. Februar 2020 zugrunde gelegt, da Art und Ort der Darbietung identisch gewesen seien. Hinsichtlich der Veranstaltung am 28. Oktober 2021 habe sie eine Erhöhung der Eintrittspreise je Kategorie um im Schnitt 6,50 EUR angenommen und diese auf die maximale Besucheranzahl von 520 anteilig verteilt. Zudem habe sie gemäß § 10 Abs. 2 VStS einen Verspätungszuschlag in Höhe von 10 % pro Veranstaltung festgesetzt. Demnach ergebe sich für die Veranstaltung am 25. Januar 2019 eine Steuer in Höhe von 6.703,36 EUR zuzüglich 670,00 EUR Verspätungszuschlag, und für die Veranstaltung am 28. Oktober 2021 eine Steuer in Höhe von 6.312,60 EUR zuzüglich eines Verspätungszuschlags von 631,00 EUR.

Hiergegen hat die Klägerin am 18. Februar 2022 Klage erhoben. Zu deren Begründung führt sie im Wesentlichen aus:

Die Beklagte habe die beiden Veranstaltungen zu Unrecht als vergnügungssteuerpflichtig angesehen. Die Veranstaltungen seien nicht mit den in dem Steuertatbestand aus § 1 Nr. 2 VStS genannten "Veranstaltungen von Schönheitstänzen, Table Dances sowie Stripteasevorführungen" vergleichbar; es handele sich vielmehr um eine Theateraufführung. Theateraufführungen seien durch einen festen Ablauf, geplante Bühnenbilder, dramaturgische Planung, den Einsatz von Masken- und Kostümbildnern sowie einem Regie- und Lichtplan gekennzeichnet. Diese Anforderungen würden die Veranstaltungen der Klägerin erfüllen: Die Klägerin entwickle nur eine begrenzte Anzahl an Shows, die jeweils unterschiedlich gestaltet seien. Die Darsteller seien ausgebildete Künstler, es würden verschiedene Handlungsstränge aufgebaut werden, und die Veranstaltung sei im Hinblick auf Musik, Licht und Chorografie über mehrere Monate hin in der Probe. Die Veranstaltungen würden ausschließlich in bestuhlten Hallen stattfinden und sich sowohl an männliche als auch an weibliche Besucher richten. Die Beklagte habe bei ihrer steuerlichen Einordnung der Shows das künstlerische Element verkannt. So habe auch die A-Stadt Finanzverwaltung die Veranstaltungen der Klägerin in ihrem Veranstaltungslokal in A-Stadt umsatzsteuerrechtlich als Theateraufführungen im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 7a Umsatzsteuergesetz (UStG) eingestuft.

Von der Klägerin im Zusammenhang mit den Shows durchgeführten Besucherumfragen hätten ergeben, dass mehr als 80 % der Befragten die Veranstaltungen auf einer Skala von 1 (Striptease) bis 10 (Unterhaltungsshow) mit einer 8 bewertet hätten. Für 84 % der Besucher habe der Mix aus Gesang, Akrobatik und Inszenierung im Vordergrund gestanden, nicht die Befriedigung des Bedürfnisses nach nackten Männern. Dieser Befund spiegele sich auch in den Internetbewertungen der Klägerin wieder. Insgesamt seien die Veranstaltungen der Klägerin als moderne Musicals zu qualifizieren, bei der tänzerische und szenische Darstellungen im Vordergrund stünden.

Das von der Beklagten an den Tag gelegte Verständnis des Steuertatbestandes aus § 1 Nr. 2 VStS führe dazu, dass auch jede andere Veranstaltung mit "nackten Szenen" von der Vergnügungssteuer erfasst wäre, was eine unzulässige Ausdehnung des Steuertatbestandes sei. Der Steuertatbestand erfasse nur solche Veranstaltungen, bei denen die erotische Wirkung im Vordergrund stehe und deren Hauptzweck sei. Dies ergebe sich aus dem zugrundeliegenden Lenkungszweck der Vergnügungssteuer, sittlich gefährdende Tätigkeiten einzudämmen. So wie von der Beklagten verstanden, verstoße die Auslegung des Steuertatbestandes auch gegen die grundgesetzlich geschützte Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 Grundgesetz (GG), weil die Darstellungsform in nicht zu rechtfertigender Weise beschränkt werde. Zudem liege eine verfassungsrechtlich relevante Ungleichbehandlung vor. Das Musical "Chicago" sei als "heißeste Show der Stadt" mit zwei "heißen Killer-Ladys" beworben worden und die Darstellerinnen würden Dessous tragen sowie anzügliche Bewegungen machen. Der Klägerin sei aber nicht bekannt, dass für diese Veranstaltung Vergnügungssteuer erhoben worden sei.

Im Übrigen habe es die Beklagte pflichtwidrig unterlassen, die tatbestandlichen Voraussetzungen für das Eingreifen des Steuertatbestandes selbst festzustellen. Soweit sie ihre Einstufung auf die Werbeaussagen der Klägerin sowie die Bewertungen in (Print-) Medien stütze, sei dies unzulässig. Gerade Werbeaussagen sei immanent, dass diese überspitzt seien. Eine Einordnung der Veranstaltung über Presse, Plakate, Flyer oder im Internet sei nicht möglich. Dass vorrangig Frauen die Veranstaltung besuchen und auch in der Werbung besonders angesprochen würden, sei unerheblich, weil Besucher jeden Geschlechts bei den Veranstaltungen der Klägerin willkommen seien.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 1. Februar 2022 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

und erwidert in Verteidigung der angefochtenen Entscheidung:

Die Veranstaltungen der Klägerin seien "Stripteasevorführungen" im Sinne von § 1 Nr. 2 der Vergnügungssteuersatzung. Es handele sich um die Vorführung von erotisch stimulierenden Tänzen, bei denen sich die Akteure nach und nach entkleiden würden. Dies ergebe sich ohne Weiteres aus der Rezension der Veranstaltungen der Klägerin in der Presse. So habe die Süddeutsche Zeitung über eine Show der "F.-Tour" in einem Artikel vom 30. August 2020 ausgeführt:

"Kostümiert als Polizisten, Cowboys, Piloten oder im schicken Smoking, erfüllt das Quintett sämtliche Stripper-Klischees. Jede Tanzeinlage fungiert dabei als eine Art Geschichte, die schlussendlich die "pure" Männlichkeit der Jungs in den Fokus rückt. Anfangs kommen die Tänzer dabei noch voll bekleidet auf die Bühne, reißen sich dann aber meist - wortwörtlich - die Kleidung vom Leib. Diese Dramaturgie wird unterstützt von lauter Musik, tiefen Bässen, Feuerfontänen und Nebelmaschinen. [...] "Auffallend beeindruckt zeigen sich die Zuschauerinnen bei der Soloperformance von F. G.. Seine Utensilien: Eine Wasserflasche und eine Badewanne. Zuerst stützt er sich mit allen Vieren auf den Badewannenrand und lässt wellenartige Bewegungen durch seinen ganzen Körper fließen. Als er schließlich nur noch mit einer knappen Unterhose bekleidet ist, nimmt er sich die Wasserflasche, gießt sich das Wasser langsam über seinen Körper und rekelt sich dabei. Als Finale entkleidet sich G. ganz und bedeckt sein bestes Stück nur noch mit einer Hand."

Diese Außenwahrnehmung habe die Beklagte im Einklang mit der Selbstdarstellung der Klägerin zur Grundlage ihrer Einschätzung gemacht. Die Klägerin bewerbe sich unter anderem als Stripteaseshow, die Live-Erotik präsentiere, und richte sich dabei ausschließlich an Frauen. Dass die Shows auch Elemente der Unterhaltung umfassen würden, stünde der Einordnung als vergnügungssteuerpflichte Veranstaltung nicht entgegen, da die erotische Wirkung sowie die geschlechterspezifische Ausrichtung den bestimmenden Charakter der Veranstaltungen hätten. Ebenso seien die von der Klägerin durchgeführten Umfragen unerheblich, weil diese auf Suggestivfragen beruhen würden und daher nur geringe Aussagekraft hätten. Die umsatzsteuerrechtliche Einordnung durch eine andere Landesverwaltung habe keine Bedeutung für die hiesige Streitfrage. Jedenfalls aber seien die Veranstaltungen als "Darbietungen ähnlicher Art" im Sinne von § 1 Nr. 2 VStS einzustufen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten und die Niederschrift der öffentlichen Sitzung vom 17. Januar 2024 verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der angefochtene Vergnügungssteuerbescheid ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

I. Die Beklagte war gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 1 Niedersächsisches Kommunalabgabengesetz (NKAG) i. V. m. ihrer Satzung über die Erhebung von Vergnügungssteuer vom 20. März 2012 in der Fassung der Zweiten Änderungssatzung vom 18. Februar 2020 (Vergnügungssteuersatzung - VStS) dazu berechtigt, für die beiden Veranstaltungen der Klägerin am 25. Januar 2019 und 28. Oktober 2021 jeweils eine Vergnügungssteuer zu erheben. Gemäß Art. 105 Abs. 2a GG steht den Ländern die Befugnis zur Gesetzgebung über örtliche Verbrauch- und Aufwandsteuern zu, solange und soweit sie nicht bundesgesetzlich geregelten Steuern gleichartig sind. Gemäß §§ 2 Abs. 1 Satz 1, 3 Abs. 1 Satz 1 NKAG dürfen Steuern als Variante der kommunalen Abgaben (§ 1 Abs. 1 NKAG) nur aufgrund einer Satzung erhoben werden.

Von dieser Ermächtigung hat die Beklagte mit ihrer Vergnügungssteuersatzung in verfassungskonformer Weise Gebrauch gemacht. Die Vergnügungssteuer ist eine örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Grundgesetz (GG) (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2004 - 9 C 3/03 -, juris Rn. 22; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 23. Februar 2011 - 2 S 196/10 -, juris Rn. 51). Gemäß § 4 Abs. 1 und 2 VStS wird die Steuer in den Fällen des § 1 Nrn. 1 - 3 VStS als Kartensteuer erhoben. Diese Erhebungsform ist verfassungsrechtlich als sog. Wirklichkeitsmaßstab zulässig, da so möglichst eng an den zu besteuernden Vergnügungsaufwand in Gestalt des Eintrittspreises angeknüpft wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. März 2004 - 9 C 3/03 -, juris Rn. 27).

Die erkennende Kammer hat auch sonst keine Bedenken gegen die Vereinbarkeit der Vergnügungssteuersatzung mit höherrangigem Recht.

Soweit der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Ansicht geäußert hat, die Besteuerung von Veranstaltungen mit erotischen Inhalten sei nicht mehr zeitgemäß und angesichts der immer zahlreicher vorkommenden Veranstaltungsinhalte mit sexuellen Elementen nicht angemessen, kann die Kammer durchaus ein gewisses Maß an Verständnis für diese Einschätzung aufbringen. Daraus folgt allerdings nicht die Verfassungswidrigkeit eines Steuertatbestandes, der Veranstaltungen mit erotischen Elementen einer Vergnügungssteuerpflicht unterzieht. Dem Gesetzgeber gebührt eine weitgehende Gestaltungsfreiheit in Bezug auf die Steuergesetzgebung (vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2015 - 9 C 22/14 -, juris Rn. 25). Dies gilt auch für den kommunalen Satzungsgeber. Es steht daher in dem weiten und gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Satzungsermessen (Art. 28 Abs. 2 GG; Art. 57 Abs. 1 Niedersächsische Verfassung) der Beklagten, für die Inanspruchnahme welcher Dienstleistungen sie Vergnügungssteuern erhebt. Eine Überschreitung der Ermessensgrenzen, etwa bei einer willkürlichen und sachgrundlosen Besteuerung, vermag die Kammer nicht zu erkennen. Es bleibt der Beklagten aber unbenommen, mit Blick auf die nachvollziehbaren Ausführungen der Klägerin in Zukunft eine Änderung ihrer Steuertatbestände vorzunehmen, weil das Verfassungsrecht sie keinesfalls zu einer solchen Besteuerung verpflichtet.

Soweit der Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung weiter angeführt hat, die Vergnügungssteuerpflicht führe dazu, dass die Klägerin keinen Gewinn mehr mit ihren Veranstaltungen erziele, begründet dieses Vorbringen ebenfalls keinen Verfassungsverstoß. Es ist nicht ersichtlich, dass die Vergnügungssteuer mit ihrem Steuersatz von 20 % bei einer Kartensteuer (§ 8 Abs. 1 Nr. 2 VStS) erdrosselnde Wirkung hat. Einer kommunalen Steuer kommt eine erdrosselnde Wirkung zu, wenn mit der Ausübung des in Rede stehenden Berufs in der Gemeinde infolge dieser Steuer nach Abzug der notwendigen Aufwendungen kein angemessener Reingewinn erzielt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. April 1971 - 1 BvL 22/67 -, juris Rn. 38; BVerwG, Urteil vom 14. Oktober 2015 - 9 C 22/14 -, juris Rn. 16). Hierzu hat die Klägerin nichts an Substanz vorgetragen. Die - erstmals in der mündlichen Verhandlung geäußerte - Aussage ihres Geschäftsführers, ein Steuersatz in Höhe von 20 % führe dazu, dass die Klägerin keinen Gewinn erziele, ist ohne jede weitere Substantiierung geblieben. Es ist nichts dargetan worden, was für die Richtigkeit einer solchen Annahme spräche oder die Annahme rechtfertigen würde, bei einem Steuersatz in dieser Höhe könne kein Unternehmer sein Gewerbe gewinnbringend ausüben. Art. 12 Abs. 1 GG gewährleistet keinen Bestandsschutz für die Fortsetzung einer unwirtschaftlichen Betriebsführung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009 - 9 C 12/08 -, juris Rn. 44). In diesem Zusammenhang ist auch zu beachten, dass die Vergnügungssteuer die finanzielle Leistungsfähigkeit der Sich-Vergnügenden erfassen soll und lediglich indirekt beim Veranstalter erhoben wird. Es liegt an ihm, die Steuer in seine Preisgestaltung einzubinden und so das Verbleiben eines angemessenen Reingewinns sicherzustellen.

II. Die tatbestandlichen Voraussetzungen, für die beiden im Stadtgebiet der Beklagten durchgeführten Veranstaltungen der Klägerin jeweils eine Vergnügungssteuer festzusetzen, liegen vor.

1. Die besteuerten Veranstaltungen der Klägerin unterfallen dem Vergnügungssteuertatbestand aus § 1 Nr. 2 VStS. Danach erhebt die Beklagte Vergnügungssteuer für die folgenden im ihrem Stadtgebiet durchgeführten Veranstaltungen gewerblicher Art: Veranstaltungen von Schönheitstänzen, Table Dances sowie Striptease-Vorführungen und andere Schaustellungen von Personen und Darbietungen ähnlicher Art. Die beiden Veranstaltungen der Klägerin im Stadtgebiet der Beklagten sind als Striptease-Vorführungen zu qualifizieren.

a) Nach der Definition des Duden fällt unter den Begriff "Striptease" die Vorführung von erotisch stimulierenden Tänzen, bei denen sich die Akteure nach und nach entkleiden (vgl. https://www.duden.de/rechtschreibung/Striptease; ähnlich VG Leipzig, Urteil vom 7. Februar 2017 - 6 K 1910/14 -, juris Rn. 21 [Kunst der erotischen Entkleidung]). Zur Herstellung eines systematischen Gleichlaufs mit der ebenfalls der Vergnügungssteuerpflicht unterworfenen Schaustellung von Personen kommt es darauf an, dass die Darstellung des menschlichen Körpers im Vordergrund steht, die die Blicke der Besucher auf sich ziehen soll (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 24. Oktober 2005 - 13 ME 283/05 -, S. 3 EA, n. v.). Es muss sich um eine Veranstaltung mit vorwiegend erotischem Charakter handeln. Dabei erweist sich eine rein quantitative Beurteilung, gemessen an den Zeitabschnitten, in denen sich die Darsteller entkleiden oder weitestgehend entkleidet auftreten, als in der Sache nicht angemessen, weil eine solche Betrachtungsweise außer Acht lässt, dass bereits das schrittweise Entkleiden eine erotische Wirkung erzielen soll. Entscheidend ist, dass nach dem Gesamteindruck die Veranstaltung von ihrem erotischen Charakter geprägt wird.

Zur Beurteilung, ob Veranstaltungen hierunter zu fassen sind, ist auf die Sichtweise eines verständigen objektiven Dritten abzustellen. Dabei hat sich die Klägerin auch und gerade daran messen zu lassen, wie sie ihre Veranstaltungen im Vorfeld beworben (so auch VG Leipzig, Urteil vom 7. Februar 2017 - 6 K 1910/14 -, juris Rn. 22 [zur Einordnung als eine dem Striptease ähnliche Darbietung]; VG Koblenz, Beschluss vom 20. März 2018 - 2 L 111/18.KO -, juris Rn. 19 [zur Einordnung als Tanzveranstaltung]) und welche Rezensionen sie sich durch die Wiedergabe auf ihrer Homepage zu Eigen gemacht hat. Denn wer eine Veranstaltung im Vorfeld unter anderem mit den enthaltenen erotischen Elementen bewirbt und basierend hierauf ein bestimmtes Publikum ansprechen möchte, darf sich wegen des Verbotes widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) nicht später darauf berufen, der Veranstaltungsinhalt werde in der Werbung und Selbstbeschreibung unrichtig dargestellt. Nichts Anderes gilt für wiedergegebene Rezensionen auf der Homepage.

Ebenso ist zulässigerweise eine retrospektive Perspektive einzunehmen und in die Beurteilung einzubeziehen, wie die Veranstaltungen im Nachgang aufgefasst worden sind. Dabei kommt es jedoch weniger auf die eigenen Umfragen der Klägerin an, die erkennbar suggestiv und einseitig sind ("Warum bist Du heute hier? A: für eine schöne Show & tollen Abend zu verleben; B: um mein Bedürfnis nach nackten Männern zu befriedigen"), sondern vielmehr auf sachliche und deskriptive Darstellungen, wie sie sich beispielsweise in der von der Beklagten herangezogenen Rezension in der Süddeutschen Zeitung findet.

Mit einem solchen Vorgehen hat die Beklagte auch nicht gegen ihre gesetzliche Pflicht zur Sachverhaltsaufklärung (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a NKAG i. V. m. § 88 Abs. 1 AO) verstoßen. Der Untersuchungsgrundsatz im verwaltungsbehördlichen Verfahren verpflichtet die Behörde, alle entscheidungserheblichen Sachverhaltsumstände aufzuklären. Art und Umfang der Ermittlungen stehen dabei in ihrem Ermessen (§ 88 Abs. 2 Satz 1 AO). Die Ermittlungsmaßnahmen und ihr Umfang richten sich nach den Umständen des Einzelfalls, der konkreten Aufklärungsbedürftigkeit und dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Dabei darf die Steuerbehörde sich - gerade im Bereich der Massenverwaltung wie der kommunalen Steuererhebung - auch von Praktikabilitätserwägungen leiten lassen (vgl. BFH, Beschluss vom 5. März 2007 - IX B 29/06 -, juris Rn. 3; BeckOK AO/Kobor, 26. Ed. 1. Oktober 2023, AO § 88 Rn. 32). Insbesondere können allgemeine Erfahrungen sowie Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit bei der Entscheidung über die erforderlichen Ermittlungsmaßnahmen berücksichtigt werden (§ 88 Abs. 2 Satz 2 AO). Vor diesem rechtlichen Rahmen ist es aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit nicht zu beanstanden, dass Mitarbeiter der Beklagten die Veranstaltungen der Klägerin nicht selbst besucht haben, um sich einen unmittelbaren Eigeneindruck zu verschaffen, sondern sie neben der Eigendarstellung der Klägerin auch die Resonanz in den Medien herangezogen hat. Dies gilt umso mehr, wenn - wie hier - die Beklagte erst nach Durchführung der Veranstaltungen Kenntnis von diesen erlangt.

Auch das Verwaltungsgericht ist im Rahmen des Erkenntnisverfahrens trotz des Untersuchungsgrundsatzes und der damit einhergehenden Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz VwGO) nicht verpflichtet gewesen, die Veranstaltungen der Klägerin im Rahmen einer Inaugenscheinnahme (§§ 96 Abs. 1 Satz 2, 98 VwGO i. V. m. §§ 371, 372 Zivilprozessordnung - ZPO) zu besuchen. Das ist bereits in tatsächlicher Hinsicht unmöglich, weil zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung die Klägerin keine ihrer beiden hier besteuerten Veranstaltungen mehr durchführt. Der Besuch einer aktuellen Veranstaltung - wie von dem Geschäftsführer der Klägerin in der mündlichen Verhandlung angeregt - ist ungeeignet, taugliches Beweismittel über den Inhalt der besteuerten Veranstaltungen zu sein. Dies gilt umso mehr, sollte die Behauptung des Geschäftsführers zutreffen, das Veranstaltungskonzept der Klägerin habe sich gewandelt und die neusten Shows seien mit den zurückliegenden nicht vergleichbar.

Daneben war eine solche Form der Inaugenscheinnahme rechtlich entbehrlich, weil sich nach Einschätzung der Kammer durch die zu den Akten gereichten und von Amts wegen ermittelten Lichtbilder, Videos und Auszüge der Showbeschreibungen ein hinreichender Eindruck von der Veranstaltung und ihren tatsächlich sowie rechtlich relevanten Besonderheiten entnehmen lässt (vgl. hierzu Eyermann, 16. Aufl. 2022, VwGO § 96 Rn. 6).

b) Ausgehend von diesen Maßstäben hat die Beklagte die Veranstaltungen der Klägerin in ihrem Stadtgebiet rechtsfehlerfrei als Striptease-Vorführungen und damit als vergnügungssteuerpflichtig eingestuft.

Die Klägerin bewirbt ihr Veranstaltungsprogramm auf ihrer Homepage zunächst generell damit, dass es die "heißeste Show Europas" sei und "die klassische Stripshow neu & aufregend verpackt" umfasse. Weiter führt sie an, es gäbe "Erotik nicht nur fürs Auge, sondern auch für die Ohren. Die Jungs entführen euch in eine unglaublich heiße Traumwelt. Aber Achtung: Beim Anblick der stählernen Körper und hotten Dance-Moves wird euch garantiert die ein oder andere Hitzewelle überkommen." Ebenso gibt die Homepage Rezensionen mit den Inhalten "Sehr heiße Männer, die supersexy tanzen können. Ein Traum für die Damenwelt"; "Die Jungs sind der pure Wahnsinn. Frauenherzen schlagen höher ..."; "Frauenträume werden wahr. [..] "; "Geil und niveauvoll ... Hingucker absolut empfehlenswert" wieder.

Damit werden die Veranstaltungen von der Klägerin offen mit erotischen Inhalten beworben. Zugleich macht sie sich entsprechende Rezensionen von Besuchern, die den Veranstaltungsinhalten einen erotische Charakter zusprechen und zum Ausdruck bringen, deshalb die Veranstaltungen besucht zu haben, durch die Wiedergabe auf ihrer Homepage zu Eigen. Der Kammer ist bewusst, dass die Klägerin auch zu ihrem Veranstaltungsprogramm ausführt, es handele sich um eine "artistische Show" mit "Adrenalin, jede Menge Wow-Effekte[n] und Gänsehautmomente[n]" und andere Rezensionen auf ihrer Homepage neutraler gefasst sind ("Mega show, tolle Jungs [...]"). Gleichwohl ergibt sich bereits aus dem Eigenauftritt im Internet, dass die Klägerin explizit mit den erotischen Inhalten kokettiert und diese insgesamt deutlich in den Vordergrund rückt, während informativ deskriptive Ausführungen zu den inhaltlichen Elementen (Handlung und Motiv) vollständig fehlen. Zwar mag diese Selbstdarstellung teilweise überspitzt und pointiert sein, dies betrifft nach Ansicht der Kammer aber nicht den prägenden Charakter und Inhalt der Show, sondern trifft allenfalls auf erkennbare Übertreibungen wie "heißeste Show Europas" zu. Anhaltspunkte dafür, dass sich das Showprogramm in erheblicher Weise anders darstellt als im Vorfeld beworben, sind weder substantiiert vorgetragen worden noch sonst erkennbar.

Diese Selbstdarstellung der Klägerin spiegelt sich auch in der medialen Berichterstattung wider. Bereits im Vorfeld hat das K. die beiden Veranstaltungen ausdrücklich als "Striptease-Show" und "Live-Erotik" beworben, die "Stripeinlagen" enthielten. Auch die Richtigkeit dieser Darstellungen hat die Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Ihr Geschäftsführer hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung lediglich angeführt, die Werbetexte kämen nicht von der Klägerin, und bei dem H.-Ticket Portal. handele es sich nicht um einen offiziellen Reseller. Dies hält die erkennende Kammer für unschädlich. Vielmehr wird hierdurch gerade umso deutlicher, dass diese Beschreibung die eines Dritten ist, der die Veranstaltungsinhalte der Klägerin als vorwiegend erotisch auffasst und basierend hierauf beabsichtigt, Karten zu verkaufen. Ebenso hat die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel vom 30. August 2020 (https://www.sueddeutsche.de/muenchen/fuerstenfeldbruck/prikelnde-show-maenner-spiele-1.5015115) mit der Überschrift "Männer-Spiele" eine Veranstaltung der Klägerin im Rahmen der "F.-Tour" in N., die die Autorin selbst besucht hat, als Abend mit "verschiedenen von sexuellen Andeutungen geprägten Tanzeinlagen" beschrieben. Insbesondere legt der Artikel detailliert dar, wie sich einer der Akteure schrittweise entkleidet, am Ende ganz nackt sei und "sein bestes Stück noch mit einer Hand" bedecke. Jede Tanzeinlage fungiere dabei als eine Art Geschichte, die schlussendlich die Männlichkeit der Darsteller in den Fokus rücke. Anfangs kämen die Tänzer dabei noch voll bekleidet auf die Bühne, würden sich dann aber meist - wortwörtlich - die Kleidung vom Leib reißen. Diese Dramaturgie werde unterstützt von lauter Musik, tiefen Bässen, Feuerfontänen und Nebelmaschinen. Die Autorin schließt mit dem Fazit "sex sells". Die Klägerin hat auch nicht bestritten, dass diese Schilderung Ablauf und Inhalt der Veranstaltung im Rahmen der "F.-Tour" jedenfalls im Kern zutreffend wiedergibt. Aus den Ausführungen der Süddeutschen Zeitung ergibt sich überdies, dass das schrittweise Entkleiden im Vordergrund steht, während die Choreografie und Musik nur begleitend wirkt.

Die erotischen Elemente ihrer Veranstaltungen hat die Klägerin nicht ernstlich bestritten und auch nicht behauptet, die im Rahmen der mündlichen Verhandlung in Augenschein genommenen Werbevideos zu den beiden Touren gäben ein unzutreffendes Bild von den Veranstaltungen wieder, sondern sich darauf zurückgezogen, ihre Veranstaltungen würden einem Theater oder Musical gleichen. Soweit hierzu ihr Geschäftsführer in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, die Veranstaltungen hätten eine Handlung, sind weitergehende Darlegungen unterblieben, aus denen sich ergeben hätte, dass im Kern eine bestimmte Geschichte erzählt werde, die lediglich mit erotischen Elementen angereichert werde. Hierin liegt nach Ansicht der erkennenden Kammer zugleich ein wesentlicher Unterschied zu dem von der Klägerin erwähnten Musical "Chicago". In der von der Klägerin zu den Gerichtsakten gereichten Presseinformation der O. GmbH zu diesem Broadway-Musical wird zwar auch von den erotischen Inhalten berichtet ("Liebe, Lüge, Leidenschaft: Mit CHICAGO kommt eines der heißesten und erfolgreichsten Musicals aller Zeiten [...] nach Deutschland"; "undurchsichtig und prall gefüllt mit Liebe, Verrat, Rivalität und jeder Menge Sexappeal!"), aber vor allem auf die Handlungselemente abgestellt ("Das Musical spielt in den 1920er-Jahren in der Gangsterstadt Chicago und basiert auf wahren Begebenheiten. Es ist die Geschichte von Roxie Hart, einer Nachtklubsängerin, die kurzerhand ihren Liebhaber erschießt, als dieser sie verlassen will. Roxie landet hinter Gittern und trifft dort auf die berühmt-berüchtigte Doppelmörderin und Tänzerin Velma Kelly. Um einer Verurteilung zu entgehen, engagieren die beiden Frauen den gewieften Anwalt Billy Flynn. Er vermarktet ihre Verbrechen in der Boulevard-Presse und sorgt für Schlagzeilen - woraus sich ein raffiniertes, emotionales Dreiecksspiel um große Liebe, Ruhm und Reichtum entwickelt, ausgelöst durch Eifersucht, Gier und Missgunst"). Im Übrigen ist der Kammer weder bekannt, ob für die Aufführung des Musicals "Chicago" Vergnügungssteuer festgesetzt worden ist, noch könnte die Klägerin aus einer gegebenenfalls rechtswidrig unterbliebenen Steuerfestsetzung Rechte herleiten. Der allgemeine Gleichbehandlungsgrundsatz aus Art. 3 Abs. 1 GG gewährt keinen Anspruch auf eine Gleichbehandlung im Unrecht (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 2009 - 6 A 1/08 -, juris Rn. 49 m. w. N.).

Auch der von der Klägerin gezogene Vergleich zu Nacktszenen in Theater und Film, die - vermeintlich - immer häufiger anzutreffen sind, geht fehl. Denn bei den Veranstaltungen der Klägerin steht die erotische Wirkung eindeutig im Vordergrund, während sie jedenfalls in den klassischen Theater- und Filmvorführungen allenfalls "Beiwerk" ist. Das zeigt sich nicht zuletzt auch an der Dauer und Häufigkeit von etwaigen Nacktszenen, die bei den Veranstaltungen der Klägerin einen nicht unwesentlichen Teil ausmachen, während sie sich in Theater und Film regelmäßig auf einige wenige Einstellungen beschränken. An der erotischen Gesamtausrichtung der Veranstaltungen und ihrer Klassifizierung als "Striptease-Vorführung" bestehen daher keine Zweifel.

Der Kammer ist bewusst, dass die Konzeption der Veranstaltungen einen langen Zeitraum in Anspruch nehmen kann und die Shows mit einem hohen Maß an Professionalität geplant und durchgeführt werden. Hierzu steht es aber nicht im Widerspruch, die Veranstaltungen als "Striptease-Vorführungen" einzustufen, weil mit dieser Klassifizierung keine Abwertung einhergeht und den Shows ihr professionaler Charakter nicht abgesprochen wird. Gerade mit Hilfe der professionellen Darbietung von Gesang und Tanz sowie einer ausgefeilten Choreografie wird die erotische Wirkung der Show eher noch verstärkt. Hierbei kommt es auch nicht darauf an, ob sich die männlichen Darsteller vollständig entkleiden. Der erotische Charakter kann auch durch (vermeintlich) verführerische Kleidungsstücke oder sexuell konnotierte Posen und Bewegungen erzeugt werden. Das Maß an Aufwand und Professionalität auf Seiten der Klägerin ist für die zu entscheidende Frage zudem nicht erheblich, weil sich die Vergnügungssteuerpflicht nicht nach dem Aufwand für die Vorbereitung und die Durchführung der Veranstaltung beurteilt, sondern allein nach dem Inhalt der Veranstaltung und dessen Schwerpunkt (ähnlich VG Leipzig, Urteil vom 7. Februar 2017 - 6 K 1910/14 -, juris Rn. 22).

Ebenso wenig steht einer Einordnung der Veranstaltungen der Klägerin als "Striptease" entgegen, dass die A-Stadter Finanzverwaltung - vorgeblich - die aus den in dem A-Stadt "Theater" generierten Umsätze als "Eintrittsberechtigung für Theater, Konzerte und Museen sowie den Theatervorführungen und Konzerten vergleichbaren Darbietungen ausübender Künstler" im Sinne von § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst a. Umsatzsteuergesetz (UStG) eingestuft hat. Zunächst einmal hat die Klägerin diese Behauptung im Klageverfahren nicht weiter belegt, überdies würde eine solche umsatzsteuerrechtliche Einordnung die Beklagte nicht binden. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass es sich um zwei unterschiedliche Träger hoheitlicher Gewalt handelt, zum anderen daraus, dass es sich bei der bundesrechtlichen Umsatzsteuer und der kommunalen Vergnügungssteuer um zwei unterschiedliche Regelungsmaterien handelt, die keineswegs zwingend identisch beurteilt werden müssen.

Schließlich verletzt die Vergnügungssteuerpflicht die Klägerin nicht in ihrer grundgesetzlich geschützten Kunstfreiheit aus Art. 5 Abs. 3 GG. Geschützt werden "Werk- und Wirkbereich", also die künstlerische Betätigung an sich sowie die Darbietung und Verbreitung des Kunstwerkes (vgl. grundlegend BVerfG, Beschluss vom 24. Februar 1971 - 1 BvR 435/68 -, juris Rn. 49). Diese Schutzgüter werden durch eine Besteuerung der künstlerischen Betätigung per se nicht beeinträchtigt. Weder greift die Steuerpflicht in die inhaltliche Gestaltung (Werkbereich) ein, noch behindert sie die Verbreitung und Zugänglichmachung für andere (Wirkbereich).

Ohne dass es im hiesigen Verfahren entscheidend wäre, merkt die Kammer mit Blick auf das Vorbringen des Geschäftsführers der Klägerin in der mündlichen Verhandlung, inzwischen habe sich der Showcharakter weiterentwickelt und es würden immer mehr die Akrobatik und Choreografie sowie die Handlung im Vordergrund stehen, an, dass mit dieser Entscheidung keine Aussage darüber getroffen wird, ob alle (zukünftigen) Veranstaltungen der Klägerin stets als "Striptease" zu klassifizieren sind. Es steht der Klägerin frei, unter (vorheriger) Darlegung ihres Showprogramms die Elemente ihrer Veranstaltungen in den Vordergrund zu stellen, die ihrer Ansicht nach das Programm prägen, und so gegebenenfalls eine Vergnügungssteuerpflicht zu vermeiden.

2. Die Beklagte hat auch die Höhe der Vergnügungssteuer rechtsfehlerfrei festgesetzt.

Gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b NKAG i. V. m. § 162 Abs. 1 AO können die Besteuerungsgrundlagen geschätzt werden, wenn sie von der Behörde nicht ermittelt oder berechnet werden können. Diese bundesgesetzliche Wertung findet sich zugleich in § 10 Abs. 2 VStS, wonach die Beklagte die Steuer im Falle einer unterbliebenen, unrichtigen oder unvollständigen Steuererklärung nach den Vorschriften der Abgabenordnung schätzen kann. Von der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen sind jedenfalls dann nicht nur Sachverhaltsschätzungen "der Höhe nach", sondern auch Sachverhaltsschätzungen "dem Grunde nach" erfasst, wenn diese auf der Verletzung einer Mitwirkungspflicht des Steuerpflichtigen beruhen (vgl. Nds. OVG, Urteil vom 28. Februar 2018 - 9 LC 217/16 -, juris Rn. 63 f.). So liegt es hier. Die Klägerin hat ihre Veranstaltungen entgegen ihrer satzungsrechtlichen Pflicht aus § 12 Abs. 4 VStS nicht angezeigt und trotz Aufforderung entgegen § 10 Abs. 1 VStS keine fristgemäße Steuererklärung abgegeben. Bedenken gegen die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen oder der Steuerhöhe sind nicht vorgebracht und auch sonst nicht ersichtlich.

Ebenso ist die Festsetzung eines Verspätungszuschlags in Höhe von 10 % des Steuerbetrages, abgerundet auf volle Euro, gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. a NKAG i. V. m. § 152 Abs. 1 u. 10 AO zulässig.

Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 154 Abs. 1 VwGO, bezüglich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 Nr. 11, 709 Satz 2 analog, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 3 Satz 1 Gerichtskostengesetz (GKG).