Landgericht Hildesheim
Beschl. v. 06.02.2009, Az.: 25 Qs 1/09
Anspruch auf Akteneinsicht eines Verletzten in einem Ermittlungsverfahren wegen Verdachts der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr; Bejahung eines berechtigten Interesses auf Akteneinsicht bei tatsächlichen Anhaltspunkten einer direkten Beteiligung des Anspruchstellers am Schneeballsystem; Einordnung von Betriebsgeheimnissen als Beweismittel und nicht als der Akteneinsicht unterliegende Bestandteile der Ermittlungsakten; Schutz von Betriebsgeheimnissen Verfahrensbeteiligter durch Ablehnung der Beweismittelbesichtigung durch die Staatsanwaltschaft
Bibliographie
- Gericht
- LG Hildesheim
- Datum
- 06.02.2009
- Aktenzeichen
- 25 Qs 1/09
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2009, 34048
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHILDE:2009:0206.25QS1.09.0A
Rechtsgrundlagen
- § 124 BGB
- § 166 BGB
- § 406e StPO
- § 475 StPO
Fundstellen
- NJW 2009, 3799-3801 "Verletzteneigenschaft des Insolvenzverwalters"
- NZI 2010, 416
Verfahrensgegenstand
Gewährung von Akteneinsicht an die Beteiligten zu 2 bis 5
Hinweis
Hinweis: Verbundenes Verfahren
Verbundverfahren:
LG Hildesheim - 06.02.2009 - AZ: 25 Qs 2/09
Redaktioneller Leitsatz
- 1.
Gegen die Gestattung der Akteneinsicht an Beteiligte in einem Ermittlungsverfahren durch die Staatsanwaltschaft können sich der Beschuldigte und ein anderer Beteiligter mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung wenden. Zuständig für die Entscheidung in einem Wirtschaftsstrafverfahren ist die zuständige Wirtschaftsstrafkammer nach § 74c GVG, wobei in Niedersachsen § 2 Nds. ZustVO-Justiz zu beachten ist.
- 2.
Auch wenn Beteiligte nicht als Verletzte im Sinne der vorrangigen Regelung des § 406e StPO anzusehen sind, ist ihnen gleichwohl Akteneinsicht zu gewähren, wenn sie ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht gemäß § 475 StPO dargelegt haben.
- 3.
Ein solches Interesse liegt vor, wenn Beteiligte aufgrund ihrer gegenwärtig vor Zivilgerichten anhängigen Rechtstreite gegen einen anderen Beteiligten an der Akteneinsicht interessiert sind, um aufgrund des Akteninhalts beurteilen zu können, ob eine von jenem Beteiligten erklärte Anfechtung von Versicherungsverträgen wegen arglistiger Täuschung aufgrund einer jener Beteiligten nach § 166 BGB zurechenbaren früheren Kenntnis des Beschuldigten an der Fristenregelung des § 124 BGB scheitern könnte. Es ist seit Einführung des § 475 StPO anerkannt, dass die Prüfung der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche ein berechtigtes Interesse für die Gewährung von Akteneinsicht in strafrechtliche Ermittlungsakten darstellt, soweit es nach dem Vorbringen des Gesuchstellers und dem einem Gericht vorliegenden Akteninhalt möglich erscheint, das Bestehen zivilrechtlicher Ansprüche anhand der Akten verifizieren zu können.
- 4.
Betriebsgeheimnisse eines Beteiligten stellen schutzwürdige Interessen im Sinne des § 475 StPO dar. Sie sind aber kein Hindernis für die Akteneinsicht, wenn ihr Schutz dadurch gewahrt ist, dass die sichergestellten Daten von der Staatsanwaltschaft nicht als der Akteneinsicht unterliegende Bestandteile der Ermittlungsakten eingeordnet werden, sondern als Beweismittel, deren Besichtigung (§ 475 Abs. 3 StPO) nicht beantragt worden ist.
- 5.
Als schutzwürdige Interessen eines Beschuldigten, die der Akteneinsicht entgegen stehen, kann eine bestehende Gefährdungslage angesehen werden. Liegt eine solche nicht vor, ist Akteneinsicht zu gewähren, soweit nicht andere Gründe entgegen stehen.
- 6.
Durch die Gewährung von Akteneinsicht wird in das Grundrecht des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) nicht unerheblich eingegriffen. Mit § 475 StPO liegt aber eine Ermächtigungsgrundlage zu einem solchen Eingriff vor. Soweit uneingeschränkte Akteneinsicht erforderlich ist, kommen auch die Beschränkung der Akteneinsicht auf anonymisierte Unterlagen oder die bloße Erteilung von Auskünften aus den Akten als mildere Mittel zur Reduktion der Intensität des Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht in Betracht.
- 7.
Etwas anderes gilt nur, soweit die Akten Vermutungen eines Zeugen enthalten, die höchstpersönliche, ehrenrührige und damit insgesamt uneingeschränkt schutzwürdige Angelegenheiten einer geschiedenen Ehefrau des Beschuldigten betreffen. Insoweit muss die Akteneinsicht beschränkt werden.
- 8.
Ein Insolvenzverwalter ist als unmittelbar Verletzter anzusehen, wenn die Taten des Beschuldigten unmittelbar das Vermögen des Gemeinschuldners berühren. Soweit es jedoch um Vermutungen eines Zeugen zu schutzwürdigen Angelegenheiten einer geschiedenen Ehefrau des Beschuldigten geht, sind dessen Interessen aber auch nach dem strengeren Maßstab des § 406e II StPO so schutzwürdig, dass insoweit auch einem Insolvenzverwalter keine Akteneinsicht gewährt werden kann.
In dem Ermittlungsverfahren
...
hat die Strafkammer 15 - 6. große Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Hildesheim
auf die Anträge des Beschuldigten vom 6. November 2008 und der Beteiligten zu 1) vom 25. November 2008 auf gerichtliche Entscheidung
gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Hannover - Zentralstelle für Korruptionsbekämpfung - vom 26. September/22. Dezember 2008
unter Mitwirkung
des Vorsitzenden Richters am Landgericht Schmidt sowie
der Richter am Landgericht Martin und Schrimpf
am 6. Februar 2009
beschlossen:
Tenor:
- I.
Das Verfahren wird, soweit es die gegen die Gewährung von Akteneinsicht an die Beteiligten zu 4) gerichteten Anträge betrifft, zur gesonderten Fortführung und Entscheidung abgetrennt. Das abgetrennte Verfahren wird zu dem weiteren bei der Kammer anhängigen Verfahren 25 Qs 2/09 vebunden.
- II.
Die vorgenannte Verfügung der Staatsanwaltschaft Hannover wird dahingehend abgeändert, dass
1. den Beteiligten zu 2), 3) und 5) keine Akteneinsicht in die Aussage des Zeugen K. vom 4. Dezember 2007 gewährt wird, soweit dieser mutmaßliche Hintergründe der Scheidung des Beschuldigten von seiner (ersten) Ehefrau schildert.
2. den Beteiligten zu 2) und 3) darüber hinaus keine Akteneinsicht in die - von dem Zeugen K.übergebenen - Unterlagen gewährt wird, die Einzelheiten der Sicherheitsausstattung von der Nachfolgefirma noch genutzter (ehemaliger) Standorte der H.-Unternehmensgruppe betreffen.
- III.
Im Übrigen werden die Anträge auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen.
- IV.
Die Kosten des Verfahrens auf gerichtliche Entscheidung einschließlich der diesbezüglich entstandenen notwendigen Auslagen der Beteiligten haben der Beschuldigte und die Beteiligte zu 1) zu tragen.
Gründe
A.
Die Staatsanwaltschaft Hannover - Zentralstelle für Korruptionsbekämpfung - führt ein Ermittlungsverfahren gegen den bei der Beteiligten zu 1) als Prokurist und Leiter der Abteilung Valoren-Versicherungen tätigen Beschuldigten wegen des Verdachts der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr.
Der Beschuldigte betreute für die Beteiligte zu 1) über viele Jahre die 1990/91 begründeten Vertragsbeziehungen zu den seit dem 20. Februar 2006 im Insolvenzverfahren befindlichen Gesellschaften der sogenannten H.-Gruppe mit Hauptsitz in Hannover. Diese Gruppe war bis zu ihrem Zusammenbruch bundesweit Marktführerin im Bereich des Geldtransports und weiterer Gelddienstleistungen (Zählen von abgeholtem Kundengeld, Transport und Einzahlung des gezählten Geldes bei der Bundesbank, Befüllung von Geldautomaten, Hartgeldversorgung von Einzelhändlern etc.). Die beschließende Kammer hat mit mittlerweile rechtskräftigem Urteil vom 23. Mai 2007 Herrn W., den Gründer, Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Unternehmen der H.-Gruppe, wegen Untreue in 156 rechtlich zusammentreffenden Fällen in Tateinheit mit vorsätzlicher Insolvenzverschleppung, Untreue und Bankrott zu einer zehnjährigen Gesamtfreiheitsstrafe verurteilt (25 KLs 5413 Js 18030/06). Herr W. ist in diesem Ermittlungsverfahren Mitbeschuldigter wegen des Verdachts der Bestechung im geschäftlichen Verkehr.
Nach den Feststellungen der Kammer in dem Urteil vom 23. Mai 2007 waren die Gesellschaften der H.-Gruppe schon über Jahre hoffnungslos überschuldet, hatten nie auskömmliche Erträge und konnten ihren Geschäftsbetrieb schon in den neunziger Jahren nur durch die Praktizierung eines sogenannten Schneeballsystems aufrecht erhalten, das fehlende Renditen und Bankkredite ersetzte: Herr W. veranlasste immer wieder den Zugriff auf abgeholtes und gezähltes Bargeld der Kunden seiner Gesellschaften, um damit Löhne, Gehälter, öffentliche Abgaben und weitere Verbindlichkeiten seiner Unternehmensgruppe zu bezahlen. Die Kunden erhielten ihr Geld entsprechend verspätet ausgezahlt, wobei hierfür regelmäßig das zu diesem Zeitpunkt neu abgeholte Geld anderer Kunden verwendet wurde. Sehr bald verzögerte sich die Auszahlung praktisch aller Geldbeträge, die an einem Tag abgeholt wurden, um jeweils einen weiteren Tag.
Diese Barentnahmen waren zunehmend unpraktikabel, um in dem Schneeballsystem die wegen der weiterhin nicht auskömmlichen Erträge immer größer werdenden Finanzlöcher zeitnah zu stopfen. Der Transport der Gelder aus den Niederlassungen Viersen (Zentralniederlassung für Nordrhein-Westfalen, höchstes Bargeldaufkommen aller H.-Niederlassungen) und Hamburg (Hauptsitz der in der H.-Gruppe mit der Geldzählung befassten N. GmbH) und ihre anschließende Einzahlung auf Firmenkonten in Hannover dauerte zu lange. Zudem wuchs der Finanzierungsbedarf; 2000/01 hatten die ungedeckten Fehlbeträge in der H.-Gruppe bereits einen dreistelligen Millionenbetrag in DM erreicht und wohl überschritten.
Ab 2000, im großen Stil ab Anfang 2001, veranlasste Herr W., Kundengelder in der Weise zur "Zwischenfinanzierung" der Unternehmensgruppe einzusetzen, dass nach ihrer Einzahlung auf ein für eine Gesellschaft der H.-Gruppe geführtes Bundesbankkonto die benötigten Beträge auf bei mehreren Kreditinstituten geführte Girokonten von Gesellschaften der Unternehmensgruppe direkt überwiesen wurden. Mit sogenannten Blitzüberweisungen der Bundesbank wurden die Beträge auf Empfängerkonten innerhalb von zwei Stunden gut geschrieben, sodass deutlich schneller und einfacher Kundengelder für die Finanzierung der H.-Gruppe genutzt werden konnten, als es zuvor durch die Barentnahmen in Viersen und Hamburg möglich gewesen war. Weiterhin gerieten die Gesellschaften der H.-Gruppe durch diese Überweisungen zugunsten der Firmenkonten mit der Auszahlung der abgeholten Kundengelder immer wieder in Rückstand. So schnell es ging, wurde im Schneeballsystem mit einer Verspätung von etwa einem Tag dieser Rückstand dadurch aufgeholt, dass die neu abgeholten Gelder anderer Kunden zum Ausgleich der noch offen stehenden Ansprüche des Vortags verwendet wurden.
Auch die auf Firmenkonten überwiesenen Kundengelder wurden in erster Linie für die bereits dargestellten klassischen Aufwändungen der Gesellschaften der H.-Gruppe verwendet, etwa auch für die Zahlung von Versicherungsprämien, ebenso für die Zahlung von Verzugszinsen wegen der im Schneeballsystem zwangsläufig verzögerten Auszahlung der abgeholten und bearbeiteten Kundengelder. Der Zusammenbruch der H.-Gruppe im Februar 2006 führte zu Außenständen der Kunden aus abgeholten, aber nicht gut geschriebenen Geldern in Höhe von etwa 430 Millionen EUR.
Beschwerden der vom Schneeballsystem betroffenen Kunden gab es bis Anfang 2004 kaum; einige größere Kunden stellten Verzugszinsen in Rechnung und gaben sich mit deren stets anstandsloser und prompter Bezahlung zufrieden. Insgesamt hat die H.-Gruppe ab 2001 bis zu ihrem Zusammenbruch etwa 20 Millionen EUR Verzugszinsen gezahlt.
Spätestens ab September 2005 informierten jedoch jedenfalls mehrere Großkunden bei verzögerten Gutschriften zügig die Beteiligte zu 1) beziehungsweise das für sie tätige Versicherungsmaklerbüro mit Schadensanzeigen. Da die Kunden ihr Geld aber jeweils doch noch erhielten, nahmen sie diese Anzeigen wieder zurück.
Gegen den Beschuldigten besteht der Verdacht, trotz der - zunehmenden - Beschwerden der Kunden bei der Beteiligten zu 1) über teilweise tagelange Verspätungen bei den Geldgutschriften nichts unternommen zu haben, Schadensakten schnell geschlossen oder erst gar nicht angelegt zu haben. Ferner soll er auf erforderliche, kostspielige Sicherungsmaßnahmen bei H.-Niederlassungen verzichtet und der H.-Gruppe so einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern, die entsprechende Sicherungsmaßnahmen durchführen mussten, verschafft haben.
Als Gegenleistung für die vorgenannten Handlungen beziehungsweise Unterlassungen soll der Bechuldigte von dem mit ihm befreundeten Mitbeschuldigten W. spätestens ab dem Jahr 2000 bis Ende 2005 zahlreiche geldwerte Vorteile (Übernahme der Kosten für Urlaubsreisen, Zurverfügungstellung von Fahrzeugen, Mobiltelefone, üppige Präsentkörbe) erhalten haben.
Im Zuge des Ermittlungsverfahrens sind Durchsuchungsbeschlüsse des Amtsgerichts Hannover gegen den Beschuldigten und die Beteiligte zu 1) erlassen und vollstreckt worden. Die bei den Durchsuchungen sichergestellten beziehungsweise beschlagnahmten Unterlagen sind weitgehend noch nicht gesichtet worden. Bei der Beteiligten zu 1) ist unter anderem eine Festplatte gespiegelt worden; die gespiegelte Datenstruktur ist ferner der Staatsanwaltschaft in Form von Bildschirmausdrucken (sogenannten Screenshots) übermittelt und in einem entsprechend bezeichneten Sonderheft abgelegt worden.
Die Beteiligten zu 2) bis 5) begehren Einsicht in die Ermittlungsakten.
Die Beteiligte zu 2) war Kundin einer der H. Transport Gesellschaften und nimmt die Beteiligte zu 1) für den ihr entstandenen Schaden gerichtlich in Anspruch. Sie behauptet, im Gewahrsam der H. Transport Gesellschaft seien ihr, der Beteiligten zu 2), zustehende Gelder in Höhe von rund 16 Millionen EUR unterschlagen worden.
Die von der Beteiligten zu 1) erklärte Anfechtung des Versicherungsvertrags mit der vorgenannten H.-Gesellschaft wegen arglistiger Täuschung (Verschweigen des Schneeballsystems gegenüber der Beteiligten zu 1) greife nicht, wenn - was sich die Beteiligte zu 1) zurechnen lassen müsse - der Beschuldigte von den Unterschlagungen bei H. gewusst hätte. Außerdem könnten ihr, der Beteiligten zu 2), unmittelbare Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung gegen die Beteiligte zu 1) und den Beschuldigten zustehen, die sie ohne Akteneinsicht nicht näher begründen könne.
Die Beteiligte zu 3), ein Kreditinstitut, war langjährige Kundin der H.-Gruppe und hatte Gesellschaften dieser Gruppe unter anderem mit der Geldver- und entsorgung ihrer Filialen beauftragt. Zwischen dem 13. und dem 20. Februar sollen ihr 16,1 Millionen EUR, die sich im Besitz einer H.-Gesellschaft befunden haben sollen, abhanden gekommen sein. Sie hat die Beteiligte zu 1) gerichtlich auf Zahlung dieses Schadens in Anspruch genommen und ist der Ansicht, bei Bestätigung des Tatverdachts gegen den Beschuldigten stünden ihr zivilrechtliche Schadensersatzansprüche gegen die Beteiligte zu 1) zu. Dies könne sie aber erst nach Einsicht in die Ermittlungsakten beurteilen und geltend machen.
Zudem seien Klagen anderer Geschädigter in erster und zweiter Instanz bereits mit der Begründung abgewiesen worden, die Beteiligte zu 1) hätte die Versicherungsverträge mit der H.-Gruppe wirksam wegen arglistiger Täuschung (s. o.) angefochten. Sollte sich aus dem Ermittlungsverfahren ergeben, dass der Beschuldigte von dem Betreiben des Schneeballsystems und anderen Machenschaften bei H. gewusst hätte, wäre diese Anfechtung unwirksam.
Die Beteiligten zu 4) wollen ebenfalls in Vertragsbeziehungen zur H.-Gruppe gestanden und durch deren Zusammenbruch - nicht näher konkretisierte - Schäden von insgesamt über 30 Millionen EUR erlitten haben. Auch sie haben die Beteiligte zu 1) verklagt und sind der Ansicht, die Anfechtung der Versicherungsverträge greife nicht, wenn der Beschuldigte, dessen Kenntnis sich die Beteiligte zu 1) zurechnen lassen müsse, von dem Betreiben des Schneeballsystems gewusst hätte. Zur Substantiierung ihrer entsprechenden Vorträge in den anhängigen Zivilprozessen benötigten sie, die Beteiligten zu 4), Einsicht in die Ermittlungsakten; möglicherweise stünden ihnen gegen die Beteiligte zu 1) auch weitere, deliktische Ansprüche zu, die sie ebenfalls ohne Kenntnis des Ermittlungsverfahrens nicht konkretisieren könnten.
Der Beteiligte zu 5) ist der Insolvenzverwalter über das Vermögen der zur H.-Gruppe gehörenden Gesellschaften. Er ist der Ansicht, dass sich sein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht aus § 80 Abs. 1 InsO ergebe. Er sei nach dieser Vorschrift verpflichtet, Schadensersatzsansprüche, Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung und aus anfechtbaren Rechtshandlungen zu Gunsten der Insolvenzmassen zu prüfen und zu verfolgen. Er könne ohne Kenntnis der Ermittlungsakten nicht beurteilen, ob er auch gegen den Beschuldigten Ansprüche geltend machen könne.
Die Staatsanwaltschaft Hannover hat mit der in der Beschlussformel näher bezeichneten Verfügung erklärt, dass sie den Beteiligten zu 2) bis 5) uneingeschränkt Akteneinsicht gewähren wolle; diese Beteiligten hätten ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht. Sie hat inzwischen klargestellt, dass sie das Sonderheft "Screenshots" nicht als Aktenbestandteil ansieht, sondern als Teil des Beweismittels (Augenscheinsobjekts) "sichergestellte Festplatte der Beteiligten zu 1)". Beweismittelbesichtigung sei bisher nicht beantragt worden und werde mit Rücksicht auf Betriebsgeheimnisse der Beteiligten zu 1) auch nicht gewährt.
Gegen die beabsichtigte Gewährung von Akteneinsicht richten sich die Anträge ("Widersprüche") des Beschuldigten und der Beteiligten zu 1) auf gerichtliche Entscheidung.
Der Beschuldigte widerspricht der Gewährung von Akteneinsicht insgesamt, weil in den Akten Hinweise des Privatermittlers/Zeugen K. auf höchstpersönliche, private Angelegenheiten seiner geschiedenen Ehefrau enthalten seien, die Dritte nichts angingen. Ferner seien in die Akte Hinweise des Herrn K. auf ihn, den Beschuldigten, und sein privates Umfeld gelangt, die zu einer Gefährdungslage führten, weil an seinen Motorrädern bereits Bremsleitungen zerstört und Radmuttern gelöst wurden. Schließlich befänden sich in den Ermittlungsakten noch aktuelle Sicherheitsbeschreibungen zu jetzt von der Nachfolgefirma genutzte vormalige H.-Niederlassungen; das stelle eine besondere Gefährdung dar, wenn diese Beschreibungen Unbefugten zur Kenntnis gelangen würden.
Hilfsweise beantragt der Beschuldigte,
die vorgenannten - nicht näher spezifizierten - Aktenbestandteile vor der Gewährung von Akteneinsicht zu schwärzen.
Die Beteiligte zu 1) spricht den Beteiligten zu 2) bis 5) die Verletzteneigenschaft ab; Rechtsgut des Straftatbestandes der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr sei der freie Wettbewerb, der Schutz von Geschäftsinteressen von Mitbewerbern und - bei Taten von Angestellten oder Beauftragten - der Schutz des Geschäftsherrn. Berechtigte Interessen an der Akteneinsicht würden die Beteiligten zu 2) bis 4) ohnehin nicht darlegen. Auf die Anfechtung des Versicherungsvertrages komme es nach der maßgeblichen Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Celle nicht an. Zudem müssten ihre Betriebsgeheimnisse geschützt werden; alle bei ihr, der Beteiligten zu 1), sichergestellten Unterlagen beinhalteten Betriebsgeheimnisse.
Die Stattgabe des unspezifizierten Begehrens der Beteiligten zu 4) würde eine unzulässige Ausforschung des Beschuldigten und der Beteiligten zu 1) darstellen.
Der Beteiligte zu 5) könne als Insolvenzverwalter ohnehin nicht als Verletzter angesehen werden. Zudem fehle es bei seinem Antrag an der erforderlichen genauen Erläuterung des Zwecks der Akteneinsicht.
B.
I.
1.
Zur Entscheidung über die Anträge auf gerichtliche Entscheidung ist die beschließende Wirtschaftsstrafkammer nach § 74c GVG i.V.m. § 2 Nds. ZustVO-Justiz berufen (vgl. Beschluss der Kammer v. 26. März 2007, NJW 2008, 531, 532).
2.
Soweit es die Beteiligten zu 4) betrifft, kann noch keine Entscheidung ergehen. Ihnen ist erst vor kurzem neben einem umfangreichen Schriftsatz der Beteiligten zu 1) ein richterlicher Hinweis zur erforderlichen Konkretisierung ihres Vorbringens übermittelt worden.
Im Hinblick auf die jedenfalls von der Beteiligten zu 2) geltend gemachte Eilbedürftigkeit der Entscheidung über die Gewährung von Akteneinsicht erscheint es daher geboten, schon jetzt so weit über die Anträge auf gerichtliche Entscheidung zu entscheiden, wie Entscheidungsreife eingetreten ist und das Verfahren im Übrigen zur gesonderten Fortführung und Entscheidung abzutrennen. Da bei der Kammer ohnehin ein - noch nicht entscheidungsreifes - Verfahren auf gerichtliche Entscheidung anhängig ist, das die Gewährung von Akteneinsicht in diesselbe Ermittlungsakte an weitere Verletzte oder Dritte betrifft (25 Qs 2/09), kann das die Beteiligten zu 4) betreffende Verfahren mit jenem Verfahren verbunden werden.
II.
Der Antrag der Beteiligten zu 1) auf gerichtliche Entscheidung gegen die Verfügung der Staatsanwaltschaft Hannover war zurückzuweisen; auch der Antrag des Beschuldigten bleibt weitgehend erfolglos.
1.
Den Beteiligten zu 2) und 3) ist nach Maßgabe des § 475 StPO weitgehend Akteneinsicht zu gewähren.
a)
Als Verletzte im Sinne der vorrangigen Regelung des § 406e StPO vermag die Kammer diese Beteiligten nicht anzusehen. Die diesen Beteiligten beim Zusammenbruch des Schneeballsystems entstandenen Schäden sind nicht unmittelbar auf die möglichen Straftaten des Beschuldigten zurückzuführen. Die Staatsanwaltschaft verdächtigt den Beschuldigten wegen von dem Mitbeschuldigten W. empfangener geldwerter Vorteile, einerseits nach Beschwerden von H.-Kunden über verspätete Geldauszahlungen Schadensakten nicht angelegt oder schnell geschlossen zu haben und wegen der Beschwerden gebotene Kontrollmaßnahmen oder Nachfragen bei dem Mitbeschuldigten und der H.-Gruppe unterlassen zu haben und andererseits der H.-Gruppe Wettbewerbsvorteile durch den Verzicht auf Sicherungsmaßnahmen bei H.-Niederlassungen verschafft zu haben.
Auf den möglichen letztgenannten Verzicht sind die Schäden der Beteiligten ersichtlich nicht zurückzuführen; es ist nicht wegen fehlender Sicherheitsmaßnahmen Geld abhanden gekommen, sondern die H.-Gruppe schob einfach in einem Schneeballsystem ein Millionenloch vor sich her, das sich zum Nachteil eines Großteils ihrer Kunden bei dem Zusammenbruch der H.-Gruppe auswirkte.
Es ist gut möglich, dass bei einem von der Staatsanwaltschaft vermissten Vorgehen des Beschuldigten die H.-Gruppe und damit das von ihr betriebene Schneeballsystem früher zusammengebrochen wäre und dann nicht den Beteiligten zu 2) und 3), sondern zufällig anderen Kunden der H.-Gruppe Schäden entstanden wären oder die Schäden für diese beiden Beteiligten geringer ausgefallen wären. Da das Schneeballsystem aber bereits seit Anfang der neunziger Jahre betrieben wurde, hätte auch ein (energisches) Vorgehen des Beschuldigten jedenfalls Kundenschäden wergen der bereits vor der ersten ihm zur Last gelegten Straftat vorhandenen Fehlbeträge der H.-Gruppe nicht verhindern können. Keinesfalls sind die den Beteiligten zu 2) und 3) entstandenen Schäden - was Voraussetzung für ihre Verletzteneigenschaft im Sinne des § 406e StPO wäre - unmittelbar durch die vorgenannten möglichen strafbaren Handlungen beziehungsweise Unterlassungen des Beschuldigten (Schließen von Schadensakten, Unterlassen von Kontrolle, etc.) entstanden. Die - nur mögliche - Mitkausalität seiner möglichen Handlungen/Unterlassungen reicht für dieses Unmittelbarkeitserfordernis nicht aus; soweit bisher ersichtlich kann dem Beschuldigten nicht vorgeworfen werden, direkt am Schneeballsystem der H.-Gruppe beteiligt gewesen zu sein.
Eher lassen sich die Schäden der Beteiligten zu 2) und 3) auf die von der Kammer im Verfahren 25 KLs 5413 Js 18030/06 abgeurteilten Straftaten des Mitbeschuldigten W. und seiner leitenden Mitarbeiter zurückführen. Dennoch hatte die Kammer in jenem Verfahren die Verletzteneigenschaft der Kunden der H.-Gruppe abgelehnt (Beschluss d. Kammer v. 23. Januar 2007, Nds. Rpfl. 2007, 187, 188; insoweit offen gelassen von der Beschwerdeinstanz, OLG Celle, Beschluss v. 22. Februar 2007, StV 2007, 293).
b)
Die Beteiligten zu 2) und 3) haben jedoch entgegen der Auffassung der Beteiligten zu 1) ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht gemäß § 475 StPO dargelegt.
aa)
Es ist zwar richtig, dass das Vorbringen der Beteiligten zu 2) nicht sonderlich ausführlich ist. Es lässt sich diesem Vorbringen aber entnehmen, dass sie aufgrund ihres gegenwärtig vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg anhängigen Rechtstreits gegen die Beteiligte zu 1) an der Akteneinsicht interessiert ist, um aufgrund des Akteninhalts beurteilen zu können, ob die von der Beteiligten zu 1) erklärte Anfechtung der Versicherungsverträge mit den H.-Gesellschaften wegen arglistiger Täuschung wegen einer, der Beteiligten zu 1) nach § 166 BGB zurechenbaren, deutlich früheren Kenntnis des Beschuldigten, ihres Prokuristen und Abteilungsleiters, von dem Schneeballsystem der H.-Gruppe an der Fristenregelung des § 124 BGB scheitern könnte.
Wie die Staatsanwaltschaft in ihrer Vorlageverfügung bereits ausgeführt hat, hat die Beteiligte zu 2) damit hinreichend ein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht dargelegt. Es ist jedenfalls seit Einführung des § 475 StPO anerkannt, dass die Prüfung der Verfolgung zivilrechtlicher Ansprüche ein berechtigtes Interesse für die Gewährung von Akteneinsicht in strafrechtliche Ermittlungsakten darstellt, soweit es nach dem Vorbringen des Gesuchstellers und dem dem Gericht vorliegenden Akteninhalt möglich erscheint, das Bestehen zivilrechtlicher Ansprüche anhang der Akten verifizieren zu können (vgl. LG Düsseldorf, wistra 2003, 239f.; LG Frankfurt/Main, StV 2003, 495; LG Regensburg, NJW 2004, 530 ,531; LG Mühlhausen, wistra 2006, 76; Beschluss der Kammer, a.a.O., S. 533).
Dies ist bei der Beteiligten zu 2) der Fall: Es mag zwar sein, dass es auf die wirksame Anfechtung des Versicherungsvertrags nach Auffassung des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle im Ergebnis nicht ankommt und sich das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg nach den im Rechtstreit der Beteiligten zu 1) und 2) erteilten Hinweisen dieser Auffassung anschließen könnte, aber es ist schon nicht Aufgabe der Wirtschaftsstrafkammer zu prognostizieren, wie ein oberlandesgerichtlicher Zivilsenat entscheiden wird (vgl. Beschluss der Kammer v. 13. Oktober 2006, 25 Qs 13/06). Vor allem ist es möglich, dass die Frage der wirksamen Anfechtung des Versicherungsvertrags in einem möglichen Revisionsverfahren relevant werden könnte, weswegen es der Beteiligten zu 2) möglich sein muss, schon vor Abschluss der zivilgerichtlichen Tatsacheninstanzen zu dieser Frage umfassend vorzutragen, um zu vermeiden, dass eine für das Revisionsgericht nach § 559 ZPO bindende andere Tatsachenfeststellung (keine Verfristung der Vertragsanfechtung) getroffen wird.
Die Bejahung eines berechtigten Interesses scheitert auch nicht daran, dass gegenwärtig keine zureichenden tatsächlichen Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Beschuldigte direkt am Schneeballsystem der H.-Gruppe beteiligt gewesen sein könnte. Die Kenntnis von einer arglistigen Täuschung und das damit verbundene Ingangsetzen der Anfechtungsfrist des § 124 BGB erfordert nicht die Kenntnis aller Einzelheiten der Täuschung (vgl. Palandt, BGB, 67. Aufl., Rn. 2 zu § 124 BGB).
Auf die Frage, ob der Beteiligten zu 2) Schadensersatzansprüche aus unerlaubter Handlung gegen die Beteiligte zu 1) und den Beschuldigten zustehen könnten, was aus den von der Beteiligten zu 1) hierzu angeführten Gründen eher zweifelhaft sein dürfte, kommt es daher nicht an.
bb)
Die Beteiligte zu 3) hat ihr berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht umfassend begründet. Sie hat die Frage der Wirksamkeit der Anfechtung der Versicherungsverträge und deren mögliche Relevanz für ihren Rechtstreit gegen die Beteiligte zu 1) schlüssig dargelegt.
Dass ihr Rechtstreit offenbar noch in erster Instanz vor dem Landgericht Hannover anhängig ist, sodass zweitinstanzlich die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Celle begründet wäre, ändert aus den zu aa) dargelegten Gründen an der Bejahung ihres berechtigten Interesses an der Akteneinsicht nichts. Es ist auch nicht ausgeschlossen, dass der zuständige 8. Zivilsenat seine Auffassung ändert oder es doch auf die wirksame Anfechtung des Versicherungsvertrags ankommen könnte: Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Beteiligten zu 3) der nach der bisherigen oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung vorrangige Beweis des Eintritts des Versicherungsfalls gelingt.
Zudem hält es die Wirtschaftsstrafkammer für möglich, dass der Beteiligten zu 3) vertragliche Schadensersatzansprüche gegen die Beteiligte zu 1) unter dem Gesichtspunkt der Verletzung der versicherungsvertraglichen Pflicht zur Rücksichtnahme auch auf ihre Rechtsgüter durch das der Beteiligten zu 1) zurechenbare mögliche Handeln beziehungsweise Unterlassen des Beschuldigten zustehen könnten (§§ 328 Abs. 1, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1, 276, 278 BGB).
c)
Schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder der Beteiligten zu 1) stehen der Gewährung von Akteneinsicht nicht entgegen.
aa)
Die Betriebsgeheimnisse der Beteiligten zu 1), die fraglos schutzwürdige Interessen im Sinne des § 475 StPO darstellen, sind - wie die Beteiligte auch nicht mehr in Abrede stellt - dadurch gewahrt, dass die bei ihr sichergestellten Daten von der Staatsanwaltschaft nicht als der Akteneinsicht unterliegende Bestandteile der Ermittlungsakten eingeordnet werden, sondern als Beweismittel. Beweismittelbesichtigung (§ 475 Abs. 3 StPO) haben die Beteiligten zu 2) und 3) nicht beantragt; die Staatsanwaltschaft hat zudem mitgeteilt, dass sie die Beweismittelbesichtigung zum Schutz der Betriebsgeheimnisse der Beteiligten zu 1) nicht gestatten werde.
Weitere schutzwürdige Interessen der Beteiligten zu 1) vermag die Kammer nach umfassender Lektüre der ihr vorgelegten Ermittlungsakten nicht zu erkennen.
bb)
Hinsichtlich eigener schutzwürdiger Interessen, die der Akteneinsicht entgegen stehen, hat sich der Beschuldigte nur auf eine Gefährdungslage berufen, die daraus folgen soll, dass in den Akten Hinweise des Zeugen K. auf ihn und sein privates Umfeld enthalten seien und bei seinen Motorrädern bereits Bremsleitungen zerstört und Radmuttern gelöst worden seien.
Die Kammer vermag eine Gefährdungslage durch die Gewährung von Akteneinsicht und damit ein schutzwürdiges (Geheimhaltungs-)Interesse des Beschuldigten nicht zu erkennen. Zum einen erscheinen der Kammer die - von dem Beschuldigten nicht näher spezifizierten - Hinweise des Zeugen K. auf ihn und sein privates Umfeld nicht sonderlich detailliert zu sein, zum anderen sieht die Kammer nicht, wie durch Kenntnis der Prozessvertreter der Beteiligten zu 2) und 3) von diesen Hinweisen eine Gefährdungslage für den Beschuldigten entstehen oder verschärft werden könnte. Der Beschuldigte hat nicht näher dargelegt, wann, wo und - mutmaßlich - durch wen die Beschädigungen an seinen Motorrädern erfolgt sein sollen, sodass die Kammer nicht beurteilen kann, ob diese Beschädigungen überhaupt wegen der Rolle des Beschuldigten in diesem Ermittlungsverfahren beziehungsweise beim Zusammenbruch der H.-Gruppe erfolgten, und zum anderen dürften auch ohne die Hinweise des Herrn K. allein durch Kenntnis der Anschrift des Beschuldigten Angriffe gegen ihn oder sein Eigentum möglich sein, wenn er etwa an seiner Wohnanschrift bei der Nutzung von Kraftfahrzeugen beobachtet wird oder dort abgestellte Fahrzeuge ihm - etwa auch wegen der nicht ganz unauffälligen Kfz-Kennzeichen der ausweislich der Ermittlungsakten von ihm genutzten Fahrzeuge - zugerechnet werden.
Es ist der Kammer bewusst, dass durch die Gewährung von Akteneinsicht in das Grundrecht des Beschuldigten auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) nicht unerheblich eingegriffen wird (BVerfG, Nds. Rpfl. 2003, 113ff.; LG Dresden, StV 2006, 11; Beschluss d. Kammer v. 26. März 2007, NJW 2008, 531, 533; Meyer-Goßner, StPO, 51. Aufl., Rn. 1 v. § 474 StPO), auch wenn er sich hierauf nicht ausdrücklich berufen hat.
§ 475 StPO ist aber eine Ermächtigungsgrundlage zu einem solchen Eingriff. Wegen der schwierig beantwortbaren Frage, ob und wann der Beschuldigte eine im Sinne des § 124 BGB zureichende Kenntnis von dem Schneeballsystem der H.-Gruppe hatte oder ob seine möglichen Handlungen beziehungsweise Unterlassungen versicherungsvertragliche Schadensersatzansprüche begründen könnten, kommen auch die Beschränkung der Akteneinsicht auf anonymisierte Unterlagen oder die bloße Erteilung von Auskünften aus den Akten als mildere Mittel zur Reduktion der Intensität des Eingriffs in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht in Betracht. Insgesamt erscheinen der Kammer auch die Angaben des Zeugen K. für die Verfolgung der berechtigten Interessen der Beteiligten bedeutsam zu sein, sodass die Kammer auch insoweit eine teilweise Versagung der Akteneinsicht für nicht angezeigt hält.
d)
Jedoch treffen die Ausführungen des Beschuldigten zu, mit denen er auf schutzwürdige Interessen Dritter an der teilweisen Versagung von Akteneinsicht hingewiesen hat:
Die Kammer teilt die Auffassung des Beschuldigten, dass Angaben beziehungsweise Vermutungen des Zeugen K. in den Ermittlungsakten enthalten sind, die höchstpersönliche, ehrenrührige und damit insgesamt uneingeschränkt schutzwürdige Angelegenheiten der geschiedenen ersten Ehefrau des Beschuldigten betreffen. Die Kammer sieht auch nicht, dass die Kenntnis von diesen Angaben des Zeugen K. für die berechtigten Zwecke der Beteiligten zu 2) und 3) erforderlich ist. Trotz der von der Kammer diesbezüglich in der Beschlussformel im Einzelnen bezeichneten Versagung der Akteneinsicht in knapp zwei Absätzen der ersten Vernehmung des Zeugen K. dürfte auch seine Aussage für die Beteiligten zu 2) und 3) verständlich und die von dem Zeugen angestellten Vermutungen für mögliche Gründe einer Bestechlichkeit des Beschuldigten nachvollziehbar bleiben.
Soweit es die Sicherheitsbeschreibungen von H.-Niederlassungen betrifft, könnte deren Kenntnis möglicherweise für die Zwecke der Beteiligten zu 2) und 3) von indizieller Bedeutung sein. Die Kammer teilt aber die Auffassung des Beschuldigten, dass die Kenntnis der detaillierten Beschreibungen von Sicherheitseinrichtungen in Niederlassungen, die von der H.-Nachfolgefirma genutzt werden, zu einer Gefährdung der Sicherheit dieser Niederlassungen führen könnte, und hat daher insoweit ein schutzwürdiges (Geheimhaltungs-)Interesse der Firma an diesen Beschreibungen angenommen.
Dies kann aber nicht für definitiv nicht mehr von der Nachfolgefirma genutzte, aufgegebene Standorte gelten. Hierzu zählen nach Kenntnis der Kammer aus dem Verfahren 25 KLs 5413 Js 18030/06 und weiteren Strafverfahren im Kontext des Zusammenbruchs der H.-Gruppe zumindest die früheren Standorte Heide, Mannheim und Viersen, die noch unter Regie des Beteiligten zu 5) vor der Veräußerung des Geschäftsbetriebs der H.-Gruppe geschlossen wurden.
2.
Dem Beteiligten zu 5) ist nach Maßgabe des § 406e StPO Akteneinsicht zu gewähren.
In ihrem bereits zitierten Beschluss vom 26. März 2007 hatte die Kammer die Frage der Verletzteneigenschaft des Beteiligten zu 5) als Insolvenzverwalter über das Vermögen der Gesellschaften der H.-Gruppe offen gelassen, aber betont, dass ihm jedenfalls auf Grundlage des § 475 StPO umfassend Akteneinsicht in Ermittlungsakten zu gewähren sei, damit er seiner gesetzlichen Verpflichtung aus § 80 Abs. 1 InsO nachkommen könne, zur Mehrung der Masse Schadensersatzansprüche zu prüfen sowie Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung und aus anfechtbaren Rechtshandlungen zu verfolgen.
In späteren Entscheidungen, die die Zulassung des Beteiligten zu 5) zur Zwangsvollstreckung in strafprozessual gesicherte Vermögenswerte nach §§ 111g, 111h StPO betrafen, hat die Kammer mit ausführlicher Begründung seine Verletzteneigenschaft als Insolvenzverwalter bejaht (Beschlüsse der Kammer v. 22. August 2007, NStZ-RR 2008, 43f., bestätigt durch Beschlüsse des OLG Celle v. 8. Oktober 2007, NStZ-RR 2008, 44f.). An dieser Auffassung hält die Kammer fest. Für den Begriff des Verletzten im Sinne des § 406e StPO kann schon deswegen nichts anderes gelten als für den Begriff des Verletzten im Sinne der §§ 111g, 111h StPO, weil die Geltendmachung von Rechten aus §§ 111g, 111h StPO jedenfalls bei komplexeren Sachverhalten - wie hier - regelmäßig die Gewährung von Akteneinsicht erfordern dürfte.
Der Beteiligte zu 5) beziehungsweise die von ihm repräsentierten Insolvenzmassen sind - anders als die Beteiligten zu 2) und 3) - auch Verletzte in Bezug auf dieses Ermittlungsverfahren: Falls die gegen den Beschuldigten erhobenen Vorwürfe zutreffen, dürfte davon auszugehen sein, dass er auf Kosten von H.-Gesellschaften unentgeltlich Vermögensvorteile erhalten hat, die den Beteiligten zu 5) zumindest nach § 134 InsO zur Anfechtung der der Gewährung der Vermögensvorteile zugrunde liegenden Rechtshandlungen und damit zur Rückforderung dieser Vermögensvorteile berechtigten; auf die Höhe der gewährten Vorteile kommt es nach jener Norm nicht an. Auch deliktische Ansprüche sind nicht ausgeschlossen; der Mitbeschuldigte W. durfte wegen der ihm bekannten schlechten Lage seiner Gesellschaften diesen keine Gelder entziehen und haftet daher für entsprechende Entziehungen aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 266 StGB bzw. § 826 BGB (existenzvernichtender Eingriff, vgl. u.a. Urteile der Kammer v. 23. Mai 2007, 25 KLs 5413 Js 18030/06 und v. 31. Oktober 2008, 25 KLs 5413 Js 29109/07).
Da - wie unter 1c) ausgeführt - schon keine nach § 475 StPO der Akteneinsicht entgegen stehende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder der Beteiligten zu 1) zu bejahen sind, können zur Versagung der Akteneinsicht nach § 406e StPO erforderliche überwiegende schutzwürdige Interessen des Beschuldigten oder der Beteiligten zu 1) erst recht nicht bejaht werden.
Die Angaben des Zeugen K. zu schutzwürdigen Angelegenheiten der geschiedenen Ehefrau des Beschuldigten sind aber auch nach dem strengeren Maßstab des § 406e Abs. 2 StPO so schutzwürdig, dass insoweit auch dem Beteiligten zu 5) keine Akteneinsicht gewährt werden kann.
Für die Geheimhaltungsinteressen der Nachfolgefirma gilt das aber schon deswegen nicht, weil die Sicherheitsbeschreibungen von H.-Standorten dem Beteiligten zu 5) ohnehin bekannt sein dürften: Zum einen ist unter seiner Leitung der H.-Geschäftsbetrieb bis zur Veräußerung aufrecht erhalten worden, sodass ihm deswegen die Sicherheitsstandards der Niederlassungen bekannt geworden sein dürften, und zum anderen verwaltet er im Rahmen der weiterhin anhängigen Insolvenzverfahren auch das umfangreiche Archiv der H.-Gruppe, in dem solche Sicherheitsbeschreibungen weitgehend dokumentiert sein dürften.
C.
Die Kostenentscheidung folgt im Hinblick auf die Beteiligte zu 1) aus §§ 161a Abs. 3 S. 3, 473 Abs. 1 StPO, weil ihr Antrag auf gerichtliche Entscheidung erfolglos geblieben ist.
Da der Antrag des Beschuldigten nur zu einem ganz geringen Teil, der zudem nicht ihn selbst betraf, Erfolg hatte, hat es die Kammer für angemessen erachtet, auch ihm die Kosten des Verfahrens vollständig aufzuerlegen.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 161a Abs. 3 S. 4 StPO).
Martin
Schrimpf