Landgericht Hildesheim
Urt. v. 08.07.2009, Az.: 12 Ks 17 Js 4517/07

Bibliographie

Gericht
LG Hildesheim
Datum
08.07.2009
Aktenzeichen
12 Ks 17 Js 4517/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 50694
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

nachfolgend
BGH - 17.11.2009 - AZ: 3 StR 435/09

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB kommt auch neben der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe in Betracht.

2. Eine Maßregel nach § 64 StGB ist bei lebenslanger Freiheitsstrafe gemäß § 67 Absatz 1 StGB grundsätzlich vor der Strafe zu vollziehen. Die Regelungen des § 67 Absatz 2 Satz 2 und Satz 3 StGB gelten für den Fall der Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nicht. Ausnahmsweise kommt allerdings die Anordnung eines teilweisen Vorwegvollzugs der Strafe nach § 67 Absatz 2 Satz 1 StGB in Betracht, wobei die Dauer des teilweisen Vorwegvollzugs der Strafe dann unter Hinnahme einer späteren Rückverlegung in den Strafvollzug so kurz wie möglich zu bemessen ist.

3. Bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe scheidet die Gewährung eines Härteausgleichs dafür, dass eine früher verhängte, grundsätzlich gesamtstrafenfähige Entscheidung bereits vollstreckt worden ist, aus. Der Umstand, dass dem Prinzip des § 55 StGB in einem solchen Fall nicht Rechnung getragen werden kann, kann im Vollstreckungsverfahren gemäß § 57a Absatz 1 Satz 2 StGB i.V.m. § 57 Absatz 1 Satz 2 StGB hinreichend berücksichtigt werden.

4. Der Tatbestand des schweren Raubes tritt dann nicht hinter den des Raubes mit Todesfolge zurück, wenn zwei Personen Opfer des Raubes sind und im Zuge der gewaltsamen Wegnahme der Beute ein Opfer zu Tode kommt und das andere Opfer körperlich schwer misshandelt wird.

Die vom Verurteilten eingelegte Revision wurde vom BGH mit Beschluss vom 17.11.2009 gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen (3 StR 435/09).

Tenor:

Der Angeklagte wird wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge, mit schwerem Raub sowie mit gefährlicher Körperverletzung zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt.

Die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt wird angeordnet.

Es wird bestimmt, dass vier Jahre Freiheitsstrafe vor der Maßregel zu vollziehen sind.

Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Angewendete Vorschriften: §§ 211, 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 3 a), 251, 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5, 52, 64 StGB.

Gründe

I.

1

Zu den persönlichen Verhältnissen des Angeklagten hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen: xxx.

II.

2

Die Kammer hat folgenden Sachverhalt festgestellt:

3

1. Vorgeschichte

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Anfang Februar 2007 fuhr der obdachlose und heroinabhängige Angeklagte, der sich zuvor in A. aufgehalten hatte, mit dem Zug nach H. Er hatte vor, nach Hamburg weiterzureisen, blieb jedoch zunächst in H., wo er im Bereich des Hauptbahnhofs auf der Straße übernachtete und Geld erbettelte oder durch Diebstähle erlangte, von dem er in H. Heroin erwarb.

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Am Morgen des 05.02.2007 - dem Tattag - beschaffte sich der Angeklagte 0,5 Gramm Heroin für 15,- €, welches er sich intravenös spritzte. Der Konsum einer solchen Menge Heroin reichte bei dem Angeklagten, der zu dieser Zeit je nach Qualität zwischen 1,5 und 2,5 Gramm, bei besonders schlechter Qualität auch schon mal bis zu 5 Gramm Heroin pro Tag konsumierte, üblicherweise für etwa acht bis zehn Stunden. An diesem Morgen hatte der Angeklagte jedoch bald das Gefühl, dass das Heroin von schlechter Qualität war. Er fühlte sich nicht sonderlich gut, hatte Magenbeschwerden, schweißfeuchte Hände und verspürte ein Muskelziehen beim Laufen. Der Angeklagte entschloss sich deshalb, sich durch Diebstahlstaten Geld zu beschaffen, von dem er sich neues und qualitativ besseres Heroin kaufen wollte. Es war ihm allerdings zu riskant, in Geschäften in der Innenstadt von H. Waren zu entwenden, die er hätte verkaufen können. Er befürchtete, dort sofort aufzufallen. Er verließ deshalb am späten Vormittag zu Fuß und unter Mitnahme seiner Habseligkeiten, die er in einem Rucksack verstaut hatte, die Innenstadt von H. Der Angeklagte hatte vor, in ein Wohnhaus einzubrechen, Bargeld oder Wertgegenstände zu entwenden, letztere zu verkaufen und von dem Bargeld beziehungsweise Verkaufserlös Drogen zu erwerben. Derartige Einbruchsdiebstähle hatte er in der Vergangenheit bereits mehrfach begangen; bislang war er dabei nie von den Wohnungsinhabern überrascht worden und konnte jeweils Wertgegenstände beziehungsweise Bargeld erbeuten. Um einen solchen Einbruch bewerkstelligen zu können, hatte der Angeklagte - wie üblich - eine Brechstange („Kuhfuß“) und eine etwa 40 cm lange Wasserrohrzange in seinem Gepäck. Auf der Suche nach einem geeigneten Einbruchsobjekt lief der Angeklagte ohne festes Ziel umher, kam dabei an den südöstlichen Stadtrand von H. und verließ schließlich die Stadt H. Der Angeklagte fand jedoch kein geeignetes Einbruchsobjekt. Entweder waren die von ihm ausgeguckten Objekte in seinen Augen zu gut gesichert oder er fühlte sich beobachtet. Am Nachmittag kam der Angeklagte dann in den südöstlich von H. gelegenen Ort S. Für den Weg vom Zentrum H.’s nach S. - die Entfernung beträgt etwa 20 Kilometer - benötigte der Angeklagte, der es gewohnt war, auch weite Entfernungen zu Fuß zurückzulegen, etwa fünf Stunden. Er streifte anschließend mehrere Stunden durch den Ort S., fand aber auch dort zunächst kein Haus, in das er seiner Einschätzung nach ungestört hätte einbrechen können. Entweder hatten die von ihm ausgeguckten Häuser eine Alarmanlage beziehungsweise waren durch stabile Fenster und Türen gesichert oder der Angeklagte wähnte sich beobachtet. Insofern erschien ihm jeweils das Risiko eines Einbruchs als zu groß.

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2. Tat

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Gegen 20:15 Uhr am 05.02.2007 kam der Angeklagte auf seiner Suche nach einem geeigneten Einbruchsobjekt zufällig zu dem Einfamilienhaus B.-Straße 33 in S., dem Tatort. Dieses Einfamilienhaus, in dem die beiden Tatopfer, der damals 65-jährige G. M. und seine Ehefrau, die damals 64-jährige A. M., wohnten, steht auf einem Eckgrundstück, das an die „B.-Straße“ und die „G.-F.-Straße“ grenzt. Auf diesem Grundstück befanden sich auch Verkaufsräume einer Bäckerei, die mit dem Haus B.-Straße 33 der Eheleute M. baulich verbunden waren.

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Der Angeklagte erinnerte sich nun daran, einmal den Tipp bekommen zu haben, in Bäckereien einzubrechen, da in diesen häufig größere Mengen Bargeld aufzufinden seien. Er entschloss sich deshalb, in das Wohnhaus B.-Straße 33 einzudringen, um aus diesem Bargeld zu entwenden. Um nicht durch seinen Rucksack in seiner Beweglichkeit eingeschränkt zu sein, versteckte er diesen in einem Gebüsch einige Straßen weiter. Er nahm lediglich seine Rohrzange aus seinem Rucksack, die er erforderlichenfalls als Einbruchswerkzeug verwenden wollte, und begab sich, die Zange bewusst - um nicht aufzufallen - so in der rechten Hand haltend, dass die Zange durch seinen Arm verdeckt wurde, zurück zum Haus der Eheleute M.

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Der Eingang zum Haus B.-Straße 33 befindet sich an der rückwärtigen Hausseite; er ist von einem Innenhof aus zugänglich. Auf diesen Innenhof gelangt man über einen schmalen Weg, der von der B.-Straße abgeht, unmittelbar an das Haus B.-Straße 33 angrenzt und etwas zurückgesetzt von der Einmündung des Weges auf die Breite Straße mit einem massiven und hohen Holztor versehen ist. Von dem Innenhof aus ist ein weiteres Haus zugänglich, in dem die Tochter der Eheleute M., die Zeugin P. S., gemeinsam mit ihrem Ehemann S. S. und ihrem gemeinsamen Sohn wohnte und wohnt.

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Der Angeklagte begab sich von der B.-Straße aus auf das Grundstück, öffnete das geschlossene, jedoch nicht abgeschlossene Holztor und ging auf den Innenhof. Obwohl die Hofbeleuchtung, die mit einem Bewegungsmelder gekoppelt war, anging, als der Angeklagte den Innenhof betrat, wurde er nicht bemerkt. Die Eheleute G. M. und A. M. hielten sich zu dieser Zeit im Wohnzimmer ihres eingeschossigen Hauses auf und hatten gerade ein Würfelspiel beendet. Die Eheleute S. saßen im Wohnzimmer ihres Hauses und sahen fern.

11

Der Angeklagte ließ sich durch die plötzlich eingeschaltete Hofbeleuchtung von seinem Tatplan, in das Haus der Eheleute M. einzudringen und Bargeld zu entwenden, nicht abbringen und ging über den Innenhof zur Hauseingangstür des Hauses B.-Straße 33.

12

Die Haustür zum Wohnhaus der Eheleute M. befindet sich an der Stirnseite eines kleinen hölzernen Vorbaus, mit dem eine ursprünglich nicht überdachte Treppe vor der früheren Eingangstür zu den im Hochparterre gelegenen Wohnräumen des Hauses überbaut worden war.

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Der Angeklagte, der sich zwischenzeitlich Einmalhandschuhe angezogen hatte, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, bemerkte, dass in den Wohnräumen des Hauses Licht brannte, lies sich jedoch angesichts der fortgeschrittenen Zeit und seiner vergeblich gebliebenen Bemühungen, ein besseres Einbruchsobjekt zu finden, auch dadurch von seinem Tatplan nicht abbringen. Zunächst versuchte er ohne Erfolg, eine an der Seite des Vorbaus befindliche Holztür zu öffnen, die jedoch verschlossen war. Sodann klingelte er an der geschlossenen Haustür; er hielt es für möglich, dass die Bewohner des Hauses anwesend waren, ihm öffnen würden und er so in das Haus hineingelangen könnte. Konkrete Vorstellungen darüber, wie er bei einem Zusammentreffen mit den Bewohnern des Hauses reagieren wollte, hatte der Angeklagte nicht. Es war nun etwa 20:30 Uhr. Der Angeklagte war jetzt und in der Folgezeit in seiner Schuldfähigkeit nicht beeinträchtigt.

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Wegen des Klingelns an ihrer Haustür begab sich A. M. vom Wohnzimmer zum erwähnten Vorbau, ging die Stufen zur äußeren Haustür herunter und öffnete die Haustür. Ihr Ehemann G. M., der nach mehreren Herzinfarkten schwer herzkrank war und sich nur noch schwerfällig bewegen konnte, blieb zunächst im Wohnzimmer sitzen. Als A. M. die Haustür öffnete, begab sich der Angeklagte durch die Haustür in den Vorbau. A. M. wich überrascht zurück bis zur inneren Haustür. Der Angeklagte, der an seinem Plan, in diesem Haus Bargeld zu erbeuten, ungeachtet des Umstandes, dass er auf Frau M. getroffen war, festhielt, und zwar auch deshalb, weil er Bargeld für neues Heroin benötigte und sich gesundheitlich zunehmend schlechter fühlte, folgte ihr. A. M. fragte den Angeklagten, was er wolle, und forderte ihn auf, ihr Haus zu verlassen.

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Hierdurch wurde G. M. darauf aufmerksam, dass ein Fremder - und nicht, wie er erwartet hatte, sein Enkel - das Haus betreten hatte. Er stand deshalb von seinem Platz im Wohnzimmer auf und begab sich in den Wohnungsflur zur inneren Haustür zu seiner Ehefrau und dem Angeklagten.

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Als der Angeklagte G. M. auf sich zukommen sah, drückte er A. M. zur Seite und ging auf G. M. zu. Beide trafen im Hausflur unmittelbar hinter der inneren Haustür aufeinander. Ohne Vorwarnung und für G. M. völlig überraschend versetzte der Angeklagte, der seine mitgeführte Rohrzange nun in der linken Hand hielt, G. M. jetzt einen kräftigen Schlag mit seiner rechten Faust gegen die Stirn. Der Angeklagte wollte G. M. niederschlagen und handlungsunfähig machen, um zu verhindern, dass dieser sich gegen sein Eindringen in das Haus zur Wehr setzte, und um seinen Plan, aus dem Haus Bargeld zu entwenden, realisieren zu können. Durch den Faustschlag des Angeklagten ging der gebrechliche G. M. sogleich im Flur unmittelbar hinter der inneren Haustür zu Boden und wurde bewusstlos. Er erlitt durch den potentiell lebensgefährlichen Schlag des Angeklagten ein Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades.

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A. M. versuchte nunmehr, durch trommelnde, in Richtung des Angeklagten zielende Bewegungen mit ihren Händen den Angeklagten abzuwehren. Dabei erlitt sie einen Bruch ihres rechten Zeigefingers. Der Angeklagte schlug nun mit seiner rechten Faust auch A. M. in das Gesicht. Er wollte A. M. niederschlagen, um ihre Gegenwehr zu unterbinden und um seinen Plan, Bargeld aus den Wohnräumen zu entwenden, in die Tat umsetzen zu können. Durch den Faustschlag des Angeklagten sank A. M. im Flur zu Boden. Um eine weitere Gegenwehr von A. M., die auf den Angeklagten einen deutlich jüngeren und gesundheitlich besseren Eindruck machte als G. M., sicher zu unterbinden und auch sie handlungsunfähig zu machen, nahm der Angeklagte jetzt die mitgeführte Rohrzange aus der linken in die rechte Hand und versetzte A. M., noch während diese zu Boden ging, mit der Rohrzange zwei kräftige, ausholende und gezielte Schläge in den Nacken. Dabei hielt der Angeklagte ein Versterben der A. M. aufgrund seiner Schläge mit der Rohrzange für möglich und nahm ihren Tod billigend in Kauf. A. M. wurde sogleich bewusstlos und kam letztlich in Rückenlage auf dem Flur direkt neben ihrem Ehemann zum Liegen. Sie verstarb innerhalb kürzester Zeit an einem massiven Trauma der Halswirbelsäule, das Folge der ihr versetzten Schläge mit der Rohrzange in ihren Nacken war. Mitursächlich für den Tod von A. M. war eine Verlegung ihrer Luftröhre durch Aspiration von Erbrochenem.

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Der Angeklagte begab sich nunmehr in die Küche des Hauses, öffnete einen Küchenschrank und fand dort zwei 50,- Euro-Scheine, die er an sich nahm. Zudem fand er das offen in der Küche liegende Portemonnaie des G. M., in dem sich unter anderem Geldscheine im Wert von 80,- Euro befanden. Der Angeklagte griff sich das Portemonnaie und entnahm diesem die Geldscheine. Er entschloss sich daraufhin, nicht nach weiterem Bargeld zu suchen, sondern das Haus zu verlassen. Während er im Vorbau die Treppenstufen zur äußeren Haustür hinabging, warf er das Portemonnaie auf den Boden des Vorbaus. Der Angeklagte nahm zwar wahr, dass seine Opfer weiterhin reglos auf dem Boden im Flur lagen, kümmerte sich um diese jedoch nicht; seine Opfer waren ihm gleichgültig. Sodann verließ der Angeklagte unter Mitnahme des erbeuteten Bargelds (180,- €) das Haus; die Haustür zog er hinter sich zu.

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3. Nachtatgeschehen

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Anschließend verließ der Angeklagte das Grundstück, wobei er auch jetzt nicht bemerkt wurde.

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Kurz vor 21.00 Uhr erwachte G. M. im Flur liegend aus seiner Bewusstlosigkeit. Er bemerkte, dass seine Ehefrau leblos direkt neben ihm lag. G. M. stand auf und begab sich - benommen und schockiert - zum Telefon. Um 21:01 Uhr rief G. M. bei seiner nebenan wohnenden Tochter an und forderte diese auf, sofort herüberzukommen. Daraufhin begab sich ihr Ehemann S. S. zum Haus von A. M. und G. M. Dort fand er die Türen des Vorbaus geschlossen vor. Er klingelte, woraufhin ihm G. M. die Haustür öffnete. Bei Betreten des Hauses bemerkte S. S., dass seine Schwiegermutter leblos im Flur lag. Er veranlasste, dass seine Ehefrau, die ihm gefolgt war, Polizei und Rettungsdienst alarmierte. Um 21:13 Uhr trafen zeitgleich der Rettungsdienst und erste Polizeibeamte am Tatort ein; der Notarzt konnte aber nur noch den Tod von A. M. feststellen. Der gesundheitlich erheblich angeschlagene G. M. wurde vom Rettungsdienst in ein Krankenhaus nach L. verbracht, wo er in der Nacht einen weiteren Herzinfarkt erlitt, sodass er am nächsten Morgen auf die Intensivstation der Medizinischen Hochschule H. verlegt wurde und dort einige Tage in stationärer Behandlung verbleiben musste. G. M. verkraftete die Tat und insbesondere den Tod seiner Ehefrau nicht. Zwar kehrte er in sein Haus zurück, doch wurde er in den Augen seiner Tochter und seines Schwiegersohnes sonderbar. Er war vollkommen haltlos und ganz entgegen seiner früheren Gewohnheit nun viel unterwegs. Zudem verspielte er sehr viel Geld in Spielhallen.

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Das Tatopfer G. M. verstarb schließlich hoch verschuldet in der Nacht vom 04. auf den xx.xx.2008, ohne dass sein Tod jedoch in einem Zusammenhang mit der verfahrensgegenständlichen Tat stand.

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Der Angeklagte begab sich, nachdem er das Grundstück verlassen hatte, zu seinem deponierten Rucksack, nahm diesen auf und ging zu Fuß entlang einer Bahnlinie zum Bahnhof von S. Er ging bewusst langsam, um keinen Argwohn zu erregen. Seine Handschuhe und eine bei der Tat getragene Mütze entsorgte er, um nicht mit der Tat in Verbindung gebracht werden zu können. Am Bahnhof von S. bestieg er einen Nahverkehrszug und fuhr mit diesem bis nach L. In L., wo der Angeklagte zuvor noch nie gewesen war, verließ er den nach H. weiterfahrenden Zug und begab sich in die Innenstadt. Dort erwarb er von dem erbeuteten Bargeld für 20,- € Heroin. Da es ihm im Hinblick auf eine etwaige Beobachtung zu riskant erschien, sich das erworbene Heroin in der Innenstadt von L., also gewissermaßen „in der Öffentlichkeit“, zu spritzen, ging er noch etwa eine halbe Stunde in L. umher, bis er einen abgeschiedenen Ort erreichte, an dem er sich das erworbene Heroin injizierte. Anschließend kehrte er zum Bahnhof von L. zurück und bestieg einen Zug in Richtung H. Mit dem Zug gelangte er wieder nach H. Von dort aus fuhr er, nachdem er von dem restlichen erbeuteten Geld Zigaretten, Alkoholika und weitere Drogen gekauft hatte, an einem der nächsten Tage - ebenfalls mit der Bahn - nach A. zurück; seinen Plan, nach Hamburg zu reisen, hatte er zwischenzeitlich verworfen.

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Trotz intensiver polizeilicher Ermittlungen konnte die Tat zunächst nicht aufgeklärt werden. Am 10.12.2008 wurde deshalb in der ZDF-Fernsehsendung „Aktenzeichen XY“ über die Tat berichtet. Diese Fernsehsendung sah der Zeuge I. S., der zu diesem Zeitpunkt in der JVA K. inhaftiert war. Der Zeuge S. hatte sich im Frühjahr 2008 ebenso wie der Angeklagte im Obdachlosenmilieu von B. aufgehalten und war dort auf den Angeklagten getroffen. Er erinnerte sich daran, dass der Angeklagte ihm im Rahmen eines Gespräches, bei dem sie sich gegenseitig von ihren begangenen Straftaten berichtet hatten, von einer Tat erzählt hatte, auf die die Beschreibung in der Fernsehsendung „Aktenzeichen XY“ gut passte. Der Zeuge S. wandte sich daraufhin über eine Mitarbeiterin der JVA K. an die Polizei, der es aufgrund näherer Informationen des Zeugen S. Anfang 2009 gelang, den Angeklagten in B. ausfindig zu machen und die Tat so nach knapp über zwei Jahren doch noch aufzuklären.

III.

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Dieser Sachverhalt steht fest aufgrund der in der Hauptverhandlung durchgeführten Beweisaufnahme.

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1. Der Angeklagte hat ein weitreichendes Geständnis abgelegt. Er hat die Tat, auch hinsichtlich ihrer Details, in der Hauptverhandlung ganz weitgehend so geschildert, wie sie festgestellt worden ist. Das Gleiche gilt für die festgestellte Vorgeschichte und das festgestellte Tatnachgeschehen, soweit der Angeklagte an diesem beteiligt war. Der Angeklagte hat insbesondere eingeräumt, er habe aus dem Haus der Eheleute M. Bargeld entwenden wollen; nach dem Betreten des Hauses habe er zunächst G. M. mit einem Faustschlag niedergestreckt, anschließend - ebenfalls mit der rechten Faust - A. M. niedergeschlagen und dieser, noch während sie zu Boden sackte, mit der mitgeführten Rohrzange zweimal kräftig und gezielt mit ausholenden Bewegungen in den Nacken geschlagen. Er habe seine beiden Tatopfer auf diese Weise niedergestreckt und handlungsunfähig gemacht, um in dem Haus nach Bargeld suchen und dieses entwenden zu können. Er habe letztlich 180,- € Bargeld gefunden und mitgenommen. Anschließend habe er das Haus verlassen, ohne sich um seine regungslos auf dem Boden liegenden Opfer zu kümmern; deren Zustand sei ihm egal gewesen.

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Abweichend von den Feststellungen der Kammer hat sich der Angeklagte lediglich insoweit eingelassen, als er erstens angegeben hat, er könne sich nicht mehr erinnern, ob er an der Haustür geklingelt habe; er halte es auch für möglich, dass die Haustür nur angelehnt gewesen sei. Zweitens hat der Angeklagte angegeben, er habe zwar gesehen, dass in den Wohnräumen Licht eingeschaltet gewesen sei, sich aber keine Gedanken darüber gemacht, ob die Bewohner des Hauses anwesend waren oder nicht. Drittens hat der Angeklagte sich dahingehend eingelassen, er habe A. M. nicht töten wollen; er habe diese nur handlungsunfähig machen wollen, um anschließend in dem Haus nach Bargeld suchen zu können. Er habe gedacht, seine beiden Tatopfer würden irgendwann wieder aufwachen und aufstehen. Und viertens schließlich hat der Angeklagte abweichend von den Feststellungen der Kammer angegeben, er wisse nicht, ob der Ort, an den er nach Tatbegehung mit dem Zug gefahren sei und in dem er nach der Tat Heroin erworben habe, L. gewesen sei. Er kenne sich in der Gegend nicht aus. Er könne nur sagen, dass es sich um den nächsten größeren Ort an der Bahnstrecke gehandelt habe; er könne allerdings ausschließen, dass es H. oder H. gewesen sei.

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2. Die Angaben des Angeklagten sind insoweit, als sie den Feststellungen der Kammer entsprechen, glaubhaft. Die Kammer hat die Angaben des Angeklagten zur Vorgeschichte, zur Tat und zum Nachtatgeschehen deshalb bis auf die vorstehend genannten Punkte ihren Feststellungen zu Grunde gelegt. Denn der Angeklagte hat das gesamte Geschehen in sich geschlossen, flüssig und für die Kammer ohne weiteres nachvollziehbar geschildert. Auf Nachfragen hat er spontan, offen, sachlich und ohne Ausweichtendenzen geantwortet; dabei konnte er seine Schilderungen jeweils ohne Schwierigkeiten präzisieren, wobei sich Erweiterungen nicht als zwingende Schlüsse aus bereits Bekanntem aufdrängten. Der Angeklagte konnte auch gedanklich ohne Schwierigkeiten innerhalb der Chronologie der Ereignisse hin- und herspringen. Seine Angaben waren - bis auf die genannten Details, die den Feststellungen der Kammer widersprechen - schlüssig, in sich stimmig, frei von Widersprüchen und außerordentlich detailreich. Ein etwaiges Motiv für den Angeklagten, sich zu Unrecht der Tatbegehung zu bezichtigen, ist nicht erkennbar.

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Vor allem aber ist zum einen die Richtigkeit der den Feststellungen zu Grunde gelegten Angaben des Angeklagten in entscheidenden Punkten durch die Beweisaufnahme bestätigt worden, zum anderen hat die Beweisaufnahme keinerlei Anhaltspunkte dafür erbracht, dass die den Feststellungen der Kammer entsprechenden Angaben des Angeklagten falsch gewesen sein könnten.

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So hat der Polizeibeamte PK V., der zu den ersten Ermittlungsbeamten am Tatort gehörte, in der Hauptverhandlung die Tatörtlichkeiten in gleicher Weise beschrieben, wie dies der Angeklagte getan hat. Insbesondere hat PK V. bestätigt, dass man das Haus der Eheleute M. über einen Innenhof betritt, dass der schmale Weg zum Innenhof mit einem hohen Holztor versehen ist, dass die Hofbeleuchtung über einen Bewegungsmelder geschaltet wurde, dass sich die Haustür zum Haus der Eheleute M. an der Stirnseite eines hölzernen Vorbaus befand, dass diese Haustür - wie dies auch der Angeklagte berichtet hat - mit einem Plexiglaseinsatz versehen war und dass innerhalb des Vorbaus eine kurze Treppe hinauf zu einer inneren Haustür führt, der Vorbau also eine Art Windfang darstellt. Diese Bekundungen zu den Tatörtlichkeiten werden bestätigt durch Lichtbilder vom Grundstück und von dem Vorbau, auf denen das Haus B.-Straße 33, der Zugang zum Innenhof, der Innenhof sowie der Vorbau zu sehen sind und auf die wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen wird. Die korrekten und detailreichen Angaben des Angeklagten zu den Tatörtlichkeiten sind für die Kammer ein klares Indiz dafür, dass der Angeklagte am Tatort war.

31

Für die Richtigkeit der den Feststellungen zu Grunde gelegten Angaben des Angeklagten spricht zudem, dass dieser die körperliche Verfassung der beiden Tatopfer in gleicher Weise beschrieben hat wie dies die Zeugen P. S. und S. S., die Tochter beziehungsweise der Schwiegersohn der Tatopfer, getan haben. Der Angeklagte hat sich dahingehend eingelassen, bei dem männlichen Tatopfer habe es sich um einen alten und gebrechlich wirkenden Mann gehandelt, der in seinen Bewegungen sehr langsam gewesen sei; das weibliche Tatopfer sei zwar ebenfalls eine bereits ältere Person gewesen, die Frau habe aber im Vergleich zu dem Mann einen deutlich jüngeren und körperlich fitteren Eindruck gemacht. Dem entsprechen die glaubhaften Bekundungen der Zeugen P. S. und S. S. zum Gesundheitszustand der Eheleute M.

32

Zudem stimmen die Angaben des Angeklagten zur erlangten Tatbeute mit dem Ergebnis der polizeilichen Ermittlungen überein. Die Zeugen KOK M. und KHK M. haben in Hauptverhandlung übereinstimmend bekundet, die polizeilichen Ermittlungen, insbesondere die Befragungen des Tatopfers G. M., hätten ergeben, dass zwei Geldscheine im Wert von je 50,- € aus einem Schrank in der Küche und zudem Geldscheine im Wert von insgesamt 80,- € aus einem offen in der Küche liegenden Portemonnaie des G. M. entwendet wurden.

33

Für die Richtigkeit der den Feststellungen zu Grunde liegenden geständigen Angaben des Angeklagten spricht auch, dass die Angaben des Angeklagten zu seiner Einwirkung auf die Tatopfer ohne weiteres vereinbar sind mit den bei den Opfern festgestellten Verletzungen. Der gerichtsmedizinische Sachverständige Dr. G., der als Oberarzt am Institut für Rechtsmedizin der medizinischen Hochschule H. tätig ist und der am 06.02.2007 sowohl die Leiche der A. M. obduziert hat als auch das Tatopfer G. M. körperlich untersucht hat, hat in seinem in der Hauptverhandlung mündlich erstatteten Gutachten ausgeführt, das von ihm bei G. M. festgestellte Verletzungsbild spreche dafür, dass G. M. einen Faustschlag in das Gesicht bekommen habe. Das Verletzungsbild bei A. M. spreche dafür, dass sie einen Faustschlag gegen den Kopf erhalten habe und zudem mehrmals mit einem länglichen, stabförmigen Gegenstand kräftig in den Nacken geschlagen worden sei. Die Kammer hat sich diesen nachvollziehbaren und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen Dr. G., auf die an anderer Stelle noch näher eingegangen wird, nach eigener kritischer Würdigung angeschlossen.

34

Auch das bei der Tatortaufnahme festgestellte Spurenbild korrespondiert mit den Angaben des Angeklagten, die die Kammer ihren Feststellungen zu Grunde gelegt hat. Wie die Zeugen KOK M., PK V. und PK’in M. in der Hauptverhandlung glaubhaft bekundet haben, haben die Wohnräume bei der Tatortaufnahme einen ordentlichen Eindruck gemacht. Es seien keine Spuren festgestellt worden, die auf eine Durchsuchung der Räume beziehungsweise des Mobiliars hindeuteten; es sei nach dem Spurenbild nichts durchwühlt worden. Auch seien keine Spuren eines irgendwie gearteten Kampfgeschehens festgestellt worden. Die Polizeibeamten PK V. und PK’in M. haben zudem glaubhaft bekundet, im Rahmen der Tatortaufnahme sei auf dem Boden in einer Ecke des Vorbaus ein Portemonnaie aufgefunden worden, in dem sich Münzen (4,84 €), jedoch keine Geldscheine befunden hätten.

35

Entscheidend für die Richtigkeit der den Feststellungen zu Grunde liegenden Angaben des Angeklagten spricht zudem, dass diese mit den zeugenschaftlichen Bekundungen des Tatopfers G. M. zu dem Tatgeschehen, soweit er dieses mitbekam, übereinstimmen. Der mittlerweile verstorbene G. M. wurde am 08.02.2007 und 10.05.2007 polizeilich vernommen; die Niederschriften dieser polizeilichen Vernehmungen sind gemäß § 251 Abs. 1 StPO auszugsweise verlesen worden. Der Zeuge G. M. hat ausweislich der verlesenen Vernehmungsniederschriften gegenüber der Polizei bekundet, er habe mit seiner Ehefrau im Wohnzimmer gesessen, als es gegen 20.30 Uhr an der Haustür geklingelt habe. Seine Ehefrau sei aufgestanden und habe die Haustür geöffnet. Er - G. M. - sei zunächst sitzengeblieben, da er nicht mehr gut laufen könne. Er sei dann jedoch auch aufgestanden und zur Haustür gegangen. Dabei habe er mitbekommen, dass seine Frau mit einer Person gesprochen habe. Als er in Höhe der inneren Haustür gewesen sei, sei er von einer männlichen Person sogleich durch einen Schlag gegen den Kopf niedergestreckt worden. Das weitere Geschehen habe er nicht mehr mitbekommen. Seine Frau sei, als er von dem Mann angegriffen worden sei, noch unverletzt gewesen. Später sei er auf dem Boden im Flur liegend wieder aufgewacht. Da habe er festgestellt, dass seine Ehefrau leblos neben ihm gelegen habe. Die Kammer hat keinen Anlass gehabt, die Richtigkeit der Angaben des G. M. gegenüber der Polizei in Zweifel zu ziehen. Denn der damalige Vernehmungsbeamte KOK M. hat in der Hauptverhandlung glaubhaft bekundet, er habe bei den Vernehmungen des G. M. nicht den geringsten Zweifel daran gehabt, dass G. M. bestrebt gewesen sei, korrekte Angaben zu machen; G. M. habe einen absolut glaubwürdigen Eindruck auf ihn gemacht.

36

Für die Richtigkeit der Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung, die die Kammer ihren Feststellungen zu Grunde gelegt hat, spricht auch die Aussagekonstanz: Entsprechende Angaben zum Tatgeschehen hat der Angeklagte ausweislich der glaubhaften Bekundungen des Vernehmungsbeamten KHK M. bereits bei seiner polizeilichen Vernehmung am 30.03.2009 gemacht. Bereits bei seiner Vernehmung durch KHK M. am 30.03.2009 hat der Angeklagte das Tatgeschehen und die Tatörtlichkeiten unter Nennung vieler Details ganz weitgehend so wie später in der Hauptverhandlung geschildert. Dies ist auch insofern von Bedeutung, als der Angeklagte zum Zeitpunkt seiner polizeilichen Vernehmung noch keine Aktenkenntnis und damit auch keine Kenntnis von den bis dahin erlangten Ermittlungsergebnissen haben konnte, er aber schon bei dieser Vernehmung - ohne dass ihm, wie KHK M. glaubhaft versichert hat, entsprechende Vorhalte gemacht wurden - eine Vielzahl von Detail schilderte, die mit den objektiven Befunden am Tatort und den Angaben der vernommenen Zeugen korrespondieren. Abweichend von seinen Angaben in der Hauptverhandlung hat sich der Angeklagte gegenüber KHK M. am 30.03.2009 allerdings dahingehend geäußert, er sei nach der Tatbegehung direkt nach H. zurückgekehrt. Diese Diskrepanz hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung jedoch glaubhaft damit begründet, er sei bei seiner polizeilichen Vernehmung davor zurückgeschreckt, seinen illegalen Drogenerwerb nach der Tatbegehung einzuräumen.

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Zwar hat der Angeklagte einerseits auch im Rahmen seiner richterlichen Vernehmung am 27.03.2009 eingeräumt, A. M. und G. M. niedergeschlagen und A. M. mit einem Gegenstand in den Nacken geschlagen zu haben, andererseits jedoch gegenüber dem Ermittlungsrichter am 27.03.2009 angegeben, er sei von den Bewohnern des Hauses überrascht worden, als er im Wohnzimmer des Hauses Schränke durchwühlt habe. Doch hat der Angeklagte, als ihm in der Hauptverhandlung seine Angaben gegenüber dem Ermittlungsrichter vorgehalten wurden, glaubhaft ausgeführt, er habe erstmals bei seiner Vernehmung durch den Ermittlungsrichter erfahren, dass das Tatopfer A. M. verstorben sei. Er sei deshalb verwirrt gewesen beziehungsweise habe sich unmittelbar nach Erhalt dieser Mitteilung noch nicht in der Lage gesehen, den Tatablauf korrekt zu schildern. Die Diskrepanz zwischen den Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung und bei seiner polizeilichen Vernehmung am 30.03.2009 einerseits und bei seiner ermittlungsrichterlichen Vernehmung am 27.03.2009 vermag deshalb die Glaubhaftigkeit der den Feststellungen der Kammer zu Grunde gelegten Angaben des Angeklagten zum Tatgeschehen nicht zu erschüttern. Das Gleiche gilt in Bezug auf das pauschale Bestreiten der Tatbegehung durch den Angeklagten gegenüber dem psychiatrischen Sachverständigen Dr. L. Denn der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung glaubhaft angegeben, er habe bei seiner Exploration durch den Sachverständigen Dr. L. Anfang Juni 2009 bewusst wahrheitswidrig die Tatbegehung pauschal bestritten, weil er Angst vor der bevorstehenden Gerichtsverhandlung und einer von ihm erwarteten Verurteilung gehabt habe. Deshalb habe er sich nicht dazu durchringen können, gegenüber dem Sachverständigen seine bereits seiner polizeilichen Vernehmung am 30.03.2009 gemachten geständigen Angaben zu wiederholen.

38

Schließlich sprechen auch die Bekundungen des Zeugen I. S. für die Richtigkeit der den Feststellungen zu Grunde gelegten geständigen Angaben des Angeklagten. Der Zeuge S. hat in der Hauptverhandlung glaubhaft bekundet, er habe den Angeklagten 2008 in B. getroffen. Beide hätten einander von ihren verübten Straftaten berichtet. Der Angeklagte habe ihm - dem Zeugen S. - erzählt, er habe vor einiger Zeit in einem Ort in der Nähe von H. einen Einbruch begangen. Er habe an einem Haus geklingelt; daraufhin habe ihm eine ältere Frau die Haustür geöffnet. Er habe die Frau niedergeschlagen. Er habe Geld aus einem Portemonnaie mitgenommen, jedoch nur geringe Beute gemacht. Zweifel an der Richtigkeit der Bekundungen des Zeugen S. bestehen auch deshalb nicht, weil der Zeuge S. ausweislich der glaubhaften Bekundungen der Polizeibeamten KOK K. und KHK M., die ihn am 23.02.2009 in der JVA K. polizeilich vernommen haben, im Rahmen dieser Vernehmung den Angeklagten bei einer Wahllichtbildvorlage sofort als die Person identifiziert hat, mit der er das von ihm bekundete Gespräch geführt hatte.

39

3. Soweit die Einlassung des Angeklagten von den Feststellungen der Kammer abweicht, ist sie durch das Ergebnis der Beweisaufnahme widerlegt.

40

a) Die Feststellung der Kammer, dass der Angeklagte an der geschlossenen Haustür zum Haus der Eheleute M. klingelte, die Haustür also nicht offenstand, beruht in erster Linie auf den Angaben des Tatopfers G. M. gegenüber der Polizei. Ausweislich der in der Hauptverhandlung verlesenen Niederschriften über die polizeilichen Vernehmungen des Zeugen G. M. am 08.02.2007 und 10.05.2007 sowie ausweislich der glaubhaften Bekundungen des damaligen Vernehmungsbeamten KOK M. in der Hauptverhandlung hat G. M. bei beiden polizeilichen Vernehmungen davon gesprochen, es habe an der Haustür geklingelt. Im Hinblick darauf, dass G. M. bei diesen polizeilichen Vernehmungen ausweislich der verlesenen Vernehmungsniederschriften sehr differenzierte Angaben gemacht hat und KOK M. ausgeführt hat, G. M. habe auf ihn bei den Vernehmungen einen absolut glaubwürdigen Eindruck gemacht, hält die Kammer es für ausgeschlossen, dass die Bekundungen des G. M. zum Klingeln an der Haustür nicht der Wahrheit entsprechen. Dies gilt auch deshalb, weil die Zeugin P. S. in der Hauptverhandlung bekundet hat, ihr Vater G. M. habe ihr gegenüber davon gesprochen, dass es an der Haustür geklingelt habe. Hinzu kommt, dass der Zeuge S. - wie bereits erwähnt - bekundet hat, der Angeklagte habe ihm gegenüber 2008 davon gesprochen, er - der Angeklagte - habe an der Haustür geklingelt. Schließlich ist in den Augen der Kammer die Vorstellung, dass ein älteres, körperlich gehandikaptes Ehepaar abends die Haustür zu ihrem Einfamilienhaus offenstehen lässt, lebensfremd.

41

b) Die Einlassung des Angeklagten, er habe sich keine Gedanken darüber gemacht, ob die Bewohner des Hauses anwesend waren oder nicht, ist zur Überzeugung der Kammer zum einen widerlegt durch die eigene Angabe des Angeklagten, er habe bemerkt, dass im Haus Licht eingeschaltet war. Wenn in einem Wohnhaus an einem Abend im Monat Februar gegen 20.30 Uhr Licht brennt, so drängt sich für jedermann, der dies wahrnimmt, die Schlussfolgerung, dass eventuell Personen in dem Haus anwesend sind, geradezu auf. Insofern ist die Kammer davon überzeugt, dass auch der Angeklagte aus seiner Wahrnehmung, dass in dem Haus Licht eingeschaltet war, diese Schlussfolgerung zog. Die Kammer ist aber auch deshalb davon überzeugt, dass der Angeklagte die Anwesenheit von Bewohnern des Hauses für möglich hielt, weil er an der Haustür klingelte. Ein solches Klingeln des Angeklagten ergibt nämlich zur Überzeugung der Kammer nur dann Sinn, wenn der Angeklagte entweder ein Öffnen der Tür durch anwesende Bewohner wegen des Klingelns erreichen oder aber prüfen wollte, ob tatsächlich jemand in dem Haus anwesend war. Diese beiden Ziele setzen aber zumindest ein Für-Möglich-Halten einer Anwesenheit von Personen in dem Objekt voraus.

42

c) Die Feststellung der Kammer, dass der Angeklagte, als er mit seiner Rohrzange A. M. zweimal kräftig und gezielt in den Nacken schlug, um sie handlungsunfähig zu machen, ihr Versterben aufgrund der Schläge für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, also mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, folgt in erster Linie aus dem festgestellten äußeren Geschehensablauf und beruht auf der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung. Gezielte und kräftige Schläge mit einer Rohrzange in den Nackenbereich einer Person, zumal einer bereits älteren Person wie dem Tatopfer A. M., können - für jedermann klar ersichtlich - ohne Weiteres zum Tod des Opfers führen. Die bei solchen erheblichen Gewalthandlungen bestehende Gefahr eines tödlichen Genickbruchs oder - wie im vorliegenden Fall - sonstigen schweren Traumas der Halswirbelsäule liegt auf der Hand. Wer daher, wie der Angeklagte, seinem Opfer gezielte und kräftige Schläge mit einer Rohrzange in den Nacken versetzt, der rechnet zumindest mit der Möglichkeit tödlicher Verletzungen und vertraut nicht darauf, dass das Opfer die Tat überlebt, sondern nimmt den Tod des Opfers billigend in Kauf.

43

Der Angeklagte war auch subjektiv in der Lage, die Lebensgefährlichkeit seines Tathandelns zu erkennen, und erkannte diese zur Überzeugung der Kammer auch. Zwar fasste der Angeklagte seinen Entschluss, auf A. M. mit der Rohrzange einzuschlagen, spontan, doch war er, wie nicht zuletzt seine von ihm in der Hauptverhandlung geschilderten vielen genauen Detailwahrnehmungen zeigen, in seiner Wahrnehmungs- und Beurteilungsfähigkeit nicht beeinträchtigt. Er hat die Umstände des Tatgeschehens richtig erfasst und zutreffend beurteilt. In diesem Zusammenhang sei exemplarisch darauf hingewiesen, dass der Angeklagte - wie er in der Hauptverhandlung selbst angegeben hat - zutreffend registrierte, dass G. M. ein alter und gebrechlich wirkender Mann war, der in seinen Bewegungen sehr langsam war, und dass A. M. zwar ebenfalls eine bereits ältere Person war, im Vergleich zu ihrem Ehemann aber einen deutlich jüngeren und körperlich fitteren Eindruck machte. Dies war für den Angeklagten auch - wie er gleichfalls in der Hauptverhandlung angegeben hat - der Grund dafür, warum er G. M. „lediglich“ einen Faustschlag versetzte, auf A. M. aber, nachdem er auch diese mit einem Faustschlag niedergestreckt hatte, auch noch mit der Rohrzange einschlug. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Angeklagte, wie an anderer Stelle noch näher ausgeführt wird, bei Begehung der Tat in seiner Schuldfähigkeit nicht beeinträchtigt war; sowohl seine Einsichts- als auch seine Steuerungsfähigkeit waren voll erhalten. Insbesondere lag keine Beeinträchtigung der geistigen Leistungsfähigkeit des Angeklagten aufgrund eines Drogenentzugs vor.

44

Die Feststellung, dass der Angeklagte bezüglich A. M. mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, wird zudem durch folgende Angaben des Angeklagten in der Hauptverhandlung gestützt: Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung glaubhaft ausgeführt, er habe in den zwei Jahren zwischen der Tat und seiner ermittlungsrichterlichen Vernehmung, bei der er erstmals mitgeteilt bekommen habe, dass A. M. tatsächlich verstorben war, immer wieder an das Geschehen denken müssen. Er habe versucht, die von ihm begangene Tat zu verdrängen; dies sei ihm aber nicht gelungen. Er habe sich immer wieder gefragt, ob die Frau vielleicht verstorben sei; dies habe er für durchaus möglich erachtet. Diese Überlegungen des Angeklagten zeigen nach dem Dafürhalten der Kammer, dass der Angeklagte seine Einwirkung auf A. M. selbst als außerordentlich gefährlich gewertet hat. Aus diesem Umstand und der Angabe des Angeklagten, dass er im Anschluss an die Tat befürchtet habe, A. M. könnte die Tat nicht überlebt haben, schlussfolgert die Kammer, dass der Angeklagte auch schon bei der Tatbegehung ein Versterben der A. M. für möglich hielt und ihren Tod billigend in Kauf nahm. Für ein Handeln mit bedingtem Tötungsvorsatz spricht schließlich auch die von KHK M. in der Hauptverhandlung glaubhaft bekundete Angabe des Angeklagten im Rahmen seiner polizeilichen Vernehmung am 30.03.2009, ihm sei bei der Tatbegehung egal gewesen, was er mit seinen Schlägen mit der Zange anrichten konnte.

45

d) Die Feststellung der Kammer, dass der Ort, an dem der Angeklagte im Anschluss an die Tatbegehung aus dem Zug ausstieg und Heroin erwarb, L. war, folgt daraus, dass S. an der Bahnlinie „H. - S. - L. - H.“ liegt und der Angeklagte einerseits angegeben hat, er sei an dem nächsten größeren Ort aus dem Zug ausgestiegen, andererseits ausgeschlossen hat, dass er in H. oder H. den Zug verließ. Damit aber kommt lediglich L. als Ort in Betracht.

46

4. Die Feststellungen der Kammer zu dem Tatnachgeschehen, soweit der Angeklagte an diesem nicht beteiligt war, namentlich die Feststellungen zur Benachrichtigung der Zeugen P. S. und S. S. durch G. M., zu den Folgen der Tat für G. M. und zum Tod des G. M., beruhen in erster Linie auf den diesbezüglichen glaubhaften und übereinstimmenden Bekundungen der Zeugen P. S. und S. S.. Diese haben in der Hauptverhandlung den Feststellungen der Kammer entsprechende Angaben gemacht. Der Tod und der Todeszeitpunkt von G. M. ergeben sich zudem auch aus einer in der Hauptverhandlung verlesenen Sterbeurkunde des Standesamtes S. vom 27.05.2009.

47

5. Die Feststellungen zu den Verletzungen der Tatopfer G. M. und A. M. und zu der Todesursache bezüglich A. M. beruhen auf dem in der Hauptverhandlung mündlich erstatteten und bereits an anderer Stelle erwähnten Gutachten des rechtsmedizinischen Sachverständigen Dr. G.

48

Der Sachverständige Dr. G. hat ausgeführt, G. M. habe eine Gehirnerschütterung mit zeitweiliger Bewusstlosigkeit (Schädel-Hirn-Trauma ersten Grades) erlitten. Er habe zudem ein großflächiges Hämatom mit oberflächlichen rissartigen Hautläsionen und Schwellungen des Weichgewebes im linken Stirnbereich aufgewiesen. Diese Verletzungen des G. M. seien Folge erheblicher stumpfer Gewalt gegen den Kopf des Opfers und könnten - wie bereits erwähnt - ohne weiteres durch einen kräftigen Faustschlag verursacht worden sein. Die Tathandlung, die diese Verletzungen verursacht habe, sei im Hinblick auf die eingetretene Bewusstlosigkeit des Tatopfers und die dadurch bedingte Möglichkeit des Erstickens an Erbrochenem als potentiell lebensgefährlich einzustufen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass bei G. M. aufgrund seines schlechten Allgemeinzustandes ein Versterben auch infolge der durch die Tat ausgelösten Stressbelastung ohne weiteres möglich gewesen wäre, was der kurz nach der Tat erlittene weitere Herzinfarkt des Opfers bestätige.

49

In Bezug auf A. M. hat der Sachverständige Dr. G. ausgeführt, die Obduktion und die anschließend durchgeführten weiteren rechtsmedizinischen Untersuchungen (Mazeration der Halswirbelsäule, feingewebliche Untersuchung der Lunge) hätten ergeben, dass A. M. ein relevantes Trauma der Halswirbelsäule im Nackenbereich erlitten habe, ohne dass es zu einem Bruch der Halswirbelsäule gekommen sei. Letztlich todesursächlich sei eine zentrale Lähmung infolge einer Quetschung des Hals-Rückenmarkes, einer Blutung in den Wirbelkanal sowie einer Blutung unter die Spinnwebenhaut des Gehirns und einer Einblutung in das Hirnkammersystem mit relevanter Hirndruckzunahme geworden. Mit todesursächlich sei zudem eine Verlegung der Luftröhre von A. M. durch Erbrochenes nach Aspiration von Teilen des Mageninhalts infolge eingetretener Bewusstlosigkeit gewesen. Der Tod sei unmittelbar zurückzuführen auf massive stumpfe Gewalt gegen den Nackenbereich des Tatopfers. Eine Rohrzange komme als Tatwerkzeug ohne weiteres in Betracht. Das Verletzungsbild passe auch zu der Einlassung des Angeklagten, er habe A. M. zwei Schläge mit einer Rohrzange in den Nacken versetzt. Allerdings müssten die Schläge, um die festgestellten Verletzungen zu bewirken, nicht nur leichte Schläge gewesen sein. Vielmehr müsse der Täter mit einer Rohrzange ausgeholt und mit zumindest mittlerer Kraft zugeschlagen haben, wenngleich zu bedenken sei, dass das nicht unerhebliche Eigengewicht einer Rohrzange die Schlagwirkung verstärke. Zudem sei im Rahmen der Obduktion der A. M. ein Bruch ihres rechten Zeigefingers festgestellt worden; diese Verletzung sei aller Wahrscheinlichkeit nach als Abwehrverletzung zu interpretieren. Auch seien Weichteileinblutungen im Gesichts- und Schläfenbereich festgestellt worden, die als Folge stumpfer Gewalt einzustufen sein und durch Schlageinwirkung entstanden sein dürften. Als Ursache dieser Verletzungen komme ein Faustschlag gegen den Kopf der A. M. in Betracht.

50

Die Kammer hat sich dem nachvollziehbaren und widerspruchsfreien rechtsmedizinischen Gutachten des Sachverständigen Dr. G. nach eigener kritischer Würdigung angeschlossen.

51

6. Die Feststellungen zu den Tatörtlichkeiten beruhen auf den auch insofern glaubhaften Angaben des Angeklagten, auf den Bekundungen des Polizeibeamten PK V., der den Tatort aufgenommen hat, auf den glaubhaften Bekundungen der Zeugen P. S. und S. S. sowie auf einer Inaugenscheinnahme von Lichtbildern von dem Grundstück und den Räumlichkeiten des tatbetroffenen Hauses, auf die wegen der Einzelheiten gemäß § 267 Abs. 1 S. 3 StPO Bezug genommen wird. Auf den Bekundungen der Zeugen P. S. und S. S. basieren auch die Feststellungen der Kammer zur Wohnsituation auf dem Grundstück.

52

7. Die Feststellung, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten bei Begehung der Tat weder vollständig aufgehoben im Sinne des § 20 StGB noch erheblich vermindert im Sinne des § 21 StGB war, hat die Kammer aufgrund eines psychiatrischen Gutachtens des Sachverständigen Dr. L. getroffen. Der Sachverständige Dr. L. ist Facharzt für Psychiatrie in H. und hat den Angeklagten unter anderem zu der Frage begutachtet, ob dieser zum Zeitpunkt der Begehung seiner Tat gemäß den §§ 20, 21 StGB erheblich vermindert schuldfähig oder sogar schuldunfähig war, beides jedoch verneint.

53

a) Der Sachverständige, der den Angeklagten am 10.06.2009 und 11.06.2009 in der JVA R. psychiatrisch untersucht hat, hat in seinem in der Hauptverhandlung mündlich erstatteten Gutachten ausgeführt, das Eingangskriterium „Schwachsinn“ sei nicht erfüllt. Zwar habe der Angeklagte erhebliche Schwierigkeiten beim Rechnen, sogar im Zahlenraum bis 20. Auch habe er lediglich die Sonderschule besucht und selbst dort Schulklassen wiederholen müssen. Doch beschränkten sich die Auffälligkeiten bezüglich der geistigen Leistungsfähigkeit des Angeklagten auf sein Zahlenverständnis und seine Rechenfähigkeit. In anderen Bereichen habe der Angeklagte dagegen eine durchschnittliche geistige Leistungsfähigkeit. Insofern liege eine „Grenzbegabung“ vor, die nicht nach der ICD 10 zu verschlüsseln sei. Ohne jeden Zweifel liege der IQ des Angeklagten in einem Bereich oberhalb von 70; er schätze, so Dr. L., dass der IQ des Angeklagten im Bereich 100 liege. Mithin sei ungeachtet der Rechenschwierigkeiten und Defizite im Bereich des Zahlenverständnisses beim Angeklagten keine „leichte Intelligenzminderung“ (ICD 10: F70) zu diagnostizieren. Klar gegen die Annahme von „Schwachsinn“ spreche auch, dass der Angeklagte zwar die Sonderschule besucht, aber letztlich einen Hauptschulabschluss erlangt habe, und dass er sich nicht nur mündlich, sondern auch schriftlich gut verständlich ausdrücken könne.

54

b) Der Sachverständige Dr. L. hat weiter dargelegt, auch das Eingangskriterium der „krankhaften seelischen Störung“ sei zum Zeitpunkt der Begehung der Tat nicht erfüllt gewesen.

55

aa) Die Exploration des Angeklagten habe ergeben, dass seine kognitiven Fähigkeiten durchgängig erhalten seien. Der Angeklagte sei bei der Exploration voll orientiert gewesen; seine Konzentrationsfähigkeit und Auffassungsgabe seien unbeeinträchtigt gewesen; sein Durchhaltevermögen bei der Exploration sei unauffällig gewesen. Der Angeklagte habe der Exploration ohne Einschränkungen folgen können. Er habe, so der Sachverständige, beim Angeklagten keine Hinweise auf organische oder psychotische Störungen seiner kognitiven Fähigkeiten festgestellt. Zudem gebe es keine Hinweise auf Sinnestäuschungen oder paranoide Phänomene. Zur Tatzeit sei der Angeklagte eigenen Angaben zufolge nicht alkoholisiert gewesen.

56

bb) Der Sachverständige Dr. L. hat weiter ausgeführt, der Angeklagte sei heroinabhängig (ICD 10: F11.2). Dies ergebe sich nicht nur aus den eigenen Angaben des Angeklagten, sondern werde auch durch objektive Untersuchungsbefunde gestützt: Der Angeklagte habe Hepatitis C; bei ihm seien erhöhte Leberwerte festgestellt worden; er habe eine Vielzahl von Narben nach Abszessen an Injektionsstellen. Ausweislich der von ihm - so Dr. L. - eingesehenen Gesundheitsakte der JVA B. habe eine vom Angeklagten nach seiner Verhaftung im Februar 2009 abgegebene Urinprobe einen positiven Opiatnachweis erbracht; in der Gesundheitsakte der JVA B. seien zudem Entzugserscheinungen nach erfolgter Inhaftierung im Februar 2009 vermerkt.

57

Die körperliche Heroinabhängigkeit habe erhebliche nachteilige soziale Folgen für den Angeklagten gehabt. Es liege beim Angeklagten ein progredienter Interessenverlust vor; zudem habe er keine Zukunftsperspektive. Weiter sei beim Angeklagten eine große innere und äußere Haltlosigkeit festzustellen. Der Angeklagte sei in keine sozialen Strukturen eingebunden. Insgesamt liege beim Angeklagten eine erhebliche dissoziale Entwicklung vor.

58

cc) Allerdings könne von der vorliegenden Heroinabhängigkeit nicht unmittelbar auf eine Einschränkung oder gar Aufhebung der Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit geschlossen werden (vgl. insofern auch BGH , NStZ 2003, 370 [BGH 11.02.2003 - 5 StR 573/02] <370>; BGH , NStZ 1989, 17 [BGH 20.09.1988 - 1 StR 369/88] <17>). Die Frage, ob die Heroinabhängigkeit einer Person zu einer Einschränkung oder gar Aufhebung seiner Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt geführt habe, sei unter vier Aspekten zu diskutieren (vgl. insofern auch BGH , NStZ 2001, 82 [BGH 23.08.2000 - 3 StR 224/00] <83>; BGH , NStZ 2001, 83 [BGH 19.09.2000 - 1 StR 310/00] <84>; BGH , NStZ 1999, 448 [BGH 05.05.1999 - 2 StR 529/98] <449>). Erstens komme eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit in Betracht, wenn eine Drogenabhängigkeit beziehungsweise ein längerer Rauschmittelkonsum zu einer schweren Persönlichkeitsveränderung geführt hat. Zweitens sei eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit möglich bei Vorliegen eines akuten Drogenrausches zur Tatzeit. Drittens sei es bei Taten der Beschaffungskriminalität möglich, dass Angst vor bevorstehenden Entzugserscheinungen bei Personen, die in der Vergangenheit bereits gravierende Entzugserscheinungen erlebt haben, zu einer Einschränkung der Steuerungsfähigkeit führt (vgl. insofern auch BGH , NStZ 2006, 151 [BGH 02.11.2005 - 2 StR 389/05] <152>; BGH , NStZ-RR 2001, 81 [BGH 19.10.2000 - 4 StR 411/00] <81>). Und viertens schließlich könnten akute starke körperliche Entzugssymptome unter Umständen zu einer Einschränkung der Schuldfähigkeit führen.

59

(1) Schwerste Persönlichkeitsveränderungen aufgrund langjährigen Betäubungsmittelkonsums seien, so der Sachverständige Dr. L., zu verneinen. Ausgeprägte Persönlichkeitsveränderungen im Sinne einer Depravation seien bei dem Angeklagten nicht feststellbar.

60

(2) Auch ein akuter Drogenrausch habe bei dem Angeklagten zur Tatzeit nicht vorgelegen und sei vom Angeklagten auch nicht geltend gemacht worden. Anhaltspunkte für einen Realitätsverlust, für Halluzinationen, Wahnvorstellungen oder andere Symptome einer akuten Drogenintoxikation zum Tatzeitpunkt gebe es nicht.

61

(3) Eine Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit des Angeklagten wegen erheblicher Angst vor erwarteten schweren Entzugserscheinungen , die er in der Vergangenheit bereits als unangenehm erlebte, sei ebenfalls zu verneinen. Denn dem Angeklagten sei es, wie dieser sowohl bei der psychiatrischen Exploration als auch in der Hauptverhandlung angegeben habe, in der Zeit vor der Tat stets gelungen, seine Drogenversorgung sicherzustellen; auch im Tatzeitraum habe er seinen eigenen Angaben zufolge seine tägliche Versorgung mit Heroin immer gewährleisten können. Es sei ihm stets gelungen, sich durch Straftaten oder Betteln genügend Geld für den Drogenerwerb zu beschaffen. Auch in für ihn fremden Städten wie H. habe der Angeklagte keine Schwierigkeiten gehabt, Heroin zu erwerben. Der Angeklagte habe gewusst, wie man sich auch an fremden Orten Drogen beschafft und an das dafür erforderliche Geld herankommt. Der Angeklagte habe ihm - dem Sachverständigen - berichtet, dass er erfolgreich Strategien zur Vermeidung von Versorgungsengpässen entwickelt habe. So habe er sich zum Teil Drogenvorräte angelegt und diese versteckt. Mithin lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Angeklagte in der Zeit vor der verfahrensgegenständlichen Tat Versorgungsengpässe und dadurch bedingt schwere Entzugserscheinungen erlebt habe. Der Angeklagte habe weder bei der Exploration noch in der Hauptverhandlung berichtet, in der Zeit vor der Tat irgendwann einmal schwere und als äußerst unangenehm empfundene Entzugserscheinungen erlebt zu haben. Daher gebe es keinen Anhalt für die Annahme, dass der Angeklagte zum Tatzeitpunkt aufgrund früherer negativer Erfahrungen besondere Angst vor einem bevorstehenden Drogenengpass und vor bevorstehenden schweren Entzugserscheinungen gehabt habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass nicht einmal der Angeklagte selbst für sich eine Angst vor erwarteten Entzugserscheinungen geltend gemacht habe; von derartigen Befürchtungen habe der Angeklagte weder bei der Exploration noch in der Hauptverhandlung gesprochen.

62

(4) Näher zu diskutieren sei, so der Sachverständige Dr. L., die Frage, ob die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit aufgrund akuter schwerer körperlicher Entzugserscheinungen eingeschränkt oder sogar aufgehoben gewesen sei. Im Ergebnis sei jedoch auch dies zu verneinen.

63

Zwar habe es sich bei der Tat um Beschaffungskriminalität gehandelt und habe der Angeklagte angegeben, Entzugserscheinungen verspürt zu haben. So habe er davon gesprochen, am Tattag Magenbeschwerden und schweißfeuchte Hände gehabt und ein Muskelziehen beim Laufen verspürt zu haben. Zudem habe er angegeben, dass es ihm im Verlauf des Tages gesundheitlich zunehmend schlechter gegangen sei und er einen zunehmenden heftigen inneren Druck verspürt habe, sich durch einen Einbruchsdiebstahl Geld zu beschaffen, von dem er sich neue Drogen kaufen konnte.

64

Trotz dieser Entzugssymptome sei jedoch, so der Sachverständige Dr. L., die Schuldfähigkeit des Angeklagten zur Tatzeit nicht beeinträchtigt gewesen; seine Einsichts- und seine Steuerungsfähigkeit seien vielmehr vollständig erhalten gewesen. Dies ergebe sich aus einer Gesamtwürdigung des Verhaltens und des Zustandes des Angeklagten vor, während und nach der Tat.

65

Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung sei zunächst einmal zu berücksichtigen, dass der Angeklagte zwar heroinabhängig sei, bei ihm jedoch in der Vergangenheit, soweit er keine Drogen konsumieren konnte, keine schweren Entzugserscheinungen zu verzeichnen waren. Soweit dies nachprüfbar sei, habe der Angeklagte, wenn er kein Heroin bekommen habe, bislang nur leichte Entzugssymptome gehabt. So sei nach seiner ersten Inhaftierung eine sehr schnelle Herunterdosierung der ihm verabreichten Substitute innerhalb einer Woche möglich gewesen. Bei seiner Inhaftierung in der JVA O. im Jahr 2004 sei es innerhalb von zwei Wochen zu einer signifikanten Herunterdosierung der ihm verabreichten Drogenersatzstoffe gekommen. Ausweislich der Gesundheitsakte der JVA B. habe der Angeklagte in den ersten eineinhalb Tagen nach seiner Verhaftung im Februar 2009 gar keine Entzugssymptomatik gehabt; viereinhalb Tage nach seiner Inhaftierung seien dann leichte Entzugssymptome (Knochenschmerzen, Muskelverspannungen, Unruhe, Schlafstörungen) diagnostiziert worden.

66

Von entscheidender Bedeutung für die Feststellung, dass zur Tatzeit keine Einschränkung der Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit aufgrund akuten Drogenentzugs vorgelegen habe, sei - so der Sachverständige Dr. L. weiter -, dass sich aus einer Vielzahl von Umständen klar ergebe, dass die geistige und körperliche Leistungsfähigkeit des Angeklagten am Tattag, unmittelbar vor der Tatbegehung und auch bei der Tatbegehung nicht beeinträchtigt gewesen sei.

67

So sei der Angeklagte am Tattag, obwohl er seinen eigenen Angaben zufolge bereits am Vormittag Magenbeschwerden, schweißfeuchte Hände und ein Muskelziehen verspürt habe, viele Stunden lang zu Fuß unterwegs gewesen - allein für die Strecke H. - S. habe der Angeklagte etwa fünf Stunden benötigt - und habe dabei eine Strecke von etwa 20 Kilometern zurückgelegt.

68

Der Angeklagte habe nicht etwa - was bei einem hohen Beschaffungsdruck aufgrund von Entzugserscheinungen nahe gelegen hätte - das „erstbeste“ Objekt für einen Einbruch genutzt, sondern sei viele Stunden lang umhergelaufen und habe verschiedene Objekte im Hinblick auf ihre Geeignetheit für einen Einbruch geprüft. Sofern ihm das Risiko eines Einbruchs bei einem Objekt zu groß gewesen sei, habe er den Gedanken, in dieses einzubrechen, verworfen und sei weitergegangen. Selbst in S., nach einer langen mehrstündigen Wanderung und zeitlich unmittelbar vor der Tatbegehung, habe der Angeklagte noch Einbruchsobjekte kritisch geprüft und Einbruchsüberlegungen verworfen, sofern ihm das Tatrisiko zu groß erschienen sei. Dabei habe er bis unmittelbar vor der Begehung der verfahrensgegenständlichen Tat exakte Beobachtungen bezüglich möglicher Einbruchsobjekte und Entdeckungsgefahren gemacht. So habe der Angeklagte berichtet, er habe jeweils geprüft, ob die von ihm ausgeguckten Häuser eine Alarmanlage oder besondere bauliche Sicherungen wie stabile Fenster und Türen, dicke Glasscheiben oder glasbruchhemmende Folien in den Fensterscheiben hatten. Auch habe er berichtet, von einem Einbruch Abstand genommen zu haben, wenn er sich beobachtet wähnte. Dies zeige, so der Sachverständige, dass der Angeklagte während des gesamten Tages und auch noch zur Tatzeit in der Lage gewesen sei, das Risiko eines Einbruchs abzuwägen, weiterzusuchen und den beabsichtigten Drogenerwerb zeitlich hinauszuzögern. Das Verhalten des Angeklagten am Tattag, und zwar auch noch am Abend des Tattages unmittelbar vor der Tatbegehung, stehe für ein umsichtiges, überlegtes, ruhiges und planmäßiges Handeln bei hohem Hemmungsvermögen.

69

Zwar habe der Angeklagte angegeben, dass seine Entzugssymptome am Abend stärker geworden seien; er habe sich gesundheitlich zunehmend schlechter gefühlt. Doch zeige das vom Angeklagten selbst angegebene Geschehen, dass die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Angeklagten auch im unmittelbaren Tatvorfeld und bei der Tatbegehung nicht eingeschränkt waren. Denn weiterhin habe er umsichtig, überlegt, vorsichtig und zielgerichtet gehandelt: Er deponierte seinen Rucksack, um durch diesen nicht beeinträchtigt zu sein. Er nahm eine Rohrzange zum Tatobjekt mit, um ein geeignetes Einbruchswerkzeug zu haben. Auf dem Weg zum Tatobjekt zog er sich Einmalhandschuhe an, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, und hielt die Rohrzange bewusst so an seinem Körper, dass diese nicht auffiel. Am Tatort habe der Angeklagte, so der Sachverständige Dr. L. weiter, exakte und detailreiche Wahrnehmungen gemacht, an die er sich auch über zwei Jahre nach der Tat noch genau erinnere. So habe der Angeklagte die Holztür zum Innenhof, den Innenhof selbst, die dortige Beleuchtung, den Holzvorbau am Haus der Eheleute M., die dortige Haustür mit Plexiglaseinsatz, die Treppe im Vorbau sowie das Verhalten, das Alter und den Gesundheitszustand der beiden Tatopfer genau wahrgenommen und in der Hauptverhandlung - wie auch ganz weitgehend schon im Ermittlungsverfahren - exakt erinnert und beschrieben.

70

Das unmittelbare Tatgeschehen stelle sich, so Dr. L., als eine gezielte und kontrollierte Einwirkung auf die Tatopfer dar. Der Angeklagte habe beide Tatopfer mit gezielten und präzisen Schlägen in das Gericht niedergeschlagen und A. M. zwei kräftige, aber kontrollierte Schläge genau in den Nackenbereich versetzt. Es gebe keine Anzeichen für hektisches, unkoordiniertes und unüberlegtes Handeln des Angeklagten. Bei der Tatortaufnahme seien keine Spuren einer hektischen, unsystematischen Durchsuchung der Wohnräume festgestellt worden; die Räume hätten sich bei der Tatortaufnahme in einem ordentlichen, nicht durchwühlten Zustand befunden. Es habe mithin kein enthemmtes, hektisches, unüberlegtes und rücksichtsloses Durchsuchen der Wohnräume nach allem Mitnehmenswerten gegeben, wie dies bei schweren Entzugserscheinungen und bei hohem Suchtdruck zu erwarten gewesen wäre. Das Vorgehen des Angeklagten nach Niederschlagen der Tatopfer, also sein geordnetes und gezieltes Suchen nach Bargeld und sein unverzügliches Verlassen des Hauses nach Auffinden von Bargeld ohne weitere Durchsuchung der Räumlichkeiten, zeige vielmehr, dass der Angeklagte auch bei der Tatbegehung zu einem risikobewussten Abwägen in der Lage gewesen und seine geistigen Fähigkeiten insgesamt erhalten gewesen sein.

71

Bei der Tatbegehung sei die Introspektionsfähigkeit des Angeklagten erhalten gewesen, was sich daran zeige, dass der Angeklagte angegeben habe, der Zustand seiner Tatopfer sei ihm gleichgültig gewesen.

72

Die Tatschilderung des Angeklagten zeige, dass seine Wahrnehmungsfähigkeit auch bei der Tatbegehung vollständig erhalten war und er auch an das unmittelbare Tatgeschehen eine exakte Erinnerung habe. Er habe nicht nur seine Tathandlungen, sondern auch das Verhalten der Opfer genau wahrgenommen. Selbst kleine Details wie den Umstand, dass er die Rohrzange zunächst in der linken und dann in der rechten Hand gehalten habe, die Zahl der Schläge mit der Rohrzange, den Ort des Auftreffens der Schläge mit der Rohrzange (Nackenbereich), den genauen Zeitpunkt der Schläge mit der Rohrzange (während des Niedersinkens von A. M.) und die Liegesituation der Opfer habe der Angeklagte exakt wahrgenommen. Der Angeklagte erinnere auch noch ganz genau die Summe und den Auffindeort des Geldes, das er erbeutete. Angesichts dieser vielen korrekt erinnerten Detail sei zu vernachlässigen, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung angegeben habe, sich nicht erinnern zu können, ob er an dem Haus geklingelt habe, zumal er gegenüber dem Zeugen S. ein Jahr nach der Tat davon gesprochen habe, an der Tür geklingelt zu haben, sich also ein Jahr nach der Tat auch an dieses Detail noch korrekt erinnert habe.

73

Auch das Nachtatverhalten des Angeklagten zeuge davon, dass seine geistigen und körperlichen Fähigkeiten bei der Tatbegehung nicht beeinträchtigt gewesen seien, vielmehr seine Einsichts- und seine Steuerungsfähigkeit vollständig erhalten gewesen seien. So habe der Angeklagte - eigenem Bekunden zufolge - das Grundstück nach der Tat ruhig verlassen; er sei - so der Angeklagte - bewusst langsam gegangen, um nicht aufzufallen. Dieses Verhalten des Angeklagten zeige, so Dr. L., dass der Angeklagte keinen besonderen Druck verspürt habe, unverzüglich von dem erbeuteten Geld Drogen zu erwerben, sondern es für ihn vordringlich war, nicht aufzufallen. Der Angeklagte habe mithin bewusste Verdeckungs- und Kontrollhandlungen vorgenommen, die erneut ein deutliches Hemmungsvermögen zeigten.

74

Der Umstand, dass sich der Angeklagte zunächst zu dem Ort begab, an dem er seinen Rucksack versteckt hatte, und diesen wieder aufnahm, zeige gleichfalls, so der Sachverständige, dass der Angeklagte keinen besonderen Zeitdruck verspürt habe, nun Drogen zu erwerben. Dieser Umstand mache zudem deutlich, dass der Angeklagte ein gutes Orientierungsvermögen gehabt habe. Auch dies spreche gegen starke Entzugserscheinungen zur Tatzeit.

75

Von besonderer Relevanz für seine Bewertung, dass der Angeklagte nicht aufgrund starker Entzugserscheinungen in seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit beeinträchtigt gewesen sei, sei für ihn - so Dr. L. - der Umstand, dass der Angeklagte mit dem Nachverkehrszug nach der Tat nicht bis H. fuhr, sondern in L. ausstieg. Denn der Angeklagte habe nicht wissen können, ob es ihm möglich sein würde, in L. Heroin zu erwerben. Er habe wahrscheinlich auch nicht gewusst, ob an dem Abend noch weitere Züge nach H. fahren würden. Dagegen habe er gewusst, dass er in H. Heroin kaufen konnte; dies hatte er schließlich schon getan. Der Angeklagte habe mithin den Zug, der ihn innerhalb kürzester Zeit nach H. gebracht hätte, wo er - was er wusste - ohne Schwierigkeiten Heroin hätte erwerben können, in einer ihm gänzlich unbekannten Kleinstadt vor den Toren H.’s verlassen. Dies zeige deutlich, so der Sachverständige, dass der Angeklagte keinen starken Druck verspürt habe, so schnell als möglich an einen Ort zu gelangen, an dem Drogen zu erwerben waren. Das spreche klar gegen die Annahme starker Entzugserscheinungen mit starkem Beschaffungsdruck.

76

Hiergegen spreche weiter, dass es dem Angeklagten seinen Angaben zufolge zwar gelungen sei, in der Innenstadt von L. für 20,- € Heroin zu kaufen, er jedoch nach dem Drogenerwerb das Heroin nicht sofort konsumierte, sondern im Hinblick auf das von ihm als zu hoch eingestufte Entdeckungsrisiko erst noch etwa eine halbe Stunde in L. umherlief, bis er einen abgeschiedenen Ort erreichte, an dem er sich das erworbene Heroin ungestört injizieren konnte. Diese Fähigkeit des weiteren Abwartens und der Suche nach einem sicheren „Konsumort“ spreche klar gegen die Annahme eines starken Drogenentzugs. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass zwischen der Tat und dem Drogenerwerb in L. geraume Zeit vergangen sein müsse, der Angeklagte also auch geraume Zeit nach der Tatbegehung - wie sein Verhalten zeige - (noch) nicht unter einem starken Drogenentzug gelitten habe. Hinzuweisen sei schließlich, so der Sachverständige, auch noch auf folgendes Indiz: Der Angeklagte habe auf die Frage, was er mit dem Rest des erbeuteten Geldes gemacht habe, geantwortet, von diesem habe er „Zigaretten, Alkohol und weitere Drogen“ gekauft. Wenn der Angeklagte, so Dr. L., tatsächlich unter einem starken Drogenentzug gelitten hätte, dann wäre zu erwarten gewesen, dass er das ganze Geld für den Erwerb weiterer Drogen verwendet hätte, um zukünftigen Engpässen vorzubeugen. Bezeichnend sei zudem, dass der Angeklagte den Erwerb von Zigaretten und Alkohol noch vor dem Erwerb weiterer Drogen genannt habe, was auf eine gewisse Prioritätensetzung hindeute.

77

Dem Umstand, dass der Angeklagte nach eigenen Angaben in der Vergangenheit bereits Wohnungseinbruchdiebstähle begangen hatte, dabei aber nie Gewalt gegen Personen angewandt hatte, die verfahrensgegenständliche Tat mithin auffällig aus der Vielzahl der verübten Straftaten des Angeklagten herausrage, könne, so der Sachverständige Dr. L. weiter, für die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten keine Bedeutung beigemessen werden. Denn der Angeklagte habe selbst angegeben, bei bisherigen Wohnungseinbrüchen nie auf Bewohner getroffen zu sein.

78

Zwar habe sich der Angeklagte dadurch, dass er bemerkte, dass in dem Haus der Eheleute M. Licht eingeschaltet war, von einer Tatbegehung nicht abschrecken lassen. Vielmehr habe er sogar an der Haustür geklingelt, obwohl er eine Anwesenheit der Hausbewohner und damit ein Zusammentreffen mit diesen für möglich hielt, und an seinem Tatplan sogar dann noch festgehalten, als A. M. die Haustür öffnete. Angesichts der Vielzahl der genannten Indizien, die gegen die Annahme einer Tatbegehung unter starkem Drogenentzug sprächen, reichten diese Umstände jedoch nicht aus, um das Vorliegen eines starken Drogenentzugs bejahen beziehungsweise nicht ausschließen zu können. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass sich der Angeklagte einerseits wegen der fortgeschrittenen Zeit und weil er bis dahin kein ihm geeigneter erscheinendes Einbruchsobjekt gefunden hatte, andererseits wegen der Hoffnung, in den an die Verkaufsräume einer Bäckerei anschließenden Räumlichkeiten eine größere Menge Bargeld erbeuten zu können, entschieden hatte, im Haus der Eheleute M. nach Bargeld zu suchen. Es habe also aus Sicht des Angeklagten durchaus sachgerechte Gründe gegeben, ungeachtet der vorgenannten Umstände an dem Tatplan festzuhalten.

79

Zwar könne man, so der Sachverständige Dr. L., einzelne der von ihm angeführten Indizien für sich genommen und isoliert betrachtet auch anders bewerten. So könne man den Umstand, dass der Angeklagte im Anschluss an das Niederschlagen der Eheleute M. die Wohnräume nicht durchsuchte, sondern sich mit dem in der Küche gefundenen Bargeld zufrieden gab und das Haus schnell wieder verließ, für sich genommen auch als Ausdruck eines besonderen Zeitdrucks, sich neue Drogen zu beschaffen, werten. Doch sei diese Schlussfolgerung bei der erforderlichen Gesamtwürdigung aller Tatumstände nicht statthaft. Mit einer solchen Schlussfolgerung sei nämlich das weitere Verhalten des Angeklagten unvereinbar, der anschließend - wie sein bewusst langsames Gehen, die Aufnahme seines Rucksacks, sein Aussteigen in L. und seine Suche nach einem geeigneten „Konsumort“ nach erfolgtem Drogenkauf zeigten - gerade nicht so reagierte, wie dies bei einem starken Konsumdruck zu erwarten gewesen wäre. Im Rahmen einer Gesamtwürdigung könne das schnelle Verlassen des Hauses ohne größere Durchsuchung der Räumlichkeiten mithin nur als Ausdruck eines besonderen Risikobewusstseins gewertet werden.

80

Den Umstand, dass der Angeklagte nach der Tat den Zug nach H. bereits in L. verließ, könne man zwar isoliert betrachtet als unbedachtes Handeln im Zustand geistiger Verwirrung bei schwerem Entzug interpretieren. Doch spreche das weitere Verhalten des Angeklagten in L. klar gegen die Annahme einer solchen geistigen Verwirrung. Denn der Angeklagte habe in der für ihn fremden Kleinstadt seinen Angaben zufolge sofort einen Drogendealer gefunden, von dem er Heroin kaufen konnte. Anschließend habe er - risikobewusst - einen Drogenkonsum zunächst zurückgestellt, bis er einen ruhigen Ort gefunden hatte, an dem er unbeobachtet war. Dieses Verhalten sei mit der Annahme einer hochgradigen geistigen Verwirrung unvereinbar.

81

Weiter hat der Sachverständige ausgeführt, der Umstand, dass der Angeklagte seiner Einlassung zufolge bereits am Morgen des Tattages bei sich entzugstypische Symptome wie Magenbeschwerden, Muskelziehen und Schwitzen feststellte und sich diese Symptome nach Angaben des Angeklagten im Laufe des Tages verstärkten, spreche nicht gegen das aus psychiatrischer Sicht eindeutige Ergebnis, dass die Schuldfähigkeit des Angeklagten zum Tatzeitpunkt nicht aufgehoben und auch nicht erheblich beeinträchtigt war. Es sei durchaus möglich, dass der Angeklagte die von ihm geschilderten gesundheitlichen Beeinträchtigungen tatsächlich verspürt habe. Aus derartigen subjektiven Empfindungen des Angeklagten könne aber nicht auf eine Beeinträchtigung seiner geistigen Leistungsfähigkeit im Sinne seiner Einsichts- beziehungsweise Steuerungsfähigkeit geschlossen werden; ein irgendwie gearteter zwingender Zusammenhang bestehe insoweit nicht. Auch ein leichter, die Schuldfähigkeit nicht tangierender Drogenentzug - der durchaus vorgelegen haben könne - könne von dem Angeklagten subjektiv in der von ihm geschilderten Weise als schmerzhaft und unangenehm empfunden worden sein. Das Verhalten des Angeklagten zeige jedoch, dass die vom ihm geschilderten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht zu einer Beeinträchtigung seiner geistigen Leistungsfähigkeit geführt hätten.

82

c) Auch das Vorliegen einer „schweren anderen seelischen Abartigkeit“ hat der Sachverständige Dr. L. verneint. Der Sachverständige hat im Hinblick auf eine etwaige Persönlichkeitsstörung des Angeklagten ausgeführt, angesichts der langjährigen Heroinabhängigkeit des Angeklagten und der Folgen, die diese für seine soziale Leistungsfähigkeit gehabt habe, sei es aus psychiatrischer Sicht nicht möglich, eine Diagnose bezüglich einer von der Drogenabhängigkeit unabhängigen, gewissermaßen eigenständigen - dissozialen - Persönlichkeitsstörung zu treffen. Es sei allerdings durchaus wahrscheinlich, dass der Angeklagte eine durch seinen langjährigen Drogenkonsum bedingte Persönlichkeitsstörung aufweise, ohne dass aber auch insofern eine klare Diagnose getroffen werden könne. Sollte bei dem Angeklagten tatsächliche eine (drogenbedingte) Persönlichkeitsstörung vorliegen, so sei diese aber auf keinen Fall von ihrer Schwere her mit einer krankhaften seelischen Störung vergleichbar; sie könnte damit nicht als schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne des § 20 StGB klassifiziert werden. Denn es sei keine Nivellierung des Persönlichkeitsreliefs beim Angeklagten festzustellen und es liege keine schwere Persönlichkeitsveränderung mit Depravation bei dem Angeklagten vor. Seine kognitiven Fähigkeiten seien durchgängig erhalten, er sei in seiner Grundstimmung ausgeglichen und emotional ansprechbar; die Exploration habe gezeigt, dass seine Konzentrations- und Merkfähigkeit sowie sein Gedächtnis und seine Auffassungsgabe nicht eingeschränkt seien. Insgesamt liege kein gravierender (suchtbedingter) Persönlichkeitsabbau mit Kritik- und Urteilsschwäche vor.

83

d) Das Vorliegen einer „tiefgreifenden Bewusstseinsstörung“ bei der Tatbegehung hat der Sachverständige gleichfalls verneint. Der Sachverständige Dr. L. hat ausgeführt, der Angeklagte habe seine Taten insbesondere nicht im Zustand eines hochgradigen Affekts begangen. Für eine Tatbegehung im Affekt könne, soweit es den körperlichen Angriff auf G. M. und A. M. betreffe, angeführt werden, dass der Angeklagte seine beiden Opfer spontan angriff und insofern die Tat ohne Sicherungstendenzen ablief. Doch spreche eine Vielzahl gewichtiger Indizien entscheidend gegen eine Tatbegehung im Zustand eines hochgradigen Affekts. So habe der Angeklagte das Eindringen in das Haus und damit Teile des Tatgeschehens sorgsam vorbereitet, indem er seinen Rucksack deponierte, eine Rohrzange mitnahm und sich, um keine Fingerabdrücke zu hinterlassen, Einmalhandschuhe anzog. Er habe die Tatsituation durch sein Klingeln an der Haustür und sein Eindringen in das Haus der Eheleute M. konstelliert, wobei er eine Anwesenheit der Bewohner des Hauses schon zum Zeitpunkt seines Klingelns an der Haustür für möglich hielt. Zudem habe der Angeklagte den Tatablauf zielgerichtet gestaltet. Es habe sich ferner um ein mehraktiges, länger hingezogenes Tatgeschehen gehandelt, da der Angeklagte zunächst G. M. einen Faustschlag versetzte und anschließend A. M. erst mit der Faust in das Gesicht und danach mit der Rohrzange in den Nacken schlug. Klar gegen die Annahme einer Affekttat spreche auch, so der Sachverständige Dr. L. weiter, dass die Wahrnehmungsfähigkeit des Angeklagten bei Tatbegehung ungestört gewesen und sein Erinnerungsvermögen voll erhalten sei, wie seine zahlreichen und exakten Detailwahrnehmungen zeigten, von denen er in der Hauptverhandlung berichtet habe. Gegen die Annahme einer Tatbegehung im Zustand eines hochgradigen Affektes spreche weiter, dass der Angeklagte zutreffend wahrnahm, dass sich A. M. in besserer körperlicher Verfassung befand als ihr Ehemann, und er deshalb A. M. nicht nur - wie G. M. - mit der Faust niederschlug, sondern ihr anschließend auch noch zwei Schläge mit der Rohrzange versetzte. Dies zeige, dass der Angeklagte in der Lage gewesen sei, auf plötzliche Wahrnehmungen im Rahmen des Tatgeschehens sofort sachgerecht im Hinblick auf sein Ziel, die Bewohner des Hauses handlungsunfähig zu machen, zu reagieren. Zudem fehle es an einem affekttypischen Folgeverhalten mit schwerer Erschütterung; dem Angeklagten sei vielmehr, als er nach dem Fund von Bargeld das Haus verlassen und dabei gesehen habe, dass seine Opfer weiterhin regungslos auf dem Fußboden im Flur lagen, deren Zustand eigenem Bekunden zufolge gleichgültig gewesen.

84

e) Abschließend hat der Sachverständige Dr. L. in seinem mündlich in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten noch vorgetragen, auch eine Gesamtschau sämtlicher Faktoren, namentlich der Drogenabhängigkeit des Angeklagten, seiner Persönlichkeitsstruktur und der zu bejahenden Affektmerkmale, führe nicht zu der Feststellung, dass der Angeklagte bei der Begehung der Tat in irgendeiner Weise in seiner Schuldfähigkeit beeinträchtigt gewesen sein könnte.

85

f) Die Kammer hat sich dem umfassenden, in sich widerspruchsfreien und schlüssigen Gutachten des Sachverständigen Dr. L., der ihr seit langem aus einer Vielzahl von Strafverfahren, und zwar überwiegend schwierig gelagerter Schwurgerichtsverfahren, als zuverlässiger, kompetenter und sehr sorgfältig arbeitender psychiatrischer Sachverständiger bekannt ist, nach eigener kritischer Würdigung angeschlossen. Es bestehen keinerlei Zweifel an der fundierten Sachkunde des Sachverständigen Dr. L. Der Sachverständige Dr. L. erstellt nicht nur seit über zwanzig Jahren forensische Schuldfähigkeitsgutachten, sondern betreibt auch eine eigene psychiatrische Praxis in H. und war zuvor etliche Jahre im Niedersächsischen Landeskrankenhaus L. tätig.

IV.

86

1. Durch die festgestellte Tat hat sich der Angeklagte zunächst einmal wegen Mordes gemäß § 211 StGB strafbar gemacht. Die Tat erfüllt zum einen das Mordmerkmal der „Habgier“. Denn der Angeklagte schlug A. M. nur deshalb mit bedingtem Tötungsvorsatz nieder und machte sie handlungsunfähig, um dann ungehindert in den Wohnräumen nach Bargeld suchen und dieses entwenden zu können. Zum anderen erfüllt die Tat das Mordmerkmal der „Ermöglichungsabsicht“. Denn der Angeklagte tötete A. M., um anschließend in den Wohnräumen verwahrtes Bargeld entwenden, also einen Raub begehen zu können. Unerheblich ist in Bezug auf das Mordmerkmal der „Ermöglichungsabsicht“, dass die Tötungshandlung im Sinne des § 211 StGB zugleich das Tatbestandsmerkmal der Gewalt bezüglich der Raubtat darstellt und dass der Angeklagte „nur“ mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte (BGHSt 39, 159 [160 f.] = NJW 1993, 1724 <1724 f.>; MK-StGB- Schneider , Bd. 3, 2003, § 211 Rn. 199 ff. m.w.N.).

87

2. Weiter hat sich der Angeklagte wegen Raubes mit Todesfolge zum Nachteil von A. M. gemäß den §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1, 251 StGB strafbar gemacht. Soweit bezüglich A. M. wegen der Verwendung einer Rohrzange als Schlagwerkzeug der Tatbestand des schweren Raubes verwirklicht wurde, tritt dieser im Wege der Gesetzeskonkurrenz hinter den Straftatbestand des Raubes mit Todesfolge zurück (vgl. BGHSt 21, 183 <184 f.> = NJW 1967, 835 <835 f.>; Fischer , StGB, 56. Aufl. 2009, § 251 Rn. 12).

88

3. Der Angeklagte hat sich zudem wegen schweren Raubes zum Nachteil von G. M. gemäß den §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 3 a) StGB strafbar gemacht. Denn der Angeklagte schlug G. M. mit der Faust derart heftig in das Gesicht, dass dieser zu Boden ging, wo er einige Zeit bewusstlos liegen blieb. Diese schwere körperliche Misshandlung verübte der Angeklagte, um G. M. handlungsunfähig zu machen und ihn so daran zu hindern, ihm bei der Suche nach Bargeld und dem Entwenden von Bargeld aus den Wohnräumen Gegenwehr zu leisten.

89

Zwar wird der Tatbestand des schweren Raubes (§ 250 StGB) grundsätzlich von dem des Raubes mit Todesfolge (§ 251 StGB) verdrängt und hat sich der Angeklagte vorliegend (auch) wegen Raubes mit Todesfolge strafbar gemacht. Gleichwohl tritt im vorliegenden Fall der bezüglich G. M. erfüllte Straftatbestand des schweren Raubes (§§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 3 a) StGB) ausnahmsweise nicht hinter den § 251 StGB zurück, da Opfer des Raubes mit Todesfolge allein A. M. war. Würde man auch in Fällen, in denen der Täter im Rahmen einer Raubtat gegen zwei Personen Gewalt anwendet und dabei „nur“ den Tod einer Person herbeiführt beziehungsweise „nur“ bezüglich eines Gewaltopfers mit Tötungsvorsatz handelt, in Bezug auf die zweite Person dagegen „lediglich“ die Raubqualifikation des § 250 StGB verwirklicht, den Straftatbestand des § 250 StGB für verdrängt erachten, dann würde im Schuldspruch das Unrecht der Tat nicht hinreichend zum Ausdruck gebracht, da dann die qualifizierte Gewaltanwendung zum Zwecke der Wegnahme einer fremden beweglichen Sache gegenüber dem zweiten Tatopfer im Schuldspruch unberücksichtigt bliebe (vgl. auch BGH, 3 StR 522/91 vom 15.01.1992, BGHR StGB § 249 Abs. 1 Konkurrenzen 1).

90

4. Schließlich hat sich der Angeklagte noch wegen gefährlicher Körperverletzung gemäß den §§ 223 Abs. 1, 224 Abs. 1 Nr. 5 StGB zum Nachteil des G. M. strafbar gemacht. Der Faustschlag des Angeklagten in das Gesicht des G. M. stellte angesichts der Heftigkeit des Schlages und der körperlichen Gebrechlichkeit des Tatopfers eine das Leben des Tatopfers (potentiell) gefährdende Behandlung dar.

91

5. Alle verwirklichten Straftatbestände stehen zueinander im Verhältnis der Tateinheit (§ 52 StGB).

V.

92

1. Gemäß § 52 Abs. 2 S. 1 StGB war die Strafe dem Straftatbestand zu entnehmen, der die schwerste Strafe androht. Dies ist vorliegend § 211 StGB. Die Strafe für Mord ist gemäß § 211 Abs. 1 StGB lebenslange Freiheitsstrafe.

93

Außergewöhnliche Umstände, die die Verhängung dieser Strafe unvertretbar erscheinen lassen könnten (vgl. BGHSt 30, 105 <118 ff.> = NJW 1981, 1965 <1967 f.>), liegen nicht vor.

94

Die Gewährung eines Härteausgleichs wegen der bereits vollstreckten Geldstrafe aus der Verurteilung durch das Amtsgericht Bremen vom 31.01.2008 kam angesichts der zu verhängenden lebenslangen Freiheitsstrafe nicht in Betracht. Bei Verhängung einer (absoluten) lebenslangen Freiheitsstrafe scheidet ein Härteausgleich, der an sich vorzunehmen wäre, weil eine früher verhängte, grundsätzlich gesamtstrafenfähige Entscheidung bereits vollstreckt worden ist, aus, und zwar ungeachtet des Umstandes, dass dem Prinzip des § 55 StGB in einem solchen Fall nicht Rechnung getragen werden kann ( BGH , NStZ 1999, 579 [BGH 10.06.1999 - 4 StR 87/98] <581>; BGH, 3 StR 109/89 vom 14.03.1990; Schönke/Schröder- Stree/Sternberg-Lieben , StGB, 27. Aufl. 2006, § 55 Rn. 28; MK-StGB- v.Heintschel-Heinegg , Bd. 2/1, 2005, § 55 Rn. 25; vgl. [aber] jüngst auch BGH, 5 StR 184/09 vom 28.05.2009, BeckRS 2009, 14801; BGH, 5 StR 293/08 vom 23.07.2008, BeckRS 2008, 18071). Die entgangene Einbeziehung der bereits vollstreckten Geldstrafe aus der Verurteilung durch das Amtsgericht Bremen vom 31.01.2008 kann gegebenenfalls im Vollstreckungsverfahren gemäß § 57a Abs. 1 S. 2 StGB i.V.m. § 57 Abs. 1 S. 2 StGB hinreichend berücksichtigt werden (vgl. BGH, 5 StR 293/08 vom 23.07.2008, BeckRS 2008, 18071; siehe aber auch BVerfG , 2 BvR 2025/06 vom 29.01.2007; OLG Saarbrücken , NStZ-RR 2007, 219 [OLG Saarbrücken 17.08.2006 - 1 Ws 106/06] <219 f.>).

95

2. Die Schuld des Angeklagten wiegt nicht besonders schwer im Sinne des § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StGB. Zu dieser Bewertung ist die Kammer aufgrund einer zusammenfassenden Gesamtwürdigung der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten gekommen. Dabei hat die Kammer berücksichtigt, dass die Annahme besonders schwerer Schuld die Ausnahme von der Regel ist, sodass die Bejahung besonderer Schuldschwere der Feststellung besonderer Umstände bedarf ( BGH , NStZ 2009, 260; BGHSt 40, 360 <369 f.> = NJW 1995, 407 <408 f.>; Fischer , StGB, 56. Aufl. 2009, § 57a Rn. 9, 11 m.w.N.). Solche besonderen Umstände liegen hier jedoch nicht vor.

96

Bei der Gesamtwürdigung hat die Kammer schulderhöhend maßgeblich gewertet, dass der Angeklagte sich - jeweils in Tateinheit mit dem vollendeten Mord stehend - auch noch wegen Raubes mit Todesfolge sowie - bezüglich des zweiten Tatopfers G. M. - wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung strafbar gemacht hat. Insofern hat die Kammer allerdings nicht außer Acht gelassen, dass sich der Angeklagte zwar tateinheitlich wegen Raubes mit Todesfolge (bezüglich A. M.) und schweren Raubes (bezüglich G. M.) strafbar gemacht hat, jedoch „lediglich“ eine einzige Wegnahmehandlung vorliegt, und dass bezüglich des erfüllten Tatbestandes des Raubes mit Todesfolge das Unrecht, das in der Herbeiführung des Todes liegt, bereits Gegenstand des Schuldspruchs nach § 211 StGB ist (vgl. BGH , NStZ 2009, 203 <204>). Dem Umstand, dass der Angeklagte mit den Mordmerkmalen der „Ermöglichungsabsicht“ und der „Habgier“ zwei Mordmerkmale verwirklicht hat, hat die Kammer keine schulderhöhende Wirkung beigemessen, da diese beiden Mordmerkmale dieselbe Stoßrichtung aufweisen, also das neben der „Habgier“ vorliegende Mordmerkmal der „Ermöglichungsabsicht“ keine schulderhöhenden Umstände aufzeigt (vgl. BGH , NStZ 2009, 203 <204>).

97

Schulderhöhend hat die Kammer weiter berücksichtigt, dass es sich - was der Angeklagte zutreffend erkannt hat - bei den Tatopfern um ältere und bereits gebrechliche, relativ wehrlose Menschen handelte, dass der Angeklagte ganz erhebliche kriminelle Energie aufbrachte, namentlich, indem er A. M. auf verschiedene Art und Weise attackierte, dass seine Tatausführung gekennzeichnet war durch eine erhebliche Brutalität und dass die Tat für G. M. über seine körperlichen Verletzungen hinausgehend ganz erhebliche psychische Beeinträchtigungen zur Folge hatte. Auch dem Umstand, dass die auf dem selben Grundstück lebende Tochter und deren Familie - wie in der Hauptverhandlung deutlich wurde - psychisch durch die Tat erheblich belastet wurden und auch weiterhin sind, hat die Kammer zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt.

98

Schulderhöhend waren ferner die Vorstrafen des Angeklagten und der Umstand in Rechnung zu stellen, dass der Angeklagte die verfahrensgegenständliche Tat nur etwas mehr als vier Monate nach seiner letzten Entlassung aus der Strafhaft beging.

99

Demgegenüber hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten namentlich berücksichtigt, dass er in der Hauptverhandlung und auch schon im Ermittlungsverfahren ein schonungsloses und ganz weitreichendes Geständnis abgelegt hat, zumal fraglich war und ist, ob der Angeklagte ohne seine geständigen Einlassungen im Ermittlungsverfahren und in der Hauptverhandlung überhaupt für die Tat hätte zur Verantwortung gezogen werden können. Das Geständnis des Angeklagten war für die Kammer letztlich entscheidend für die Verneinung besonderer Schuldschwere.

100

Schuldmindernd hat die Kammer darüber hinaus gewertet, dass der Angeklagte heroinabhängig war und ist, wenngleich eine Verminderung seiner Schuldfähigkeit zum Tatzeitpunkt nicht vorlag. Schuldmindernd fiel weiter ins Gewicht, dass der Angeklagte seinen Entschluss, die Tatopfer körperlich anzugreifen, spontan fasste. Auch den Umstand, dass der Angeklagte die Tat beging, um Geld zu erlangen, von dem er sich Drogen kaufen konnte, die er wegen seiner Drogenabhängigkeit benötigte, sowie die desolate Lebenssituation des obdachlosen und weitgehend ohne Sozialkontakte lebenden Angeklagten hat die Kammer zu seinen Gunsten berücksichtigt. Nicht zuletzt hat die Kammer zu Gunsten des Angeklagten gewertet, dass er - wie in der Hauptverhandlung deutlich wurde - die Tatbegehung ernsthaft bereut.

VI.

101

Gemäß § 64 StGB hat die Kammer die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet.

102

1. Zu dieser Entscheidung ist die Kammer in erster Linie aufgrund des in der Hauptverhandlung mündlich erstatteten Gutachtens des psychiatrischen Sachverständigen Dr. L. gelangt.

103

a) Der Angeklagte hat den Hang, berauschende Mittel, nämlich Heroin, im Übermaß zu sich zu nehmen. Der Sachverständige Dr. L. hat - wie bereits an anderer Stelle im Einzelnen dargelegt - in seinem Gutachten ausgeführt, der Angeklagte sei seit langem körperlich heroinabhängig (ICD 10: F11.2). Aufgrund seiner Heroinabhängigkeit sei bei dem Angeklagten eine ganz erhebliche dissoziale Entwicklung zu verzeichnen.

104

b) Die verfahrensgegenständliche Tat des Angeklagten geht auf seinen Hang, berauschende Mittel im Übermaß zu sich zu nehmen, zurück. Es handelt sich um eine als Beschaffungskriminalität zu klassifizierende Tat mit Symptomwert für den Hang: Der Angeklagte drang in das Haus der Eheleute M. ein, schlug A. M. und G. M. nieder und entwendete anschließend Bargeld aus dem Haus, um sich von dem erbeuteten Geld neues Heroin kaufen zu können, was er anschließend auch tat.

105

c) Es besteht auch die Gefahr, dass der Angeklagte infolge seines Hanges erneut erhebliche rechtswidrige Taten begehen wird. Der Sachverständige Dr. L. hat diesbezüglich ausgeführt, der Angeklagte habe über viele Jahre hinweg bis zu seiner Verhaftung im Februar 2009 seinen Lebensunterhalt und seinen Drogenkonsum weitestgehend mit der Begehung von Straftaten finanziert. Der Angeklagte habe eigenen Angaben zufolge unzählige Diebstahlstaten, darunter auch diverse Einbruchsdelikte, begangen. Seine Heroinabhängigkeit stehe aufgrund der erheblichen Folgen für den Angeklagten einer geordneten Existenz und der Aufnahme einer legalen Erwerbstätigkeit entgegen. Ohne eine Überwindung seiner Heroinabhängigkeit werde es dem Angeklagten schon aufgrund des hohen Finanzbedarfs für den Erwerb von Heroin nicht möglich sein, seinen Lebensunterhalt auf legale Art zu finanzieren. Insofern bestehe eine hohe Gefahr, dass der Angeklagte, sofern seine Heroinabhängigkeit nicht behandelt werde, nach einer Entlassung aus der Strafhaft in alte Lebensstrukturen zurückfalle und erneut Taten der Beschaffungskriminalität begehe. Dies gelte auch für den Fall der Verbüßung einer sehr langen Freiheitsstrafe, da der Angeklagte in der Vergangenheit selbst nach Verbüßung einer längeren Haftstrafe sofort nach der Entlassung aus der Strafhaft rückfällig geworden sei. So habe der Angeklagte in der Hauptverhandlung angeben, er habe schon wenige Stunden nach seiner Entlassung aus der JVA O. wieder Heroin konsumiert. Die Gefahr der Begehung zukünftiger Taten beziehe sich auch auf erhebliche Straftaten. Denn der Angeklagte habe bereits, wie die von ihm in der Hauptverhandlung eingeräumten diversen Wohnungseinbrüche zeigten, in der Vergangenheit erhebliche Straftaten begangen. Die verfahrensgegenständliche Tat habe gezeigt, dass der Angeklagte auch nicht vor erheblicher Gewalt gegen Personen zurückgeschreckt habe, um sein Ziel, zur Finanzierung seiner Drogenabhängigkeit Bargeld zu erlangen, zu erreichen. Der Umstand, dass der Angeklagte ausweislich der Bekundungen des Zeugen S. bei ihrem Zusammentreffen in B. ein großes Messer bei sich getragen habe und sich, so der Sachverständige Dr. L. weiter, aus den von ihm ausgewerteten Unterlagen ergebe, dass der Angeklagte bei seiner Verhaftung in B. im Februar 2009 mit diversen Messern bewaffnet gewesen sei, sei ein weiteres Indiz für die hohe Gefahr erheblicher zukünftiger Straftaten.

106

d) Zur Frage des Vorliegens einer hinreichend konkreten Aussicht, den Angeklagten durch eine Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu heilen oder über eine erhebliche Zeit von dem Rückfall in seinen Hang zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, die auf seinen Hang zurückgehen (§ 64 S. 2 StGB), hat der Sachverständige Dr. L. ausgeführt, derzeit und in der jetzigen Situation sei eine Therapie des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt aussichtslos. Gegenwärtig fehle bei dem Angeklagten die Basis, auf der eine Therapie Erfolg versprechend aufbauen könne. Zwar habe der Angeklagte keine schwere Persönlichkeitsstörung und lägen bei ihm keine ausgeprägten Persönlichkeitsveränderungen im Sinne einer Depravation vor, auch seien seine kognitiven Fähigkeiten durchgängig erhalten. Doch liege beim Angeklagten eine stark ausgeprägte, verhärtete und fixierte dissoziale Entwicklung vor. Bei ihm sei eine signifikante innere und äußere Haltlosigkeit zu verzeichnen. Bevor überhaupt Erfolg versprechend mit einer Therapie in einer Entziehungsanstalt begonnen werden könne, sei zwingend eine „basale Neustrukturierung“ des Angeklagten und seines Lebens erforderlich. Vor dem Hintergrund seiner momentanen Haltlosigkeit müsse zunächst einmal die gesamte Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten gefestigt werden. Eine solche „basale Neustrukturierung“ des Angeklagten könne nicht - parallel zu einer Therapie - in einer Entziehungsanstalt geleistet werden; damit würde man den Angeklagten schlicht überfordern. Angesichts der erheblichen Dissozialität des Angeklagten könnten therapeutische Maßnahmen in einer Entziehungsanstalt den Angeklagten gegenwärtig nicht erreichen. Damit eine Therapie erfolgreich verlaufen könne, müsse zunächst einmal eine in Ansätzen gefestigte innere Struktur des Angeklagten gegeben sein, was aber derzeit nicht der Fall sei. So fehle dem Angeklagten derzeit die Fähigkeit, sich eigene Ziele zu setzen und diese mit innerer Nachhaltigkeit zu verfolgen. Aber auch weitere elementare Voraussetzungen für einen Therapieerfolg fehlten derzeit: Der Angeklagte sei derzeit nicht in der Lage, mit anderen Menschen in näheren sozialen Kontakt zu treten; er habe keine Frustrationstoleranz; sein Tagesablauf habe bislang keine Struktur gehabt. Das Leben des Angeklagten in den letzten Jahren sei gekennzeichnet durch eine vollkommene äußere Haltlosigkeit; diese spiegle ihrerseits eine innere Haltlosigkeit des Angeklagten wider.

107

Die vor einem Therapiebeginn zwingend gebotene „basale Neustrukturierung“ des Angeklagten könne, so der Sachverständige Dr. L. weiter, im normalen Strafvollzug erreicht werden. Durch die festen und straffen äußeren Strukturen des Strafvollzugs in einer JVA könne der Angeklagte soweit inneren Halt gewinnen und neu strukturiert werden, dass hierauf aufbauend eine Therapie in einer Entziehungsanstalt zu einem späteren Zeitpunkt hinreichende Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 64 S. 2 StGB habe. Dies zeige auch die eigene Einschätzung des Angeklagten hinsichtlich seiner gegenwärtigen Haft- und Lebenssituation in der Untersuchungshaft. Der Angeklagte habe in der Hauptverhandlung angegeben, er empfinde es, nachdem er jahrelang obdachlos auf der Straße oder in Notunterkünften gelebt habe, als ausgesprochen positiv, dass er jetzt in der Haft feste Strukturen habe; diese gäben ihm Halt und Orientierung. Die Strukturen und der geordnete Lebensalltag in der JVA täten ihm, so der Angeklagte, gut. Der Verlauf der Inhaftierung des Angeklagten in der JVA O. bestätige dies, so der Sachverständige Dr. L. Dort habe der Angeklagte soweit eine innere Festigung erfahren, dass er in der Lage gewesen sei, längere Zeit in der Gefängnistischlerei zu arbeiten und so nicht unerhebliche Sozialversicherungsansprüche zu erwerben.

108

Zusammenfassend hat der Sachverständige Dr. L. ausgeführt, aus psychiatrischer Sicht sei die Anordnung eines Vorwegvollzuges im Sinne des § 67 Abs. 2 S. 1 StGB unabdingbar, um anschließend - nach einer durch einen Vorwegvollzug erreichten „basalen Neustrukturierung“ des Angeklagten - im Maßregelvollzug Erfolg versprechend mit ihm therapeutisch arbeiten zu können.

109

Er gehe davon aus, so Dr. L. weiter, dass die gebotene „basale Neustrukturierung“ des Angeklagten etwa vier Jahre in Anspruch nehmen werde. Nach vier Jahren im Strafvollzug werde der Angeklagte aber voraussichtlich so gefestigt sein, dass eine Therapie in einer Entziehungsanstalt dann hinreichend konkrete Aussicht auf Erfolg im Sinne des § 64 S. 2 StGB habe. Er gehe, so der Sachverständige, davon aus, dass der Angeklagte dann so gefestigt sei, dass er das Therapieziel, ihn von seiner Drogensucht zu heilen oder zumindest über eine erhebliche Zeit von dem Rückfall in seine Drogenabhängigkeit zu bewahren und von der Begehung erheblicher rechtswidriger Taten abzuhalten, hinreichend motiviert und konsequent verfolgen und mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auch erreichen werde. Dies gelte auch deshalb, weil der Angeklagte deutlich gemacht habe, seine Drogensucht überwinden zu wollen, und eingesehen habe, dass er seine desolate Lebenssituation nur zum Positiven hin verändern könne, wenn er - mit professioneller Hilfe - an seiner Heroinabhängigkeit arbeite.

110

Eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach einem teilweisen Vorwegvollzug einer Freiheitsstrafe werde voraussichtlich weitere vier Jahre dauern müssen, um den erstrebten Therapieerfolg erreichen zu können. Zwar sei eine solche Unterbringungsdauer erheblicher länger als der Regelfall von einem Jahr, den der Gesetzgeber bei der Reform des Rechts der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vor Augen hatte (vgl. BT-Drucks. 16/1110, S. 14), und auch deutlich länger als die normale gesetzliche Höchstfrist von zwei Jahren gemäß § 67d Abs. 1 S. 1 StGB; eine derart lange Unterbringungsdauer sei aber im Hinblick auf die langjährige Drogenabhängigkeit und Obdachlosigkeit des Angeklagten und seine dadurch bedingte erhebliche Dissozialität voraussichtlich erforderlich.

111

Aus psychiatrischer Sicht sei es, so Dr. L. weiter, angezeigt, nach einer Phase der basalen Neustrukturierung des Angeklagten im Strafvollzug von etwa vier Jahren unmittelbar mit einer Behandlung in einer Entziehungsanstalt zu beginnen. Es wäre aus psychiatrischer Sicht im zu beurteilenden Fall nicht sachgerecht, bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe einen Vorwegvollzug für einen so langen Zeitraum anzuordnen, dass im Anschluss an eine vier Jahre dauernde Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt eine Entscheidung über eine vorzeitige Entlassung aus der Strafhaft getroffen werden könnte. Denn dies würde vor dem Hintergrund der Regelung des § 57a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB, der eine Aussetzung des Strafrestes bei einer lebenslangen Freiheitsstrafe frühestens nach Verbüßung von fünfzehn Jahren Strafhaft gestattet, bedeuten, dass ein Vorwegvollzug von elf Jahren Freiheitsstrafe angeordnet werden müsste. Bei einem derart langen Vorwegvollzug sei aber mit hoher Wahrscheinlichkeit damit zu rechnen, dass der Angeklagte anschließend nicht mehr hinreichend für eine Therapie motiviert sei. Auch wäre es aus psychiatrischer Sicht bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nicht sachgerecht, wenn der Angeklagte nach erfolgter „basaler Neustrukturierung“ noch viele Jahre lang „unbehandelt“ im Strafvollzug verbliebe, obwohl eine Therapie seiner Heroinabhängigkeit Erfolg versprechend möglich wäre. Dies wäre vor dem Hintergrund des erstrebenswerten Zieles, den Angeklagten so schnell als möglich von seiner Heroinabhängigkeit zu heilen, schon deshalb nicht sinnvoll, weil davon ausgegangen werden müsse, dass es auch im Strafvollzug Möglichkeiten des Erwerbs und Konsums illegaler Drogen gibt. An der Aufgabe des Strafvollzuges, den Angeklagten auf ein Leben in Freiheit ohne erneute Straffälligkeit vorzubereiten, könne in einem solchen Fall nicht so, wie es geboten und nach erfolgreich abgeschlossener Therapie möglich wäre, gearbeitet werden. Diese zu erwartenden negativen Folgen eines Vorwegvollzuges von elf Jahren Freiheitsstrafe wögen schwerer als die Nachteile, die sich möglicherweise für die Erfolgschancen eine Therapie in einer Entziehungsanstalt ergeben, wenn im Anschluss an eine erfolgreiche Therapie in einer Entziehungsanstalt keine Aussetzung des Strafrestes zur Bewährung möglich ist. Insbesondere lägen, so der Sachverständige Dr. L., keine konkreten Anhaltspunkte dafür vor, dass der Erfolg einer Therapie in einer Entziehungsanstalt gefährdet wäre, wenn angesichts der verbleibenden Restverbüßungszeit bestimmte Lockerungsmaßnahmen in der Entziehungsanstalt nicht gewährt werden könnten und der Angeklagte nach Abschluss der Therapie aus dem Maßregelvollzug in den Strafvollzug zurückverlegt würde. Auch lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass die Therapiemotivation des Angeklagten bei einer Maßregelvollziehung nach vier Jahren Vorwegvollzug der Strafe angesichts der verbleibenden Restverbüßungszeit zu gering sein werde.

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2. Die Kammer hat sich dem nachvollziehbaren und in sich widerspruchsfreien Gutachten des Sachverständigen Dr. L. zu den psychiatrischen Voraussetzungen einer Unterbringung des Angeklagten gemäß § 64 StGB nach kritischer eigener Würdigung angeschlossen und dementsprechend im Rahmen des ihr eingeräumten Ermessens eine Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe steht der Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt nicht entgegen (vgl. BGHSt 37, 160 <160 f.> = NJW 1990, 3281 [BGH 23.08.1990 - 4 StR 306/90] <3282>). Angesichts der Schwere der vom Angeklagten begangenen Tat und seiner langjährigen Heroinabhängigkeit, die der Angeklagte nach dem Dafürhalten der Kammer ohne eine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nicht überwinden könnte, sowie vor dem Hintergrund der Gefahr zukünftiger neuer Straftaten der Beschaffungskriminalität bei fortbestehender Drogenabhängigkeit des Angeklagten ist die Erfolg versprechende Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt verhältnismäßig im Sinne des § 62 StGB.

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3. Die Kammer hat sich auch der Einschätzung des Sachverständigen Dr. L. angeschlossen, dass im Hinblick auf das Erfordernis einer „basalen Neustrukturierung“ des Angeklagten vor einem Therapiebeginn die für eine Maßregelanordnung gemäß § 64 S. 2 StGB erforderliche hinreichend konkrete Erfolgsaussicht nur bei Anordnung eines (teilweisen) Vorwegvollzugs der Strafe bejaht werden kann. In Abweichung von der Grundregel des § 67 Abs. 1 StGB hat die Kammer deshalb gemäß § 67 Abs. 2 S. 1 StGB angeordnet, dass ein Teil der Strafe vor der Maßregel zu vollziehen ist (vgl. insofern auch BGHSt 33, 285 <286 f.> = NJW 1986, 141 <141 f.>). Die Dauer des Vorwegvollzuges hat die Kammer, auch insoweit der Bewertung und Einschätzung des Sachverständigen folgend, mit vier Jahren bemessen.

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Der Bemessung des vor der Maßregel zu vollziehenden Teils der Strafe mit vier Jahren steht § 67 Abs. 2 S. 3 StGB nicht entgegen. Die Regelung des § 67 Abs. 2 S. 3 StGB, die in Verbindung mit § 67 Abs. 5 StGB vorsieht, dass der vor der Maßregel zu vollziehende Teil der Strafe so zu bemessen ist, dass nach dem teilweisen Strafvollzug und einer anschließenden, nach § 67 Abs. 4 StGB auf die Strafe anzurechnenden Unterbringung eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zum Halbstrafenzeitpunkt möglich ist, bezieht sich allein auf die Bestimmung eines teilweisen Vorwegvollzugs der Strafe bei Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben der Verhängung einer zeitigen Freiheitsstrafe gemäß § 67 Abs. 2 S. 2 StGB. Bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ist § 67 Abs. 2 S. 3 StGB nicht anwendbar (zu dieser Auffassung tendierend auch Fischer , StGB, 56. Aufl. 2009, § 67 Rn. 11; anderer Ansicht wohl LG Göttingen, 52 StVK 169/07 vom 10.01.2008, BeckRS 2008, 10919).

115

Ein solches Normverständnis legt bereits der Gesetzeswortlaut nahe. Schon die Worte „Dieser Teil der Strafe“, mit denen § 67 Abs. 2 S. 3 StGB beginnt, sprechen dafür, dass sich § 67 Abs. 2 S. 3 StGB allein auf den unmittelbar vorhergehenden § 67 Abs. 2 S. 2 StGB bezieht, der nur die Verhängung zeitiger Freiheitsstrafen betrifft. Zudem nimmt § 67 Abs. 2 S. 3 StGB auf § 67 Abs. 5 S. 1 StGB Bezug. Dieser wiederum passt auf die Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nicht, weil er die Aussetzung eines noch verbleibenden Strafrestes nach vollzogener Maßregel zulässt, „wenn die Hälfte der Strafe erledigt ist“. Bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe lässt sich jedoch ein Halbstrafenzeitpunkt nicht bestimmen.

116

Dafür, dass bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe § 67 Abs. 2 S. 3 StGB nicht anwendbar ist, spricht auch die Gesetzgebungsgeschichte. Denn dieser Satz 3 ist durch Gesetz vom 16.07.2007 (BGBl. I 2007, S. 1327) zusammen mit dem Satz 2 in § 67 Abs. 2 StGB eingefügt worden, während § 67 Abs. 2 S. 1 StGB schon zuvor galt und durch das Reformgesetz vom 16.07.2007 unberührt blieb.

117

Eine Anwendung des § 67 Abs. 2 S. 3 StGB auf den Fall der Bestimmung eines teilweisen Vorwegvollzugs der Strafe bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe wäre auch nicht sachgerecht. Eine - durch § 1 StGB nicht ausgeschlossene - entsprechende Anwendung von § 67 Abs. 2 S. 3 StGB in Verbindung mit § 67 Abs. 5 S. 1 StGB dahingehend, dass bei Bestimmung eines teilweisen Vorwegvollzugs einer lebenslangen Freiheitsstrafe der vorweg zu vollziehende Teil der Strafe so zu bemessen ist, dass im Anschluss an die Unterbringung eine Strafrestaussetzung nach § 57a Abs. 1 StGB möglich ist, ist deshalb nicht angezeigt (anderer Ansicht wohl LG Göttingen, 52 StVK 169/07 vom 10.01.2008, BeckRS 2008, 10919). Eine solche entsprechende Anwendung des § 67 Abs. 2 S. 3 StGB bedeutete, dass der vorweg zu vollziehende Teil einer lebenslangen Freiheitsstrafe so zu bemessen wäre, dass nach der Vollstreckung dieses Teils der Strafe und dem anschließenden, gemäß § 67 Abs. 4 StGB auf die Strafe anzurechnenden Vollzug der Maßregel 15 Jahre Freiheitsstrafe als verbüßt zu gelten hätten. Dies hätte regelmäßige Vorwegvollzugszeiten von deutlich über zehn Jahren zur Folge; im vorliegenden Fall wäre ein Vorwegvollzug von elf Jahren Freiheitsstrafe anzuordnen. Eine solche Zeitdauer des Vorwegvollzuges liefe jedoch dem Grundgedanken des § 67 Abs. 1 StGB zuwider, wonach es gilt, Verurteilte frühzeitig von ihrem Hang zu befreien, damit anschließend - gegebenenfalls in einer JVA - an der Verwirklichung des Vollzugszieles der Vorbereitung auf ein zukünftig straffreies Leben (vgl. § 2 S. 1 StVollzG; § 5 S. 1 NJVollzG) Erfolg versprechend gearbeitet werden kann (vgl. BGHSt 37, 160 <162> = NJW 1990, 3281 [BGH 23.08.1990 - 4 StR 306/90] <3282>) Zudem könnte dann dem verfassungsrechtlichen Gebot, auch zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilte im Strafvollzug auf ein zukünftiges Leben in Freiheit vorzubereiten (vgl. BVerfGE 45, 187 <239> = NJW 1977, 1525 [BVerfG 21.06.1977 - 1 BvL 14/76] <1528>), nicht hinreichend Rechnung getragen werden. Hätten die Gerichte bei Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe nur die Möglichkeit, es entweder bei dem gesetzlichen Regelfall des Vollzug der Maßregel vor der Strafe (§ 67 Abs. 1 StGB) zu belassen - was der BGH für grundsätzlich geboten erachtet (vgl. BGHSt 37, 160 <162> = NJW 1990, 3281 [BGH 23.08.1990 - 4 StR 306/90] <3282>) - oder aber, sofern ein Vorwegvollzug ausnahmsweise erforderlich ist, eine Dauer des Vorwegvollzugs von in der Regel deutlich über zehn Jahren Freiheitsstrafe zu bestimmen, dann müsste in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Vollziehung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt vor der Strafe gemäß § 67 Abs. 1 StGB nicht in Betracht kommt, weil zum Verurteilungszeitpunkt wegen persönlicher Defizite des Angeklagten eine Therapie in einer Entziehungsanstalt keine hinreichende Erfolgsaussicht hat, die Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt regelmäßig ganz unterbleiben. Denn zum Verurteilungszeitpunkt lässt sich in aller Regel keine Prognose dahingehend treffen, dass eine Therapie im Anschluss an eine Verbüßung von zehn oder mehr Jahren Strafhaft Aussicht auf Erfolg hat. Ganz im Gegenteil: Der Sachverständige Dr. L. hat in seinem Gutachten ausgeführt, es spreche vieles dafür, dass ein Verurteilter nach einer Strafhaftdauer von über zehn Jahren nicht (mehr) das für einen Therapieerfolg unabdingbare Mindestmaß an Therapiemotivation habe. Fallgestaltungen wie der vorliegenden, in denen eine Therapie in einer Entziehungsanstalt zwar zum Zeitpunkt der Verurteilung wegen persönlicher Defizite des Angeklagten, namentlich wegen vorhandener Dissozialität, noch keinen Erfolg verspricht, eine hinreichende Erfolgsaussicht aber für die Zeit nach einer relativ kurzen Phase der Persönlichkeitsstrukturierung in der Strafhaft bejaht werden kann, könnte man dann häufig nicht gerecht werden.

118

Bei der - regelmäßig erforderlichen - Bestimmung eines teilweisen Vorwegvollzugs der Strafe bei Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren nach § 67 Abs. 2 S. 2 StGB ist es dagegen sinnvoll, die vorweg zu vollziehenden Teil der Strafe so zu bemessen, dass nach seiner Verbüßung und einer anschließenden Unterbringung unter den Voraussetzungen des § 57 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 und Nr. 3 StGB eine Aussetzung der Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung zum Halbstrafenzeitpunkt möglich ist. Denn die Regelung des § 67 Abs. 2 S. 3 StGB führt selbst bei langjährigen zeitigen Freiheitsstrafen in aller Regel nicht dazu, dass die Dauer eines Vorwegvollzugs unangemessen lang ist, sich der Verurteilte also - der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 67 Abs. 1 StGB zuwiderlaufend - über einen unverhältnismäßig langen Zeitraum „unbehandelt“ in Strafhaft befindet. Deshalb ist es bei einer Anordnung der Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer zeitigen Freiheitsstrafe von über drei Jahren regelmäßig sachgerecht, einen teilweisen Vorwegvollzug der Strafe in einem Umfang zu bestimmen, der es ermöglicht, nach Abschluss der Therapie die Vollstreckung des Strafrestes zur Bewährung auszusetzen und damit von einer den Therapieerfolg möglicherweise gefährdenden Rückverlegung des Verurteilten in den Strafvollzug abzusehen, ohne den nicht mehr behandlungsbedürftigen Verurteilten weiter in einer Entziehungsanstalt festhalten zu müssen - was nicht nur teuer wäre, sondern auch zur Blockade eines Therapieplatzes führte. Dies trifft aber - wie ausgeführt - bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe nicht zu. Bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe wiegen die Nachteile, die sich aus einem langjährigen Vorwegvollzug für „unbehandelte“ Verurteilte ergeben, regelmäßig schwerer als diejenigen, die aus einer etwaigen Rückverlegung eines zu lebenslanger Freiheitsstrafe Verurteilten in den Strafvollzug nach Beendigung des Maßregelvollzugs resultieren können. Der Sachverständige Dr. L. hat insofern zur Überzeugung der Kammer ausgeführt, dass nicht ohne weiteres davon auszugehen sei, dass der Erfolg einer Therapie in einer Entziehungsanstalt gefährdet ist, wenn ein Verurteilter nach deren Abschluss aus dem Maßregelvollzug in den Strafvollzug zurückverlegt wird; bezogen auf den Angeklagten im vorliegenden Verfahren hat der Sachverständige ausgeführt, für eine solche Gefahr lägen keine Anhaltspunkte vor. Der BGH hat denn auch entschieden, dass bei Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe ein Vorwegvollzug der Strafe vor der Maßregel grundsätzlich ausscheidet (vgl. BGHSt 37, 160 <162> = NJW 1990, 3281 [BGH 23.08.1990 - 4 StR 306/90] <3282> mit zust. Anm. von Schüler-Springorum , StV 1991, 561 f.). Einzuräumen ist allerdings, dass eine Therapie in einer Entziehungsanstalt möglicherweise erschwert ist, wenn ansonsten übliche Lockerungsmaßnahmen wegen einer noch langen Restverbüßungszeit nicht gewährt werden können, und dass eine längere Restverbüßungszeit nach Abschluss einer Therapie demotivierende Wirkung haben kann. Der Sachverständige Dr. L. hat allerdings - wie bereits erwähnt - bezogen auf den vorliegenden Fall ausgeführt, es gebe auch für solche Nachteile keine konkreten Anhaltspunkte.

119

Da mithin bei der Anordnung einer Unterbringung in einer Entziehungsanstalt nach § 64 StGB neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe der ausschließlich auf § 67 Abs. 2 S. 2 StGB bezogene § 67 Abs. 2 S. 3 StGB nicht einschlägig ist, sich die Bestimmung eines - ausnahmsweise erforderlichen - teilweisen Vorwegvollzugs der Strafe vielmehr allein nach § 67 Abs. 2 S. 1 StGB richtet, hat das Gericht in einem solchen Fall die Dauer des Vorwegvollzuges unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und ohne exakte gesetzliche Vorgabe individuell so festzulegen, dass das Therapieziel einerseits so schnell als möglich, andererseits aber auch nachhaltig erreicht werden kann. Bei Verhängung einer lebenslangen Freiheitsstrafe bedeutet dies, dass die Zeitdauer eines erforderlichen Vorwegvollzugs - um der gesetzgeberischen Grundentscheidung des § 67 Abs. 1 StGB zu entsprechen - regelmäßig unter Inkaufnahme einer eventuellen Rückverlegung des Verurteilten in den Strafvollzug nach Abschluss der Therapie in einer Entziehungsanstalt so kurz wie möglich zu bestimmen ist. Ein Vorwegvollzug ist mithin regelmäßig auf einen Zeitraum zu beschränken, der erforderlich ist, um beim Verurteilten die Voraussetzungen für eine Erfolg versprechende Therapie zu schaffen. Dies sind im vorliegenden Verfahren vier Jahre.

VII.

120

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.