Verwaltungsgericht Braunschweig
Beschl. v. 05.02.2003, Az.: 8 B 575/02
Beteiligtenfähigkeit; BGB-Gesellschaft; Erschließungsbeitrag; Gesellschaft bürgerlichen Rechts; Parteifähigkeit; Rechtsfähigkeit
Bibliographie
- Gericht
- VG Braunschweig
- Datum
- 05.02.2003
- Aktenzeichen
- 8 B 575/02
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2003, 48490
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 128 AO
- § 705 BGB
- § 714 BGB
- § 134 Abs 1 BauGB
- § 42 Abs 2 VwGO
- § 61 Nr 2 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine BGB-Außengesellschaft ist nicht antragsbefugt, sich mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen die Heranziehung eines ihrer Gesellschafter zu einem Erschließungsbeitrag für ein Grundstück aus dem Gesellschaftsvermögen zu wenden.
Tenor:
Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 15. Oktober 2002 wird abgelehnt.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.446,39 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antrag ist unzulässig, weil es der Antragstellerin an der analog § 42 Abs. 2 VwGO erforderlichen (vgl. Happ in: Eyermann, VwGO, 11. Aufl. 2000, § 42 RN 80) Antragsbefugnis mangelt. Sie kann nämlich nicht zu Recht geltend machen, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in eigenen Rechten verletzt zu sein, da sich der angegriffene Beitragsbescheid vom 15. Oktober 2002 (Bl. 5 ff. GA) nicht an sie richtet.
Die Auslegung des Bescheides ergibt nämlich mit hinreichender Bestimmtheit, dass Rechtsanwalt M. A. nicht nur der Zustellungs-, sondern auch der alleinige Inhaltsadressat des Verwaltungsaktes ist. Bereits die zweite Zeile des Betreffs ("Erhebung eines Erschließungsbeitrags für Ihr Grundstück") und die Formulierung des Leistungsgebots ("Sehr geehrter Herr A. ... Bitte überweisen Sie diesen Betrag innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe ...") sprechen dafür, dass nur Rechtsanwalt M. A. und nicht die Antragstellerin oder alle deren Gesellschafter in Anspruch genommen werden sollten. Hinzu kommt die Begründung, in der es unter anderem heißt: "Abschließend folgender Hinweis: Die oben genannten Grundstückseigentümer haften als Gesamtschuldner. Bei der Heranziehung zu Erschließungsbeiträgen habe ich von meinem Auswahlermessen dahingehend Gebrauch gemacht, dass ich nur Ihnen einen Beitragsbescheid zustelle." Zwar könnte der zweite Gliedsatz dieser Passage isoliert betrachtet darauf hindeuten, dass es nur um die Bestimmung des Zustellungsadressaten geht. Der Konsekutivsatz muss aber im Zusammenhang mit den zuvor zitierten Wendungen und vor allem mit dem ersten Halbsatz gelesen werden, welcher verdeutlicht, dass die angesprochene Ermessensausübung keineswegs nur formeller, sondern materieller Art ist, und sich auf eine Auswahl des Heranzuziehenden unter mehreren Gesamtschuldnern bezieht. Mit dem Inhalt, dass ein Mitgesellschafter der Antragstellerin allein als (Mit-)Eigentümer in Anspruch genommen wird, entspricht der Bescheid auch einer langjährigen Verwaltungspraxis vor dem Ergehen des Urteils des Bundesgerichtshofes vom 29. Januar 2001 - II ZR 331/00 - (BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056 - zitiert nach einem Urteilsabdruck), die auf der Annahme beruhte, dass eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) nicht Beitragsschuldnerin im Sinne des § 134 Abs. 1 BauGB sein könne (so: VG Köln, Urt. vom 21. 9. 1989 -7 K 4260/88 -, KStZ 1990, 57 [57 f.]) und der Abgabenbescheid wahlweise an jeden ihrer Gesellschafter als Beitragsschuldner gerichtet werden dürfe (vgl. Stuttmann, Hinweise zur Festsetzung von Kommunalabgaben gegen Gesellschaften bürgerlichen Rechts nach dem Urteil des BGH vom 29. 1. 2001, KStZ 2002, 50 [50]).
Einzuräumen ist den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, dass diese Verwaltungspraxis - schließt man sich der nunmehrigen Rechtsauffassung des Bundesgerichtshofes an - Bedenken begegnen muss. Dementsprechend hat etwa das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 7. Mai 2002 - 15 A 5299/00 - (DB 2002, 1545 - zitiert nach JURIS) für das Kanalbaubeitragsrecht bereits entschieden, dass aus der Rechtsinhaberschaft einer GbR am Grundeigentum und einer Bestimmung, wonach die Grundeigentümer beitragspflichtig seien, folge, dass die Gesellschaft, und nicht die Gesellschafter, beitragspflichtig seien. Das Obergericht hat ferner ausgeführt, dass deshalb den Gesellschaftern gegenüber keine Beitragsfestsetzung für das einer GbR gehörende Grundstück erfolgen, sondern ihnen gegenüber nur ein Haftungsbescheid ergehen könne. Stuttmann (a. a. O., Seite 51) weist insoweit darauf hin, dass ein derartiger Haftungsbescheid das Entstehen der persönlichen Beitragspflicht des Beitragsschuldners voraussetze, für die wiederum - namentlich im Erschließungsbeitragsrecht - die Bekanntgabe eines Beitragsbescheides an den Beitragsschuldner (also die GbR) konstitutiv sei. Diese Bedenken gegen die isolierte Inanspruchnahme eines Gesellschafters rechtfertigen es jedoch nicht, dem offenkundig an der bisherigen Rechtspraxis orientierten Bescheid der Antragsgegnerin einen anderen Inhaltsadressaten gleichsam unterzuschieben. Dass sich im Auslegungswege ein solches Ergebnis nicht erzielen lässt, ist bereits dargetan. Aber auch eine entsprechende Umdeutung kommt nicht in Betracht. Eine solche setzt nämlich gemäß den §§ 1 Abs. 2 und 11 Abs. 1 Nr. 3 b) NKAG i. V. m. § 128 AO voraus, dass der umgedeutete Verwaltungsakt auf das gleiche Ziel wie der ursprüngliche gerichtet ist. Das gleiche Ziel ist aber nicht gegeben, wenn der Verwaltungsakt, in den umgedeutet werden soll, gegen einen anderen Rechtsträger (hier: die Antragstellerin als BGB-Außengesellschaft) gerichtet werden muss (vgl. Brockmeyer in: Klein, AO, 7. Aufl. 2000, § 128 RN 2).
Dass die Generalbevollmächtigten der Antragstellerin in dem Verwaltungsverfahren mit Schriftsatz vom 14. Oktober 2002 (Bl. 32 GA) gerügt hatten, ein vorausgegangener Bescheid sei fälschlich einer Person außerhalb der Gesellschaft zugestellt worden, mag ihren Blick auf die Zustellungsproblematik verengt haben, rechtfertigt indessen das von der Antragstellerin favorisierte Verständnis des Bescheides nicht.
Der hiernach unzulässige Antrag der Antragstellerin, die aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs anzuordnen, kann nicht als ein entsprechendes Begehren des Mitgesellschafters Rechtsanwalt M. A. verstanden werden. Denn nimmt man mit dem Bundesgerichtshof (a. a. O.) und der beschließenden Kammer jedenfalls grundsätzlich die Rechtsfähigkeit einer (Außen-) GbR an, so folgt daraus auch ihre Beteiligungsfähigkeit im Sinne des § 61 Nr. 2 VwGO. Es ist deshalb streng zwischen Prozessen der Gesellschaft und Prozessen ihrer Gesellschafter zu unterscheiden (so auch: Karsten Schmidt, Die BGB-Außengesellschaft: rechts- und parteifähig, NJW 2001, 993 [999]). Da der Eilantrag in Ansehung der Identität des Rechtsbehelfsführers von anwaltlicher Seite und eindeutig formuliert ist, würde sein derartiges Verständnis praktisch einen Parteiwechsel bewirken, den selbst herbeizuführen das Gericht nicht befugt ist.
Im Übrigen könnte der Antrag aber auch dann keinen Erfolg haben, wenn er als ein solcher des Mitgesellschafters Rechtsanwalt M. A. verstanden würde.
Das gilt, weil nicht dieser selbst, sondern eindeutig wiederum lediglich die Antragstellerin Widerspruch erhoben hat. Heißt es doch in der Widerspruchsschrift vom 28. Oktober 2002 (Bl. 7 GA) ausdrücklich: "Gegen Ihren Beitragsbescheid ... legen wir hiermit namens der BGB-Gesellschaft ... Widerspruch ein." Eine "actio pro socio" der Gesellschaft zugunsten ihres Gesellschafters war insoweit nicht beabsichtigt und auch nicht möglich, da die Rechtsfigur der "actio pro socio" nur die Wahrnehmung bestimmter Rechte der Gesellschaft durch einen einzelnen Gesellschafter (nicht das Umgekehrte) gestattet (vgl. Sprau in: Palandt, BGB, 61. Aufl. 2002, § 714 RN 9).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Festsetzung des Streitwertes fußt auf den §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 GKG und entspricht in ihrer Höhe einem Viertel des Betrages, der in einem Hauptsacheverfahren maßgeblich wäre.