Verwaltungsgericht Braunschweig
Urt. v. 18.02.2003, Az.: 4 A 219/02

Abtretung; Sozialhilfe; Unterkunftskosten; Vermieter; Vollmacht; Zusage

Bibliographie

Gericht
VG Braunschweig
Datum
18.02.2003
Aktenzeichen
4 A 219/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 48492
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Vermieter muss bestandskräftige Entscheidungen gegenüber dem Sozialhilfeträger gegen sich gelten lassen.

Zur Bedeutung und zum Umfang einer dem Vermieter erteilten "Zusage"

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden nicht erhoben.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann eine vorläufige Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des festzusetzenden Vollstreckungsbetrages abwenden, sofern nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt als Vermieter eines Sozialhilfeempfängers vom Sozialhilfeträger die Übernahme noch nicht erfüllter mietvertraglicher Verpflichtungen eines Sozialhilfeempfängers.

2

Der Kläger schloss am 17. Mai 2000 mit Wirkung ab dem 1. Juni 2000 mit Herrn B. eine Mietvertrag über eine Wohnung in der D. in E.. Herr B. bezog im streitigen Zeitpunkt laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Durch Schreiben vom 19. Mai 2000 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sie ab 1. Juni 2000 die Mietzahlungen an ihn überweisen werde. Diese Zusage gelte solange Herr B. von der Beklagten Leistungen in Höhe von mindestens der Miete erhalte, solange die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt vorliegen und der Hilfeempfänger die Wohnung tatsächlich nutzt.

3

Am 23. November 2001 teilte die Mutter von Herrn B. mit, dass dieser seit einigen Tage in der JVA einsitze. Herr B. befand sich vom 19. November 2001 bis zum 28. November 2001 in der JVA. Mit Fax vom 6. Dezember 2001, abgesandt vom Fax-Gerät des Klägers, beantragte Herr B. die Übernahme der Kosten für die Instandsetzung und Renovierung seiner Wohnung. Er selbst könne dazu infolge seines bevorstehenden Haftantritts nichts beitragen (Herr B. musste sich am 13. Februar 2002 zum Strafantritt melden, vgl. Bl. 741 VV). Weiter bat er darum, den Kläger darüber zu informieren, ob die Beklagte die Arbeiten selbst in Auftrag geben werde oder der Kläger die Arbeiten veranlassen solle. Diesem Fax war - unstreitig - nicht die ebenfalls am 6. Dezember 2001 zugunsten des Klägers erteilte Vollmacht und Abtretungserklärung (vgl. Bl. 716 ff. VV) beigefügt. Durch Bescheid vom 10. Dezember 2001, gesandt an Herr B., lehnte die Beklagte die Gewährung einer einmaligen Beihilfe für die Renovierung der Wohnung D. ab, weil das Mietverhältnis erst zum 1. Juni 2000 begonnen habe, die Wohnung im renovierten Zustand übernommen worden sei und Renovierungsarbeiten nach dem Mietvertrag frühestens nach drei Jahren durchzuführen seien. Hiergegen legte Herr B. keinen Widerspruch ein.

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Mit Schreiben vom 8. Dezember 2001, eingegangen bei der Beklagten am 11. Dezember 2001, erinnerte der Kläger an den Antrag von Herrn B. vom 6. Dezember 2001 und wies u.a. darauf hin, dass Herr B. ihm zugesagt habe, mit der Durchführung der Renovierungsarbeiten zu beginnen und sich auch mit diesen Arbeiten auszukennen. Da Herr B. jedoch noch kein Geld für den Einkauf der Materialien erhalten habe, habe er - der Kläger - Herrn B. hierfür 100,00 DM in bar ausgehändigt. Herr B. habe sodann am 7. Dezember 2001 mit den Arbeiten beginnen wollen, habe dieses jedoch nicht getan. Mit Schreiben vom 17. Dezember 2001 teilte die Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf Datenschutzgründe nur mit, dass Herr B. hinsichtlich der Renovierung einen Bescheid erhalten habe. Mit Schreiben vom 13. Februar 2002 wandte sich der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers an die Beklagte, wies darauf hin, dass der Antrag vom 6. Dezember 2001 noch nicht beschieden sei, und reichte u.a. auch erstmals die Vollmacht und Abtretungserklärung vom 6. Dezember 2001 ein (vgl. Bl. 740 VV). Daneben beantragte er die Zahlung der Miete für Februar 2002 und der Monate bis zur Weitervermietung der Wohnung; die Weitervermietung erfolgte ab dem 1. April 2002. Hinsichtlich der Kostenhöhe reichte er eine Aufstellung des Klägers vom 7. März 2002 (Bl. 760 VV) über 2.120,90 € ein, auf die verwiesen wird. Durch Schreiben vom 5. März 2002 und 14. März 2002 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass zwischen ihnen kein Mietvertrag abgeschlossen worden sei und er sich deshalb mit Herrn B. auseinandersetzen müsse. Die Beklagte werde keine dem Kläger entstandenen Renovierungskosten oder weitere Mieten begleichen.

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Am 3. Juli 2002 hat der Kläger den Verwaltungsrechtsweg beschritten und verfolgt sein Anliegen weiter. Ergänzend führt er aus, dass aufgrund der am 6. Dezember 2001 erteilten Vollmacht der ablehnende Bescheid vom 10. Dezember 2001 gemäß § 13 SGB X an ihn hätte gesandt werden müssen. So habe er keine Möglichkeit gehabt, hiergegen rechtzeitig Widerspruch einzulegen. Außerdem könne er sich auf die Zusage der Beklagten im Schreiben vom 19. Mai 2000 berufen. Die bisherigen Kosten von 2.120,90 € hätten sich aufgrund einer Nebenkostenabrechnung für den "Nutzzeitraum" vom 1. Mai 2001 bis zum 31. März 2002 noch um 73,72 € auf 2.194,62 € erhöht.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.194,62 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz auf diesen Betrag ab Zustellung der Klage zu zahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie weist u.a. darauf hin, dass zwischen ihr und dem Kläger keine Vertragsbeziehungen bestehen würden. Es habe auch keine Veranlassung bestanden, den ablehnenden Bescheid vom 10. Dezember 2001 an den Kläger zu senden, da sich aus dem Antrag vom 6. Dezember 2001 keine Bevollmächtigung ergeben habe und die Vollmachtsurkunde vom 6. Dezember 2001 erst vom Prozessbevollmächtigten mit Schreiben vom 13. Februar 2002 übersandt worden sei. Der Bescheid vom 10. Dezember 2001 sei somit bestandskräftig. Wiedereinsetzungsgründe seien nicht ersichtlich.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen sind ihrem wesentlichen Inhalt nach Gegenstand der Beratung und Entscheidung gewesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage ist im überwiegenden Umfang schon nicht zulässig. Im Übrigen ist sie nicht begründet.

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1.) Renovierungs- und Instandsetzungskosten für die Wohnung D.:

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Insoweit ist die Klage unzulässig, weil das gemäß § 68 VwGO vorgesehene Vorverfahren nicht durchgeführt worden ist und aufgrund der Bestandskraft des ablehnenden Bescheides vom 10. Dezember 2001 auch nicht mehr erfolgreich nachgeholt werden kann.

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Die Beklagte hat diesen Bescheid zu Recht an Herrn B. gesandt und nicht gegen § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X verstoßen, denn aus dem Antrag von Herrn B. vom 6. Dezember 2001 ergab sich nicht eine Bevollmächtigung des Klägers. Diese kann auch nicht daraus hergeleitet werden, dass Herr B. die Beklagte bat, den Kläger über die Art der Durchführung der Renovierungsarbeiten zu informieren. Ohne rechtliche Bedeutung für die Richtigkeit der Bekanntgabe des o.a. Bescheides ist der Umstand, dass Herr B. den Kläger durch ein weiteres Schreiben vom 6. Dezember 2001 bezüglich der Kosten für Renovierung und Instandsetzung bevollmächtigt und einen diesbezüglichen Leistungsanspruch an den Kläger abgetreten hatte, denn weder die Bevollmächtigung noch die Abtretung waren der Beklagten bekannt gegeben worden. Dieses wurde erst mit dem Schriftsatz des jetzigen Prozessbevollmächtigten vom 13. Februar 2002 nachgeholt. Selbst wenn man diesen Schriftsatz auch als Widerspruch gegen den Bescheid vom 10. Dezember 2001 auslegen würde, so wäre doch die gemäß § 70 VwGO vorgesehene Widerspruchsfrist von einem Monat nach Bekanntgabe dieses Bescheides bereits verstrichen. Gründe für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 60 VwGO sind nicht ersichtlich.

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2.) Miete für Februar/März 2002 und Nebenkostennachforderung in Höhe von 73,72 €:

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Bezüglich dieser geltend gemachten Ansprüche liegen zwar keine bestandskräftigen Bescheide vor, die der Zulässigkeit einer Klage entgegenstehen würden, doch hat der Kläger keinen Anspruch auf Übernahme dieser geltend gemachten Kostenpositionen.

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Da der Kläger keine eigenen sozialhilferechtlichen Ansprüche geltend machen kann, könnte als Rechtsgrundlage für diese Forderungen nur die Zusage der Beklagten im Schreiben vom 19. Mai 2000 herangezogen werden. Diese ist hier jedoch nicht geeignet, den geltend gemachten Anspruch abzudecken. Es bedarf insoweit keiner Entscheidung, ob die Beklagte dabei im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteil vom 19. Mai 1994 - 5 C 33.91 - FEVS 45, 151) unzweideutig ihren Rechtsbindungswillen für einen Zahlungsanspruch zugunsten des Klägers zum Ausdruck gebracht hat, denn aus dem Wortlaut der "Zusage" im o.a. Schreiben ergibt sich bereits, dass die nunmehr geltend gemachten Ansprüche hiervon nicht gedeckt sind. Danach gilt die Zusage nur solange Herr B. von der Beklagten Leistungen in Höhe von mindestens der Miete erhält, solange die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfe zum Lebensunterhalt vorliegen und der Hilfeempfänger die Wohnung tatsächlich nutzt. Durch die Einschränkung auf die tatsächliche Nutzung der Wohnung scheidet bereits die Mietzahlung für die Zeit ab dem 13. Februar 2002 (Haftantritt) bis einschließlich März 2002 aus. Gleiches gilt für die nachträgliche Nebenkostenforderung in Höhe von 73,72 €. Laut der Abrechnung der Firma F. vom 13. Juni 2002 bezieht sich diese auf den "Nutzzeitraum" vom 1. Mai 2001 bis zum 31. März 2002. Somit sind in diesem Betrag auch erhebliche, nicht differenziert ausgeworfene Kosten für die Zeit vom 13. Februar bis 31. März 2002 enthalten. Auch bezüglich der Restmietforderung für die Zeit vom 1. bis 12. Februar 2002 kann der Kläger schon vom Wortlaut auf die "Zusage" nicht zurückgreifen, da diese sich auf "Leistungen in Höhe von mindestens der Miete" beschränkt, und somit anteilige Mietkosten nicht erfasst (so bereits VG Braunschweig, Urteil vom 31. Mai 2001 - 4 A 222/00). Auch aus abgetretenem Recht kann der Kläger diese Ansprüche nicht verfolgen, weil diese nicht von der am 6. Dezember 2001 abgegebene Abtretungserklärung zugunsten des Klägers erfasst sind.

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3.) Deshalb ist die Klage mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO abzuweisen.

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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.