Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.08.2009, Az.: L 8/13 SO 15/07

Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen für die Unterkunft eines im Hause der Eltern lebenden schwerbehinderten Menschen mit einem Grad der Behinderung von 100

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
27.08.2009
Aktenzeichen
L 8/13 SO 15/07
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2009, 31709
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:LSGNIHB:2009:0827.L8.13SO15.07.0A

Verfahrensgang

vorgehend
SG Stade - 05.01.2007 - AZ: S 19 SO 46/06

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 5. Januar 2007 aufgehoben sowie die Bescheide des Beklagten vom 15. September 2005, 16. September 2005 (zwei Bescheide) und 21. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2006 geändert.

Der Beklagte wird verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Januar 2006 höhere Grundsicherungsleistungen für Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu zahlen, und zwar unter Berücksichtigung von einem Drittel der für das Haus F., 27616 Lunestedt anfallenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.

Der Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt höhere Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz (GSiG) bzw. dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch Sozialhilfe (SGB XII) für die Zeit von Januar 2003 bis Januar 2006. Streitig ist nunmehr nur noch, ob für die Klägerin Leistungen für die Unterkunft zu erbringen sind.

2

Die 1969 geborene Klägerin ist als schwerbehinderter Mensch mit einem GdB von 100 (Merkzeichen G, H, RF) anerkannt. Sie lebt bei ihren Eltern in deren Einfamilienhaus; dort fallen Aufwendungen lediglich für Nebenkosten (für 2007 monatlich 96,20 EUR für Abfallbeseitigung, Grundsteuer, Abwasser, Schornsteinfegergebühren, Wasserversorgung und Wohngebäudeversicherung) sowie Heizung (monatlich 125,00 EUR) an. Vereinbarungen über eine Beteiligung der Klägerin an den Kosten bestehen nicht. Die Klägerin ist in einer WfbM beschäftigt. Ihr monatlicher Verdienst beträgt zwischen 95,50 EUR und 176,50 EUR, jeweils inklusive eines Arbeitsförderungsgeldes von 26,00 EUR. In der WfbM wird Mittagessen zur Verfügung gestellt, welches die Klägerin überwiegend dort auch zu sich genommen hat. Die Kosten des Aufenthalts in der WfbM werden von dem Beklagten als Eingliederungshilfe übernommen. Ab März 2003 bezieht die Klägerin wegen eines Arbeitsunfalls eine Unfallrente in Höhe von 176,11 EUR monatlich, die seit Dezember 2003 laufend gezahlt wird (Bescheid der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege vom 6. November 2003), und seit November 2007 eine Erwerbsminderungsrente in Höhe von 672,65 EUR monatlich.

3

Bis einschließlich April 2003 erhielt die Klägerin von der namens und im Auftrag des Beklagten handelnden Samtgemeinde Beverstedt laufende Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) in Höhe von monatlich 90,21 EUR. Nachdem die Samtgemeinde bei ihrem Amt für Grundsicherung einen Antrag auf Leistungen nach dem GSiG ab Januar 2003 von Amts wegen gemäß § 91a BSHG gestellt hatte, bewilligte die Samtgemeinde mit Bescheid vom 17. April 2003 Leistungen nach dem GSiG in Höhe von 99,06 EUR monatlich bis auf Weiteres. Die für die Monate Januar bis April 2003 gezahlte Hilfe zum Lebensunterhalt in Höhe von 360,84 EUR wurde aufgrund eines Erstattungsverlangens an das Sozialamt der Samtgemeinde gezahlt. Gegen den Bescheid legte die durch ihre Betreuerin, ihre Mutter, vertretene Klägerin am 22. April 2003 Widerspruch ein. Ihres Erachtens sei das Arbeitsförderungsgeld kein Einkommen, der Freibetrag aus Erwerbstätigkeit nach § 76 Abse 2, 2a BSHG müsse höher sein, das Kindergeld dürfe nicht als Einkommen der Klägerin berücksichtigt werden und es müssten Leistungen für die Unterkunft übernommen werden. In der Folgezeit ruhte das Widerspruchsverfahren wegen eines hinsichtlich der Anrechnung des Kindergeldes beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) anhängigen Gerichtsverfahrens. Zwischenzeitlich wurde für die Klägerin formlos mit Antrag vom 2. Juli 2003 eine Verlängerung der Bewilligung von Leistungen nach dem GSiG beantragt, Zahlungen erfolgten ab Juli 2003 vorerst nicht. Ein weiterer Antrag auf Grundsicherungsleistungen wurde am 15. August 2005 bei dem nunmehr zuständigen Beklagten gestellt.

4

Mit Bescheid vom 16. September 2005 bewilligte der Beklagte für die Zeit von Januar bis Juni 2003 höhere Leistungen nach dem GSiG (Januar und Februar 2003 253,06 EUR, März bis Juni 2003 177,73 EUR). Mit diesem Bescheid sei, so der Beklagte, dem Widerspruch abgeholfen worden, gegen den Bescheid könne Widerspruch erhoben werden. Mit Bescheid vom gleichen Tag bewilligte der Beklagte für die Zeit von Juli 2003 bis Dezember 2004 Leistungen nach dem GSiG zwischen 34,89 EUR und 81,64 EUR monatlich, weiterhin ohne Berücksichtigung von Leistungen für die Unterkunft und unter Anrechnung einer monatlichen häuslichen Ersparnis in Höhe von 35,10 EUR als Einkommen. Bereits mit Bescheid vom 15. September 2005 hatte der Beklagte für die Zeit von Januar 2005 bis Januar 2006 Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung in Höhe von 75,88 EUR monatlich bewilligt. Insoweit wurde eine häusliche Ersparnis von 35,55 EUR als Einkommen abgesetzt. Gegen die drei Bescheide legte die Klägerin wiederum Widerspruch ein und vertrat die Auffassung, ihr stehe ein Regelsatz in Höhe von 345,00 EUR zu, eine häusliche Ersparnis dürfe nicht abgesetzt werden und es müssten 200,00 EUR als Aufwendungen für ihre Unterkunft erbracht werden; in dieser Höhe habe sie sich an den Unterkunftskosten ihrer Eltern zu beteiligen. Zumindest müsse ein Drittel der Kosten für Heizung, Strom, Wasser, Grundsteuern, Hausversicherung, Müllgebühren usw berücksichtigt werden. Bereits vorher hatte der Beklagte mit Bescheid vom 21. September 2005 für die Monate September und Oktober 2005 die Höhe der monatlichen Leistung auf 69,51 EUR geändert, mit weiterem Bescheid vom 2. Dezember 2005 änderte er den Zahlbetrag für den Monat Januar 2006 auf 28,26 EUR. Gegen diesen Bescheid, der nach der Rechtsbehelfsbelehrung mit Widerspruch angefochten werden konnte, erhob die Klägerin Widerspruch, ebenso wie gegen einen weiteren Bescheid vom 2. Dezember 2005, mit dem Leistungen ab Februar 2006 bewilligt worden waren. Seit November 2007 erhält die Klägerin wegen des Bezugs einer Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit keine Grundsicherungsleistungen mehr.

5

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. März 2006 wies der Beklagte den Widerspruch vom 28. September 2005 gegen die Bescheide vom 15. und 16. September 2005 als unbegründet zurück. Die am 3. April 2006 erhobene Klage vor dem Sozialgericht (SG) Stade blieb erfolglos (Urteil vom 5. Januar 2007, zugestellt am 15. Februar 2007). Hinsichtlich der geltend gemachten Aufwendungen für Unterkunft und Heizung lägen die Voraussetzungen für eine Übernahme durch den Beklagten nicht vor, weil die Eltern der Klägerin sämtliche Hauskosten trügen. Weder bestehe zwischen der Klägerin und ihren Eltern ein Mietvertrag, noch sei die Klägerin aus einem anderen Grunde verpflichtet, sich an den Kosten des Hauses zu beteiligen. Sofern wie hier keine ausdrückliche Vereinbarung über eine anteilige Kostentragung getroffen werde, sei die Gestellung von Wohnraum im Eigenheim der Eltern als tatsächliche Unterhaltsgewährung an die Klägerin anzusehen.

6

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 12. März 2007 eingelegten Berufung, mit der sie sich weiter gegen die Anrechnung einer häuslichen Ersparnis wegen des Mittagsessens in der WfbM wendet und Aufwendungen für ihre Unterkunft im Haushalt der Eltern geltend macht.

7

Während des Berufungsverfahrens hat der Beklagte eine Neuberechnung der häuslichen Ersparnis der Klägerin durch das von ihr tatsächlich in Anspruch genommene kostenlose Mittagessen in der WfbM vorgenommen und hinsichtlich der Differenz zu der bisher angenommenen Kostenersparnis Teilanerkenntnisse über weitere Leistungen in Höhe von 218,20 EUR und 23,67 EUR abgegeben. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen. Sie beantragt nunmehr,

  1. 1.

    das Urteil des Sozialgerichts Stade vom 5. Januar 2007 aufzuheben,

  2. 2.

    die Bescheide des Beklagten vom 15. September 2005, 16. September 2005 (zwei Bescheide) und 21. September 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. März 2006 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihr vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Januar 2006 höhere Grundsicherungsleistungen für Aufwendungen für Unterkunft und Heizung zu zahlen, und zwar unter Berücksichtigung von 1/3 der für das Haus H., 27616 Lunestedt, anfallenden Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.

8

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

9

Er hält die Entscheidung des SG zum fehlenden Anspruch auf Übernahme von Unterkunftskosten für zutreffend.

10

Außer den Gerichtsakten lagen zwei Bände Verwaltungsakten des Beklagten, den streitigen Leistungsvorgang betreffend, vor. Sie waren Gegenstand des Verfahrens. Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhaltes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Rechtszüge und der Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

11

Die Berufung der Klägerin, die höhere laufende Leistungen für mehr als ein Jahr begehrt, ist statthaft (§ 144 Abs. 1 Sätze 1, 2 Sozialgerichtsgesetz SGG ) und auch ansonsten zulässig (§ 151 SGG). Die Berufung ist begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Leistungen für die Unterkunft im Hause ihrer Eltern. Das Urteil des SG ist deshalb aufzuheben, die einem Anspruch entgegenstehenden Bescheide des Beklagten zu ändern und der Beklagte zur Zahlung höherer Leistungen zu verurteilen.

12

Die ursprünglich auch den Regelbedarf betreffende Klage ist nach Annahme von Teilanerkenntnissen nur noch auf die Zahlung von Aufwendungen für Unterkunft und Heizung gerichtet. Nur auf derartige Leistungen bezieht sich ausdrücklich der im Berufungsverfahren gestellte Antrag der Klägerin. Eine derartige Beschränkung des Streitgegenstandes ist zulässig. § 42 Satz 1 SGB XII unterscheidet (ebenso wie die bis zum 31. Dezember 2004 geltende Vorschrift des § 3 Abs. 1 GSiG) zwischen dem Regelsatz, den Aufwendungen für Unterkunft und Heizung und den Sonderbedarfen nach den §§ 30 bis 34 SGB XII (bzw den vergleichbaren Vorschriften des GSiG / BSHG). Dies sind rechtlich eigenständige Leistungen (vgl zur Abtrennbarkeit der Leistungen BSG, Urteil vom 19. Mai 2009 B 8 SO 8/08 R , [...]). Mit den angefochtenen Bescheiden hat der Beklagte letztlich auch negativ über einen möglichen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung entschieden. Deutlich wird dies insbesondere durch die Formulierung im Widerspruchsbescheid vom 9. März 2006, der den ursprünglichen Verwaltungsakten seine "Gestalt" gegeben hat (vgl § 95 SGG); in dem Widerspruchsbescheid heißt es ausdrücklich, Unterkunfts- und Heizkosten seien nicht anzuerkennen.

13

Der streitige Zeitraum umfasst die Zeit vom 1. Januar 2003 bis zum 31. Januar 2006. Für die Zeit von Januar bis Juni 2003 hat der Beklagte mit Bescheid vom 16. September 2005 eine Entscheidung getroffen, hierdurch hat sich der den gleichen Zeitraum betreffende Bescheid der Samtgemeinde Beverstedt vom 17. April 2003 erledigt i.S. von § 39 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz (SGB X). Zwar ist insoweit entgegen der Auffassung des Beklagten dem von der Klägerin gegen den Bescheid vom 17. April 2003 eingelegten Widerspruch nicht vollständig abgeholfen worden, sodass es eines erneuten Widerspruchs gegen den Bescheid vom 16. September 2005 nicht bedurft hätte. Letztlich ist jedoch unbeachtlich, ob der Widerspruchsbescheid auf den noch nicht erledigten Widerspruch gegen den Bescheid vom 17. April 2003 oder auf den Widerspruch gegen den Bescheid vom 16. September 2005 ergangen ist, weil der Inhalt der Entscheidungen (Leistungen für die Zeit vom Januar bis Juni 2003 nach dem GSiG) identisch ist. Hinsichtlich der Zeit von Juli 2003 bis Dezember 2004 hat der Beklagte ebenfalls mit Bescheid vom 16. September 2005 Regelleistungen bewilligt, nicht jedoch Leistungen für Unterkunft und Heizung. Für die Zeit ab Januar 2005 hat der Beklagte mit Bescheid vom 15. September 2005 Leistungen, nunmehr nach dem SGB XII, bewilligt ohne Berücksichtigung von Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, und zwar bis einschließlich Januar 2006. Hinsichtlich der Monate September und Oktober 2005 wurde die Leistungshöhe mit Bescheid vom 21. September 2005, hinsichtlich des Monats Januar 2006 mit Bescheid vom 2. Dezember 2005 geändert. Diese Bescheide waren gemäß § 86 SGG Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden, über sie ist mit dem Widerspruchsbescheid vom 9. März 2006 letztlich auch entschieden worden, ohne dass sie im Einzelnen dort erwähnt wurden. Der weitere Bescheid vom 2. Dezember 2005, mit dem Leistungen für die Zeit ab Februar 2006 bewilligt worden waren, ist nicht Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden, weil mit ihm der ursprüngliche Verwaltungsakt (Bescheid vom 15. September 2005 für die Zeit bis einschließlich Januar 2006) nicht geändert worden ist. Deswegen ist über diesen Zeitraum im Rahmen des hier anhängigen gerichtlichen Verfahrens nicht zu entscheiden.

14

Während der streitigen Zeit von Januar 2003 bis Januar 2006 hatte die Klägerin als im Inland wohnende dauerhaft voll erwerbsgeminderte Person einen Anspruch auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, und zwar für die Jahre 2003 und 2004 nach dem GSiG und für die Folgezeit nach dem 4. Kapitel des SGB XII. Während der gesamten Zeit konnte sie auch ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus ihrem Einkommen und Vermögen beschaffen; die Unfallrente in Höhe von 176,11 EUR und die Einkünfte aus der Tätigkeit in der WfbM in Höhe von maximal 176,50 EUR erreichen unter Berücksichtigung des Freibetrages für Erwerbstätigkeit in keinem Monat den von dem Beklagten angenommenen Regelbedarf von mindestens 322,29 EUR. Demzufolge hat die Klägerin auch in jedem Monat Leistungen der Grundsicherung von dem Beklagten erhalten.

15

Die bedarfsorientierte Grundsicherung nach § 3 Abs. 1 GSiG bzw. die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gemäß § 42 Satz 1 SGB XII (in der bis zum 6. Dezember 2006 geltenden Fassung) umfassen gemäß der jeweiligen Nr. 2 der Vorschrift u.a. die angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung. Derartige Aufwendungen fallen auch bei der Klägerin an. Sie überschreiten nicht die Angemessenheitsgrenze und sind deshalb von dem Beklagten zu übernehmen.

16

Tatsächliche Aufwendungen i.S. der Erfüllung vertraglicher Verpflichtungen hatte die Klägerin allerdings nicht. Weder trifft sie im Zusammenhang mit der Unterkunft eine Verpflichtung gegenüber ihren Eltern noch gegenüber Dritten. Sie wohnt im Hause ihrer Eltern, ohne dass ein (Unter-) Mietverhältnis begründet oder eine finanzielle Beteiligung der Klägerin an den Gesamtkosten der Unterkunft vereinbart worden wäre. Vertragliche Verpflichtungen gegenüber Gemeinde, Energieversorger oder Versicherung im Zusammenhang mit Nebenkosten und Heizung für das auch von der Klägerin bewohnte Haus treffen ebenfalls nicht diese, sondern ausweislich der vorgelegten Unterlagen ihre Eltern bzw. einen Elternteil.

17

Die für Unterkunft und Heizung in dem auch von der Klägerin bewohnten Haus erforderlichen Aufwendungen sind jedoch anteilmäßig auf alle Bewohner des Hauses zu verteilen, sodass unabhängig von der (vertraglichen) Zahlungsverpflichtung auf jeden Bewohner ein (im Regelfall gleicher) Kostenanteil entfällt. Mit den "tatsächlichen Aufwendungen" in § 3 Abs. 1 Nr. 2 GSiG bzw. § 42 Satz 1 Nr. 2 SGB XII sind nicht nur die den Leistungsempfänger direkt treffenden Verpflichtungen, sondern die auf das Wohnobjekt entfallenden Kosten gemeint. Eine andere Interpretation, wie sie von dem Beklagten vertreten wird, ist mit dem Gesamtsystem der Sicherung einer angemessenen Unterkunft auch für hilfebedürftige Personen nicht vereinbar.

18

Leben nicht hilfebedürftige und hilfebedürftige Personen, die miteinander verwandt oder verschwägert sind, in Haushaltsgemeinschaft, bestehen die (angemessenen) Aufwendungen des Hilfebedürftigen für die Unterkunft in einem Teil der (angemessenen) Aufwendungen, die für die Wohnung der Haushaltsgemeinschaft zu entrichten sind. Dies hat bereits das BVerwG mit Urteil vom 21. Januar 1988 für den Geltungsbereicht des BSHG entschieden. Nichts anderes gilt für das GSiG, dessen § 3 Abs. 1 Nr. 2 der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Verordnung zur Durchführung des § 22 Abs. 5 BSHG Regelsatzverordnung , dort § 3 Abs. 1 Satz 1, entspricht (siehe hierzu unter anderem Urteil des Verwaltungsgerichts VG Augsburg vom 21. Dezember 2004 AU 3 K 04.617 , [...]). Für den Bereich des Sozialgesetzbuchs Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) hat sich das BSG mit Urteil vom 31. Oktober 2007 B 14/11b AS 7/07 R ausdrücklich der Rechtsprechung des BVerwG (a.a.O.) angeschlossen (siehe hierzu auch Urteil vom 23. November 2006 B 11b AS 1/06 R , SozR 4-4200 § 20 Nr. 3 = BSGE 97, 265). Es ist nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber für den Bereich des SGB XII (hier in den §§ 29 bzw. 42) bei vergleichbaren Formulierungen gegenüber den Bestimmungen in der Regelsatzverordnung, dem GSiG oder dem SGB II von der gefestigten Rechtsprechung zur Aufteilung der Unterkunftskosten nach Kopfzahlen abweichen wollte.

19

Damit entfällt auf die Klägerin mangels anderer Anhaltspunkte ein Drittel der Aufwendungen für das auch von ihr bewohnte Haus. Die Gesamtkosten von ca 220,00 EUR für drei Personen sind angemessen, ohne dass dies bei dieser Größenordnung näherer Erläuterungen bedürfte. Da die genaue Höhe der Aufwendungen für die streitbefangene Zeit nicht feststeht, sondern lediglich Informationen für das Kalenderjahr 2007 vorliegen, hat der Senat von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, durch ein Grundurteil (§ 130 Abs. 1 Satz 1 SGG) die Beklagte zur Leistung zu verurteilen, ohne dass die genaue Höhe feststeht. Dies ist hier möglich, weil die Grundvoraussetzungen für den streitigen Leistungsanspruch gegeben sind. Welche Aufwendungen im Einzelnen zu berücksichtigen sind und ob neben den sich aus den für das Jahr 2007 eingereichten Unterlagen ergebenden Aufwendungen weitere Aufwendungen zu berücksichtigen sind, wird der Beklagte unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BSG zu ermitteln haben.

20

Gegen die Berücksichtigung anteiliger Aufwendungen für die Unterkunft bei der Klägerin spricht nicht, dass deren Eltern ihr gegenüber grundsätzlich zum Unterhalt verpflichtet sind und hierzu auch gehört, eine Unterkunft zur Verfügung zu stellen. Bei den der Klägerin zustehenden Leistungen nach dem 4. Kapitel des SGB XII gelten Besonderheiten bei Vermögenseinsatz und Unterhaltsansprüchen (§ 43 SGB XII). So bleiben Unterhaltsansprüche gegenüber Eltern im Wesentlichen unberücksichtigt (§ 43 Abs. 2 SGB XII). Hinreichende Anhaltspunkte für ein Überschreiten der Einkommensgrenze von 100.000,00 EUR bei den Eltern der Klägerin liegen nicht vor. Auch für den Geltungsbereich des GSiG galten entsprechende Regelungen (dort: § 2 Abs. 2 GSiG). Durch § 43 Abs. 2 letzter Halbsatz SGB XII ist zudem klargestellt, dass die Vermutung der Bedarfsdeckung in Haushaltsgemeinschaften nach § 36 Satz 1 SGB XII nicht gilt. Zwar fehlt im GSiG ein entsprechender Hinweis, im Hinblick auf die auch dort schon enthaltene Sonderregelung zum Unterhaltsanspruch galt jedoch auch für die Zeit vor dem 1. Januar 2005 nichts anderes (so auch H. Schellhorn in Schellhorn/ Schellhorn/ Hohm, Kommentar zum SGB XII, § 43 Rdnr 3).

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

22

Gerichtskosten werden in Sozialhilfestreitigkeiten dieser Art nicht erhoben.

23

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil er der Entscheidung grundsätzliche Bedeutung beimisst (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG), ob im Haushalt der Eltern lebende volljährige, dauerhaft voll erwerbsgeminderte Personen einen Anspruch auf anteilige Aufwendungen für Unterkunft und Heizung haben.-