Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.08.2009, Az.: L 10 BL 1/08
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 27.08.2009
- Aktenzeichen
- L 10 BL 1/08
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 35100
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2009:0827.L10BL1.08.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hildesheim - 07.02.2008 - AZ: S 7 BL 7/05
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 07. Februar 2008 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob dem Kläger auch für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006 Landesblindengeld nach Maßgabe des Niedersächsischen Gesetzes über das Landesblindengeld für Zivilblinde (LBlGG) zusteht.
Der am I. 1976 geborene Kläger hatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt bisher stets im Land Niedersachsen. Er ist an beiden Augen an einer Opticusatrophie mit einem verbliebenen Sehvermögen von rechts 1/100 sowie links weniger als 1/100 erkrankt, weshalb er seit März 1983 Landesblindengeld bezog. Mit Bescheid vom 22. Januar 2004 wurde dem Kläger zunächst letztmalig Landesblindengeld ab dem 01. Februar 2004 in Höhe von monatlich EUR 409,00 gewährt. Mit Bescheid vom 22. Dezember 2004 unterrichtete der Beklagte den Kläger darüber, dass aufgrund der Neufassung des LBlGG für Zivilblinde, die das 27. Lebensjahr vollendet haben, der Anspruch auf Zahlung eines Landesblindengeldes ab dem 01. Januar 2005 entfalle. Sollte der Kläger das 27. Lebensjahr vollendet haben, werde zum 01. Januar 2005 die ihm bisher zustehende Leistung eingestellt. Diese Mitteilung sei zugleich der Entziehungsbescheid gemäß § 48 SGB X; eine weitere Mitteilung in dieser Sache ergehe nicht. Mit weiterem Bescheid vom 03. Februar 2005 wies der Beklagte den Kläger darüber hinaus darauf hin, dass der von ihm erlassene Bescheid vom 22. Dezember 2004 erst zum 01. Januar 2005 habe wirksam werden können. Zu diesem Zeitpunkt sei die Neufassung des Landesblindengeldgesetzes vom 30. Dezember 2004 bereits veröffentlicht und in Kraft getreten. Den vom Kläger hiergegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 01. April 2005 zurück.
Im nachfolgenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Hildesheim hat der Kläger seinen Anspruch auf Landesblindengeld weiter verfolgt und zur Begründung vorgetragen, dass die seit dem 01. Januar 2005 geltende Altersgrenze von 27 Jahren als Voraussetzung für die Zahlung von Blindengeld eine Ungleichbehandlung darstelle. Personengruppen, die jünger als 27 Jahre seien, würden besser gestellt als diejenigen Blinden, die diese Altersgrenze bereits übersprungen hätten. Im Hinblick auf die dem Blindengeld zugewiesene Ausgleichsfunktion stelle das Alter jedoch für sich genommen keinen ausreichenden Grund dar, der die ungleiche Ausgestaltung sachlich rechtfertigen könne. Der Verfassungsverstoß gegen Artikel 3 Abs. 1 GG werde zutreffend in dem Rechtsgutachten von x vom 28. April 2005 aufgezeigt. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass das Blindengeld vornehmlich als Mittel zur Befriedigung laufender blindheitsspezifischer, auch immaterieller Bedürfnisse des Blinden diene. Damit sei eine Ungleichbehandlung allenfalls zwischen erwerbstätigen und in Ausbildung befindlichen Blinden einerseits und Blinden im Ruhestand andererseits zu rechtfertigen. Darüber hinaus sei in seinem konkreten Fall verkannt worden, dass er sich im juristischen Vorbereitungsdienst, also ebenfalls noch in Ausbildung befinde. Aufgrund seiner Blindheit sei er auf Vorlesekräfte angewiesen, deren Stundenzahl sich seit Antritt des Referendariats noch erhöht habe, was finanziell zu weiteren Lasten führe. Damit stünden auch Vertrauensgesichtspunkte einer Kürzung der Leistung entgegen.
Nachdem das LBIGG mit Wirkung zum 01. Januar 2007 erneut geändert worden ist, hat der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 28. März 2007 wieder Landesblindengeld ab dem 01. Januar 2007 in Höhe von monatlich EUR 220,00 gewährt. Der Kläger hat daraufhin die Auffassung vertreten, dass auch dieser Bescheid und damit die Höhe des Landesblindengeldes ab dem 01. Januar 2007 Streitgegenstand des Klageverfahrens seien. EUR 220,00 seien nicht ausreichend, um seinen tatsächlichen Mehrbedarf zu decken.
Das Sozialgericht hat die Klage mit Urteil vom 07. Februar 2008 abgewiesen. Dem Kläger stehe ein Anspruch auf Zahlung von Landesblindengeld für den Zeitraum vom 01. Januar 2005 bis 31. Dezember 2006 nicht zu. Die Frage der Höhe des Landesblindengeldes ab dem 01. Januar 2007 sei nicht zulässiger Streitgegenstand des Klageverfahrens.
Der Kläger hat gegen das ihm am 27. Februar 2008 zugestellte Urteil am 20. März 2008 Berufung eingelegt. Er ist der Ansicht, dass die Ausführungen des Sozialgerichts zur Ungleichbehandlung nicht haltbar seien und bezieht sich im Wesentlichen auf seine Klagebegründung. Er betont, dass der Gesetzgeber bei der Festsetzung der Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung von Blindengeld den rechtsstaatlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nicht beachtet habe. Denn dieser verlange, das Ausmaß des Vertrauensschadens für die von der kurzfristigen Streichung des Blindengeldes Betroffenen nach Möglichkeit in geeigneter Weise durch eine angemessene Übergangsregelung abzumildern oder auszugleichen. Er - der Kläger - habe keinesfalls damit rechnen müssen, dass das Land Niedersachsen praktisch ohne Vorlaufzeit das Blindengeld vollständig einstelle. Zumindest für diejenigen Blinden, die ihre bereits begonnene Ausbildung zu Ende führen wollten, habe die Leistung über den gesetzlich festgesetzten Stichtag hinaus gewährt werden müssen. Darüber hinaus entspreche die vom Gesetzgeber vertretene Typisierung nicht den tatsächlichen Lebensumständen. So sei der Zeitpunkt besonderer Mehraufwendungen von Blinden nicht nur vom Lebensalter schlechthin, sondern insbesondere davon abhängig, wann die Erblindung eintrete. Bei einer Erblindung im Kindes-, Jugend- oder Erwachsenenalter seien die Zeitpunkte des Bedarfs an Mehraufwendungen im Vergleich zu sehenden Menschen ganz unterschiedlich. Schließlich verzögere sich bei blinden Menschen der Abschluss der Ausbildung und der beruflichen Integration gerade aufgrund der Behinderung typischerweise. Diese zeitliche Verschiebung sei vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt worden. Im Übrigen bezieht sich der Kläger auf eine gutachtliche Stellungnahme des Y vom 06. Mai 2008.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 07. Februar 2008 und die Bescheide des Beklagten vom 22. Dezember 2004 sowie 03. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. April 2005 aufzuheben,
hilfsweise, gemäß Artikel 100 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 07. Februar 2008 zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil und seine mit ihm überprüften Bescheide für zutreffend.
Dem Senat hat außer der Prozessakte die Verwaltungsakte des Beklagten vorgelegen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen. Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie ist jedoch nicht begründet.
Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide des Beklagten sind nicht rechtswidrig. Dem Kläger steht auch nach Auffassung des Senats Landesblindengeld für die Jahre 2005 sowie 2006 nicht zu.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens sind ausschließlich die Bescheide vom 22. Dezember 2004 sowie 03. Februar 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01. April 2005 und damit die Frage, ob der Kläger für die Jahre 2005 bis 2006 Landesblindengeld beanspruchen kann. Das Sozialgericht hat insoweit schon zutreffend den zulässigen Streitgegenstand des Klageverfahrens begrenzt, und der Kläger hat die entsprechenden Ausführungen mit seinem Berufungsvorbringen nicht angegriffen.
Der Beklagte hat zu Recht das dem Kläger mit Bescheid vom 22. Januar 2004 gewährte Landesblindengeld mit den hier streitigen Bescheiden mit Wirkung zum 01. Januar 2005 entzogen. Gemäß § 48 Abs. 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Eine solche wesentliche Änderung der rechtlichen Verhältnisse ist mit Wirkung zum 01. Januar 2005 durch Inkrafttreten des Haushaltsbegleitgesetzes 2005 vom 17. Dezember 2004 (Nds. GVBl. S. 664) eingetreten. Gemäß Artikel 13 dieses Gesetzes wurde das Gesetz über das Landesblindengeld für Zivilblinde in der Fassung vom 18. Januar 1993 (Nds. GVBl. S. 25), zuletzt geändert durch Artikel 8 des Gesetzes vom 12. Dezember 2003 (Nds. GVBl. S. 446), geändert. Gemäß § 1 LBlGG der Neufassung (im Folgenden: n.F.) erhielten nur noch Personen, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet hatten, Blindengeld. Der Kläger war am 01. Januar 2005 bereits 28 Jahre alt und fiel damit nicht mehr in den anspruchsberechtigten Personenkreis. Ein Anspruch auf Blindengeld bestand für ihn demnach ab dem 01. Januar 2005 nicht mehr.
Das Haushaltsbegleitgesetz 2005 vom 17. Dezember 2004 (aaO.) stellte eine wirksame Ermächtigungsgrundlage für den Aufhebungsbescheid vom 22. Dezember 2004 dar. Denn der Bescheid entfaltete seine regelnde Wirkung erst zum 01. Januar 2005. Zu diesem Zeitpunkt war das Haushaltsbegleitgesetz bereits verkündet (30. Dezember 2004) und in Kraft getreten.
Die gesetzliche Regelung verstieß entgegen der Ansicht des Klägers auch nicht gegen Verfassungsrecht, so dass sich der Senat nicht veranlasst gesehen hat, das Verfahren gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen. Zunächst scheidet eine Verletzung des speziellen Gleichheitssatzes gemäß Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG (Verbot der Benachteiligung Behinderter) aus. Denn es ist nicht erkennbar, dass die Novellierung des LBlGG zu einer Benachteiligung wegen einer Behinderung geführt hat. Die Vorschrift war zudem mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Nach dem allgemeinen Gleichheitssatz sind alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber allerdings nicht jede Differenzierung verwehrt. Art. 3 Abs. 1 GG ist erst dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2007 - 1 BvL 10/00 - BVerfGE 117, 272 = SozR 4-2600 § 58 Nr. 7). Die Altersgrenze für Blinde bzw. der mit ihnen in Abs. 2 der Vorschrift gleichgestellten Personen (im Folgenden: Blinde) in § 1 LBlGG n.F. verletzt diese Anforderungen nicht. Sie begründet zwar eine Ungleichbehandlung: Die Überschreitung der Grenze schließt Blinde von der Gewährung von Blindengeld nach § 1 LBlGG aus, auch wenn im Übrigen die Voraussetzungen gegeben sind. Sie werden dadurch im Verhältnis zu Blinden, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, benachteiligt.
Diese unterschiedliche Behandlung war jedoch verfassungsrechtlich gerechtfertigt. Bei den Anforderungen an die verfassungsrechtliche Rechtfertigung von Ungleichbehandlungen ist nach der Intensität, mit der eine Ungleichbehandlung die Betroffenen beeinträchtigt, zu differenzieren (BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 - 1 BvR 48/94 - BVerfGE 95, 267). Bei Ungleichbehandlungen geringer Intensität ist das Gleichheitsgebot als Willkürverbot zu verstehen; die Rechtfertigungsprüfung ist sodann auf eine Evidenzkontrolle beschränkt und die Ungleichbehandlung schon dann als willkürfrei und gerechtfertigt anzusehen, wenn sich nur irgendein sachlicher Grund zu ihren Gunsten anführen lässt. Bei Ungleichbehandlungen größerer Intensität ist das Gleichheitsgebot hingegen als Verbot der Ungleichbehandlung ohne gewichtigen sachlichen Grund anzusehen; notwendig ist dann eine Verhältnismäßigkeitsprüfung, und die Ungleichbehandlung ist erst dann als durch einen gewichtigen sachlichen Grund gerechtfertigt anzusehen, wenn sie einen legitimen Zweck verfolgt, zur Erreichung dieses Zwecks geeignet und notwendig ist und auch sonst in angemessenen Verhältnis zum Wert des Zwecks steht (BVerfG, Beschluss vom 08. April 1997 - 1 BvR 48/94 - BVerfGE 95, 267). Zwar genügt im Bereich der gewährenden Staatstätigkeit grundsätzlich eine großzügigere Prüfung, insbesondere bei der Subventionsgewährung oder bei Sozialleistungen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 02. Februar 1999 - 1 BvL 8/97 -BVerfGE 100, 197). Werden allerdings zuerkannte Leistungen entzogen, muss die Prüfung strenger ausfallen (BVerfGE, Beschluss vom 09. Februar 1982 -2 BvL 6/78, 2 BvL 8/79 - BVerfGE 60, 16 = SozR 3100 § 89 Nr. 10).
Diese Maßstäbe zu Grunde gelegt, ist im vorliegenden Fall ein strengerer Prüfungsmaßstab anzulegen, denn durch das Haushaltsbegleitgesetz 2005 wurde solchen Blinden, die das 27. Lebensjahr bereits vollendet hatten, zum 01. Januar 2005 das ihnen bis dahin nach dem LBlGG gewährte Blindengeld entzogen.
Allerdings verfolgte das Haushaltsbegleitgesetz 2005 mit der Streichung des Landesblindengeldes zum 01. Januar 2005 für Blinde, die das 27. Lebensjahr vollendet hatten, einen legitimen Zweck. Ziel der Regelung war nämlich die Einsparung von Finanzmitteln des Landes Niedersachsen zur Senkung der Nettokreditaufnahme und damit die Sicherung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des Landes. Hierbei wurden eine Vielzahl von Möglichkeiten auf ihre Konsolidierungspotenziale überprüft, und die ursprünglich in Aussicht genommene komplette Streichung des Landesblindengeldes war nur eine Position von Vielen zur Erreichung dieses Ziels (vgl. erste Beratung Plenarprotokoll des Nds. Landtages 15/43 27. Oktober 2004 S. 4774). Dementsprechend sah der erste Gesetzentwurf des Haushaltsbegleitgesetztes 2005 auch die gesamte Aufhebung des LBlGG mit Ablauf des 31. Dezember 2004 vor (vgl. Artikel 14 des Gesetzentwurfes CDU, FDP vom 14. Oktober 2004 Drucksache des Nds. Landtages 15/1340, S. 7). Der Streichung des einkommensunabhängigen Landesblindengeldes lag dabei der Gedanke zu Grunde, dass das Bemessen der sozialen Transferleistungen an der Bedürftigkeit und an dem erforderlichen Ausgleich für Mehraufwendungen, der nicht zumutbar selbst getragen werden könne, unabdingbare Voraussetzung für den Erhalt von Sozialleistungen sei (vgl. vgl. Gesetzentwurf CDU, FDP vom 14. Oktober 2004 Drucksache des Nds. Landtages 15/1340 S. 23). Die dann tatsächlich zum 01. Januar 2005 in Kraft getretene Fassung des Haushaltsbegleitgesetzes 2005 - die die Gewährung des Landesblindengeldes zumindest noch für Blinde bis Vollendung des 27. Lebensjahres vorsah - gelangte erst aufgrund eines Änderungsantrages in das Gesetz und stellte damit bereits einen Kompromiss zur vollständigen Streichung der Leistung dar (vgl. Artikel 12/1 der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Haushalt und Finanzen vom 08. Dezember 2004, Drucksache des Niedersächsischen Landtages 15/1531, S. 14). Damit verbleibt es jedoch dabei, dass der eigentliche Zweck, die finanzielle Funktions- und Leistungsfähigkeit des Landes Niedersachsen im Interesse aller zu erhalten, zu verbessern und den veränderten wirtschaftlichen Bedingungen anzupassen, als legitime Zielsetzung des öffentlichen Interesses anzuerkennen ist.
Die teilweise Streichung der Landesblindenhilfe stellte auch grundsätzlich ein geeignetes Mittel zur Einsparung von Finanzmitteln dar. Zwar mag es möglich sein, dass die gleichzeitige Erhöhung des Landesblindengeldes für Minderjährige von monatlich EUR 205,00 auf EUR 300,00 einen Teil der beabsichtigten Einsparungen wieder aufgezehrt und das Einsparvolumen insgesamt zu Mehraufwendungen bei der Blindenhilfe nach dem SGB XII geführt hat. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass dem Gesetzgeber in diesem Bereich eine weite Einschätzungsprärogative zukommt, die nur begrenzt von den Gerichten überprüft werden kann. Vor dem Hintergrund, dass mit dem Haushaltsbegleitgesetz 2005 neben der Streichung der Leistung für Blinde, die das 27. Lebensjahr vollendet hatten, auch eine Verminderung des Landesblindengeldes für Volljährige bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres von monatlich EUR 409,00 auf EUR 300,00 einherging und nicht mit Sicherheit im vorhinein feststellbar war, wie viele Blinde unter Berücksichtigung ihrer Einkommens- und Vermögensgrenze tatsächlich einen Anspruch auf Blindenhilfe nach dem SGB XII ab dem 01. Januar 2005 geltend machen konnten, bestehen keine Zweifel daran, dass die teilweise Streichung der Leistung zur Einsparung der Haushaltsmittel geeignet gewesen ist.
Der Entzug des Landesblindengeldes für Blinde, die das 27. Lebensjahr bereits vollendet hatten, stand auch sonst im angemessenen Verhältnis zum Wert des Zwecks. Insbesondere hat die Regelung die Betroffenen nicht im Übermaß belastet. Denn der Gesetzgeber hat dabei ein Mittel gewählt, das ausschließlich zu Lasten derjenigen Blinden ab Vollendung des 27. Lebensjahres ging, die wirtschaftlich in der Lage waren, selbst die zum Ausgleich der durch die Blindheit bedingten Mehraufwendungen zu finanzieren. Bedürftigen gleichaltrigen Blinden hingegen, die diese Aufwendungen nicht aus eigener Finanzkraft erbringen konnten, verblieb dafür nach wie vor der Anspruch auf Blindenhilfe gemäß § 72 SGB XII. Auch die Wahl der Altersgrenze mit Vollendung des 27. Lebensjahres ist in diesem Zusammenhang als sachgerechtes Abgrenzungskriterium anzuerkennen, das einer übermäßigen Belastung der Betroffenen entgegenwirken sollte: Denn dieser Altersgrenze lag die nachvollziehbare Erwägung zu Grunde, dass Kinder und Heranwachsende bis zum 27. Lebensjahr der besonderen Förderung in Mobilität und Berufsfindung bedürfen (vgl. Plenarprotokoll des Nds. Landtages 15/50 15. Dezember 2004 S. 5542, 5555) um ihre gesellschaftliche Integration sicherzustellen. Außer Zweifel steht, dass behinderte Kinder und Heranwachsende aufgrund ihrer Behinderung nicht oder allenfalls nur eingeschränkt am üblichen Leben ihrer Altersgruppe teilnehmen können, wodurch ihnen die Isolation droht. Bei ihnen zählt z.B. auch die Möglichkeit, spielen bzw. allgemein an der üblichen Lebensgestaltung Gleichaltriger teilnehmen zu können, als Bestandteil des sozialen Lernprozesses ebenso wie der Schulbesuch zu den Grundbedürfnissen. Ebenso haben Behinderte in der Berufsfindungsphase ein erhöhtes Förderungsinteresse, denn von dem Gelingen einer erfolgreichen Ausbildung ist abhängig, ob der Behinderte auf Dauer in der Lage ist, ein finanziell unabhängiges und selbstbestimmtes Leben zu führen. Damit sind in der Entwicklungsphase des Kindes- und Heranwachsendenalters ebenso besondere Grundbedürfnisse Behinderter anzuerkennen, wie in der Berufsfindungsphase. Beide Personengruppen hätte der Entzug des Landesblindengeldes damit besonders hart getroffen, was durch die gesetzliche Regelung des Haushaltsbegleitgesetzes 2005 verhindert worden ist. Die von dem Gesetzgeber getroffene Altersgrenze erscheint vor dem aufgezeigten Hintergrund auch sachgerecht: Denn typischerweise durfte der Gesetzgeber davon ausgehen, dass die Berufsfindungsphase - auch bei Blinden - mit Vollendung des 27. Lebensjahres beendet ist. Dass sich dies im Fall des im Juni 1976 geborenen Klägers anders darstellt, ist Ausdruck der durch die Gruppenbildung bedingten Härte für Grenzfälle, die nicht zur Verfassungswidrigkeit der Vorschrift an sich führt. Denn die Erfordernisse der Massenverwaltung setzen derart klare Regelungen voraus; nicht für jeden denkbaren Einzelfall kann eine Ausnahme- bzw. Sonderregelung getroffen werden. Im Übrigen hat der Gesetzgeber für eine Vielzahl von besonders schutzwürdigen Fallgestaltungen die Zahlung einmaliger Geldmittel vorgesehen, so dass auch auf diesem Wege besonderen Härtefällen entgegengewirkt wurde: Mit der Richtlinie über die Gewährung von Leistungen aus dem Landesfonds für blinde Menschen in besonderen Lebensumständen (Landesblindenfonds, vgl. Erl. d. MS v. 16. März 2007 - 103-43 117 - Nds. MBl. Nr. 14/2007; vgl. auch vorläufige Durchführungsgrundsätze für die Gewährung von Leistungen aus dem Landesfonds für blinde Menschen, Erl. d. MS v. 06. April 2005 - 103.21.43117 - Nds. MBl. Nr. 14, S. 281; Erl. d. MS v. 23. Januar 2006 - 103.21.43117 - Nds. MBl. Nr. 9, S. 151) wurden finanzielle Mittel zur Abmilderung von besonderen Härten, die im Einzelfall durch das gegenüber dem bis 31. Dezember 2004 geltende Recht niedrigere Leistungsniveau beim Landesblindengeld entstanden sind, zur Verfügung gestellt. Damit wurde die Möglichkeit geschaffen, verbleibende Härtefälle abzumildern, so dass auch ohne das Bestehen einer Übergangsregelung nach dem 01. Januar 2005 eine übermäßige Belastung der Betroffenen nicht angenommen werden kann. Damit kann auch nicht der Einwand des Klägers durchgreifen, dass die vom Gesetzgeber vertretene Typisierung nicht den tatsächlichen Lebensumständen entspreche, weil der Zeitpunkt besonderer Mehraufwendungen von Blinden nicht nur vom Lebensalter schlechthin, sondern insbesondere davon abhängig sei, wann die Erblindung eintrete. Genau diesem Umstand hat der Gesetzgeber dadurch Rechnung getragen, dass er gemäß Abschnitt 3.1 der Richtlinie über die Gewährung von Leistungen aus dem Landesblindenfonds solchen Blinden die Möglichkeit des Bezuges besonderer Geldmittel eingeräumt hat, die nach dem 31. Dezember 2004 neu erblindet sind oder bei denen eine Sehstörung festgestellt worden ist.
Schließlich hat der Gesetzgeber durch die übergangslose Streichung des Blindengeldes für Personen, die das 27. Lebensjahr vollendet hatten, nicht die Grenze des verfassungsrechtlich Zulässigen überschritten. Ob der Gesetzgeber verpflichtet ist, eine schonende Übergangsregelung vorzusehen, ist eine Frage der Abwägung zwischen dem Ausmaß des Vertrauensschadens des Einzelnen und der Bedeutung des gesetzlichen Anliegens für das Wohl der Allgemeinheit (BVerfG, Beschluss vom 04. Juni 1985 - 1 BvL 12/83 - BVerfGE 70, 101 = SozR 2200 § 1260c Nr. 17). Der verfassungsrechtliche Vertrauensschutz geht aber - insbesondere wenn die beeinträchtigte Rechtsposition auf staatlicher Gewährung beruht - nicht so weit, den Staatsbürger vor jeder Enttäuschung zu bewahren. Gerade im Bereich der sozialen Sicherung muss der Gesetzgeber aus Gründen des Allgemeinwohls Neuregelungen treffen können, die sich modernen Erfordernissen anpassen; dabei kann im Einzelfall eine Vergünstigung genommen werden, um im übrigen eine angemessene Sicherung bestimmter Bevölkerungsgruppen zu erreichen. Der Einzelne kann sich nicht auf Vertrauensschutz berufen, "wenn sein Vertrauen auf den Fortbestand einer bestimmten gesetzlichen Regelung eine Rücksichtnahme durch den Gesetzgeber billigerweise nicht beanspruchen kann" (vgl. BVerfG, Entscheidung vom 16. Oktober 1968 - 1 BvL 7/62 - BVerfGE 24, 220 = SozR Nr.16 zu Art 14 GG). Im Rahmen dieser Abwägung steht dem Gesetzgeber ein Gestaltungsspielraum zur Verfügung. Dieser kann von der sofortigen übergangslosen Inkraftsetzung des neuen Rechts bis zum ungeschmälerten Fortbestand bisher begründeter, subjektiver Rechtspositionen reichen. Einer Nachprüfung durch die Gerichte unterliegt insoweit nur, ob der Gesetzgeber bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe unter Berücksichtigung aller Umstände die Grenze des Zumutbaren überschritten hat (BVerfG, Urteil vom 08. Februar 1977 - 1 BvR 79/70, 1 BvR 278/70, 1 BvR 282/70 - BVerfGE 43, 242). Das Überschreiten einer derartigen Grenze ist vorliegend nicht ersichtlich. Es war ein legitimes Anliegen des niedersächsischen Gesetzgebers, die für notwendig gehaltene Sanierung des Haushaltes sobald als möglich durchzusetzen. Dabei liegt auf der Hand, dass dies verzögert oder im Ergebnis abgeschwächt worden wäre, wenn der Gesetzgeber bei Inkrafttreten des Gesetzes allen Blinden das Landesblindengeld zumindest teilweise noch belassen und dieses nur stufenweise abgeschmolzen hätte. Denn jeder Blinde hätte sich im Ergebnis - ebenso wie der Kläger - aufgrund der persönlichen Lebensumstände darauf berufen können, die Leistung in die bisherige finanzielle Planung und Lebensgestaltung einbezogen zu haben. Das Vertrauen der Blinden auf die zusätzlichen, einkommensunabhängigen Finanzmittel musste gegenüber dem Interesse an der baldmöglichen Realisierung der legitimen Absichten des Gesetzgebers zurücktreten. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass das Landesblindengeld aus Steuermitteln finanziert und gerade nicht durch Eigenleistungen der Blinden erwirtschaftet wurde. Denn die Frage der Eigenleistung spielt bei der Intensität des Grundrechtsschutzes eine wesentliche Rolle. Je geringer der Eigenleistungsanteil, desto weniger ist der Anspruch im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung geschützt und desto eher sind entgegenstehende öffentliche Interessen vorrangig (BVerfG, Urteil vom 16. Juli 1985 - 1 BvL 5/80, 1 BvR 1023/83, 1 BvR 1052/83, 1 BvR 1227/84 - BVerfGE 69, 272 = SozR 2200 § 165 Nr. 81). Zudem ist der Gesetzgeber einer möglichst schonenden Aufhebung der individuell zugesicherten Rechtsposition des Landesblindengeldes dadurch gerecht geworden, dass er den Landesblindenfonds eingerichtet und hierdurch die zuständige Behörde in einem bestimmten Rahmen ermächtigt hat, die mit dem Verlust der Position verbundenen Probleme bei bestimmten Fallgestaltungen - also unter Berücksichtigung des Einzelfalles - nach ihrem Ermessen zu lösen.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Anlass für die Zulassung der Revision besteht nicht, § 160 Abs. 2 SGG. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, denn die hier anzuwendende Gesetzesfassung hat nur in einem vorübergehenden, bereits in der Vergangenheit abgeschlossenen Zeitraum gegolten. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung auch nicht von höchstrichterlicher Rechtsprechung ab.