Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 27.08.2009, Az.: L 8 SO 78/07
Erstattung von Sozialhilfeaufwendungen nach dem Umzug eines danach hilfebedürftig Gewordenen aus seinem Zuständigkeitsbereich in einen neuen Zuständigkeitsbereich; Weitere Fassung des Begriffs "Verziehen" gegenüber dem Begriff "Umzug" i.S.d. Bundessozialhilfegesetz (BSHG)
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 27.08.2009
- Aktenzeichen
- L 8 SO 78/07
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2009, 31708
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2009:0827.L8SO78.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Braunschweig - 22.02.2007 - AZ: S 20 SO 174/04
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs. 1 BSHG
- § 107 Abs. 1 BSHG
Tenor:
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 22. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird endgültig auf 54.980,65 EUR festgesetzt.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob der Beklagte als Sozialhilfeträger nach dem Umzug eines danach hilfebedürftig Gewordenen aus seinem Zuständigkeitsbereich in den Zuständigkeitsbereich des Klägers dessen Sozialhilfeaufwendungen für den Hilfebedürftigen erstatten muss. Streitig ist der Zeitraum vom 1. August 2003 bis 31. Dezember 2004.
Der am 24. Oktober 1977 geborene E. (Hilfebedürftiger) wohnte bei seinen Eltern in Lenterode, im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Der Hilfebedürftige leidet an progressiver Muskeldystrophie, ist Rollstuhlfahrer und auf fremde Hilfe angewiesen. Sein Grad der Behinderung (GdB) beträgt seit Mai 1991 100, Merkzeichen G, aG und H. Der Hilfebedürftige erhält seit 1999 Leistungen der Pflegekasse; er war eingestuft in der Pflegestufe II und nahm sowohl Pflegesachleistungen wie Pflegegeld in Anspruch. Seit dem 1. August 2003 beträgt die Pflegestufe III (Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit gemäß SGB XI vom 5. Dezember 2003, Untersuchungstag 24. November 2003). Sozialhilfeleistungen nahm der Hilfebedürftige bis zum 31. Juli 2003 nicht in Anspruch.
Am 13. Juni 2003 reiste der Hilfebedürftige nach Goslar, in den Zuständigkeitsbereich des Klägers, um sich dort über ein Pflegemodell zu erkundigen. Eine Rückkehr nach Lenterode fand nicht mehr statt. Am 4. August 2003 beantragte der Hilfebedürftige die Gewährung von Sozialhilfe Hilfe zur Pflege und Eingliederungshilfe nach dem BSHG von dem Kläger, weil sich sein Leidenszustand verschlechtert habe. Seit dem 1. August 2003 gewährt der Kläger Sozialhilfe an den Hilfebedürftigen.
Der Hilfebedürftige hat sich ordnungsbehördlich zum 18. Juni 2003 umgemeldet nach F. Goslar, G ... Die AOK Thüringen hat offenbar auf Frage des Beklagten bestätigt, dass der Hilfebedürftige sie bereits Ende Juni über den Umzug nach Goslar in Kenntnis gesetzt und die Ummeldung bei der Krankenkasse zum 1. Juli 2003 erfolgt sei. Der später (12. Januar 2005) von dem Kläger befragte Hilfebedürftige hat Folgendes geantwortet: Ich bin am 13.06.2003 mit Familie H. nach Goslar gekommen. Den Kontakt zur Familie H. hatte ich zuvor telefonisch und über das Internet aufgenommen. Meine damalige Freundin I. J. und ich wurden von Familie H. und deren Bekannten mit dem Kfz der Familie H. in Lenterode abgeholt. Es ging mir vor allem darum, dass Pflegemodell der Familie H. kennen zu lernen. Wir hatten nicht die Absicht unseren Lebensmittelpunkt bei der Familie H. zu begründen und auf Dauer in Goslar zu verbleiben.
Ich persönlich hatte am 13.06.2003 nur meinen Rolli, Hygieneartikel, Sommerbekleidung und meinen PC dabei. Erst im September 2003 holte ich, wiederum mit Hilfe der Familie H. und deren Bekannten, weitere Gegenstände nach Goslar. Diese waren mein eigenes, persönliches Pflegebett, Bettzeug, eine Stereoanlage und weitere Bekleidung. Die Wohnung die Frau J. und ich bezogen, war renoviert und mit dem Notwendigsten ausgestattet. Den mittlerweile in der Wohnung vorhandenen Hausrat haben wir nach und nach angeschafft.
Meine Freundin und ich haben uns bei Familie H. in Goslar, G., aufgehalten. Unseren Lebensunterhalt bestritten wir von meiner Rente und meinem Pflegegeld. Erst im Juli 2003 trafen wir den Entschluss in Goslar zu bleiben und uns hier eine Wohnung zu suchen. Zum 01.08.03 konnten wir in die Wohnung K. in Goslar einziehen. Der Mietvertrag lief ab 01.09.2004, mit dem Vormieter trafen wir die Vereinbarung, dass wir gegen Zahlung der halben Monatsmiete in bar, am 01.08.2003 einziehen konnten.
Gepflegt wurde ich von meiner Freundin. Mit dem zu diesem Zeitpunkt für die Familie H. tätigen Pflegedienst L. hatte ich nichts zu tun. Im Juli 2003 habe ich erstmals Kontakt zum Pflegedienst der M. aufgenommen, dieser Dienst pflegt mich seit August 2003.
Die später befragten Eltern (9. Februar 2005) haben Folgendes mitgeteilt:
&61607; 13.06.03 Auszug vom Elternhaus unter Mithilfe von Frau N. H., O. in Goslar/Oker. &61607; Mitnahme nur von persönlicher Bekleidung, da Möbel von Goslar waren, &61607; Bett und Schrank sind hier verblieben, Computer, Fernseher mitgenommen, &61607; hat gesetzlichen Betreuer &61607; lebt jetzt allein &61607; halbes Jahr vorher hat diese Frd mit in Lenterode gewohnt, wo Umzug geplant wurde &61607; hat nach 1/2 Jahr dort die Wohnung gewechselt &61607; von besuchsweise Aufenthalt war nie die Rede
Der Kläger hat mit Schreiben vom 15. Juli 2004 einen Kostenerstattungsantrag gemäß § 107 BSHG hinsichtlich der Sozialhilfegewährung für den Hilfebedürftigen ab 1. August 2003 angemeldet. Der Beklagte lehnte dies ab, weil der Hilfebedürftige am 18.06.2003 nach Goslar verzogen sei und Hilfebedürftigkeit erst am 1. August 2003 angemeldet habe. Gemäß § 107 BSHG bestehe die Kostenerstattungspflicht nur, wenn die fragliche Person innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel der Hilfe bedürfe.
Der Kläger hat 6. Mai 2005 Klage beim Sozialgericht (SG) Nordhausen erhoben, welches den Rechtsstreit an das örtlich zuständige SG Braunschweig verwiesen hat. Der Kläger hat vorgetragen, dass ihm für die Zeit vom 1. August 2003 bis 31. Dezember 2004 ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 107 BSHG zustehe. Der Hilfebedürftige sei am 13. Juni 2003 besuchsweise nach Goslar gereist, um Informationen über Möglichkeiten einer eigenständigen Lebensführung außerhalb des Elternhauses zu erhalten. Erst während des besuchsweisen Aufenthaltes in einer Gastfamilie sei der Entschluss gereift, eine Wohnung anzumieten und Grundsicherungsleistungen sowie Hilfe zur Pflege zu beantragen. Noch in dem für die Wohnung auszufüllenden Bewerberbogen am 3. Juli 2003 habe der Hilfebedürftige als jetzige die Anschrift in Lenterode angegeben. Der gewöhnliche Aufenthalt des Hilfebedürftigen habe daher noch im Juli in Lenterode gelegen. Den Lebensmittelpunkt habe der Hilfebedürftige erst im Juli 2003 nach Goslar verlegt; die ordnungsbehördliche Ummeldung sei nicht ausschlaggebend. Zwischen der tatsächlichen Gewährung der Sozialhilfeleistungen ab 1. August 2003 und der Begründung eines gewöhnlichen Aufenthaltes in Goslar sei daher weniger als ein Monat vergangen. Im Übrigen habe der objektive Sozialhilfebedarf von Beginn des Aufenthaltes in Goslar bestanden. Der Beklagte hat erwidert, dass die bekannt gewordenen Umstände für einen Umzug des Hilfebedürftigen bereits im Juni 2003 sprächen, so die ordnungsbehördliche Ummeldung zum 18. Juni 2003, die Ummeldung bei der AOK Thüringen zum 1. Juli 2003 und die Erklärung der Eltern des Hilfebedürftigen, wonach von einem besuchsweisen Aufenthalt in Goslar nie die Rede gewesen sei.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 22. Juli 2007 abgewiesen. Sie sei als Feststellungsklage zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Die streitige Frage, ob der Hilfebedürftige seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Goslar erst am 3. Juli 2003 oder bereits mit seiner Reise am 13. Juni 2003 begründet habe, sei i.S. des Beklagten zu entscheiden. Denn der Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen habe ab dem 13. Juni 2003 in Goslar gelegen. Der Hilfebedürftige sei bereits am 13. Juni 2003 vom Zuständigkeitsbereich des Beklagten in den Bereich des Klägers verzogen und habe mit der Aufnahme in der Gastfamilie in Goslar dort seinen gewöhnlichen Aufenthalt begründet. Gegen einen lediglich besuchsweisen Aufenthalt spräche die Auskunft seiner Eltern, die bereits zum 18. Juni 2003 vorgenommene ordnungsbehördliche Ummeldung sowie der Umstand, dass der Hilfebedürftige neben Kleidung auch teilweise Einrichtungsgegenstände wie Fernseher und Computer mitgenommen habe. Der Ortswechsel habe nicht lediglich einen von vornherein zeitlich nur unbedeutenden und kurz befristeten Aufenthalt in Goslar bedeutet. Somit sei zwischen dem Zeitpunkt des Umzuges nach Goslar und der Hilfegewährung ab 1. August 2003 länger als ein Monat vergangen, sodass der Beklagte zur Kostenerstattung nicht verpflichtet sei.
Der Kläger hat am 22. März 2007 Berufung eingelegt. Er trägt vor, bei der Entscheidung des SG sei nicht berücksichtigt worden, dass der schwerstpflegebedürftige Hilfebedürftige, wenn man mit dem SG den Umzug im Juni 2003 terminiere, von Beginn an sozialhilfebedürftig gewesen sei. Damit habe i.S. der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteil vom 20. Oktober 2005 - 2 C 28/03 - FEVS 57, Seite 347) ein objektiver Sozialhilfebedarf bestanden, womit die Monatsfrist des § 107 Abs. 1 BSHG nicht zum Tragen käme.
Der Kläger beantragt,
- 1.
das Urteil des Sozialgerichts Braunschweig vom 22. Februar 2007 aufzuheben,
- 2.
festzustellen, dass der Beklagte zur Erstattung der im Zeitraum vom 1. August 2003 bis 31. Dezember 2004 an den Hilfebedürftigen E. gewährten Sozialhilfeleistungen verpflichtet ist.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil. Die vom Kläger behauptete objektive Sozialhilfebedürftigkeit vor dem 1. August 2003 lasse sich nicht feststellen.
Der Hilfebedürftige hat schriftlich folgende Auskunft vom 6. April 2009 gegeben: In der Zeit vom 18. Juni bis 31. Juli habe ich bei einer Bekannten in Goslar gelebt und wurde von ihren Pflegekräften mit versorgt. Gelebt habe ich von meinem Pflegegeld und einer Rente. Über sonstige Einnahmen oder Vermögen habe ich nicht verfügt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsakten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung waren.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat zu Recht festgestellt, dass ein Umzug des Hilfebedürftigen bereits im Juni 2003 stattgefunden hat, sodass die Monatsfrist des § 107 Abs. 1 BSHG dem Erstattungsanspruch entgegensteht. Eine objektive Hilfebedürftigkeit für die Zeit vor dem 1. August 2003 lässt sich nicht feststellen. Die Berufung ist daher zurückzuweisen.
Da der Kläger sein Begehren mit einer Feststellungsklage verfolgt, erscheint fraglich, ob die Einhaltung des Berufungsbeschwerdewertes gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG von mehr als 5.000,00 EUR (bis 30. März 2008 - ab 1. April 2008 mehr als 10.000,00 EUR) erforderlich ist. Allerdings ist die Berufung auch statthaft, wenn der Berufungsbeschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG von mehr als 5.000,00 EUR herangezogen wird, weil die Feststellungsklage anstelle einer Leistungsklage bei einem Erstattungsstreit erhoben wurde. Nach dem Vorbringen des Klägers stehen in der Sache 54.980,65 EUR in Streit. Der Berufungsbeschwerdewert von mehr als 5.000,00 EUR ist mithin überschritten. Die Berufung wurde weiterhin in der Frist und Form des § 151 Abs. 1 SGG erhoben. Der Kläger verfolgt sein Begehren mit einer Feststellungsklage. Das ist zulässig gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG. Hinter der begehrten Feststellung steht ein Erstattungsverlangen des Klägers gegenüber dem Beklagten, sodass grundsätzlich die Erhebung einer Leistungsklage möglich und vorrangig wäre. Doch tritt der Subsidiaritätsgrundsatz Vorrang der Leistungsklage gegenüber der Feststellungsklage - zurück bei Feststellungsklagen gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts bzw. bei Streitigkeiten zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts (vgl Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 9. Aufl. 2008, § 55 Rdnr 19a ff m.w.N.). Denn es kann angenommen werden, dass der Beklagte den Kläger beides juristische Personen des öffentlichen Rechts angesichts seiner in der Verfassung verankerten Bindung an Gesetz und Recht auch ohne Leistungsurteil mit Vollstreckungsdruck befriedigt. Das in § 55 Abs. 1 SGG weiterhin geforderte berechtigte Interesse ergibt sich aus dem Umstand, dass je nach Fallgestaltung Leistungspflichten des Sozialhilfeträgers folgen, sodass dem Kläger bei positiver Feststellung aufgrund seiner Leistung ein Erstattungsanspruch nach § 107 BSHG zuwächst.
Die Feststellungsklage ist nicht begründet und die Berufung damit erfolglos, weil der Beklagte Kostenerstattung nach § 107 BSHG für den Zeitraum vom 1. August 2003 bis 31. Dezember 2004 nicht leisten muss. Die Zeit ab 1. Januar 2005 steht nicht in Streit. Das Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch Sozialhilfe (SGB XII) enthält keine dem § 107 BSHG entsprechende Kostenerstattungsvorschrift. Ab diesem Zeitpunkt ist daher ein Kostenerstattungsanspruch nach Umzug ausgeschlossen. Dies gilt natürlich nicht für Erstattungssachverhalte bis zum 31. Dezember 2004. Denn bis zu diesem Zeitpunkt galt das BSHG und damit auch § 107 BSHG. Nach dieser Vorschrift sind die bis zum 31. Dezember 2004 entstandenen Erstattungsstreitigkeiten abzuwickeln.
Rechtsgrundlage für das Begehren des Klägers ist § 107 BSHG. Darin ist Folgendes bestimmt:
Verzieht eine Person vom Ort ihres bisherigen gewöhnlichen Aufenthalts, ist der Träger der Sozialhilfe des bisherigen Aufenthaltsortes verpflichtet, dem nunmehr zuständigen örtlichen Träger der Sozialhilfe die dort erforderlich werdende Hilfe außerhalb von Einrichtungen im Sinne des § 97 Abs. 2 Satz 1 zu erstatten, wenn die Person innerhalb eines Monats nach dem Aufenthaltswechsel der Hilfe bedarf. (Abs. 1) Die Verpflichtung nach Absatz 1 entfällt, wenn für einen zusammenhängenden Zeitraum von zwei Monaten keine Hilfe zu gewähren war. Sie endet spätestens nach Ablauf von zwei Jahren seit dem Aufenthaltswechsel.
Die Voraussetzungen dieser Kostenerstattungsvorschrift sind nicht erfüllt. Der Hilfebedürftige hatte seinen bisherigen gewöhnlichen Aufenthalt in Lenterode bei seinen Eltern im Zuständigkeitsbereich des Beklagten. Das Verziehen der Umzug i.S. des § 107 Abs. 1 BSHG in den Zuständigkeitsbereich des Klägers erfolgte am 13. spätestens am 18. Juni 2003, wie es das SG begründet hat. Darauf wird zunächst verwiesen, § 153 Abs. 2 SGG. Ergänzend gilt: Mit Verziehen ist der Umzug gemeint, wie sich aus der Überschrift der Vorschrift ergibt: "Kostenerstattung bei Umzug". Damit wird die Art und Weise des Ortswechsels bezeichnet, wobei dieser Tatbestand erfüllt ist, wenn die bisherige Unterkunft und damit der dortige gewöhnliche Aufenthalt aufgegeben wird mit der Absicht, zumindest vorläufig nicht zurückzukehren und zwar unter Mitnahme der persönlichen Habe. Der vorübergehende Aufenthalt außerhalb der beibehaltenen Unterkunft in der Wohnung eines Dritten oder einer sonstigen Unterkunft erfüllt die Voraussetzungen für die Kostenerstattung nicht, da es sich um kein Verziehen, um keinen Umzug, handelt. Ein Aufenthalt, der nur vorübergehend i.S. von zufällig, augenblicklich, besuchsweise ist, genügt nicht. Neben der Aufgabe des gewöhnlichen Aufenthalts am bisherigen Aufenthaltsort wird in der Regel die Begründung eines neuen gewöhnlichen Aufenthalts am Zuzugsort dazu kommen, ist aber nicht zwingendes Tatbestandsmerkmal des § 107 BSHG, weil der Begriff "Verziehen" gegenüber dem Begriff "Umzug" weiter gefasst ist (vgl Schoch in Lehr- und Praxiskommentar - BSHG, 6. Aufl. 2003, § 107 Rdnr 13 f; Schellhorn/Schellhorn, Kommentar zum BSHG, 16. Aufl. 2002, § 107 Rdnr 6 f).
Ausgehend von diesen Grundsätzen hat der Hilfebedürftige spätestens am 18. Juni 2003 einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt in Goslar begründet. Zwar trifft es zu, dass er nach seinen Erläuterungen gegenüber dem Kläger die Wohnung seiner Eltern in Lenterode verlassen hat, um sich in Goslar zunächst über ein bestimmtes Pflegemodell zu informieren. Doch ist dieser womöglich besuchsweise gemeinte Aufenthalt schnell umgeschlagen in einen gewöhnlichen Aufenthalt in Goslar i.S. des § 30 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Allgemeiner Teil Erstes Buch (SGB I). Dafür ist beachtliches und durchschlagendes Indiz die ordnungsbehördliche Anmeldung zum 18. Juni 2003. Damit gab der Hilfebedürftige zu erkennen, dass er seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht mehr in Lenterode, sondern in Goslar sah. Denn ansonsten wäre eine ordnungsbehördliche Ummeldung nicht nötig gewesen. Weiterhin spricht dafür die Ummeldung bei seiner AOK zum 1. Juli 2003, woraus ebenfalls erkennbar wird, dass der Hilfebedürftige den Ortswechsel als dauerhaft ansah. Für einen Umzug zu diesem Zeitpunkt spricht auch die schriftliche Erklärung der Eltern, aus der sich ergibt, dass " von besuchsweise Aufenthalt nie die Rede" war, den Eltern somit der Eindruck vermittelt worden war, ihr Sohn der Hilfebedürftige werde sich dauerhaft an einem anderen Ort in Goslar niederlassen. Insbesondere fällt ins Gewicht, dass der Hilfebedürftige seit Beginn der Informationsfahrt nicht mehr in die bisherige Wohnung bei seinen Eltern zurückgekehrt ist, allenfalls um dort noch verbliebene Wohnungsgegenstände abzuholen. Auch dieser Umstand ist ein starkes Indiz dafür, dass in Goslar kein besuchsweiser, sondern ein dauernder Aufenthalt geplant war, der dann auch tatsächlich stattfand. Mithin war die Monatsfrist des § 107 Abs. 1 BSHG bei Gewährung der Sozialhilfe ab 1. August 2003 überschritten, sodass die Kostenerstattung daran scheitert.
Zwar kommt es im Hinblick auf diese Monatsfrist nicht allein auf die tatsächliche Hilfegewährung an; vielmehr ist entscheidend die objektive Hilfebedürftigkeit, es ist also die Frage zu beantworten, ob dem Hilfebedürftigem nach dem Umzug Hilfe nach dem BSHG unabhängig von der Kenntnis des Sozialhilfeträgers hätte gewährt werden müssen (vgl Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 20. Oktober 2005 - 5 C 28/03 - FEVS 57, Seite 347; Senatsurteil vom 23. April 2009 - L 8 SO 84/06 -). Dies wäre der Fall gewesen, wenn dem Hilfebedürftigen bereits vor dem 1. August 2003 Hilfe zur Pflege gemäß § 68 BSHG hätte gewährt werden müssen. Das kann nicht festgestellt werden. Hierbei ist zu bedenken, dass der pflegebedürftige Hilfebedürftige seit Jahren an der Erkrankung progressive Muskeldystrophie litt und seit 1999 Leistungen der Pflegekasse nach der Pflegestufe II bekam. Leistungen der Sozialhilfe sind trotz dieses Leidenszustandes bis zum 31. Juli 2003 nicht beansprucht und damit auch nicht gewährt worden. Daraus ist zu schließen, dass der Hilfebedürftige bis zum 1. August 2003 seine nötige Pflege mit eigenen Mitteln bewerkstelligen konnte. Dafür spricht auch seine eigene Erklärung aus dem Berufungsverfahren, wonach er vom 18. Juni bis zum 31. Juli (2003) bei einer Bekannten in Goslar gelebt und von ihren Pflegekräften mit versorgt worden sei. Hierbei ist zu bedenken, dass der Hilfebedürftige durch die Einstufung in die Pflegestufe II Anspruch auf Pflegesachleistungen gemäß § 36 Sozialgesetzbuch Elftes Buch Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) in Höhe von seinerzeit 921,00 EUR gehabt hatte. Wie sich aus dem Gutachten zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit ergibt, nahm er diese Leistungen als Kombinationsleistungen in Anspruch, einmal als Pflegesachleistung und andererseits als Pflegegeld gemäß § 37 SGB XI. Offensichtlich war der Hilfebedürftige damit in der Lage, seine nötige Pflege mit den Mitteln des SGB XI sicherzustellen. Ein Anspruch auf Sozialhilfe war nicht gegeben. Denn Sozialhilfe erhält nicht, wer sich selbst helfen kann oder die erforderliche Hilfe an anderen erhält, § 2 Abs. 1 BSHG, wie es hier der Fall war. Wenn diese Mittel nicht ausgereicht hätten, hätte es nahegelegen, dass der Hilfebedürftige einen Sozialhilfeantrag bereits weitaus früher gestellt hätte, was nicht geschehen ist. Weiterhin ist der Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe, der im August 2003 bei der Klägerin eingereicht wurde, mit der Begründung erfolgt, dass sich sein Leidenszustand verschlechtert habe, was durch die Einstufung in Pflegestufe II ab 1. August 2003 bestätigt wird. Mithin kann nicht festgestellt werden, dass bereits vor dem 1. August 2003 eine objektive Hilfelage bestanden hat, sodass weiterhin die Monatsfrist des § 107 Abs. 1 BSHG nicht eingehalten ist.
Schließlich verhilft der Klage nicht zum Erfolg, dass der Hilfebedürftige von Beginn an dem Grunde nach anspruchsberechtigt für Leistungen nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (GSiG) gewesen war. Bei dem Leidenszustand des Hilfebedürftigen war unzweifelhaft dauerhafte und volle Erwerbsminderung gemäß § 1 Nr. 2 GSiG gegeben. Der Hilfebedürftige war weiterhin bedürftig i.S. des § 2 GSiG, da er lediglich über Renteneinkommen in monatlicher Höhe von 170,00 EUR verfügte. Doch unterfallen die Leistungen nach dem GSiG nicht der Kostenerstattung nach § 107 BSHG. Diese Kostenerstattung betrifft nach dem BSHG erbrachte Leistungen. Demgegenüber war die Grundsicherung nach dem GSiG in der Zeit vom 1. Januar 2003 bis 31. Dezember 2004 eine eigenständige und von der Sozialhilfe nach dem BSHG unabhängige Leistung, die zwar zum Teil auf die Vorschriften des BSHG verweist, dadurch jedoch nicht den Charakter einer Sozialhilfeleistung i.S. des BSHG erhält. Die Grundsicherung ist vielmehr eine gegenüber der Sozialhilfe vorrangige Sozialleistung i.S. des § 2 Abs. 1 BSHG und schloss daher auch Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG aus.
Mithin verbleibt es dabei, dass ein Umzug des Hilfebedürftigen spätestens zum 18. Juni 2003 erfolgte, sodass wegen Überschreitens der Monatsfrist des § 107 Ab 1 BSHG die Voraussetzungen für einen Kostenerstattungsanspruch nicht vorliegen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 SGG i.V.m. § 154 Verwaltungsgerichtsordnung. Danach trägt der unterliegende Teil der Kläger die Kosten des Verfahrens.
Die Entscheidung über den Streitwert beruht auf §§ 63 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 Satz 3 Gerichtskostengesetz.
Die Revision bedarf der Zulassung (§ 160 SGG). Diese ist nicht zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und das Urteil nicht von höchstrichterlichen Entscheidungen abweicht.-