Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Beschl. v. 11.04.2008, Az.: 4 LA 740/07
Rechtsfolgen des bewussten Nichtschaffens der Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 1 S. 1 Rundfunkgebührenstaatsvertrag (RGebStV); Erforderlichkeit der Beurteilung des Vorliegens eines besonderen Härtefalls i.S.d. § 6 Abs. 3 RGebStV anhand der gesamten Vermögenssituation des Rundfunkteilnehmers
Bibliographie
- Gericht
- OVG Niedersachsen
- Datum
- 11.04.2008
- Aktenzeichen
- 4 LA 740/07
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2008, 15752
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OVGNI:2008:0411.4LA740.07.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- VG Hannover - 17.09.2007 - AZ: 7 A 5907/06
Rechtsgrundlagen
- § 6 Abs. 1 S. 1 Nr. 1-3 RGebStV
- § 6 Abs. 3 RGebStV
Amtlicher Leitsatz
Orientierungssatz:
Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Nach der Regelungssystematik des § 6 RGebStV ist es ausgeschlossen, dass ein Rundfunkteilnehmer, der es bewusst unterlässt, die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 - 3 RGebStV zu schaffen, sich eine Befreiung über die Anwendung der Härtefallklausel des § 6 Abs. 3 RGebStV sichert.
- 2.
Ob ein besonderer Härtefall im Sinne des § 6 Abs. 3 RGebStV vorliegt, beurteilt sich nicht ausschließlich nach der Einkommenssituation, sondern nach der gesamten Vermögenssituation des Rundfunkteilnehmers.
Gründe
Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil hat keinen Erfolg, weil die von ihr geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO nicht vorliegen bzw. nicht hinreichend dargelegt worden sind.
Entgegen der Annahme der Klägerin bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils, mit dem das Verwaltungsgericht die auf eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht ab April 2005 gerichtete Klage abgewiesen hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht für den Zeitraum ab April 2005. Die in § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV genannten Voraussetzungen für eine Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht lägen nicht vor, weil der Klägerin in dem zu überprüfenden Zeitraum keine der dort genannten Sozialleistungen gewährt worden seien. Der Klägerin stehe auch ein Befreiungsanspruch nach § 6 Abs. 3 RGebStV wegen eines besonderen Härtefalls nicht zu. Nach den Gesetzesmaterialien sei ein besonderer Härtefall im Sinne dieser Vorschrift insbesondere dann gegeben, wenn die Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Satz 1 RGebStV nicht vorlägen, eine vergleichbare Bedürftigkeit aber nachgewiesen werden könne. Hier sei die Annahme eines Härtefalles gleichwohl ausgeschlossen. Zwar könnte der Klägerin ein Anspruch auf Sozialleistungen zustehen. Da sie derartige Leistungen aber nicht beantragt habe, müsse sie auch die Nachteile hinnehmen, die nach dem Rundfunkgebührenrecht mit dieser Entscheidung verbunden seien. Nach der Regelungssystematik des § 6 RGebStV sei es ausgeschlossen, dass ein Rundfunkteilnehmer, der es bewusst unterlasse, die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 RGebStV zu schaffen, sich stattdessen eine Befreiung über eine Anwendung der Härtefallklausel des § 6 Abs. 3 RGebStV sichere.
Die Richtigkeit dieser Entscheidung begegnet auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin im Beschwerdeverfahren keinen ernstlichen Zweifeln. Die Klägerin hat gegen den erstinstanzlichen Beschluss eingewandt, dass sie den Versuch unternommen habe, Arbeitslosengeld II zu beantragen. Damals sei ihr aber erklärt worden, dass sie keine Chance habe, diese Leistung zu erhalten, weil sie einen Pkw besessen habe und Miteigentümerin eines Hauses gewesen sei. Da sie auf den Pkw aus beruflichen Gründen angewiesen sei, habe sie bewusst auf das Arbeitslosengeld II verzichtet. Dies ändere aber nichts daran, dass sie in finanzieller Hinsicht einem Empfänger von Arbeitslosengeld II gleichzustellen sei. Diese von der Klägerin erhobenen Einwände greifen nicht durch.
Der Senat hat wiederholt entschieden, dass es nach der Regelungssystematik des § 6 RGebStV ausgeschlossen ist, dass ein Rundfunkteilnehmer, der es bewusst unterlässt, die Voraussetzungen für die Befreiung von der Rundfunkgebührenpflicht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 3 RGebStV zu schaffen, d. h. die dort genannten Leistungen zu beantragen und in Anspruch zu nehmen, sich stattdessen eine Befreiung über die Anwendung der Härtefallklausel des § 6 Abs. 3 RGebStV sichert (vgl. u. a. Beschl. v. 27.12.2007 - 4 LA 137/07 -, v. 25.7.2007 - 4 PA 525/07 -, v. 1.3.2007 - 4 LA 222/07 - u. v. 19.1.2007 - 4 LA 229/07 -, m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier vor, weil die Klägerin bewusst auf die Stellung eines Antrags auf Bewilligung von Arbeitslosengeld II verzichtet hat. Aus welchen Gründen dies geschehen ist, ist rechtlich unerheblich. Abgesehen davon hat die Klägerin selbst vorgetragen, dass ihr nach einer Auskunft der Arbeitsagentur ein Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld II wegen des Eigentums an einem Pkw und des Miteigentums an einem Haus nicht zugestanden habe. Hat sie aufgrund ihrer Einkommens- und Vermögenssituation aber keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld II gehabt, kann sie nicht beanspruchen, über die Härtefallklausel des § 6 Abs. 3 RGebStV mit einem Empfänger von Arbeitslosengeld II gleichgestellt zu werden. Daran ändert auch ihr Einwand nichts, dass ihr monatliches Einkommen nicht höher gewesen sei als das Arbeitslosengeld II, das ihr im Falle eines Verkaufs ihres Pkw bewilligt worden wäre. Ob ein besonderer Härtefall im Sinne des § 6 Abs. 3 RGebStV vorliegt, beurteilt sich nämlich nicht ausschließlich nach der Einkommenssituation, sondern nach der gesamten Vermögenssituation des Rundfunkteilnehmers. Folglich kann auch die Vermögenslage der Antragstellerin nicht unberücksichtigt bleiben.
Die Berufung ist ferner nicht wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen, weil die Rechtssache der Klägerin keine Rechtsfragen aufwirft, die nur unter besonderen, d. h. überdurchschnittlichen Schwierigkeiten beantwortet werden können.
Schließlich scheidet auch eine Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache aus. Zum einen hat die Klägerin keine konkrete Rechtsfrage formuliert, die ihrer Rechtssache grundsätzliche Bedeutung verleihen soll; damit ist die Darlegung des von ihr geltend gemachten Berufungszulassungsgrundes, die § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO verlangt, unzureichend. Zum anderen hat die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie nur Rechtsfragen aufwirft, die in der Rechtsprechung des Senats bereits geklärt sind oder sich auch außerhalb eines Berufungsverfahrens ohne weiteres beantworten lassen.
Da die Rechtsverfolgung der Klägerin demnach keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet, kommt nach § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungszulassungsverfahren nicht in Betracht.