Landgericht Hannover
Urt. v. 20.03.2014, Az.: 4 O 46/11
Verjährung des Anspruchs auf Zahlung von Schadensersatz wegen mangelhafter Dachbefestigungen i.R.d. Errichtung von Wohnungen
Bibliographie
- Gericht
- LG Hannover
- Datum
- 20.03.2014
- Aktenzeichen
- 4 O 46/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2014, 16073
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LGHANNO:2014:0320.4O46.11.0A
Rechtsgrundlagen
- § 204 Abs. 1 Nr. 3, 7 BGB
- § 280 Abs. 1 BGB
- § 631 Abs. 1 BGB
- § 633 Abs. 1 BGB
- § 633 Abs. 2 BGB
- § 634 Nr. 4 BGB
- § 638 BGB a.F.
In dem Rechtsstreit
Kläger
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
gegen
Beklagte
Prozessbevollmächtigte:
Streithelferin der Beklagten
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte
hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts Hannover auf die mündliche Verhandlung vom 12.02.2014 durch
die Vorsitzende Richterin am Landgericht
die Richterin am Landgericht und
die Richterin
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits und die Kosten der Streithelferin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch.
Die Beklagte und die xxx schlossen am 17.07.1997 einen Generalunternehmervertrag über die Errichtung von 110 Wohnungen mit Tiefgaragen in Hannover im Stadtteil Bemerode auf einem Gelände xxx. § 8 des Vertrages sieht eine Verjährungsfrist für die Gewährleistung des Generalunternehmers von 5 Jahren vor. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Generalunternehmervertrag vom 17.07.1997 (Anlage B2, Blatt 77 ff. d.A.) Bezug genommen. Die Dächer der herzustellenden Gebäude errichtete die Streithelferin. Die einzelnen von der Beklagten erbrachten Leistungen wurden bis zum 25.01.2000 vollständig abgenommen.
Gesellschafter der xxx waren Herr xxx und xxx. Mit Wirkung zum 01.04.2000 verkaufte der Gesellschafter seinen Anteil an der GbR an den Gesellschafter xxx. Hinsichtlich der Einzelheiten der Veräußerung wird auf den Vertrag vom 26. Mai 2000 (Anlage K19, Blatt 126 d.A.) Bezug genommen.
Bereits im Oktober 2006 leitete Herr xxx ein selbständiges Beweisverfahren vor dem Landgericht Hannover (Az.: 4 OH 11/06) bezüglich etwaiger Mängel an der Dachkonstruktion der errichteten Gebäude ein. Auf die im selbständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachten bzw. Ergänzungsgutachten des Sachverständigen xxx vom 18.12.2006 und 13.05.2009, in denen dieser festgestellt hat, dass die Dachbefestigungen teilweise erhebliche Mängel aufweisen und daher für eine Windsogbelastung nicht ausreichend seien, wird Bezug genommen.
Mit Ordnungsverfügung vom 26.01.2007 gab die Landeshauptstadt Hannover Herrn xxx auf, einzelne Bestandteile der Dachkonstruktion zu überprüfen. Ein beauftragter Sachverständiger stellte fest, dass die Verankerung des Daches insbesondere in den Rand- und Eckbereichen nicht ausreichend sei.
Mit Beschluss vom 01.09.2008 bestellte das Amtsgericht Gifhorn den Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn
Ein vom Kläger erwirkter Mahnbescheid in dieser Sache ging der Beklagten am 03.11.2010 zu. Am 09.11.2010 legte die Beklagte Widerspruch ein.
Der Kläger behauptet, die Beklagte habe die mangelhafte Dachbefestigung zu vertreten. Etwaige Ansprüche seien nicht verjährt, weil die vertraglich geregelte fünfjährige Verjährungsfrist nicht gelte. Denn die Beklagte habe die streitgegenständlichen Mängel, denen ein systematischer Ausführungsfehler zugrunde liege arglistig verschwiegen. Die Dachkonstruktion könne, so wie sie ausgeführt sei, Winden nicht dauerhaft standhalten. Die Beklagte habe eine Beseitigung der Mängel verweigert, weshalb der Insolvenzschuldner sie selbst behoben habe.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 230.405,12 EUR nebst 8% Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte und die Streithelferin beantragen,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte bestreitet die Aktivlegitimation des Klägers, da der Generalunternehmervertrag mit der xxx geschlossen worden sei. Im Übrigen beruft sie sich auf Verjährung und bestreitet in diesem Zusammenhang, Mängel arglistig verschwiegen zu haben.
Die Beklagte behauptet weiterhin, das Bauvorhaben ordnungsgemäß überwacht zu haben. Sie sei zum Zeitpunkt der Bauausführung im Besitz eines DQS-Zertifikats nach DIN IN ISO 9001 gewesen. Dieses Zertifikat bestätige die Einführung und Anwendung eines Qualitätsmanagementsystems. Hinsichtlich des Umfangs der zu erbringenden qualitätssicheren Maßnahmen und der Umsetzung bzw. des gesamtorganisatorischen Aufbaus des Betriebs bezieht sich die Beklagte auf ihr Qualitätsmanagementhandbuch. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Auszüge des Qualitätsmanagementhandbuchs in der Fassung vom 28.02.1997 (Anlage B12, Blatt 261 ff. d.A.) Bezug genommen/Die Beklagte behauptet, in Umsetzung dieser Verpflichtung für das Bauvorhaben dauerhaft einen nur für das Bauvorhaben zuständigen Polier und Bau- bzw. Projektleiter eingesetzt zu haben. Zudem seien ein weiterer Polier und ein weiterer Bauleiter hinzugezogen worden. Diese hätten die Bauüberwachung täglich durchgeführt. Aufgrund ihrer beruflichen Qualifikation und besonderen Fachkompetenz sowie ihrer praktischen Erfahrungen seien diese Personen dazu auch geeignet gewesen. Alle Leistungen und Tätigkeiten seien in einem durchgehend geführten- Bautagebuch dokumentiert und von den verantwortlichen Personen gegengezeichnet worden. Die Bauüberwachung der Subunternehmer sei zudem durch turnusgemäße Baubesprechungen und Verteilung von Protokollen mit relevanten Anmerkungen erfolgt. Die Beklagte bestreitet zudem, zur Mängelbeseitigung aufgefordert worden zu sein.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den vorgetragenen Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Mit Schriftsatz vom 06.05.2011 ist die Streithelferin dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beigetreten.
Das Gericht hat Beweis erhoben aufgrund der Beweisbeschlüsse vom 23.03.2012 (Blatt 302 d.A.) und 27.05.2013 (Bl. 391 d.A.) durch Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Problematik der Befestigung der Dächer sowie der mündlichen Anhörung des Sachverständigen; Auf das Gutachten des Sachverständigen vom 19.12.2012 und auf das Sitzungsprotokoll vom 12.02.2014 wird hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
I.
Die zulässige Klage ist unbegründet. Dem Kläger steht der begehrte Anspruch aus den §§ 631 Abs. 1, 633 Abs. 1, 2, 634 Nr. 4, 280 Abs. 1 BGB nicht zu. Mögliche Schadensersatzansprüche sind bereits verjährt.
Vor diesem Hintergrund kommt es auf die Frage der Aktivlegitimation, an der die Kammer jedoch aufgrund der Vereinigung aller Anteile der ehemaligen xxx in der Hand des Insolvenzschuldners keine Bedenken hat, nicht an.
1.
Im Zeitpunkt der Zustellung des Mahnbescheides war der Anspruch bereits verjährt, so dass eine Hemmung nach § 204 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht in Betracht kommt. Die letzte Abnahme einer Leistung der Beklagten erfolgte am 25.01.2000. Folglich endete die Verjährung gem. § 638 a.F. BGB i.V.m. der vertraglichen Vereinbarung bereits am 24.01.2005. Der Mahnbescheid wurde erst in 2010 beantragt und zugestellt.
2.
Folglich konnte auch das Beweissicherungsverfahren, welches erst in 2006 eingeleitet wurde, die Verjährung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 7 BGB nicht hemmen.
3.
Die Voraussetzungen für die Annahme einer verlängerten Verjährungsfrist aufgrund eines etwaigen arglistigen Verschweigens von Mängeln durch die Beklagte liegen ebenfalls nicht vor.
Bei einer arglistigen Handlung eines Vertragspartners kann in Ausnahmefällen von einer 30-jährigen Verjährungsfrist ausgegangen werden. Dabei lässt aber gerade nicht allein das Vorliegen eines Mangels den Schluss auf eine arglistige Handlungsweise zu, da anderenfalls die gesetzlich geregelten Verjährungsfristen leerlaufen würden (so auch OLG Celle, Urteil vom 07.12.2006, 13 U 145/06, [...]). Nach Auswertung der Rechtsprechung ergeben sich im Wesentlichen drei Fallgruppen, in denen von einem arglistigen Verhalten eines Vertragspartners ausgegangen werden kann (a) - c)).
a)
Zum einen kann in Fällen, in denen einen Vertragspartner verschweigt, dass ihm die für die ordnungsgemäße Erbringung der in Auftrag gegebenen Leistung die nötige Sach- und Fachkunde fehlt, auf ein arglistiges Handeln geschlossen werden. Für diese Fallgruppe bieten sich vorliegend keinerlei Anhaltspunkte. Der Kläger hat nie Zweifel an der Fachkünde der Beklagten erhoben.
b)
Im Rahmen von Werkverträgen ist ein arglistiges Verhalten weiter anzunehmen, wenn einen Vertragspartner ein Organisationsverschulden dahingehend trifft, dass der anspruchsbegründende Mangel bei einer ordnungsgemäßen Organisation durch diesen entdeckt worden wäre.
Hinsichtlich der Bauüberwachung hat die Beklagte ausführlich vorgetragen. Sie hat detailliert dargelegt, wie und durch welche Personen sie den Bau begleitet hat. Der Kläger ist diesem Vortrag der Beklagten nicht substantiiert entgegengetreten, so dass die Kammer keinerlei Anhaltspunkte für ein Organisationsverschulden seitens der Beklagten sieht.
c)
Ein arglistiges Verhalten eines Vertragspartners mit der Folge einer verlängerten Verjährungsfrist kann zudem dann angenommen werden, wenn dieser die ihm obliegenden Pflichten eines Bauvertrages nicht vertragsgerecht wahrgenommen hat und einen Mangel verschweigt, dessen Bedeutung er als erheblich für den Bestand oder die Benutzung der Leistung erkannt hat und daher zur Offenbarung verpflichtet gewesen ist (BGH, Urteil vom 20.12.1973, VII ZR 184/72, [...]). Ein gravierender Mangel kann ein überzeugendes Indiz für ein arglistiges Verschweigen des Mangels sein (vgl. BGH, Urteil vom 12.03.1992, 7 ZR 5/91, [...]). Allein, dass der Mangel erkennbar war, reicht demgegenüber für die Annahme einer verlängerten Verjährungsfrist gerade nicht aus. Vielmehr muss der Mangel derart erheblich sein, dass allein aufgrund seines Vorhandenseins quasi auf eine positive Kenntnis bzw. Arglist geschlossen werden kann.
Feststellungen dazu, dass der Beklagten bzw. der Subunternehmerin, deren Kenntnis der Beklagten zuzurechnen wäre, bei Abnahme positiv bekannt gewesen ist, dass die Befestigung der Dächer im Hinblick auf Winddruck und Sogbelastung nicht ausreichend waren und ihr daher der Mangel des errichteten Werks bekannt war, kann die Kammer nicht treffen. Insbesondere kann aufgrund der Art des Mangels kein Rückschluss auf eine Kenntnis der Beklagten gezogen werden. Die Mängel der Dachkonstruktion sind nicht derart schwerwiegend und auffällig, dass sie als Indiz für eine positive Kenntnis der Beklagten herangezogen werden könnten.
Aus dem Gutachten des Sachverständigen xxx vom 19.12.2012 ergibt sich, dass die Blechscharren des Daches in zu großen Abständen befestigt wurden und die insbesondere in den Randbereichen notwendige Häufung der Haftung nicht vorliegt. Jedoch hat der Sachverständige auch festgestellt, dass das Dach unter Berücksichtigung der vorhandenen Mängel in der Befestigung einer normalen bzw. üblichen Windbelastung stand hält. Eine solche normale Windbelastung, hat der Sachverständige dabei als diejenige Windbelastung definiert, die mehrmals im Jahr auftreten kann. Diese für die Kammer nachvollziehbaren Feststellungen, die der Sachverständige darüber hinaus in der mündlichen Verhandlung anschaulich erläutert hat, macht sich das Gericht zu eigen. Der Sachverständige hat in seinem Gutachten für das Gericht nachvollziehbar ausgeführt, dass das Dach aufgrund der vorhandenen Befestigungen einer Windgeschwindigkeit von 25,3 m pro Sekunde standhalten kann.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung erläuterte der Sachverständige zudem unter Nutzung von Unterlagen des Deutschen Wetterdienstes, welchen "normalen" Windbelastungen die Dächer der errichteten Gebäude erwartungsgemäß stand zu halten haben. Im Zeitraum von 2008 bis 2012 war demnach an 85 von 1826 Tagen und im Zeitraum von 1936 bis 2012 an 1832 von 27.031 Tagen die Windstärke 8 überschritten. Dies entspricht ca. 24 Tagen pro Jahr. Vor dem Hintergrund dieser nachvollziehbaren Ermittlung gelangt der Sachverständige zu dem für das Gericht einleuchtenden Ergebnis, dass für den Bereich Hannover eine normale Windbelastung mit Windstärke 8 (= maximale Windgeschwindigkeit von 20,8 m/s anzunehmen ist. Für diese Windbelastung ist das von der Beklagten errichtete Dach ausreichend befestigt, da es sogar Windgeschwindigkeiten bis 25,3 m/s gewachsen wäre. Folglich ist die Dachkonstruktion so ausgeführt, dass sie den üblichen Windbelastungen standhält. Daher muss auch ein Fachkundiger vor dem Hintergrund dieser Feststellungen nicht damit rechnen, dass - auch bei Berücksichtigung der mangelhaften Ausführung - ein starker Wind einen Schaden der Dachkonstruktion herbeiführen könnte. Die errichteten Dächer halten gerade auch stärkeren Windbelastungen stand.
Daher war auch dem Antrag des Klägers, ein Wettergutachten über die Windverhältnisse am Kronsberg einzuholen, nicht nachzugehen. Entscheidungserheblich ist lediglich die Frage, ob die Dachkonstruktion normalen bzw. üblichen Windstärken standhält, was durch den Sachverständigen erschöpfend beantwortet wurde.
II.
Die Nebenentscheidungen finden ihre rechtlichen Grundlagen in §§ 91 Abs. 1 Satz 1, 101, 709 Sätze 1 und 2 ZPO.