Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 28.02.2018, Az.: L 3 KA 136/15

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
28.02.2018
Aktenzeichen
L 3 KA 136/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2018, 73932
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 21.10.2015 - AZ: S 35 KA 5/12

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Zu den Anforderungen an eine auf vertragszahnärztliche Einzelleistungen bezogene Wirtschaftlichkeitsprüfung nach der Methode der eingeschränkten Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung.

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 21. Oktober 2015 und der Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2012 aufgehoben.

Der Beklagte wird verurteilt, über die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Klägerin in den Quartalen III/2009 bis II/2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Der Beklagte trägt die Kosten des Klageverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Beklagte und die Beigeladene zu 1. zur Hälfte mit Ausnahme der Kosten der Beigeladenen zu 2. bis 7., die diese selbst tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.899 Euro festgesetzt.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit betrifft die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise der Klägerin in den Quartalen III/2009 bis II/2010.

Die Klägerin ist eine zahnärztliche Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) mit Praxissitz in M., die aus einem Vertragszahnarzt und zwei Vertragszahnärztinnen besteht. Ihre Praxis wurde im Januar 2011 im Rahmen der Zufälligkeitsprüfung für die Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise in den Quartalen III/2009 bis II/2010 ausgewählt. In diesem Zeitraum behandelte die Klägerin 2.946 Versicherte. Zu 213 Patienten übersandte die Klägerin der Prüfungsstelle auf Anforderung ihre Behandlungsdokumentationen (Karteikarten und Röntgenaufnahmen).

Mit Bescheid vom 21. Juni 2011 (Beschluss vom 12. Januar 2011) kürzte die Prüfungsstelle die Honorare der Klägerin im Gebührentarif A des Bewertungsmaßstabs für vertragszahnärztliche Leistungen (Bema-Z) um 10.446,75 Euro. Dem lag ausweislich der Bescheidbegründung die Prüfmethode der repräsentativen Einzelfallprüfung zugrunde, wobei die jahresbezogenen Behandlungsabläufe von 590 Versicherten herangezogen worden seien. In Hinblick auf 62 Versicherte erfolgten (ausdrücklich als solche bezeichnete) sachlich-rechnerische Berichtigungen iHv 967,37 Euro. Bei insgesamt 42 Versicherten beanstandete die Prüfungsstelle die fehlende Indikation für die Erbringung der Leistungen nach den Gebührenordnungspositionen (GOP) des Bema-Z: Ä1-Ber, 8-Sens, 36-Nbl1, 51a-Pla1 und 51b-Pla0 sowie 56-Zy1 und 56c-Zy3. Der sich hiernach ergebende unwirtschaftliche Aufwand von 2.532,90 Euro wurde auf die Gesamtzahl der Versicherten hochgerechnet und die sich daraus ergebende Summe um einen Sicherheitsabschlag von 25 % gekürzt. Einschließlich des auf die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen entfallenden Betrags ergab sich hieraus die Kürzungssumme.

Die Klägerin legte hiergegen am 24. Juni 2011 Widerspruch ein. Zur Begründung führte sie im Einzelnen aus, dass der Großteil der vorgenommenen Korrekturen zu Unrecht erfolgt sei, weil die Erbringung der entsprechenden Leistungen fachlich indiziert gewesen sei.

Der Beklagte half dem Widerspruch mit Bescheid vom 10. Januar 2012 (Beschluss vom 14. Dezember 2011) teilweise ab und reduzierte die Kürzung auf 8.899,03 Euro. Die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen wurden auf einen Betrag von 336,75 Euro vermindert. In sechs Fällen wurde dem Widerspruch gegen die Berichtigungen stattgegeben, in weiteren sechs Fällen wurden die GOP 47a-Ost1 und 45-X3 in die niedriger bewertete GOP 43-X1 bzw 45-X2 umgesetzt. Von den bereits von der Prüfungsstelle als unwirtschaftlich bewerteten Leistungen blieb es nur bei den Positionen Pla0 und Pla1 sowie Zy1 bei Kürzungen. Der festgestellte unwirtschaftliche Aufwand von insgesamt 2.287,85 Euro wurde wiederum auf die Gesamtzahl der Versicherten hochgerechnet und von der sich hieraus ergebenden Summe von 11.416,37 Euro wurde der Sicherheitsabschlag von 25 % abgezogen. Einschließlich des Kürzungsbetrags aus den sachlich-rechnerischen Richtigstellungen ergab sich hieraus der im Bescheid tenorierte Betrag.

Gegen den Bescheid hat die Klägerin am 7. Februar 2012 Klage zum Sozialgericht (SG) Hannover erhoben, die sie ebenso wie den Widerspruch begründet hat. Zum Beweis dafür, dass sie die in Ansatz gebrachten Leistungen vertragsgerecht erbracht habe, hat sie sich auf die Notwendigkeit eines Sachverständigengutachtens berufen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. Oktober 2015 abgewiesen. Die Zufälligkeitsprüfung mittels Stichprobenziehung und die Prüfung der Wirtschaftlichkeit im Rahmen einer repräsentativen Einzelfallprüfung seien auf der Grundlage von § 106 Abs 2 Nr 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) und von § 6a der Vereinbarung über die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung vom 15. Januar 2009 zutreffend erfolgt. Bei der eingeschränkten Einzelfallprüfung mit Hochrechnung sei auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) beachtet worden, wobei insbesondere eine ständig wiederkehrende Verhaltensweise des Arztes feststellbar sein müsse, die als unwirtschaftlich beurteilt werden kann. Dies sei bei einem Überprüfungszeitraum von einem Jahr und bei mindestens 100 zu untersuchenden Behandlungsfällen der Fall gewesen. Der Beklagte habe auch in den geprüften Einzelfällen auf der Grundlage der von ihm ausgewerteten Patientenunterlagen zutreffend eine unwirtschaftliche Abrechnung der entsprechenden GOP festgestellt. Schließlich begegne auch die vom Beklagten vorgenommene Hochrechnung unter Abzug eines Sicherheitsabschlags iHv 25 % keinen Bedenken.

Hiergegen hat die Klägerin am 4. Dezember 2015 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, das SG habe verfahrensfehlerhaft missachtet, dass sie die ordnungsgemäße Abrechnung bereits im Rahmen der Klagebegründung dargelegt und unter Beweis gestellt habe. Das erstinstanzliche Gericht habe es angesichts dessen rechtsfehlerhaft unterlassen, hierüber eine Beweisaufnahme durchzuführen. In diesem Zusammenhang wiederholt sie ihre Einwände gegen die Annahme unwirtschaftlicher Leistungen in den geprüften Einzelfällen und regt insoweit erneut die Beweiserhebung durch Einholung eines Sachverständigengutachtens an. Bei Würdigung der eingesetzten Prüfmethode habe das SG außerdem die Rechtsprechung des BSG verkürzt dargestellt, weil dieses ausgeführt habe, dass die Methode der repräsentativen Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung nur angewendet werden dürfe, soweit die Regelprüfmethode der statistischen Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten keine beweistauglichen Ergebnisse liefert. Diese Prüfmethode trage den Besonderheiten ihrer Praxis auch keine Rechnung und komme deshalb nicht zu aussagekräftigen Ergebnissen. So behandle sie in allen zahnmedizinischen Fachbereichen und mit augmentativen Verfahren umfangreicher Art. Schließlich sei auch die Betrachtung von lediglich vier Quartalen für eine aussagekräftige Wirtschaftlichkeitsprüfung nicht ausreichend.

Die Klägerin beantragt,

1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 21. Oktober 2015 und den Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2012 aufzuheben,

2. den Beklagten zu verurteilen, über die Wirtschaftlichkeit ihrer Behandlungsweise in den Quartalen III/2009 bis II/2010 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats neu zu entscheiden.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entgegen der Auffassung der Klägerin sei das SG nicht gehalten gewesen, ein Sachverständigengutachten einzuholen, weil die Besetzung der ehrenamtlichen Richterstellen mit zahnärztlichem Sachverstand ausreichend gewesen sei. Die gewählte Prüfmethode sei auch zulässig gewesen, weil nach dem Willen des Gesetzgebers die Zufälligkeitsprüfung der statistischen Vergleichsprüfung vorzuziehen sei. Im Übrigen sei die Zufälligkeitsprüfung entsprechend der anzuwendenden Prüfvereinbarung ordnungsgemäß durchgeführt worden. Insbesondere sei auch die notwendige Zahl von 590 Behandlungsverläufen überprüft worden. Dabei habe die Prüfung durch die Prüfungsstelle ergeben, dass die Behandlungsverläufe von 377 Versicherten sich nach Durchsicht als medizinisch nachvollziehbar und plausibel erwiesen hätten. Nur soweit dies - bei 213 Versicherten - nicht der Fall gewesen sei, seien zur weiteren Prüfung die Behandlungsdokumentationen mit den dazugehörigen Röntgenaufnahmen angefordert worden.

Die Beigeladene zu 1. beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die übrigen Beigeladenen stellen keinen Antrag.

Bezüglich der im angefochtenen Bescheid noch verbliebenen (ausdrücklichen) sachlich-rechnerischen Berichtigungen hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 26. April 2017 ein Anerkenntnis iHv 336,75 Euro abgegeben. Dieses Teilanerkenntnis hat die Klägerin am 8. November 2017 angenommen.

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen. Die Akten sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist zulässig und begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.

Klagegegenstand ist allein der Bescheid des Beklagten vom 10. Januar 2012 (zu dieser Besonderheit der vertrags<zahn>ärztlichen Wirtschaftlichkeitsprüfung vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nrn 31 und 32) in der Gestalt, die er durch das angenommene Teilanerkenntnis vom 2. Mai 2017 gewonnen hat. Die hiergegen gerichtete Klage ist als Anfechtungs- und Bescheidungsklage (§§ 54 Abs 1, 131 Abs 3 Sozialgerichtsgesetz <SGG>) statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Der Beklagte hat die Honorare der Klägerin zu Unrecht iHv (jetzt noch) 8.562,28 Euro gekürzt.

1. a) Gesetzliche Grundlage der vorliegenden Wirtschaftlichkeitsprüfung ist § 106 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB V (idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000 vom 22. Dezember 1999 <BGBl I 2626>). Danach wird die Wirtschaftlichkeit der vertragsärztlichen Versorgung durch arztbezogene Prüfung ärztlicher und ärztlich verordneter Leistungen auf der Grundlage von arztbezogenen und versichertenbezogenen Stichproben geprüft, die mindestens 2 vH der Ärzte je Quartal umfassen (Zufälligkeitsprüfung). Dies gilt - ebenso wie die übrigen Regelungen in § 106 SGB V - entsprechend für Vertragszahnärzte (§ 72 Abs 1 S 2 SGB V). Gegenstand der Zufälligkeitsprüfung ist nach § 106 Abs 2a Nr 1 SGB V insbesondere die medizinische Notwendigkeit der Leistungen (Indikationen). Der der Zufälligkeitsprüfung zugrunde zu legende Zeitraum beträgt gemäß § 106 Abs 2 S 6 SGB V (idF des GKV-Modernisierungsgesetzes <GMG> vom 14. November 2003 <BGBl I 2190>) mindestens ein Jahr.

Die in § 106 Abs 2 und 2a SGB V getroffenen Regelungen zur Zufälligkeitsprüfung betreffen allerdings nur das Verfahren zur Ermittlung der zu prüfenden Vertragsärzte (Clemens in: jurisPK-SGB V, 3. Aufl, § 106 Rn 356 mwN). Sind die zu prüfenden Ärzte auf der Grundlage von Stichproben ausgewählt worden, wird die eigentliche Wirtschaftlichkeitsprüfung nach einer der in der Rechtsprechung anerkannten Prüfmethoden (vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 17) durchgeführt (Clemens aaO, Rn 356). Welche Prüfmethode im Einzelfall angewandt wird, ist im Grundsatz von den Prüfgremien zu entscheiden, denen insoweit ein Beurteilungsspielraum zusteht, sodass deren Einschätzungen von den Gerichten nur in begrenztem Umfang überprüft und ggf beanstandet werden können (BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 19 und Nr 55). Haben die Landesverbände der Krankenkassen bzw die Verbände der Ersatzkassen und die Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung (K<Z>ÄV) auf der Grundlage von § 106 Abs 3 S 1 SGB V (idF des GKV-Gesundheitsreformgesetzes 2000, aaO) allerdings eine Vereinbarung über die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung getroffen und hierbei das anzuwendende Prüfverfahren festgelegt, müssen die Prüfgremien diese grundsätzlich befolgen. Dies folgt aus deren Rechtsnatur als Normvertrag auf der Ebene des Gesamtvertrags, zu dessen wesentlichen Merkmalen es gehört, dass seine Regelungen für die von ihm betroffenen Beteiligten bindend sind (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8 und Nr 27). Etwas Anderes gilt nur, soweit die Prüfvereinbarung gegen (höherrangiges) Bundesrecht verstößt, wie es va durch die Rechtsprechung des BSG zu den Grundlagen des Rechts der Wirtschaftlichkeitsprüfung ausgestaltet ist; hierzu gehört insbesondere die Pflicht, für eine effektive Überwachung der Wirtschaftlichkeit der ärztlichen Leistungserbringer zu sorgen (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 33 und Nr 53; SozR 4-2500 § 106 Nr 8; Senatsurteil vom 29. Januar 2014 - L 3 KA 101/12). Erweist sich die Wirtschaftlichkeitsprüfung auf der Grundlage der in der PrüfV vorgesehenen Prüfmethode als nicht aussagekräftig, nicht durchführbar oder nicht effektiv, können und müssen die Prüfgremien deshalb auf andere Prüfmethoden zurückgreifen (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 8 und Nr 17).

b) Maßgeblich ist damit die von der zu 1. beigeladenen KZÄV und den Landesverbänden der Krankenkassen bzw den Ersatzkassen abgeschlossene Vereinbarung über die Durchführung der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach § 106 SGB V vom 15. Januar 2009 (im Folgenden: PrüfV). Dort ist unter § 6a Abs 4 geregelt, dass die Zufälligkeitsprüfung der Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise durch die Prüfungsstelle und den Beschwerdeausschuss im Rahmen einer repräsentativen Einzelfallprüfung erfolgen. Je geprüftem Zahnarzt müssen die jahresbezogenen Behandlungsverläufe von 20 % der Versicherten, mindestens aber die jahresbezogenen Behandlungsverläufe von 100 Versicherten herangezogen werden. Bei dieser Methode ist außerdem für die Hochrechnungen grundsätzlich ein Sicherheitsabschlag von 25 % vorzunehmen.

Hintergrund dieser Regelung ist die st BSG-Rspr, nach der die „eingeschränkte Einzelfallprüfung mit anschließender Hochrechnung“ bzw die „repräsentative Einzelfallprüfung“ grundsätzlich zulässig ist (SozR 3-2500 § 106 Nr 10 und Nr 33; SozR 4-2500 § 106 Nr 8 und Nr 46). Soweit das BSG diese Prüfmethode als nachrangig gegenüber der Wirtschaftlichkeitsprüfung nach Durchschnittswerten angesehen hat mit der Folge, dass die repräsentative Einzelfallprüfung nur rechtmäßig ist, wenn eine Prüfung nach Durchschnittswerten nicht durchführbar oder nicht aussagekräftig wäre (vgl zB SozR 4-2500 § 106 Rn 8), kann hieran allerdings nicht festgehalten werden. Denn dieser Rechtsprechung lag die Annahme zugrunde, dass es sich bei der Prüfung nach Durchschnittswerten um die gesetzlich vorgesehene Regelprüfmethode handelt (vgl zB BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 50; SozR 4-2500 § 106 Nr 23 und Nr 46). Dies ist seit 2004 aber nicht mehr der Fall, nachdem die Vorgabe dieser Methode in § 106 Abs 2 S 1 Nr 1 SGB V durch das GMG (aaO) aufgehoben und stattdessen lediglich die Möglichkeit vorgesehen worden ist, die Prüfung nach Durchschnittswerten in den Prüfvereinbarungen zu regeln (§ 106 Abs 2 S 4 SGB V).

Voraussetzung der eingeschränkten Einzelfallprüfung mit Hochrechnung ist nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 3-2500 § 106 Nr 10; SozR 4-2500 § 106 Nr 46), dass sich bei der Überprüfung der Behandlungsweise eine ständig wiederkehrende Verhaltensweise des Arztes feststellen lässt, die von den Prüfgremien als unwirtschaftlich beurteilt wird. Zudem ist es erforderlich, pro Quartal einen prozentualen Anteil von mindestens 20 % der abgerechneten Fälle - bezogen auf die Gesamtzahl der vom geprüften Arzt behandelten Patienten - zu überprüfen, die zugleich mindestens 100 Behandlungsfälle umfassen müssen. Dabei ist sicherzustellen, dass die zu prüfenden Einzelfälle nach generellen Kriterien ermittelt werden. Der bei dieser Prüfung ermittelte unwirtschaftliche Behandlungsumfang kann auf die Gesamtheit der Fälle hochgerechnet werden, doch ist wegen der mit dieser Methode einhergehenden Unsicherheit bei der Bemessung des Kürzungsbetrags ein Sicherheitsabschlag von 25 % des danach als unwirtschaftlich ermittelten Gesamtbetrages vorzunehmen (BSG aaO).

Mit diesen Anforderungen steht § 6a Abs 4 PrüfV im Einklang. Dort ist sowohl die Prüfung von 20 % der Versicherten - mindestens aber der (jahresbezogenen) Behandlungsverläufe von 100 Versicherten - vorgesehen als auch ein Sicherheitsabschlag von 25 %. Die weitere Voraussetzung der eingeschränkten Einzelfallprüfung mit Hochrechnung, dass sich eine ständig wiederkehrende Verhaltensweise des Arztes feststellen lässt, die unwirtschaftlich ist, ist in der PrüfV zwar nicht ausdrücklich aufgenommen worden. Sie ist vom Senat aber zusätzlich zu untersuchen, weil - wie dargelegt - diese bundesrechtliche Vorgabe der BSG-Rechtsprechung dem Inhalt der Prüfvereinbarungen vorgeht.

2. Der angefochtene Bescheid vom 10. Januar 2012 steht jedoch mit den Vorgaben der PrüfV bzw der BSG-Rechtsprechung nicht in Übereinstimmung.

a) In Hinblick auf einen erheblichen Teil der geprüften Leistungen ist die Kürzungsentscheidung des Beklagten schon deshalb rechtswidrig, weil er inhaltlich sachlich-rechnerische Berichtigungen (§ 106a Abs 2 SGB V idF des GMG) vorgenommen hat, für die ihm die Zuständigkeit fehlt. Das ergibt sich - neben § 106a Abs 2 SGB V - aus § 18 PrüfV, wonach die     Prüfeinrichtungen die Abrechnung an die Beigeladene zu 1. zur Überprüfung zurückzugeben haben, wenn sie im Rahmen ihrer Tätigkeit rechnerische und sachliche Fehler feststellen (S 1). Ist ein Fehler für das Prüfverfahren von Bedeutung, wird das Wirtschaftlichkeitsprüfverfahren bis zum Abschluss der Überprüfung ausgesetzt (S 2); das Ergebnis der Überprüfung durch die Beigeladene zu 1. teilt diese den Prüfeinrichtungen anschließend mit (S 3). Diese Regelung entspricht der Vorgabe der Richtlinien der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung und der Spitzenverbände der Krankenkassen nach § 106 Abs 2b SGB V zum Inhalt und zur Durchführung der Prüfungen nach § 106 Abs 2 S 1 Nr 2 SGB V (Zufälligkeitsprüfung) vom 19. Dezember 2007, die in § 9 Abs 2 regeln, dass die Zufälligkeitsprüfung Veranlassung geben kann, ein Verfahren der sachlich-rechnerischen Berichtigung nach § 106a Abs 2 SGB V einzuleiten.

Sie steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des BSG (SozR 4-2500 § 106 Nr 10 und Nr 15), die trotz des Wortlauts  des § 106a Abs 2 S 1 SGB V eine „Randzuständigkeit“ der Prüfgremien für sachlich-rechnerische Richtigstellungen annimmt, die im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung vorgenommen werden. Denn zum einen ist der BSG-Rechtsprechung nicht zu entnehmen, dass die Prüfgremien sachlich-rechnerische Berichtigungen selbst vornehmen müssen, sondern nur das Recht hierzu haben, wenn sie im Zusammenhang mit ihrer Aufgabe der Wirtschaftlichkeitsprüfung auf entsprechende Abrechnungsfehler stoßen. Die Parteien der PrüfV sind deshalb berechtigt, abweichend hiervon zu regeln, dass es ausschließlich Aufgabe der KZÄV ist, die sachlich-rechnerische Richtigkeit der vertragszahnärztlichen Abrechnungen zu untersuchen. Anhaltspunkte dafür, dass hierdurch eine effektive Wirtschaftlichkeitsprüfung erschwert wird, sind nicht ersichtlich. Zum anderen bejaht das BSG (aaO) eine entsprechende Annexkompetenz nur, wenn die sachlich-rechnerischen Richtigstellungen nicht den Schwerpunkt der Prüfung ausmachen. Dies ist vorliegend - hierzu sogleich -  aber der Fall. Nichts anderes ergibt sich schließlich daraus, dass es den Prüfgremien nach der BSG-Rechtsprechung (SozR 3-2500 § 106 Nr 15) in bestimmten Fällen freisteht,  zweifelhafte Gebührenansätze nicht sachlich-rechnerisch berichtigen zu lassen, sondern hinzunehmen und stattdessen íhre Wirtschaftlichkeit zu prüfen. Denn dies gilt nur im Rahmen der Vergleichsprüfung nach Durchschnittswerten und setzt voraus, dass die sachlich-rechnerische Prüfung unmöglich oder mit unzumutbarem Aufwand verbunden wäre (BSG aaO). Streitbefangen ist hier aber eine Einzelfallprüfung und der Beklagte hat sich im Ergebnis in zahlreichen Fällen bereits festgelegt, dass die Voraussetzungen einzelner GOP nicht vorliegen.

So ergibt sich aus der Begründung des angefochtenen Bescheids, dass der Beklagte in 25 Einzelfällen eine unwirtschaftliche Behandlungsweise festgestellt hat. In elf dieser Fälle, in denen die Klägerin die GOP 56a-Zy1 abgerechnet hatte, ist er dabei davon ausgegangen, dass auf den entsprechenden Röntgenaufnahmen „keine eindeutige Zyste“ zu erkennen ist. Damit ist aber von vornherein der Tatbestand der GOP nicht erfüllt, der die „Operation einer Zyste durch Zystektomie“ regelt. Sollte sich die Würdigung der radiologischen Befunde durch den Beklagten als richtig erweisen, hätte die Klägerin deshalb nicht nur unwirtschaftliche, sondern überhaupt keine Zystektomien iSd GOP 56a-Zy1 erbracht   (vgl Senatsentscheidung vom 25. Juni 2014 - L 3 KA 101/10; Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 20. Juni 2006 - L 4 KA 20/05 - juris). Dieser Abrechnungsfehler ist deshalb im Rahmen der sachlich-rechnerischen Berichtigung zu korrigieren (BSG, Beschluss vom 13. Dezember 2000 - B 6 KA 28/00 B; SG Marburg, Urteil vom 3. Juni 2009 - S 12 KA 520/08 mwN; SG Hannover, Urteil vom 9. August 2017 – S 35 KA 22/14; jeweils juris).

Vergleichbares gilt (zumindest) für einige der acht Fälle, in denen die Honorare für Leistungen nach den GOP 51a-Pla1 bzw 51b-Pla0 gekürzt worden sind. Diese GOP betreffen den „plastischen Verschluss einer eröffneten Kieferhöhle …“ und setzen deshalb bereits tatbestandlich  voraus, dass eine Eröffnung der Kieferhöhle vorliegt (sog Mund-Antrum-Verbindung, vgl Liebold/Raff/Wissing, Bema-Z, Stand: April 2014, Anm zu Nr 51). Diesen Befund hat der Beklagte aber jedenfalls bei den Versicherten E.Z., L.R., U.S. und G.M. verneint, wenn er auf der Grundlage der beigezogenen Röntgenaufnahmen ausführt, „ein Kontakt zur Kieferhöhle“ sei nicht nachvollziehbar. Wenn er bei den übrigen Versicherten zur Begründung seiner Honorarkürzung lediglich ausführt, er habe sich „ebenfalls nicht von einem wirtschaftlichen Ansatz dieser Geb.Nr. überzeugen“ können, bleibt offen, worin der Grund für die Unwirtschaftlichkeit bestehen soll. Sollte es auch in diesen Fällen an einer Eröffnung der Kieferhöhle fehlen, hätte der Beklagte der Beigeladenen zu 1. alle acht Fälle zur Untersuchung der sachlich-rechnerischen Richtigkeit vorlegen müssen.

b) Der Bescheid vom 10. Januar 2012 steht aber auch im Widerspruch zu den besonderen rechtlichen Vorgaben für die repräsentative Einzelfallprüfung mit Hochrechnung.

aa) So kann bereits nicht festgestellt werden, dass der Beklagte die in § 6a Abs 4 PrüfV vorgesehene Mindestzahl von Behandlungsverläufen im Jahreszeitraum III/2009 bis II/2010 nach den Regeln der (eingeschränkten) Einzelfallprüfung untersucht hat. Dabei ist klarzustellen, dass die Formulierung „20 % der Versicherten, mindestens aber die jahresbezogenen Behandlungsverläufe von 100 Versicherten“ - entsprechend den oa Vorgaben des BSG - so zu verstehen ist, dass beide Mindestzahlen erreicht werden müssen. Der Nennung von mindestens 100 Versicherten kommt deshalb nur dann ausschlaggebende Bedeutung zu, wenn ein Anteil von 20 % weniger als 100 Versicherte ausmachen würde.

(1) Wie der Beklagte im angefochtenen Bescheid zutreffend zugrunde gelegt hat, entsprechen 20 % der Gesamtpatientenzahl der Klägerin im Prüfzeitraum (2.946) 590 Versicherten. Nach der Begründung des angefochtenen Bescheids hat der Beklagte aber nur etwa 1/3 dieser Anzahl tatsächlich nach den Regeln der eingeschränkten Einzelfallprüfung untersucht. Bei dieser Prüfmethode untersuchen die Prüfinstanzen - regelmäßig unter Heranziehung von sachverständigen (Zahn-)Ärzten - Behandlungsfälle eines (Zahn-)Arztes aufgrund seiner Behandlungsangaben  und –unterlagen  (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 10). Dabei wird die vom
(Zahn-)Arzt dokumentierte Diagnose als zutreffend zugrunde gelegt und überprüft, ob auf dieser Grundlage der vom (Zahn-)Arzt vorgenommene Behandlungs- und Verordnungsumfang gerechtfertigt ist (BSG aaO; SozR 4-2500 § 106 Nr 17). Eine derartige Prüfung ist hier aber nur zu 213 Versicherten durchgeführt worden. Das folgt schon daraus, dass die Klägerin die Behandlungsdokumentation von lediglich 213 namentlich benannten Patienten vorlegen musste, sodass die Prüfgremien auch nur in diesem Umfang (7,2 % der Gesamtpatientenzahl) überprüfen konnte, ob die erbrachten Behandlungsleistungen angesichts der von den Zahnärzten der Klägerin gestellten Diagnosen indiziert waren.

Demgegenüber beruft sich der Beklagte im Berufungsverfahren vergeblich darauf, dass auch die übrigen 377 Behandlungsverläufe daraufhin überprüft worden seien, ob sie zahnmedizinisch nachvollziehbar und plausibel seien; da dies bejaht worden sei, habe man insoweit keine Behandlungsdokumentationen bzw Röntgenaufnahmen mehr angefordert. Es trifft zwar zu, dass Fälle, bei denen (etwa anlässlich einer Kontrolluntersuchung) nur allgemeine diagnostische oder Beratungsleistungen erbracht worden sind, ohne dass ein bestimmter Zahn behandelt worden ist, im Allgemeinen keinen Anlass zu weitergehenden Untersuchungen wegen unwirtschaftlicher Behandlungsweise geben. Dass dies bei 377 Versicherten der Fall gewesen sein soll, kann der Beklagte aber nicht überzeugend darlegen, indem er - in seinem Schriftsatz vom 26. April 2017 – im Berufungsverfahren lediglich drei solcher Fälle anführt. Abgesehen davon ist dies ein zentraler Punkt des Prüfvorgangs und muss sich deshalb bereits in der Begründung des Prüfbescheids (§ 35 Abs 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch <SGB X>) wiederfinden. Entsprechende Darlegungen hierzu finden sich im Bescheid vom 10. Januar 2012 aber nicht.

Erschwerend tritt hinzu, dass der Beklagte im Berufungsverfahren (Schriftsatz vom 15. September 2017) ergänzend ausgeführt hat, „dass für die Wirtschaftlichkeitsprüfung die Durchsicht der Behandlungsverläufe durch die Prüfungsstelle und nicht durch den Beklagten erfolgt“ ist. Damit liegt jedenfalls dem vorliegend allein zu untersuchenden Bescheid des Beschwerdeausschusses keine ausreichende Einzelfallprüfung zugrunde. Da es sich bei dem Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss um ein eigenständiges und umfassendes Verwaltungsverfahren in einer zweiten Verwaltungsinstanz handelt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 22) und seine Entscheidung den Verwaltungsakt der Prüfungsstelle ersetzt (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 35; SozR 4-2500 § 106 Nr 31), muss die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise vor dem Beschwerdeausschuss im gleichen Umfang wie vor der Prüfungsstelle geprüft werden (Engelhard in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand: Januar 2018, § 106 Rn 589; vgl hierzu auch BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 42). Seiner Pflicht zur vollständigen Prüfung der Wirtschaftlichkeit in der zweiten Verwaltungsinstanz kommt der Beklagte aber nicht nach, wenn er das Ergebnis von Vorprüfungen der Prüfungsstelle - wie hier die der „Plausibilität“ von 377 Behandlungsverläufen - unkritisch übernimmt, ohne sie in eigener Verantwortung wenigstens nachzuvollziehen und dies in der Begründung seines Bescheids zu dokumentieren.

Demgegenüber könnte nicht eingewandt werden, dass sich die fehlende Prüfung von 377 als „plausibel“ eingestufter Behandlungsverläufe im vorliegenden Kürzungsverfahren im Ergebnis zugunsten der Klägerin auswirkt. Dies trifft schon deshalb nicht zu, weil die Prüfung von mindestens 20 % der behandelten Versicherten erforderlich ist, damit die Einzelfallprüfung mit Hochrechnung überhaupt eine zuverlässige Beweismethode für die Feststellung einer unwirtschaftlichen Behandlung sein kann (BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 10; SozR 4-2500 § 106 Nr 8).  Aufgrund einer eingeschränkten Einzelfallprüfung von lediglich 7,2 % der Versicherten liegt von vornherein keine ausreichende statistische Basis für die anschließend (vgl hierzu unten bb>) durchzuführende Prüfung vor, ob die als unwirtschaftlich eingestuften Fälle repräsentativ für das gesamte Behandlungsverhalten der betroffenen Zahnärzte sind.

(2) Es liegt auch kein Fall vor, in dem man ausnahmsweise eine geringere Zahl geprüfter Patienten als 20 % ausreichen lassen könnte. Im Schrifttum wird zwar die Auffassung vertreten, im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung seien geringere Anforderungen an die Mindestzahl der untersuchten Fälle zu stellen, weil dort der Wahrscheinlichkeitsgrad, durch die Prüfung der Behandlungsscheine und der Karteikarten zum richtigen Ergebnis zu kommen, wesentlich höher sei als bei ärztlichen Abrechnungen (Engelhard aaO, Rn 144 unter Hinweis auf das Urteil des LSG Rheinland-Pfalz vom 30. Juni 1994 - L 5 Ka 37/93 <juris>, das allerdings durch BSG SozR 3-2500 § 106 Nr 33 wieder aufgehoben worden ist). Angesichts der eindeutigen Regelung in § 6 Abs 4 PrüfV, die insoweit keine Spielräume vorsieht, kann dem hier aber nicht gefolgt werden. Im Übrigen hat das BSG (SozR 4-2500 § 106 Nr 46) inzwischen auch klargestellt, dass es auch bei Arztpraxen mit homogenem Leistungsverhalten (betroffen war im genannten Fall ein Facharzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe, der sich auf Maßnahmen der künstlichen Befruchtung spezialisiert hatte) grundsätzlich beim Erfordernis der Einbeziehung von 20 % der Fälle bzw von mindestens 100 Fällen zu bleiben hat. Für Vertragszahnärzte kann nichts Anderes gelten, auch wenn man davon ausgeht, dass im Rahmen der zahnärztlichen Behandlung die Häufigkeit gleichgelagerter Behandlungsstrukturen größer ist als bei Ärzten. Das BSG hat aaO vom Erfordernis, wenigstens 1/5 der Gesamtzahl der Fälle zu untersuchen, lediglich dann eine Ausnahme gemacht, wenn es in der Verantwortung des geprüften Arztes gelegen hat, dass eine entsprechende Zahl von Behandlungsunterlagen nicht vorgelegt wurde. Ein derartiger Fall liegt hier aber nicht vor.

bb) Der Bescheid vom 10. Januar 2012 ist ferner rechtswidrig, weil ihm nicht zu entnehmen ist, dass und warum die als unwirtschaftlich angesehenen Einzelleistungen einer ständig wiederkehrenden Verhaltensweise der Zahnärzte der Klägerin entsprechen. Eine solche Feststellung ist nach der Rechtsprechung des BSG (SozR 4-2500 § 106 Nr 46 Rn 18: „zudem“) - auf der Grundlage der Prüfung von mindestens 20 % der Patienten - eine eigenständige Voraussetzung der Einzelfallprüfung mit Hochrechnung. Nur wenn diese Feststellung getroffen werden kann, können die als unwirtschaftlich qualifizierten Einzelfälle als „repräsentativ“ für das gesamte Leistungsverhalten des (Zahn)arztes angesehen werden und eine Hochrechnung der in den Einzelfällen angemessenen Kürzungen auf das Gesamthonorar ist gerechtfertigt. Entsprechende Darlegungen gehören deshalb auch zu der nach § 35 Abs 1 SGB X erforderlichen Bescheidbegründung.

Dies gilt umso mehr, als der  Beklagte vorliegend nicht die Wirtschaftlichkeit der gesamten Behandlungsweise von 20 % der Versicherten, sondern nur Einzelleistungen geprüft hat. Diese werden regelmäßig nicht bei allen (hier: 590) zu untersuchenden Patienten erbracht worden sein, sodass es insoweit ergänzender Feststellungen bedarf, warum bei den geprüften Einzelleistungen der Schluss gerechtfertigt ist, dort festgestellte Unwirtschaftlichkeiten seien „repräsentativ“ für das gesamte Behandlungsverhalten in Hinblick auf eine GOP. Im Anschluss an BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 8(in juris: Rn 31) ist es hierbei sachgerecht, die Zahl der als unwirtschaftlich beurteilten Einzelleistungen einer GOP ins Verhältnis zur Gesamtzahl dieser GOP-Ansätze zu setzen, die sich in der gezogenen Stichprobe von 20 % aller Versicherten finden. Je größer dieser Anteil ist, desto näher liegt die Annahme, dass die unwirtschaftliche Leistungserbringung repräsentativ für das gesamte Abrechnungsverhalten der Zahnärzte ist, und desto geringer sind die Anforderungen an die Begründung für die Feststellung einer ständig wiederkehrenden Verhaltensweise. Haben sich beispielsweise  50 % der geprüften Einzelleistungen als unwirtschaftlich erwiesen, liegt der Schluss auf eine ständig wiederkehrende Verhaltensweise des Zahnarztes nahe, ohne dass es in der Regel ergänzender Darlegungen hierzu bedarf. Bei einem geringeren Anteil unwirtschaftlicher Einzelleistungen können im Einzelfall aber ergänzende Darlegungen erforderlich sein (zB dergestalt, dass routinemäßig abgerechnete Leistungskombinationen festgestellt wurden oä), um zu vermeiden, dass „Ausreißer“ zur Grundlage einer Hochrechnung werden. Sollte sich in der gezogenen Stichprobe nur ein verhältnismäßig kleiner Teil der insgesamt im Prüfzeitraum abgerechneten Einzelleistungen finden, kann dies überdies die Einschätzung erschweren oder unmöglich machen, dass die als unwirtschaftlich ermittelten Einzelleistungen repräsentativ für das gesamte Behandlungsverhalten sind (wenn zB eine GOP  insgesamt 120mal abgerechnet worden ist, in der Stichprobe finden sich aber nur sechs Abrechnungen).

Angesichts dessen, dass der Beklagte (wie unter 2.a> dargelegt: zu Unrecht) im Ergebnis überwiegend sachlich-rechnerische Berichtigungen durchgeführt hat, bleiben nur wenige Leistungen, für die im Rechtssinne Unwirtschaftlichkeit festgestellt worden ist. Dies sind vier Fälle, in denen der plastische Verschluss einer eröffneten Kieferhöhle abgerechnet worden war (GOP 51a-Pla1 bzw 51b-Pla0), ohne dass sich der Beklagte „von einem wirtschaftlichen Ansatz dieser Geb.Nr. überzeugen“ konnte. Hinzu kommen vier Fälle von Extraktionen, in denen die Klägerin die GOP 45-X3 in Ansatz gebracht hatte, während der Beklagte die Leistung nach 43-X1 für ausreichend gehalten hat, sowie zwei Fälle, in denen die Entfernung eines Zahnes durch Osteotomie (GOP 47a-Ost1) abgerechnet worden war, der Beschwerdeausschuss aber eine Osteotomie nicht für erforderlich gehalten hat. Warum diese wenigen Fälle in den Quartalen III/2009 bis II/2010 einer ständig wiederkehrenden Verhaltensweise der klägerischen Zahnärzte entsprechen soll, wird nicht dargelegt und ist auch nicht nachvollziehbar. Insbesondere kann dem angefochtenen Bescheid nicht entnommen werden, wie viele Leistungsansätze von Pla1 bzw Pla0, X3 und Ost1 sich in der Stichprobe gefunden haben und wie hoch der Anteil der unwirtschaftlich erbrachten Fälle im Verhältnis zur vorgefundenen Gesamtzahl demzufolge ist (ausweislich der in der Verwaltungsakte ersichtlichen Frequenzstatistiken sind  Pla1- und Pla0-Leistungen im Prüfzeitraum in insgesamt immerhin 103 Fällen, X3-Leistungen in 281 Fällen und Osteotomien immer noch in 79 Fällen abgerechnet worden).

3. Nach alledem war der angefochtene Bescheid aufzuheben und der Beklagte war zur erneuten Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit der Behandlungsweise in den Quartalen III/2009 bis II/2010 zu verurteilen. Bei der erneuten Prüfung nach § 6a Abs 4 PrüfV muss der Beklagte die Behandlungsunterlagen (einschließlich der Röntgenaufnahmen) der Klägerin zu weiteren 377 Patienten heranziehen. Dabei ist klarzustellen, dass es zu Lasten der Klägerin gehen würde, wenn sie entsprechende Unterlagen nicht mehr vorlegen könnte. Die Aufbewahrungspflicht für vertragszahnärztliche Aufzeichnungen ist zwar nach § 5 Abs 2 S 1 Bundesmantelvertrag-Zahnärzte (BMV-Z) bzw § 7 Abs 3 S 2 Ersatzkassenvertrag-Zahnärzte (EKV-Z) auf vier Jahre beschränkt. Dauert - wie vorliegend - ein Prüfverfahren aber länger als dieser Zeitraum, entspricht es einer verwaltungsverfahrensrechtlichen Obliegenheit des geprüften Zahnarztes, Unterlagen, die für das Prüfverfahren relevant werden können, bis zu dessen Abschluss aufzubewahren. Die Behandlungsabläufe zu insgesamt 590 Versicherten hat der Beklagte im Anschluss nach den Regeln der sog eingeschränkten Einzelfallprüfung daraufhin zu prüfen, ob die dort erbrachten Leistungen auf der Grundlage der vorliegenden Dokumentation wirtschaftlich, dh insbesondere zahnmedizinisch indiziert waren. Dabei kann der Beklagte - nach vorheriger Anhörung der Klägerin (vgl Senatsurteil vom 24. Februar 2016 - L 3 KA 92/12) - auch die gesamte Behandlungsplanung und -durchführung bei den einzelnen Patienten oder andere Einzelleistungen prüfen als die bisher von ihm untersuchten, weil er das Verbot der sog reformatio in peius nur in Hinblick auf die Höhe der festgesetzten Honorarkürzung zu beachten hat. Aus Vertrauensschutzgründen ist allerdings eine erneute Prüfung der Einzelleistungen ausgeschlossen, die der Beklagte im Bescheid vom 10. Januar 2012 ausdrücklich als wirtschaftlich angesehen hat. Die Durchführung sachlich-rechnerischer Richtigstellungen gemäß § 18 PrüfV hat der Beklagte der Beigeladenen zu 1. zu überlassen ist; ist die vorherige Richtigstellung für das Prüfverfahren von Bedeutung, muss er dieses bis zum Abschluss des Richtigstellungsverfahrens  gemäß § 18 S 2 PrüfV aussetzen (zur Hemmung der vierjährigen Ausschlussfrist in diesem Zeitraum vgl BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 15).

Die Fälle, in denen unwirtschaftliche Einzelleistungen festzustellen sind, sind sodann ins Verhältnis zur Gesamtzahl der entsprechenden GOP in der 20 % der Versicherten umfassenden Stichprobe zu setzen. Nur wenn die Zahl der unwirtschaftlichen Leistungsansätze dabei so auffällig ist, dass der Schluss auf eine ständig wiederkehrende Verhaltensweise der Zahnärzte gerechtfertigt ist, kann eine Hochrechnung der Honorare, die auf die unwirtschaftlichen Einzelleistungen entfallen, auf die Gesamtzahl der Versicherten (dh: durch Multiplikation mit fünf) erfolgen. Andernfalls können nur die ermittelten unwirtschaftlichen Einzelleistungen gekürzt werden.

Sollte sich die eingeschränkte Einzelfallprüfung mit Hochrechnung nach diesen Maßgaben als ineffektiv erweisen - hierauf weist der Senat nur ergänzend hin -, müsste der Beklagte prüfen, ob stattdessen eine Prüfung nach Durchschnittswerten in Betracht kommt, zu der die Klägerin erneut anzuhören wäre; die Gründe für die Annahme einer fehlenden Effektivität müssten im neuen Prüfbescheid dargelegt werden. Anhaltspunkte hierfür könnten insoweit bestehen, als die in der Verwaltungsakte ersichtlichen Statistiken in der Sparte „chirurgische Leistungen ohne Anästhesien für Par und ZE“ teilweise Überschreitungen des Fachgruppendurchschnitts von mehr als 60 % ergeben.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs 1 S 1 Halbs 3 SGG iVm §§ 154 Abs 1 und 3, 159 S 1, 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe, die Revision zuzulassen (§ 160 Abs 2 SGG), liegen nicht vor.

Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus der Anwendung von § 197a Abs 1 S 1 Halbs 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1 S 1, 52 Abs 3 S 1 Gerichtskostengesetz (GKG).