Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 16.02.2018, Az.: L 8 SO 69/15
SGB-XII-Leistungen; Untersuchungshaft; Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus; Deckung des sozio-kulturellen Existenzminimums; Gewährung eines Barbetrags bzw. Taschengeldes; Drohender Wohnungsverlust nach der Haftentlassung
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 16.02.2018
- Aktenzeichen
- L 8 SO 69/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2018, 17156
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hildesheim - 23.02.2015 - AZ: S 44 SO 49/12
Rechtsgrundlagen
- § 19 Abs. 1 SGB XII
- §§ 27ff. SGB XII
- § 126 StPO
- § 27b Abs. 2 S. 2 SGB XII
- § 67 SGB XII
Fundstellen
- FEVS 2019, 181-188
- info also 2019, 192
Redaktioneller Leitsatz
1. Der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt zur Deckung des sozio-kulturellen Existenzminimums bemisst sich für vorläufig im Maßregelvollzug Untergebrachte nach § 27b Abs. 2 Satz 2 SGB XII in analoger Anwendung.
2. Mit dem Barbetrag zur Deckung des weiteren notwendigen Lebensunterhalts in stationären Einrichtungen nach § 27b Abs. 2 SGB XII soll der Leistungsberechtigte die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens bestreiten, d.h. Aufwendungen für Körperpflege und Reinigung, für die Instandhaltung der Schuhe, Kleidung und Wäsche in kleinerem Umfang sowie für die Beschaffung von Wäsche und Hausrat von geringem Anschaffungswert abgegolten werden.
3. In Rechtsprechung und Literatur ist es allgemein anerkannt, dass Personen, die sich in Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten, einen sozialhilferechtlichen Anspruch auf Gewährung eines Barbetrags bzw. Taschengeldes haben können, soweit sie die entsprechenden Leistungen nicht von der Einrichtung selbst erhalten.
4. Nach der Rechtsprechung des BSG gehört ein drohender Wohnungsverlust nach der Haftentlassung im Grundsatz zu den "besonderen Lebensumständen mit sozialen Schwierigkeiten" i.S. des § 67 SGB XII, weil der Verlust der Wohnung ähnlich wie der Verlust des Arbeitsplatzes für einen Haftentlassenen deutlich schwerer zu kompensieren ist als für andere Bürger, selbst dann, wenn der aus der Haft Entlassene nicht auf existenzsichernde Leistungen angewiesen ist.
5. Da die "besonderen Lebensumstände" verbunden mit "sozialen Schwierigkeiten" in diesen Fällen eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf die zu erwartende Situation bei Haftentlassung notwendig machen, ist eine Beurteilung des Anspruchs in zeitlicher Hinsicht vorgegeben: Je näher die Haftentlassung bevorsteht, desto konkreter kann sich die Notwendigkeit von Geldleistungen anstelle sonstiger Hilfen ergeben.
Tenor:
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 23. Februar 2015 und der Bescheid der Stadt Göttingen vom 9. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 29. Februar 2012 aufgehoben sowie die Leistungsbewilligung für den Monat November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 29. Februar 2012 geändert.
Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 16. bis zum 30. November 2011 einen Betrag von 30,94 EUR, für Dezember 2011 einen Betrag von 98,28 EUR und für die Zeit von Januar bis März 2012 einen Betrag von 100,98 EUR je Monat zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des Klägers für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Zahlung eines monatlichen Barbetrages für die Zeit einer einstweiligen Unterbringung nach Maßgabe des § 126a Strafprozessordnung (StPO) vom 16. November 2011 bis zum 31. März2012 sowie die Übernahme von Kosten der Unterkunft und Heizung für die Monate Dezember 2011 und Januar 2012.
Der 1971 geborene Kläger bezog bis Anfang Januar 2011 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Vom 15. Januar bis zum 15. November 2011 befand er sich in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Rosdorf; der Kläger hatte am 15. Januar 2011 in Göttingen mehrere Menschen durch Messerstiche teils lebensgefährlich verletzt. Für die Zeit der Untersuchungshaft gewährte der Beklagte dem Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt in monatlicher Höhe von 36,40 EUR (10 % der Regelbedarfsstufe 1) und übernahm die Kosten für Unterkunft und Heizung von 271,00 EUR Euro je Monat, bewilligt durch Bescheid der vom Beklagten herangezogenen und in dessen Namen handelnden Stadt Göttingen vom 7. April 2011 für die Monate Januar und Februar 2011. Die Leistungsgewährung in der Zeit vom 1. März bis 30. November 2011 erfolgte ohne schriftlichen Verwaltungsakt durch Überweisung der Leistungsbeträge an den Kläger und seinen Vermieter.
Durch Strafurteil des Landgerichts (LG) Göttingen vom 16. November 2011 (- 6 Ks 4/11 -) wurde der Kläger vom Tatvorwurf des versuchten Totschlags wegen Schuldunfähigkeit freigesprochen und seine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach § 63 Strafgesetzbuch (StGB) angeordnet. Da das Urteil nicht rechtskräftig war, erfolgte ab dem 16. November 2011 (zunächst) eine vorläufige Unterbringung des Klägers in dem Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen, Moringen, nach § 126a StPO.
Nach Anhörung des Klägers teilte die Stadt Göttingen diesem mit Bescheid vom 9. Januar 2012 die Einstellung der Hilfe zum Lebensunterhalt zum 16. November 2011 mit. Während des folgenden Widerspruchsverfahrens kündigte der Vermieter am 14. Januar 2012 den Mietvertrag für die vom Kläger bis Mitte Januar 2011 genutzte Wohnung zum 31. Januar 2012. Ein gegen den Beklagten gerichteter Eilantrag des Klägers vom 19. Januar 2012 auf Gewährung eines Barbetrags hatte erstinstanzlich in der Sache und in zweiter Instanz mangels Statthaftigkeit der Beschwerde keinen Erfolg (SG Hildesheim, Beschluss vom 3. Februar 2012 - S 34 SO 17/12 ER -; Senatsbeschluss vom 23. April 2012 - L 8 SO 54/12 B ER -), ebenso ein weiterer Eilantrag vom 22. März 2012 (- S 34 SO 60/12 ER, L 8 SO 111/12 B ER -). Auch der beim Maßregelvollzugszentrum am 23. Februar 2012 gestellte Antrag auf Gewährung eines Barbetrags wurde abgelehnt (Bescheid des Maßregelvollzugszentrums vom 23. Februar 2012); den hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung verwarf das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig durch Beschluss vom 23. Juli 2012 mangels Substantiierung des geltend gemachten Anspruchs als unzulässig. Bereits zuvor hatte der Beklagte den Widerspruch des Klägers nach Beteiligung sozial erfahrener Dritter (§ 116 Abs. 2 SGB XII) durch Widerspruchsbescheid vom 29. Februar 2012 mit der Begründung zurückgewiesen, dass für die Gewährung eines Barbetrages während einer vorläufigen Unterbringung nach § 126a StPO nicht der Beklagte, sondern nach § 11 des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes (Nds. MVollzG) das Land Niedersachsen zuständig sei. Auf den Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung wurde in der Begründung des Widerspruchsbescheides nicht ausdrücklich eingegangen.
Der Kläger hat am 9. März 2012 beim Sozialgericht (SG) Hildesheim mit der Begründung Klage erhoben, dass der Beklagte gemäß § 43 SGB I jedenfalls zur Gewährung eines Barbetrags als vorläufige Leistung verpflichtet sei. Das Land Niedersachsen bzw. die das Land vertretende Maßregelvollzugseinrichtung gewähre ihm kein Taschengeld, weil es sich nicht für zuständig halte. Der Beklagte sei aber auch unabhängig von § 43 SGB I während der Zeit einer vorläufigen Unterbringung nach § 126a StPO für die Gewährung eines Barbetrags zuständig, weil ein entsprechender Anspruch weder nach dem Nds. MVollzG noch nach dem Niedersächsischen Justizvollzugsgesetz (NJVollzG) bestehe.
Seit der Zurückweisung der Revision durch den Bundesgerichtshof am 12. April 2012 ist das Strafurteil des LG rechtskräftig. Ab diesem Zeitpunkt hat das Land Niedersachsen seine Zuständigkeit und den Anwendungsbereich des Niedersächsischen Maßregelvollzugsgesetzes anerkannt und dem Kläger einen Barbetrag nach § 11 Nds. MVollzG gewährt.
Das SG hat die gegen den Bescheid der Stadt Göttingen vom 9. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 29. Februar 2012 gerichtete Klage durch Urteil vom 23. Februar 2015 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Gewährung eines Barbetrages nach § 27b Abs. 2 Satz 2 SGB XII scheitere daran, dass es sich bei dem Maßregelvollzugszentrum nicht um eine Einrichtung i.S. dieser Norm handele. Einem Anspruch auf laufende Leistungen nach § 19 Abs. 1 SGB XII stehe wiederum der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 SGB XII entgegen, weil der Kläger gegen das Land Niedersachsen (dem Grunde nach) einen Anspruch auf Gewährung eines Taschengeldes nach § 11 Nds. MVollzG hatte, diesen aber zu spät und nur unzureichend verfolgt habe. Auch § 43 SGB I sei nicht einschlägig. Hinsichtlich der Kosten der Unterkunft habe kein Verwaltungsverfahren stattgefunden; die Klage sei insoweit unzulässig, ungeachtet dessen aber auch unbegründet.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger unter Vertiefung seines Vorbringens in erster Instanz am 16. März 2015 Berufung eingelegt.
Der Kläger beantragt schriftsätzlich,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 23. Februar 2015 und den Bescheid der Stadt Göttingen vom 9. Januar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 29. Februar 2012 aufzuheben sowie die Leistungsbewilligung für den Monat November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 29. Februar 2012 zu ändern und
2. den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger Leistungen für Unterkunft und Heizung für die Monate Dezember 2011 und Januar 2012 in Höhe von jeweils 271,00 EUR und für die Zeit vom 16. November 2011 bis zum 31. März 2012 einen Barbetrag in Höhe von 27 % des Regelbedarfs nach der Regelbedarfsstufe 1 zu bewilligen und unter Anrechnung des für die Zeit vom 16. bis 30. November 2011 bereits gewährten Regelbedarfs in Höhe von 18,20 EUR auszuzahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des SG für zutreffend.
Das im erstinstanzlichen Verfahren als Träger des Maßregelvollzugszentrums Niedersachsen (Landesbetrieb i.S. des § 26 Nds. Landeshaushaltsordnung) beigeladene Land Niedersachsen hat keinen Antrag gestellt.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der beigezogenen Prozessakten des SG (- S 34 SO 17/12 ER, L 8 SO 54/12 B ER - und - S 34 SO 60/12 ER, L 8 SO 111/12 B ER -) sowie der Verwaltungsakten des Beklagten (2 Bände) verwiesen. Diese Akten haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet über die Berufung mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG).
Die form- und fristgerecht (§ 151 SGG) eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere ohne Zulassung statthafte (§§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG) Berufung des Klägers ist begründet. Das SG hat die Klage zu Unrecht abgewiesen.
1. Gegenstand der kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklage (§§ 54 Abs. 1 und 4, 56 SGG) ist zum einen der Bescheid der Stadt Göttingen vom 9. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 29. Februar 2012 (§ 95 SGG), mit dem die vom Beklagten herangezogene Stadt Göttingen die dem Kläger während der Untersuchungshaft gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt mit Wirkung ab 16. November 2011 "eingestellt" hat.
Zum anderen ist die Leistungsbewilligung für den Monat November 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 29. Februar 2012 (§ 95 SGG) Gegenstand des Rechtsstreits.
Der Beklagte hatte dem Kläger zunächst für die Zeit der Untersuchungshaft bis einschließlich November 2011 Hilfe zum Lebensunterhalt in monatlicher Höhe von 36,40 EUR (10 % der Regelbedarfsstufe 1) gewährt und Kosten der Unterkunft und Heizung von 271,00 EUR je Monat übernommen. Während die Stadt Göttingen die Leistungen für die Monate Januar und Februar 2011 durch Bescheid vom 7. April 2011 bewilligt hatte, sind die Zahlungen in der Zeit von März bis November 2011 ohne schriftlichen Verwaltungsakt erfolgt, zuletzt am 15. November 2011 für den gesamten Monat November (vgl. Buchungsprotokoll vom gleichen Tag, Bl. 62 d. VA); diese Überweisungen stellen nach der Rechtsprechung des BSG jeweils konkludente Leistungsbewilligungen dar (vgl. etwa BSG, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8 AY 11/07 R - juris Rn. 10), die mangels Rechtsbehelfsbelehrung innerhalb Jahresfrist angreifbar sind (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 SGG i.V.m. § 66 Abs. 2 Satz 1 SGG).
Ab dem 16. November 2011 war der Kläger gemäß § 126a StPO vorläufig im Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen, Moringen, untergebracht. Infolgedessen hat die Stadt Göttingen mit dem angefochtenen Bescheid vom 9. Januar 2012 (in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 29. Februar 2012) die gewährte Hilfe zum Lebensunterhalt "mit Wirkung ab dem 16. November 2011" eingestellt, ohne allerdings die für November 2011 ausgezahlten Leistungen teilweise zurückzufordern. In der Sache stellt diese Verfügung zum einen eine Aufhebung der konkludenten Bewilligung vom 15. November 2011 (s.o.) für die Zeit vom 16. bis 30. November 2011 dar und zum anderen eine Ablehnungsentscheidung für die Zeit ab 1. Dezember 2011. Da der Kläger für die Zeit ab dem 16. November 2011 einen Anspruch auf Gewährung eines Barbetrags in monatlicher Höhe von 27 % der Regelbedarfsstufe 1 (entsprechend § 11 Nds. MVollZG) geltend macht, hat sich sein Widerspruch vom 13. Januar 2012 nach dem Meistbegünstigungsgrundsatz einerseits gegen den (Aufhebungs- und Ablehnungs-) Bescheid vom 9. Januar 2012 bezogen. Andererseits hat er auch die konkludente Bewilligung vom 15. November 2011 (10 % des Regelbedarfs zzgl. Kosten für Unterkunft und Heizung) für die Zeit vom 16. bis zum 30. November 2011 - mangels Rechtsbehelfsbelehrung fristgerecht (s.o.) - der Höhe nach angegriffen. Der Widerspruchsbescheid vom 29. Februar 2012 ist insoweit (auch) dahingehend auszulegen, dass entsprechend der Ausgangsentscheidung für die Zeit ab 16. November 2011 keine - also auch keine höheren - Leistungen nach dem SGB XII bewilligt werden.
Entgegen der Auffassung des SG ist mit dem angefochtenen Bescheid der Stadt Göttingen vom 9. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Beklagten vom 29. Februar 2012 auch über die Ablehnung von Leistungen für Unterkunft und Heizung entschieden worden. Dies ergibt sich aus der Auslegung (§§ 133, 157 BGB) des Ausgangs- und des Widerspruchsbescheides, in denen sowohl im Verfügungssatz (des Ausgangsbescheides) als auch in deren Begründungen auf die während der Untersuchungshaft gewährten Leistungen Bezug genommen worden ist. Diese Leistungen, also auch die Kostenübernahme für Unterkunft und Heizung, sind mit Wirkung ab dem 16. November 2011 "eingestellt" bzw. abgelehnt worden.
2. Der Beklagte ist als örtlicher Träger der Sozialhilfe (§ 3 Abs. 2 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 1 Abs. 2 - bis zum 31. Dezember 2012: § 1 Satz 1 - Niedersächsisches Gesetz zur Ausführung des SGB XII - Nds. AG SGB XII -) für die Entscheidung über den Antrag auf Leistungen nach dem Dritten Kapitel des SGB XII sachlich zuständig (§ 97 Abs. 1, 2 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 6 Abs. 1 Nds. AG SGB XII). Eine sachliche Zuständigkeit des Landes Niedersachsen als überörtlicher Sozialhilfeträger (§ 1 Abs. 3 - bis zum 31. Dezember 2012: § 2 - Nds. AG SGB XII) für die geltend gemachten Leistungen für Unterkunft und Heizung als Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach § 67 SGB XII (dazu später) ist nicht gegeben, weil diese Hilfe keine teilstationäre und stationäre Leistung darstellt und auch nicht dazu bestimmt ist, einem Nichtsesshaften bei der Überwindung seiner besonderen sozialen Schwierigkeiten zu helfen (vgl. § 6 Abs. 2 Nr. 4 Nds. AG SGB XII).
Die örtliche Zuständigkeit des Beklagten ergibt sich aus § 98 Abs. 4 SGB XII i.V.m. § 98 Abs. 2 SGB XII. Nach § 98 Abs. 4 SGB XII gelten für Hilfen an Personen, die sich in Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten oder aufgehalten haben, die Absätze 1 und 2 des § 98 SGB XII sowie die §§ 106 und 109 SGB XII entsprechend. Zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung i.S. von § 98 Abs. 4 SGB XII gehört nicht nur der Strafvollzug im engen Sinn, sondern auch der Maßregelvollzug (BSG, Urteil vom 20. April 2016 - B 8 SO 8/14 R - juris Rn. 15) und erst recht die vorläufige Unterbringung in einer Maßregelvollzugseinrichtung nach § 126a StPO. Bei Personen, die sich weiterhin in einer solchen Einrichtung aufhalten, ist für die örtliche Zuständigkeit § 98 Abs. 2 SGB XII entsprechend anzuwenden; die in § 98 Abs. 4 SGB XII ebenfalls vorgesehene entsprechende Anwendung von § 98 Abs. 1 SGB XII bezieht sich auf die Personen, deren Unterbringung bereits geendet hat ("aufgehalten haben"; vgl. Senatsurteile vom 31. August 2017 - L 8 SO 214/13 -, - L 8 SO 249/13 - und - L 8 SO 250/13 -; Söhngen in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 98 Rn. 47) Aus der entsprechenden Anwendung von § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII folgt die Zuständigkeit des Beklagten, weil sowohl die Untersuchungshaft als auch die vorläufige Unterbringung im Maßregelvollzugszentrum auf richterlichen Anordnungen beruht haben und der Kläger unmittelbar vor Beginn der Unterbringung am 15. Januar 2011 in der JVA Rosdorf seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I) in Göttingen hatte; die Zuständigkeit bleibt bei einem Einrichtungswechsel - hier am 16. November 2011 in das Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen in Moringen - bestehen (entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII).
Der Beklagte hat die Stadt Göttingen auf der Grundlage des § 8 Abs. 1 Nds. AG SGB XII i.V.m. der Satzung des Landkreises Göttingen über die Heranziehung von Städten, Gemeinden und Samtgemeinden zur Durchführung von Aufgaben, die der Landkreis Göttingen als örtlicher Träger der Sozialhilfe erfüllt, vom 20. Dezember 2000 (Heranziehungssatzung) zur Durchführung der diesem obliegenden Aufgaben herangezogen (vgl. zur Heranziehung kreisangehöriger Gemeinden durch den örtlichen Sozialhilfeträger: BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 21/06 R - juris Rn. 11).
3. Der Kläger hat gegen den Beklagten für die Zeit vom 16. November 2011 bis zum 31. März 2012 einen Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt gem. §§ 19 Abs. 1, 27 ff. SGB XII, der sich wegen seiner vorläufigen Unterbringung in einer Maßregelvollzugsanstalt der Höhe nach auf die Gewährung eines Barbetrags in analoger Anwendung des § 27b Abs. 2 Satz 2 SGB XII erstreckt. Einen Anspruch auf Leistungen für Unterkunft und Heizung nach § 35 SGB XII bzw. §§ 67, 68 SGB XII hat er für die Monate Dezember 2011 und Januar 2012 nicht (dazu später).
a) Der Anspruch ist nicht gemäß § 21 Satz 1 SGB XII wegen vorrangiger Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Ungeachtet der Leistungsvoraussetzungen dem Grunde nach (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 bis 4 SGB II) ist der Kläger nach § 7 Abs. 4 Satz 1 und 2 SGB II (i.d.F. vom 13. Mai 2011, BGBl. I 850) von Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Danach erhält Leistungen nach dem SGB II u.a nicht, wer in einer stationären Einrichtung untergebracht ist (Satz 1; zum Einrichtungsbegriff i.S. des § 7 Abs. 4 Satz 1 SGB II vgl. BSG, Urteil vom 5. Juni 2014 - B 4 AS 32/13 R - juris). Dem Aufenthalt in einer stationären Einrichtung ist der Aufenthalt in einer Einrichtung zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung - wie hier (s.o.) - gleichgestellt (Satz 2).
b) Der im streitgegenständlichen Zeitraum einkommens- und vermögenslose Kläger ist dem Grunde nach leistungsberechtigt nach § 19 Abs. 1 SGB XII, nach dem Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Dritten Kapitel Personen zu leisten ist, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, insbesondere aus ihrem Einkommen und Vermögen, bestreiten können.
Im Maßregelvollzug - und dies gilt entsprechend für den Strafvollzug - wird der existentielle Bedarf der Betroffenen sowohl in physischer als auch in sozio-kultureller Hinsicht nach landesrechtlichen Vorschriften grundsätzlich durch die Einrichtung gedeckt (vgl. hierzu etwa BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. Juli 2008 - 2 BvR 840/06 - juris Rn. 21 m.w.N.), ohne dass es im Regelfall zur Sicherung des notwendigen Lebensunterhalts ergänzender Sozialhilfeleistungen bedarf (dazu im Einzelnen auch gleich). So verhält es sich auch hier für den durch das Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen gedeckten existentiellen Bedarf des Klägers u.a. an Ernährung, Unterkunft, Heizung oder Mitteln der Gesundheitspflege (sog. physisches Existenzminimum). Dies gilt jedoch nicht für den von ihm geltend gemachten Bedarf in Gestalt eines monatlichen Barbetrags, der das von dem verfassungsrechtlichen Anspruch auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) umfasste sozio-kulturelle Existenzminimum betrifft, also Leistungen zur Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und zu einem Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben (vgl. dazu etwa BVerfG, Urteil vom 9. Februar 2010 - 1 BvL 1/09 - juris Rn. 135 und BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 - 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 - juris Rn. 64).
c) Der Anspruch auf Hilfe zum Lebensunterhalt (§§ 19 Abs. 1, 27 ff. SGB XII) zur Deckung des sozio-kulturellen Existenzminimums bemisst sich für vorläufig im Maßregelvollzug Untergebrachte (§ 126 StPO) - wie den Antragsteller - nach § 27b Abs. 2 Satz 2 SGB XII in analoger Anwendung.
Abweichend von den Regelungen für Leistungen an außerhalb von Einrichtungen lebende Hilfebedürftige (§§ 28 ff. SGB XII) erhalten nach § 27b Abs. 2 Satz 1 und 2 SGB XII Leistungsberechtigte in stationären Einrichtungen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, als weiteren notwendigen Lebensunterhalt einen Barbetrag in Höhe von mindestens 27 % der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII. Die Vorschrift ist im Falle des Klägers nicht direkt anwendbar, weil er sich nicht in einer stationären Einrichtung im Sinne dieser Vorschrift aufgehalten hat.
Nach der für den Bereich des SGB XII geltenden Legaldefinition des § 13 Abs. 2 SGB XII (i.d.F. vom 2. Dezember 2006, BGBl. I 2670) umfasst der sozialhilferechtliche Einrichtungsbegriff alle Einrichtungen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach dem SGB XII zu deckenden Bedarfen oder der Erziehung dienen. Wegen dieser Zweckbindung fallen hierunter keine Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung, insbesondere also etwa keine Strafvollzugsanstalten und Sicherungsverwahrungseinrichtungen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. Mai 2012 - L 20 SO 55/12 - juris Rn. 35-37) und auch nicht das Maßregelvollzugszentrum Niedersachsen, in dem der Kläger (zunächst) vorläufig nach § 126a StPO untergebracht gewesen ist, § 27b Abs. 2 Satz 2 SGB XII ist aber für in Maßregelvollzugseinrichtungen Untergebrachte - unabhängig ob vorläufig nach § 126a StPO oder unbedingt - analog anzuwenden (vgl. zur analogen Anwendung der Norm bei Untersuchungshäftlingen jüngst BSG, Urteil vom 14. Dezember 2017 - B 8 SO 16/16 R - noch unveröffentlicht).
Eine Analogie, also die Übertragung einer gesetzlichen Regelung auf einen Sachverhalt, der von der betreffenden Vorschrift nicht erfasst wird, ist geboten, wenn dieser Sachverhalt mit dem geregelten vergleichbar ist und nach dem Grundgedanken der Norm und damit dem mit ihr verfolgten Zweck dieselbe rechtliche Bewertung erfordert.
Daneben muss eine planwidrige Regelungslücke vorliegen (statt vieler BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 - B 8 SO 15/15 R - juris Rn. 15 m.w.N.).
Nach diesen Maßgaben ist im Rahmen einer analogen Anwendung des § 27b Abs. 2 SGB XII der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung im sozialhilferechtlichen Sinn (§ 13 Abs. 2 SGB XII) der Unterbringung in einer Maßregelvollzugseinrichtung gleichzusetzen.
Mit dem Barbetrag zur Deckung des weiteren notwendigen Lebensunterhalts in stationären Einrichtungen nach § 27b Abs. 2 SGB XII soll der Leistungsberechtigte die persönlichen Bedürfnisse des täglichen Lebens bestreiten, d.h. Aufwendungen für Körperpflege und Reinigung, für die Instandhaltung der Schuhe, Kleidung und Wäsche in kleinerem Umfang sowie für die Beschaffung von Wäsche und Hausrat von geringem Anschaffungswert abgegolten werden (BT-Drs. 9/1859, S. 2. zur Vorgängervorschrift des § 21 BSHG; vgl. auch BSG, Urteil vom 15. November 2012 - B 8 SO 25/11 R - juris Rn. 13). Er dient nur der Erfüllung persönlicher Bedürfnisse neben den in der Einrichtung selbst erbrachten Leistungen, ohne dass die prozentuale Höhe des Mindestbarbetrags auf einer nachvollziehbaren Bedarfsermittlungsmethode beruht (BSG, Urteil vom 23. August 2013 - B 8 SO 17/12 R - juris Rn. 36). Der Bedarf ist - typisierend - dadurch gekennzeichnet, dass der Einrichtungsträger - anders als in teilstationären Einrichtungen - von der Aufnahme der leistungsberechtigten Person bis zu ihrer Entlassung nach Maßgabe eines angewandten Gesamtkonzepts die Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung der leistungsberechtigten Person übernimmt (vgl. Behrend in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 27b Rn. 30). Diese Bedarfslage liegt entsprechend auch bei Untergebrachten in Maßregelvollzugseinrichtungen vor, in denen in ganz ähnlicher Weise wie in stationären Einrichtungen, wie etwa in Krankenhäusern oder Heimen, auch der notwendige Lebensunterhalt (Ernährung, Unterkunft, Heizung, Mittel der Gesundheitspflege) erbracht wird (bis auf persönliche Kleidung und einen Geldbetrag für persönliche Bedürfnisse). Für die Vergleichbarkeit des zu deckenden Bedarfs kommt es insoweit auf die funktionale Ausrichtung der Einrichtung auf sozialhilferechtlich relevante Bedarfe (vgl. § 13 Abs. 2 SGB XII) nicht entscheidend an. Vielmehr spricht auch die landesrechtliche Regelegung des § 11 Nds. MVollzG, nach der sich das für die untergebrachte Person vorgesehene sog. Taschengeld an dem sozialhilferechtlichen Bedarf für stationär Untergebrachte orientiert, für eine vergleichbare Bedarfslage, auch wenn diese Leistungen weder formal noch materiell Sozialhilfeleistungen sind (vgl. dazu BSG, Urteil vom 6. Oktober 2011 - B 9 SB 6/10 R - juris Rn. 40 ff.).
Für eine analoge Anwendung des § 27b Abs. 2 Satz 2 SGB XII liegt auch die erforderliche planwidrige Regelungslücke vor (a.A. Behrend in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 27b Rn. 30, 31; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. Mai 2012 - L 20 SO 55/12 - juris Rn. 35 ff.). In Rechtsprechung und Literatur ist es allgemein anerkannt, dass Personen, die sich in Einrichtungen zum Vollzug richterlich angeordneter Freiheitsentziehung aufhalten, einen sozialhilferechtlichen Anspruch auf Gewährung eines Barbetrags bzw. Taschengeldes haben können, soweit sie die entsprechenden Leistungen nicht von der Einrichtung selbst erhalten (vgl. zusammenfassend etwa BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 24. Juli 2008 - 2 BvR 840/06 - juris Rn. 25 m.w.N.).
Dies ist verfassungsrechtlich geboten (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG). Gleichwohl hat es der (Bundes-) Gesetzgeber unterlassen, für in einer Maßregelvollzugseinrichtung oder Haftanstalt Untergebrachte einen ausdrücklichen Leistungsanspruch nach dem SGB XII in Tatbestand und Rechtsfolge zu normieren. Hierzu hat auch - jedenfalls nach dem bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Bundessozialhilfegesetz (BSHG) - kein Anlass bestanden, weil sich die Bemessung des Barbetrages nach einem Bruchteil des Regelsatzes eines Haushaltsvorstandes auf § 22 Abs. 1 Satz 2 BSHG - der Vorgängervorschrift des bis zum 31. Dezember 2010 geltenden § 28 Abs. 1 Satz 2 SGB XII (BGBl. I 2003, 3022; a.F.) bzw. des vom 1. Januar 2011 bis 31. Dezember 2016 geltenden § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII (BGBl. I 2011, 453) - stützen konnte (BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 1993 - 5 C 38/92 - juris Rn. 14). Diese Möglichkeit einer Festlegung des individuellen Bedarfs im Einzelfall nach § 27a Abs. 4 Satz 1 SGB XII ist aber für den Fall einer (vorläufigen) Unterbringung in einer Maßregelvollzugseinrichtung nach der Rechtsprechung des BSG ausgeschlossen (a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 7. Mai 2012 - L 20 SO 55/12 - juris Rn. 40 ff. m.w.N. zur Rechtslage nach dem BSHG). Nach dem Zweck der Festlegung eines individuellen Bedarfs, eine Doppelberücksichtigung von Sozialhilfeleistungen zu vermeiden, kommt die Regelung nur bei dem Bezug anderweitiger Sozialhilfeleistungen in Betracht (BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 21/06 R - juris Rn. 19 zu der Vorgängervorschrift § 28 Abs. 1 Satz 2 Alt. 1 SGB XII a.F.), nicht aber bei einer Bedarfsdeckung durch eine Haftanstalt oder Maßregelvollzugseinrichtung.
d) Der Anspruch des Klägers, der - insoweit wegen der Leistungsbemessung verfassungsrechtlich (Art. 1 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 20 Abs. 1 GG) unbedenklich (vgl. auch BSG, Urteil vom 23. August 2013 - B 8 SO 17/12 R - juris Rn. 37; Behrend in jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 27b Rn. 65 ff. m.w.N.) - allein den Mindestbetrag nach § 27b Abs. 2 Satz 2 SGB XII geltend macht, beträgt monatlich 27 % der in der Zeit vom 16. November 2011 bis 31. März 2012 geltenden Regelbedarfsstufe 1 von 364,00 EUR (2011) bzw. 374,00 EUR (2012), mithin 98,28 EUR je Monat im Jahr 2011 (364,00 EUR x 0,27) - für November 2011 anteilig 49,14 EUR - und 100,98 EUR je Monat im Jahr 2012.
Unter Anrechnung der für die Zeit vom 16. bis 30. November 2011 insoweit bereits gewährten Leistungen in Höhe von 18,20 EUR (vgl. Leistungsbewilligung vom 15. November 2011 durch Überweisung des anteiligen Regelsatzes für November 2011 von 36,40 EUR) verbleibt für November 2011 ein noch zu gewährender Betrag von 30,94 EUR (49,14 EUR - 18,20 EUR). Der Barbetrag nach § 27b Abs. 2 Satz 2 SGB XII ist abgeleitet vom Regelbedarf nach § 27a SGB XII und damit selbst eine pauschalierte Leistung (vgl. § 27a Abs. 3 SGB XII), die ohne Nachweis eines konkreten Bedarfs zu erbringen ist.
e) Der Nachrang der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 1 SGB XII steht dem Anspruch nicht entgegen. Insbesondere ist dem Kläger nicht vorzuwerfen, dass er es unterlassen habe, einen Anspruch auf Auszahlung eines Taschengeldes nach § 11 Nds. MVollzG zeitnah durchzusetzen (vgl. Urteil des SG, S. 5 f.). Eine Ausschlusswirkung aufgrund realisierbarer Ansprüche gegen Dritte (dies wird auch unter dem Begriff der fiktiven Anrechnung von Einkommen und "bereiter Mittel" diskutiert; vgl. zusammenfassend Schmidt in: jurisPK-SGB XII 2. Auflage 2014, § 82 Rn. 26 ff.) ist unter dem Gesichtspunkt der allgemeinen Selbsthilfe nach § 2 Abs. 1, 1. Alt SGB XII allenfalls in extremen Ausnahmefällen denkbar (BSG, Urteil vom 29. September 2009 - B 8 SO 23/08 R - juris Rn. 20). Unter Berücksichtigung des Verhaltens des Antragstellers, der sich während des Verwaltungsverfahrens vom Sozialdienst des Beigeladenen beraten ließ und dessen Antrag auf Gewährung eines Taschengeldes nach § 11 Nds. MVollzG taggleich durch Bescheid des Maßregelvollzugszentrums Niedersachsen vom 23. Februar 2012 abgelehnt worden ist, der Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft Braunschweig vom 3. April 2012 zu dem Antrag des Klägers auf gerichtliche Entscheidung über diesen Ablehnungsbescheid (Bl. 181-184 d. VA) und der zur Anspruchskonkurrenz nach dem Nds. MVollzG und dem SGB XII bislang ergangenen Rechtsprechung liegt ein solcher Ausnahmefall nicht vor. Ein Bedürftiger kann wegen der Deckung seines gegenwärtigen existentiellen Bedarfs unter dem Gesichtspunkt der bereiten Mittel nicht auf Leistungen verwiesen werden, die von einer Behörde oder einem Beliehenen ausdrücklich abgelehnt werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 12. Oktober 1993 - 5 C 38/92 - juris Rn. 18 f.).
4. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung für die Monate Dezember 2011 und Januar 2012.
a) Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs sind (vorrangig) die §§ 67, 68 SGB XII. Nach § 67 Satz 1 SGB XII haben Personen, bei denen besondere Lebensverhältnisse mit sozialen Schwierigkeiten verbunden sind, einen Anspruch auf Leistungen zur Überwindung dieser Schwierigkeiten, wenn sie aus eigener Kraft hierzu nicht fähig sind. Nach der Rechtsprechung des BSG gehört ein drohender Wohnungsverlust nach der Haftentlassung im Grundsatz zu den "besonderen Lebensumständen mit sozialen Schwierigkeiten" i.S. des § 67 SGB XII, weil der Verlust der Wohnung ähnlich wie der Verlust des Arbeitsplatzes für einen Haftentlassenen deutlich schwerer zu kompensieren ist als für andere Bürger, selbst dann, wenn der aus der Haft Entlassene nicht auf existenzsichernde Leistungen angewiesen ist. Da die "besonderen Lebensumstände" verbunden mit "sozialen Schwierigkeiten" in diesen Fällen eine Prognoseentscheidung im Hinblick auf die zu erwartende Situation bei Haftentlassung notwendig machen, ist eine Beurteilung des Anspruchs in zeitlicher Hinsicht vorgegeben: Je näher die Haftentlassung bevorsteht, desto konkreter kann sich die Notwendigkeit von Geldleistungen anstelle sonstiger Hilfen ergeben.
Umgekehrt kann eine ausreichend sichere Prognose dann nicht erstellt werden, wenn die Umstände nach Haftentlastung schon wegen der noch bevorstehenden Haftdauer noch nicht eingeschätzt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 8 SO 24/12 R - juris Rn. 17, 19).
Nach diesen Maßgaben waren dem Kläger (spätestens) mit Verkündung des Strafurteils des LG Göttingen vom 16. November 2011 (- 6 Ks 4/11 -) keine Leistungen (mehr) zum Zweck der Erhaltung der Mietwohnung als Hilfe zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67, 68 SGB XII zu gewähren, weil zu diesem Zeitpunkt aufgrund der prognostisch ungewissen Entlassung aus der Unterbringung im Maßregelvollzugszentrum - auch mit Rücksicht auf die Unschuldsvermutung - nicht (mehr) in hinreichendem Maße beurteilt werden konnte, inwieweit der Kläger seine Wohnung zum Zeitpunkt seiner Entlassung benötigen würde.
b) Ein Anspruch auf Übernahme der Kosten für Unterkunft und Heizung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 SGB XII scheidet aus. Die Übernahme von laufenden Kosten für Unterkunft und Heizung kommt insoweit nur für eine Wohnung in Betracht, die den aktuell bestehenden Unterkunftsbedarf deckt (BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 8 SO 24/12 R - juris Rn. 20 m.w.N.). Dies war hier in den Monaten Dezember 2011 und Januar 2012 nicht der Fall. Aus dem gleichen Grund kommt eine Schuldenübernahme nach § 36 Abs. 1 Satz 1 SGB XII nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 12. Dezember 2013 - B 8 SO 24/12 R - juris Rn. 21).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.