Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 13.02.2018, Az.: L 8 AY 1/18 B ER
Analogie; Analogleistungen; Auszubildende; Berufsausbildungsbeihilfe; Härtefall
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 13.02.2018
- Aktenzeichen
- L 8 AY 1/18 B ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 73911
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 04.12.2017 - AZ: S 39 AY 84/17 ER
Rechtsgrundlagen
- § 2 Abs 1 AsylbLG
- § 27 SGB 2
- § 7 Abs 5 SGB 2
- § 22 Abs 1 SGB 12
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
1. Seit der Änderung des § 7 Abs. 5 SGB II zum 1. August 2016 durch das 9. SGB II-ÄndG, nach dem hilfebedürftige Personen, die eine förderungsfähige Berufsausbildung absolvieren, grundsätzlich aufstockende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II beziehen können, bedarf es der näheren Prüfung der Reichweite des seit 2005 unveränderten Leistungsausschlusses für Auszubildende nach § 22 Abs. 1 SGB XII (analoge Anwendung des § 7 Abs. 5 SGB II), auch bei einer Anspruchsberechtigung nach § 2 AsylbLG.
2. Bei einer nach § 2 AsylbLG leistungsberechtigten Person kann ein Härtefall i.S. von § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII vorliegen, wenn der Ausländer eine förderungsfähige Berufsausbildung abbrechen müsste, weil er mit der typischerweise geringen Vergütung und einer ggf. gewährten Berufsausbildungsbeihilfe seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann.
3. Ein Entschließungsermessen ist dem Leistungsträger in derartigen Fällen nicht eingeräumt.
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Bremen vom 4. Dezember 2017 aufgehoben.
Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, dem Antragsteller ab November 2017 vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung Hilfe zum Lebensunterhalt zu gewähren, und zwar für die Monate November und Dezember 2017 in Höhe von jeweils 339,70 € und für die Zeit vom 1. Januar 2018 bis zum 31. Juli 2018 in Höhe von 346,70 € monatlich, längstens bis zum Eintritt der Bestandskraft der Entscheidung über den Antrag des Antragstellers vom 27. November 2017.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Antragsgegnerin hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für das erst- und zweitinstanzliche Verfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt von der Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt während seiner Berufsausbildung.
Der 26jährige Antragsteller ist guineischer Staatsangehöriger. Er ist im Jahr 2010 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist und stand von Dezember 2010 bis Juli 2017 bei der Antragsgegnerin im Leistungsbezug nach dem AsylbLG. Derzeit besitzt er eine Duldung nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG, die bis zum 13. Februar 2018 gültig ist.
Vom 1. Dezember 2016 bis zum 31. Juli 2017 absolvierte er bei der B. Holz-Kunststoff-Technik GmbH (im Folgenden: B. GmbH) eine Einstiegsqualifizierung nach § 54a SGB III mit dem Zielberuf Tischler. Dabei erhielt er ein Bruttoeinkommen in Höhe von 580,00 € monatlich (Netto-Auszahlungsbetrag: 489,03 €). Im Anschluss daran (ab dem 1. August 2017) begann der Antragsteller bei der X. GmbH eine Ausbildung.
Am 15. Juli 2017 reichte der Antragsteller den am 22. Juni 2017 unterzeichneten Berufsausbildungsvertrag bei der Antragsgegnerin ein. Aus dem Vertrag geht hervor, dass er im ersten Ausbildungsjahr eine monatliche Vergütung in Höhe von 580,00 € brutto (489,03 € netto) erhält, im zweiten Ausbildungsjahr in Höhe von 690,00 € monatlich. Am 2. August 2017 beantragte der Antragsteller bei der Agentur für Arbeit Bremen - Bremerhaven die Gewährung von Berufsausbildungsbeihilfe (BAB).
Nachdem der Antragsteller zunächst bis einschließlich Juli 2017 Leistungen nach § 3 AsylbLG (sog. Grundleistungen) bezogen hatte (zuletzt mit Bescheiden vom 22. und 27. März 2017 „ab dem 1. März 2017 für die Monate 3/2017 und 4/2017“ sowie vom 22. Mai 2017 „ab dem 1. Juni 2017 für den Monat 6/2017“; Zahlungen für die übrigen Monate erfolgten ohne Bescheid), bewilligte die Antragsgegnerin auf den Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 22. März 2017 mit Bescheid vom 8. August 2017 Leistungen nach § 2 AsylbLG (sog. Analogleistungen) ab dem 1. Dezember 2016. Den monatlichen Gesamtbedarf ab Januar 2017 von 795,13 € ermittelte die Antragsgegnerin unter Berücksichtigung von Unterkunftskosten in Höhe von 319,13 €, Heizkosten in Höhe von 67,00 € und einen Regelbedarf nach § 27a SGB XII in Höhe von 409,00 €. Von dem erzielten Einkommen in Höhe von 489,90 € im Monat Juli 2017 rechnete sie nach Abzug eines Freibetrages (146,97 €) sowie Aufwendungen für Arbeitsmittel (5,20 €) und Fahrkosten (37,40 €) 300,33 € an. Ob damit dem Widerspruch gegen den Bescheid vom 22. März 2017 vollständig abgeholfen worden ist, erschließt sich den Vorgängen der Antragsgegnerin nicht; ein Widerspruchsbescheid ist nicht bekannt.
Mit Bescheid ebenfalls vom 8. August 2017 hob die Antragsgegnerin die mit Bescheid vom 8. August 2017 gewährten Leistungen mit Wirkung vom 1. August 2017 auf und versagte den weiteren Leistungsanspruch. Zur Begründung führte sie aus, dass Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) oder der §§ 51, 57 und 58 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig sind, gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG i. V. m. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII keinen Anspruch auf Sozialleistungen haben. Widerspruch dagegen erhob der Antragsteller – soweit bekannt – nicht.
Am 2. Oktober 2017 beantragte der Antragsteller beim Jobcenter Bremen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, den das Jobcenter mit Bescheid vom 23. Oktober 2017 ablehnte. Auch insoweit ist ein Widerspruch nicht bekannt.
Am 1. November 2017 hat der Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Bremen die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes beantragt. Mit seinem Antrag hat er zunächst die Gewährung von Leistungen bis zur Zahlung der beantragten BAB begehrt.
Mit Bescheid vom 14. November 2017 hat die Agentur für Arbeit Bremen - Bremerhaven dem Antragsteller BAB für den Zeitraum vom 1. August 2017 bis zum 31. Januar 2019 in Höhe von monatlich 183,00 € bewilligt. Dabei hat sie beim Antragsteller einen Gesamtbedarf in Höhe von 668,50 € zugrunde gelegt. Der Antragsteller hat darauf das Vorliegen eines Härtefalls geltend gemacht und bei der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 27. November 2017 beantragt, seine Situation zu prüfen und einen Härtefall anzuerkennen. Von den ihm nunmehr zur Verfügung stehenden Leistungen könne er seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten. Da er eine Duldung besitze, könne er keine ergänzenden Leistungen nach dem SGB II erhalten, zudem habe er keinen Anspruch auf Gewährung von Kindergeld. Er habe Schwierigkeiten, seine Miete zu zahlen und sehe sich daher von Wohnungslosigkeit bedroht. Zudem habe er die Befürchtung, ggf. seine Ausbildung zu verlieren. Seinen Eilantrag hat er insoweit umgestellt.
Das SG hat den Eilantrag mit Beschluss vom 4. Dezember 2017 abgelehnt. Der Antragsteller habe den für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ein Härtefall liege nicht vor. Vielmehr handele es sich vorliegend um eine typische Konstellation von Auszubildenden, die eine nicht bedarfsdeckende Ausbildungsförderung erhielten.
Gegen diesen Beschluss hat der Antragsteller am 22. Dezember 2017 beim SG Bremen Beschwerde eingelegt, die das SG am 2. Januar 2018 an das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen übersandt hat. Der Antragsteller ist der Ansicht, die begehrte Aufstockungsleistung stehe ihm zu. Es sei bereits fraglich, ob der Leistungsausschluss in § 22 Abs. 1 SGB XII überhaupt greife, wenn ein Leistungsanspruch nach § 2 AsylbLG vorliege und damit das SGB XII nur entsprechend anzuwenden ist. Der Kreis der Berechtigten nach dem SGB XII unterscheide sich strukturell von dem Kreis der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG. Bei letzteren handele es sich in der Regel um erwerbsfähige Personen. Im AsylbLG sei kein Leistungsausschluss für Personen vorgesehen, die z.B. eine betriebliche berufliche Erstausbildung aufnehmen und BAB nach dem SGB III beziehen. Zu berücksichtigen sei zudem die zum 1. August 2016 erfolgte Änderung im SGB II. Danach führe die Aufnahme einer durch BAB geförderten Berufsausbildung nicht mehr zum Leistungsausschluss. Vielmehr soll das Existenzminimum nach dem Willen des Gesetzgebers während einer Berufsausbildung umfassend gesichert sein. Dieser Rechtsgedanke sei auch auf den Personenkreis anzuwenden, der SGB XII-Leistungen in „entsprechender Anwendung“ nach § 2 AsylbLG bezieht.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, ihm ergänzend Leistungen nach § 2 AsylbLG in Verbindung mit dem SGB XII zu gewähren.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hält die Ausführungen des SG Bremen im angegriffenen Beschluss für zutreffend. Mit Schreiben vom 12. Januar 2018 hat sie mitgeteilt, sie habe über den Antrag des Antragstellers vom 27. November 2017 noch nicht entschieden. Sie werde jedoch voraussichtlich bei ihrer ablehnenden Einschätzung bleiben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin sowie der Gerichtsakten verwiesen. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.
II.
Die form- und fristgerecht (§ 173 Sozialgerichtsgesetz - SGG) eingelegte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 SGG. In der Hauptsache wäre die Berufung zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes eine Geldleistung von 750,00 € übersteigt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Sie ist auch überwiegend begründet.
Einstweilige Anordnungen sind nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Antragsgegnerin besteht (Anordnungsanspruch) und der Antragsteller ohne den Erlass der begehrten Anordnung wesentliche Nachteile erleiden würde (Anordnungsgrund). Sowohl die hinreichende Wahrscheinlichkeit eines in der Sache gegebenen materiellen Leistungsanspruchs als auch die Eilbedürftigkeit der Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung). Ein Anordnungsanspruch ist gegeben, wenn der zu sichernde Hauptsacheanspruch dem Antragsteller mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zusteht, wenn also eine Vorausbeurteilung der Hauptsacheklage nach summarischer Prüfung ergibt, dass das Obsiegen des Antragstellers in der Hauptsache überwiegend wahrscheinlich ist. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 669/05 - juris) dürfen Entscheidungen im einstweiligen Rechtsschutzverfahren für Anfechtungs- und (wie hier) Vornahmesachen grundsätzlich sowohl auf eine Folgenabwägung wie auch auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache gestützt werden. Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz stellt jedoch besondere Anforderungen an die Ausgestaltung des Eilverfahrens, wenn - wie hier - ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen können, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären. In einem solchen Fall müssen die Gerichte nach der vorgenannten Entscheidung des BVerfG, wenn sie sich an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren wollen, die Sach- und Rechtslage nicht nur summarisch, sondern abschließend prüfen. Entschließen sich die Gerichte zu einer Entscheidung auf dieser Grundlage, so dürfen sie die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller des Eilverfahrens nicht überspannen; Fragen des Grundrechtsschutzes sind einzubeziehen. Ist dem Gericht hingegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Auch in diesem Fall sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen. Dies gilt ganz besonders, wenn es um die Wahrung der Würde des Menschen geht. Eine Verletzung dieser grundrechtlichen Gewährleistung, auch wenn sie nur möglich erscheint oder nur zeitweilig andauert, haben die Gerichte zu verhindern (BVerfG, ebenda, vgl. auch die Senatsentscheidungen vom 2. April 2008 - L 8 SO 11/08 ER - und 13. Mai 2008 - L 8 SO 36/08 ER - sowie jüngst vom 13. Januar 2017 - L 8 SO 266/16 ER -).
Das für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes erforderliche Rechtsschutzbedürfnis liegt vor. Zwar hat der Antragsteller sich mit seinem Begehr nicht zuvor an die Behörde gewandt, sondern erst während des gerichtlichen Eilverfahrens. Die Antragsgegnerin hat jedoch mit Schreiben vom 12. Januar 2018 mitgeteilt, dass sie voraussichtlich bei ihrer ablehnenden Entscheidung bleiben und den Härteantrag des Antragstellers vom 27. November 2017 ablehnen werde. Insofern ist ein weiteres Abwarten auf die voraussichtlich ablehnende Entscheidung der Antragsgegnerin nicht geboten.
Jedenfalls seit dem noch nicht beschiedenen Härteantrag des Antragstellers vom 27. November 2017 liegt auch ein für den Erlass einer Regelungsanordnung erforderliches streitiges Rechtsverhältnis vor. Der Senat musste daher nicht näher prüfen, ob ein solches bereits wegen des möglicherweise noch nicht endgültig beschiedenen Widerspruchs des Antragstellers gegen den Leistungen ab dem 1. März 2017 regelnden Bescheid der Antragsgegnerin vom 22. März 2017 vorlag.
Nach den oben dargestellten Maßgaben zum Erlass einer einstweiligen Anordnung hat der Antragsteller die besondere Eilbedürftigkeit der Sache (Anordnungsgrund) für die Zeit ab dem 1. November 2017 glaubhaft gemacht.
Für die Zeit vor der Antragstellung am 1. November 2017 beim SG Bremen besteht kein Anordnungsgrund, da es sich dabei um Geldleistungen für die Vergangenheit handelt. Durch eine einstweilige Anordnung sollen nur diejenigen Mittel zur Verfügung gestellt werden, die zur Behebung einer aktuellen, d. h. gegenwärtig noch bestehenden Notlage erforderlich sind. Als maßgebliche Zäsur für das Ende der Vergangenheit gilt dabei in der Regel der Zeitpunkt der Antragstellung bei Gericht (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 86b Rn. 29a).
Für die Zeit nach Antragstellung, also ab dem 1. November 2017, sind dem Antragsteller Leistungen - wie aus dem Tenor ersichtlich - zuzusprechen.
Die Eilbedürftigkeit (Anordnungsgrund) ergibt sich bereits aus dem existenzsichernden Charakter der begehrten Leistung. Darüber hinaus hat der Antragsteller vorgetragen, er könne derzeit seinen Lebensunterhalt nicht sichern und habe Schwierigkeiten seine Miete zu zahlen. Dies ist im Hinblick auf die nachvollziehbar dargelegte Einkommenssituation glaubhaft.
Der Antragsteller hat auch das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen ab dem 1. November 2017 glaubhaft gemacht. Dabei kann im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes dahin gestellt bleiben, ob sich der Anspruch bereits aus § 2 AsylbLG i.V.m. §§ 27 ff. SGB XII ergibt, weil der Ausschluss nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII im Falle des Antragstellers nicht greift. Jedenfalls sind die Voraussetzungen für das Vorliegen eines besonderen Härtefalls nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII glaubhaft gemacht.
Der Antragsteller ist grundsätzlich anspruchsberechtigt nach § 2 Abs. 1 AsylbLG. Er gehört zum Personenkreis des § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG. Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4 AsylbLG sind leistungsberechtigt nach diesem Gesetz Ausländer, die sich tatsächlich im Bundesgebiet aufhalten und die eine Duldung nach § 60a des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG) besitzen. Dabei ist nach § 2 Abs. 1 AsylbLG abweichend von den §§ 3 und 4 sowie 6 bis 7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen anzuwenden, die sich seit 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben.
Der Antragsteller hält sich in der Bundesrepublik Deutschland auf, besitzt eine Duldung nach § 60a AufenthG und gehört damit zum Kreis der Anspruchsberechtigten nach dem AsylbLG. Da er sich seit (mindestens) 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhält und die Dauer seines Aufenthaltes, soweit für den Senat ersichtlich, nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst hat, sind gemäß § 2 Abs. 1 AsylbLG die Vorschriften des SGB XII entsprechend anzuwenden. Dabei ist auch die Sonderregelung für Auszubildende, § 22 SGB XII, von der Verweisung umfasst. Gemäß § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII haben Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des BAföG oder der §§ 51, 57 und 58 SGB III dem Grunde nach förderungsfähig ist, keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Dritten und Vierten Kapitel des SGB XII (zur entsprechenden Anwendung nach § 2 Abs. 1 AsylbLG siehe etwa LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. November 2017 - L 9 AY 156/17 B ER - juris Rn. 17; ebenso Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Auflage 2015, § 2 AsylbLG; Oppermann in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 2 AsylbLG, Stand: 28. Februar 2017, Rn. 125 ff.). Jedenfalls für Personen, die eine nach dem BAföG dem Grunde nach förderfähige Ausbildung absolvieren (zur hier vorliegenden betrieblichen Berufsausbildung später), hat dies auch der Gesetzgeber mit der Neufassung des § 2 AsylbLG durch das mit Wirkung vom 6. August 2016 in Kraft getretenen Integrationsgesetzes vom 31. Juli 2016 bestätigt. Im parlamentarischen Verfahren hatte die Bundesregierung einen Änderungsvorschlag des Bundesrates (Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Integrationsgesetzes vom 17. Juni 2016 – BT-Drs. 18/8829, Anl. 3 Nr. 4, Seite 17), nach dem die entsprechende Anwendung des SGB XII nicht für Leistungsberechtigte gelten soll, die eine nach dem BAföG dem Grunde nach förderfähige Ausbildung absolvieren (…), abgelehnt (Gegenäußerung der Bundesregierung zu der Stellungnahme des Bundesrates, BT-Drs. 18/8883 - zu Ziffern 4, 31c und f, Seite 2f.).
Der Antragsteller hat eine Berufsausbildung begonnen, die nach § 57 SGB III förderungsfähig ist und bezieht nunmehr auch BAB von der Bundesagentur für Arbeit, sodass der Ausschluss dem Wortlaut nach greift. Infolge der mit Wirkung zum 1. August 2016 erfolgten Änderung einer vergleichbaren Regelung im SGB II spricht jedoch einiges dafür, dass der im SGB XII verankerte Ausschluss in § 22 Abs. 1 SGB XII möglicherweise nunmehr planwidrig zu weit ist. Denn beide Vorschriften betreffen denselben Personenkreis, nämlich hilfebedürftige Personen, die eine förderungsfähige Berufsausbildung absolvieren.
Durch Art. 1 Nr. 7 lit. b des Neunten Gesetzes zur Änderung des SGB II - Rechtsvereinfachung - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26. Juli 2016 (BGBl I 2016, 1824) (im Folgenden: 9. SGB II-ÄndG) hat der Gesetzgeber den Anwendungsbereich des Leistungsausschlusses nach § 7 Abs. 5 SGB II erheblich eingeschränkt mit der Folge, dass Auszubildende unter bestimmten Voraussetzungen ergänzende Leistungen beziehen können.
§ 7 Abs. 5 SGB II lautet in der seit dem 1. August 2016 gültigen Fassung wie folgt:
„Auszubildende, deren Ausbildung im Rahmen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes dem Grunde nach förderungsfähig ist, haben über die Leistungen nach § 27 hinaus keinen Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Satz 1 gilt auch für Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 61 Absatz 2 und 3, § 62 Absatz 3, § 123 Absatz 1 Nummer 2 und 3 sowie § 124 Absatz 1 Nummer 3 und Absatz 3 des Dritten Buches bemisst.“
Auszubildende in einer nach §§ 51, 57 und 58 SGB III förderungsfähigen Berufsausbildung bzw. in einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme sind - im Gegensatz zur vorherigen Regelung - nicht mehr im Gesetz genannt. Dadurch können diese Auszubildenden (das sind Auszubildende in einer nach § 57 SGB III förderungsfähigen Berufsausbildung bzw. in einer berufsvorbereitenden Bildungsmaßnahme, Auszubildende, deren Bedarf sich nach § 12 BAföG bemisst (Schüler) und behinderte Auszubildende, die für eine Ausbildung oder eine berufsvorbereitende Bildungsmaßnahme Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben erhalten) seitdem aufstockend Arbeitslosengeld II unter Anrechnung von Ausbildungsvergütung und Ausbildungsförderung erhalten. Somit hätte der Antragsteller einen Anspruch auf Gewährung (aufstockender) Leistungen nach dem SGB II, wenn für ihn die Vorschriften des SGB II maßgeblich wären, da er eine nach § 57 SGB III förderungsfähige Berufsausbildung absolviert.
Für die Parallelvorschrift § 22 SGB XII dürfte nichts anderes gelten (a.A.: LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 24. November 2017 - L 9 AY 156/17 B ER- juris Rn. 30). Andernfalls läge eine möglicherweise verfassungsrechtlich bedenkliche Ungleichbehandlung vor.
Sinn und Zweck beider Vorschriften ist es, das Verhältnis von Leistungen der Ausbildungsförderung (also Ansprüche nach dem BAföG und dem SGB III) auf der einen Seite und Fürsorgeleistungen (also Ansprüche nach dem SGB II und dem SGB XII) auf der anderen Seite zu regeln. Ursprünglich waren in beiden Fürsorgesystemen weitgehende Leistungsausschlüsse vorgesehen. Der Gesetzgeber gestaltete die entsprechenden Vorschriften (§ 7 Abs. 5, 6 SGB II und § 22 Abs. 1, 2 SGB XII) bewusst parallel.
Vorbild für beide Vorschriften war § 26 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), der in beiden Gesetzen nahezu wortgleich übernommen wurde. Der Sinn des Anspruchsausschlusses bestand jeweils darin, kein weiteres Ausbildungsförderungssystem fürsorgerechtlicher Art zu schaffen. Die Ausbildungsförderung sollte grundsätzlich abschließend über die speziellen Fördersysteme des BAföG und des SGB III gewährleistet werden (Grube in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Auflage 2014, § 22 Rn. 2 m.w.N.).
Der Leistungsausschluss für Auszubildende im Leistungssystem der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) wurde als § 7 Abs. 4 SGB II mit Artikel 1 des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24. Dezember 2003 eingeführt. Im ursprünglichen Entwurf eines „Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“ der regierungstragenden Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 5. September 2003 lautete die Vorschrift: „(4) Erwerbsfähige Hilfebedürftige, die sich in Ausbildung an einer Schule oder Hochschule befinden oder stationär untergebracht sind, erhalten keine Leistungen nach diesem Buch“ (BT-Drs. 15/1516, Seite 10). Mit der schließlich verabschiedeten Fassung folgte der Bundestag den Beschlussempfehlungen des federführenden Ausschusses Wirtschaft und Arbeit. Mit der Änderung war beabsichtigt, die Regelungen des Zweiten Buches über die Grundsicherung für Arbeitsuchende den Regelungen des Zwölften Buches anzugleichen. Damit werde, so die Begründung des Änderungsantrages, „die Zielvorstellung des Gesetzgebers aufgegriffen, mit dem neuen Sozialhilferecht ein Referenzsystem steuerfinanzierter Fürsorgeleistungen einschließlich des Arbeitslosengeldes II zu schaffen“ (BT-Drs. 15/1749, B. Besonderer Teil, Seite 31).
Wenn nun der Gesetzgeber einen ergänzenden Leistungsanspruch für Auszubildende im SGB II schafft - wie mit der Änderung des § 7 Abs. 5 durch das 9. SGB II-ÄndG geschehen - spricht vieles dafür, dass die Schnittstellen zu den Fürsorgeleistungen insgesamt entschärft werden sollten und damit auch im Verhältnis zu den Fürsorgeleistungen nach dem SGB XII. Der Gesetzgeber hat zwar den ursprünglich sehr weitreichenden Ausschluss bereits mit der Neufassung des SGB II ab dem 1. April 2011 relativiert, indem er die vom BSG (Urteil vom 6. September 2007 – B 14/7 b AS 36/06 R –) für das SGB II fortgeführte ständige Rechtsprechung des BVerwG zum ausbildungsbedingten Bedarf in Gestalt von § 27 SGB II zu wesentlichen Teilen in das geschriebene Recht aufgenommen hat (so Thie in Bieritz-Harder/Conradis/Thie, LPK-SGB XII Sozialhilfe, 10. Auflage 2015, § 22 Rn. 2). Nach der nunmehr jedoch erfolgten erheblichen Entschärfung stellt sich die Frage, wie sich die dadurch eingetretenen Unterschiede zwischen dem SGB II und dem SGB XII hinsichtlich des Ausschlusses Auszubildender sachlich rechtfertigen lassen (Groth in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, 47. Edition, Stand: 1. Dezember 2017, § 22 SGB XII, Rn. 1).
Eine Ungleichbehandlung lässt sich jedenfalls nicht aus den unterschiedlichen Zwecken des AsylbLG einerseits sowie des SGB II andererseits rechtfertigen (so aber LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.). Denn die zu prüfende Vorschrift befindet sich im SGB XII und nicht im AsylbLG. Insofern wäre zu prüfen, ob die auf § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB XII beruhende ungleiche Behandlung von Auszubildenden gegenüber den nach den Vorschriften des SGB II nunmehr leistungsberechtigten Auszubildenden gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Art. 3 Abs. 1 GG verbietet dem Gesetzgeber auch auf dem Gebiet der gewährenden Staatstätigkeit die willkürlich ungleiche Behandlung wesentlich gleicher Sachverhalte. Der Gesetzgeber darf nur aus sachlichen Gesichtspunkten bestimmte Gruppen der Bevölkerung von allgemein gewährten Leistungen ausschließen. Darüber hinaus müssen diese Gesichtspunkte dort, wo der Staat Leistungen gewährt, um soziale Härten auszugleichen, den Anforderungen der erstrebten sozialen Gerechtigkeit genügen (BVerfG, Beschluss vom 14. November 1969, 1 BvL 4/69, Rn. 19). Dementsprechend kommt Art. 3 Abs. 1 GG beim Ausschluss von einer Begünstigung zum Tragen, die einem anderen gewährt wird, vorausgesetzt, die fraglichen Personenkreise befinden sich in einer vergleichbaren Situation (Jarass in: Jarass/Pieroth, GG, 14. Auflage 2016, Art. 3 Rn. 11). Vorliegend sind jeweils erwerbsfähige, hilfebedürftige Personen betroffen, die eine nach § 57 SGB III förderungsfähige Berufsausbildung absolvieren oder eine berufsvorbereitende Maßnahme nach § 56 SGB III. In den Gesetzesmaterialien zum 9. SGB II-ÄndG finden sich dazu keinerlei Ausführungen. Aus dem Umstand, dass mit dem Änderungsgesetz auch das SGB XII geändert wurde, lässt sich nach Ansicht des Senats nicht schließen, dass der Gesetzgeber die Regelung § 22 Abs. 1 SGB XII bewusst unverändert ließ (so aber LSG Schleswig-Holstein, a.a.O., Rn. 30). Die geringfügige Änderung des SGB XII befindet sich unter Artikel 3 („Änderung weiterer Gesetze“) in Abs. 8. Sie betrifft eine Folgeänderung im Zusammenhang mit der Erstattung von Unterkunftskosten, Rückschlüsse auf ein bewusstes Inkaufnehmen einer möglicherweise verfassungsrechtlich bedenklichen Ungleichbehandlung können daraus nicht gezogen werden. Die Tatsache, dass der Gesetzesbegründung zur Änderung des § 7 Abs. 5 SGB II keine Ausführungen dazu zu entnehmen sind, spricht eher für das Vorliegen eines redaktionellen Versehens mit der Folge einer unbewussten Regelungslücke als dagegen (zum zulässigen Analogieschluss, wenn sich als mutmaßlicher Wille des Gesetzgebers ermitteln lässt, dass er den abweichenden, nicht geregelten Lebenssachverhalt in gleicher Weise behandeln würde wie den geregelten, BSG, Urteil vom 7. November 1990 – 9b/7 RAr 112/89 – juris Rn. 15). § 22 SGB XII hatte zudem - anders als noch die Vorgängervorschrift § 26 BSHG - nur geringe praktische Bedeutung. Wegen des nach § 21 SGB XII vorrangigen SGB II können im Wesentlichen nur noch voll erwerbsgeminderte Menschen und Menschen im (Alters-) Rentenalter von § 22 SGB XII betroffen sein.
Die Bedeutung der Vorschrift hatte sich hingegen mit der Verkürzung der Wartefrist für den Bezug sogenannter Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG durch Artikel 1 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des AsylbLG und des SGG geändert. Durch die zum 1. März 2015 in Kraft getretene Neufassung wurde die Zeitspanne, die vergehen muss, um Leistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG beziehen zu können, von 48 Monate auf 15 Monate verkürzt. Folge ist, dass Leistungsberechtigte nach dem AsylbLG, die in der Regel erwerbsfähig sind, vermehrt Leistungen in entsprechender Anwendung des SGB XII beziehen - wie vorliegend der Antragsteller. Dies ist offensichtlich bei den Gesetzesberatungen zum 9. SGB II-ÄndG als Teil des Asylpaketes II nicht beachtet worden, anders als bei den fast zeitgleich erfolgten Beratungen zum Integrationsgesetz (Teil des Asylpaketes III). Die abschließenden Beratungen im federführenden Ausschuss für Arbeit und Soziales haben zwar im Abstand von wenigen Tagen (am 22. Juni 2016 für das 9. SGB II-ÄndG, am 6. Juli 2016 für das Integrationsgesetz) stattgefunden. Anders als bei der Änderung des § 2 AsylbLG durch das Integrationsgesetz (s. oben) sind die Auswirkungen der Änderung des § 7 Abs. 5 SGB II durch das 9. SGB II-ÄndG bzw. die unterbliebene Änderung des § 22 SGB XII auf die Leistungsempfänger nach dem AsylbLG offensichtlich nicht beachtet worden.
Einer abschließenden Entscheidung des Senats über eine analoge Anwendung des § 7 Abs. 5 SGB II bedarf es allerdings nicht, weil der Antragsteller jedenfalls das Vorliegen eines besonderen Härtefalls glaubhaft gemacht hat. Nach § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII können in besonderen Härtefällen Leistungen nach dem Dritten oder Vierten Kapitel des SGB XII als Beihilfe oder als Darlehen gewährt werden.
Ein Härtefall liegt vor, wenn die Folgen des Anspruchsausschlusses über das Maß dessen hinausgehen, das regelmäßig mit der Versagung von Hilfen zum Lebensunterhalt verbunden ist (BVerwG vom 14. Oktober 1993 – 5 C 16/91). Der Antragsteller hat einen monatlichen Bedarf in Höhe von 795,13 €. Das ihm unter Berücksichtigung der Absetzbeträge (hierzu später) zur Verfügung stehende Einkommen in Höhe von 455,43 € reicht evident nicht zur Deckung des notwendigen Lebensunterhaltes aus.
Bei der Anwendung der Härteregelung ist der Zweck des Ausschlusses zu berücksichtigen, der bisher darin bestand, zu verhindern, eine versteckte Ausbildungsförderung auf zweiter Ebene einzuführen (Voelzke in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 22 Rn. 56). Mit Blick auf diesen Zweck schien es geboten, einen besonderen Härtefall nicht bereits deswegen zu bejahen, weil infolge eines Ausschlusses eine Ausbildung wegen der fehlenden finanziellen Mittel nicht absolviert werden kann oder abgebrochen werden muss. Denn nach der gesetzgeberischen Wertung war diese Folge hinzunehmen: zuvörderst sollten erwerbsfähige Sozialleistungsempfänger dabei unterstützt werden ihren Lebensunterhalt durch eigene Erwerbsarbeit zu sichern. Soweit jemand eine Ausbildung betreiben wolle, obwohl er dadurch seinen Lebensunterhalt nicht vollumfänglich sichern kann, handele es sich um eine vom Auszubildenden selbst zu verantwortende Entscheidung (so BSG, Urteil vom 6. September 2007 - B 14/7b AS 28/06 R- juris, zum Leistungsausschluss in § 7 Abs. 5 SGB II a. F.).
Nunmehr setzt der Gesetzgeber jedoch andere Prioritäten: hilfebedürftige junge Menschen sollen vorrangig eine Berufsausbildung aufnehmen bzw. beenden, auch wenn sie infolge dessen u. U. für mehrere Jahre auf staatliche Hilfe angewiesen sind (vgl. BT-Drs. 18/8041 Seite 29). Dieser Perspektivwechsel ist im Rahmen der Härtefallprüfung zu berücksichtigen.
Der Antragsteller ist ohne den Bezug ergänzender Leistungen nicht in der Lage, seinen Lebensunterhalt zu sichern. Aufgrund der fehlenden finanziellen Mittel ist er bereits mit der Miete in Rückstand geraten. Ohne die Gewährung ergänzender Leistungen nach dem SGB XII ist die Erreichung des Ausbildungsziels ernsthaft gefährdet.
Zu bedenken ist zudem, dass der Gesetzgeber durch das Integrationsgesetz vom 7. Juli 2016 in § 60a Abs. 2 AufenthG neue Regelungen zur Duldung von Ausländern in Fällen der Begründung von Ausbildungsverhältnissen eingefügt hat. Nach § 60a Abs. 2 Satz 4 AufenthG ist eine Duldung wegen dringender persönlicher Gründe im Sinne von Satz 3 zu erteilen, wenn der Ausländer eine qualifizierte Berufsausbildung in einem staatlich anerkannten oder vergleichbar geregelten Ausbildungsberuf in Deutschland aufnimmt oder aufgenommen hat, die Voraussetzungen nach § 60a Abs. 6 AufenthG nicht vorliegen und konkrete Maßnahmen zur Aufenthaltsbeendigung nicht bevorstehen. Politisch verfolgt der Gesetzgeber damit das Ziel, die Integration von geduldeten Ausländern stärker zu fördern und gleichzeitig dem Interesse der Wirtschaft an zusätzlichen Fachkräften Rechnung zu tragen (Kluth in: BeckOK, Ausländerrecht, Kluth/Heusch 16. Edition, Stand: 1. November 2017, § 60a AufenthG Rn. 26). Dieses politische Ziel, das ebenfalls in den neu eingefügten Vorschriften §§ 18a, 25a und 25b AufenthG zum Ausdruck kommt, würde konterkariert, wenn der Ausländer die Ausbildung abbrechen müsste, weil er mit der typischerweise geringen Vergütung und einer ggf. gewährten Berufsausbildungsbeihilfe seinen Lebensunterhalt nicht bestreiten kann. Mit einer ähnlichen Begründung hat das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport die Leistungsträger mit Erlass vom 4. Oktober 2017 - 13.3 – 12235-8.4.3 angewiesen, davon auszugehen, dass bedürftige Asylsuchende, die grundsätzlich einen Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG haben, eine Aufenthaltsgestattung besitzen, nicht aus einem sicheren Herkunftsland im Sinne des § 29a Asylgesetz stammen und die auf § 2 AsylbLG-Leistungen entsprechend dem Dritten oder Vierten Kapitel SGB XII zur Durch- oder Fortführung der Ausbildung angewiesen sind, im Regelfall durch die Anwendung der Härtefallregelung entsprechend § 22 Abs. 1 Satz 2 SGB XII eine Studien-/Ausbildungsfinanzierung ermöglicht werden kann (ähnlich auch das Ministerium für Inneres und Bundesangelegenheiten Schleswig-Holstein in einem Erlass vom 10. Mai 2017).
Ein Entschließungsermessen ist dem Beklagten nicht eingeräumt. Alle berücksichtigungsfähigen Gesichtspunkte müssen bereits bei der Prüfung des besonderen Härtefalls berücksichtigt werden, sodass keine Gesichtspunkte verbleiben, die bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen ein Absehen von der Leistungsgewährung rechtfertigen können (Voelzke in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB XII, 2. Aufl. 2014, § 22 Rn. 67; Hohm in Schellhorn/Hohm/Scheider, SGB XII, 19. Aufl. 2015, § 22 Rn. 26).
Nach den dem Senat vorliegenden Unterlagen besteht beim Antragsteller für die Monate November und Dezember 2017 ein monatlicher Gesamtbedarf in Höhe 795,13 € (386,13 € für Unterkunft und Heizung) und 409,00 € Regelbedarf gemäß § 2 AsylbLG i.V.m. § 27a SGB XII). Für die Zeit ab Januar 2018 besteht aufgrund der Erhöhung der Regelsätze ab diesem Zeitpunkt ein monatlicher Gesamtbedarf in Höhe von 802,13 € monatlich.
Dem steht ein zu berücksichtigendes Einkommen des Antragstellers in Höhe von 455,43 € monatlich entgegen.
Von dem steuerfrei zugeflossenen Einkommen aus seiner Ausbildungsvergütung von brutto 580,00 € und der BAB in Höhe von 183,00 € sind, soweit hier von Belang, abzusetzen Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung (§ 82 Abs. 2 Nr. 2 SGB XII), Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen, soweit diese Beiträge gesetzlich vorgeschrieben oder nach Grund und Höhe angemessen sind (§ 82 Abs. 2 Nr. 3 SGB XII) und die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen notwendigen Ausgaben (Nr. 4 der Vorschrift i.V. mit § 3 Abs. 4 der Verordnung zur Durchführung des § 82 SGB XII – DVO§82SGBXII -), ferner gemäß § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII ein Betrag in Höhe von 30 vom Hundert des Einkommens aus selbstständiger und nichtselbstständiger Tätigkeit der Leistungsberechtigten, höchstens jedoch 50 vom Hundert der Regelbedarfsstufe 1 nach der Anlage zu § 28 SGB XII. Pflichtbeiträge zur Sozialversicherung fallen bei dem Antragsteller in Höhe von 90,10 € an, Beiträge zu öffentlichen oder privaten Versicherungen oder ähnlichen Einrichtungen in Höhe von 0,87 € (Kammerbeitrag). Als Werbungskosten ist zu berücksichtigen für Arbeitsmittel der Pauschbetrag von 5,20 € (§ 3 Abs. 5 DVO§82SGBXII), weitere Aufwendungen für Arbeitsmittel sind nicht geltend gemacht worden. Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte fallen beim Antragsteller in Form von Fahrtkosten für die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel in Höhe von 37,40 € an. Der Freibetrag nach § 82 Abs. 3 Satz 1 SGB XII beträgt bei dem Einkommen des Antragstellers aus nichtselbstständiger Tätigkeit 174,00 € (30 v.H. der monatlichen (Brutto-)Ausbildungsvergütung von 580,00 €). Zusammen errechnet sich daraus ein Absetzbetrag von 307,57 € (90,10 € + 0,87€ + 5,20 € + 37,40 € + 174,00 €) und ein anzurechnendes Einkommen des Antragstellers in Höhe von 455,43 € monatlich (763,00 € abzgl. 307,57 €).
Für die Monate November und Dezember 2017 ergibt sich somit ein Leistungsanspruch in Höhe von 339,70 € monatlich, ab Januar 2018 bis einschließlich Juli 2018 in Höhe von 346,70 € monatlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 177 SGG.