Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Beschl. v. 07.02.2018, Az.: L 8 AY 23/17 B ER
Anspruchseinschränkung; Flüchtlingseigenschaft; subsidiärer Schutz; teleologische Reduktion
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 07.02.2018
- Aktenzeichen
- L 8 AY 23/17 B ER
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2018, 73937
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG - 11.08.2017 - AZ: S 26 AY 33/17 ER
Rechtsgrundlagen
- § 1a Abs 4 S 2 AsylbLG
- § 29 Abs 1 Nr 2 AsylVfG
- § 3 AsylVfG
- § 4 AsylVfG
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abse. 2, 4 AsylbLG kommt nach Sinn und Zweck der mit dem Integrationsgesetz eingefügten Regelung des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG nicht in Betracht, wenn auf Grund einer rechtskräftigen verwaltungsgerichtlichen Entscheidung feststeht, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge noch eine Sachentscheidung über die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu treffen hat (teleologische Reduktion von § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG). In einem solchen Fall greift eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG auch dann nicht, wenn bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz gewährt worden ist und dieser Schutz fortbesteht.
Tenor:
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lüneburg vom 11. August 2017 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller auch für das Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Eilverfahrens über die Höhe der den Antragstellern zu gewährenden Leistungen nach dem AsylbLG. Umstritten ist insoweit eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG.
Der 1970 geborene Antragsteller zu 1 und die 1976 geborene Antragstellerin zu 2 sind miteinander verheiratet und haben ebenso wie die Antragsteller zu 3 bis 6 - ihre 2002, 2003, 2009 und 2010 geborenen Kinder - die syrische Staatsangehörigkeit. Die Familie reiste im Juni 2014 nach Deutschland ein und stellte im Juli 2014 Asylanträge. Mit Bescheid vom 4. Februar 2015 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) die Asylanträge als unzulässig ab und drohte die Abschiebung nach Rumänien an. Zur Begründung verwies das BAMF u.a. darauf, dass den Antragstellern bereits in Rumänien internationaler Schutz gewährt worden sei. Auf die von den Klägern hiergegen erhobene Klage hob das Verwaltungsgericht (VG) Lüneburg den Bescheid vom 4. Februar 2015 auf. Die Asylanträge seien zulässig. § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG sei unionsrechtskonform dahin auszulegen, dass ein vor dem 20. Juli 2015 in Deutschland gestellter Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zulässig sei, wenn in einem anderen Mitgliedstaat ein entsprechender Antrag zuvor abgelehnt und lediglich subsidiärer Schutz gewährt worden sei (rechtskräftiges Urteil vom 4. März 2016 - 2 A 25/15 -).
Das BAMF lehnte mit Bescheid vom 16. Dezember 2016 die Asylanträge erneut als unzulässig ab, stellte das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG fest und drohte die Abschiebung nach Rumänien an. Das VG Lüneburg hob auch diesen Bescheid auf Klage der Antragsteller auf (rechtskräftiges Urteil vom 26. Januar 2017 - 8 A 386/16 -). Die Asylanträge seien, da sie vor dem 20. Juli 2015 gestellt worden seien, nicht unzulässig. Die Neufassung von § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG sei auf diese Altfälle nicht anwendbar. Eine erneute Entscheidung über die Asylanträge der Antragsteller hat das BAMF nicht getroffen. Die Antragsteller sind im Besitz von Aufenthaltsgestattungen (§ 55 AsylG).
Die Antragsteller, die der Samtgemeinde H. im Kreisgebiet des Antragsgegners zugewiesen worden sind, beziehen seit Juli 2014 Leistungen nach dem AsylbLG vom Antragsgegner. Sie erhielten zunächst Grundleistungen nach § 3 AsylbLG und von Juli 2015 bis Juni 2017 so genannte Analogleistungen nach § 2 Abs. 1 AsylbLG, die ihnen zuletzt mit Bescheid vom 22. Mai 2017 befristet für die Zeit vom 1. Mai bis zum 30. Juni 2017 bewilligt wurden (insgesamt 2.881,00 € monatlich). Nach mit Schreiben vom 22. Mai 2017 erfolgter Anhörung zu einer Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG bewilligte der Antragsgegner den Antragstellern mit Bescheid vom 3. Juli 2017 Leistungen für die Zeit von Juli bis Dezember 2017 in Höhe von insgesamt 1.734,26 € monatlich. In der Begründung führte er aus, dass wegen der Zuerkennung subsidiären Schutzes in Rumänien die Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG erfüllt seien. Gegen diesen Bescheid erhoben die Antragsteller Widerspruch, über den noch nicht entschieden ist.
Am 18. Juli 2017 haben die Antragsteller beim Sozialgericht (SG) Lüneburg die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 3. Juli 2017 beantragt. Sie haben die Auffassung vertreten, dass die Leistungskürzung zu Unrecht erfolgt sei. Das BAMF müsse noch über ihre Asylanträge entscheiden, wobei sie nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als Flüchtlinge anzuerkennen seien. Die Neufassung des § 1a AsylbLG sei erst nach ihrer Einreise nach Deutschland in Kraft getreten und aus diesem Grund nicht anwendbar. Nach ihrem Zweck betreffe die Neufassung Personen, die sich entgegen den ausländer- und europarechtlichen Vorgaben in einen Mitgliedstaat begeben. Ein solcher Fall liege hier aber nicht vor.
Das SG hat den Antragsgegner mit Beschluss vom 11. August 2017 im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung Leistungen gemäß § 2 AsylbLG i.V.m. SGB XII und ohne Einschränkung nach § 1a AsylbLG für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2017 zu gewähren. Der Eilantrag sei dahin auszulegen, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung gemäß § 86b Abs. 2 SGG beantragt werde, weil eine höhere Leistungsgewährung nicht durch die Anordnung der aufschiebenden Wirkung erreicht werden könne. Die Antragsteller hätten einen Anordnungsanspruch und -grund glaubhaft gemacht. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Leistungseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG seien nicht erfüllt. Es sei bereits nicht ersichtlich, dass der den Antragstellern in Rumänien zuerkannte Schutz noch fortbestehe. Außerdem beruhe die unterbliebene Ausreise nicht auf von den Antragstellern zu vertretenden Gründen. Es sei davon auszugehen, dass ihnen eine Ausreise nach Rumänien nicht zuzumuten sei, weil nicht auszuschließen sei, dass ihnen dort eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK drohe (Hinweis u.a. auf den Beschluss des VG Bremen vom 2. Februar 2017 - 5 V 131/17 -).
Gegen den Beschluss vom 11. August 2017 richtet sich die am 18. August 2017 eingelegte Beschwerde des Antragsgegners. Nach seiner Auffassung sind die Voraussetzungen für eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG erfüllt. Anhaltspunkte, dass der in Rumänien zuerkannte Schutz weggefallen sei, lägen nicht vor. Im Rahmen des § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG komme es nicht darauf an, ob die Ausreise aus von den Antragstellern nicht zu vertretenden Gründen unterblieben sei. Bei der Verweisung in § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG auf § 1a Abs. 2 AsylbLG handele es sich um eine reine Rechtsfolgenverweisung.
Die Antragsteller halten den angefochtenen Beschluss für zutreffend.
Der Antragsgegner hat den Antragstellern mit Bescheid vom 16. August 2017 in Ausführung des Beschlusses des SG vom 11. August 2017 vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung uneingeschränkte Leistungen nach § 2 AsylbLG für die Zeit von Juli bis Dezember 2017 in Höhe von 2.893,00 € monatlich bewilligt. Mit weiterem Bescheid vom 16. August 2017 hat er Leistungen für die Zeit von August bis Dezember 2017 in Höhe von 2.901,00 € monatlich bewilligt. Einen Hinweis, dass die Bewilligung in Ausführung des Beschlusses vom 11. August 2017 und/oder vorläufig und unter dem Vorbehalt der Rückforderung erfolgt, enthält der Bescheid nicht.
II.
Die statthafte (§ 172 SGG) und form- und fristgerecht (§ 173 SGG) eingelegte Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere besteht für die Beschwerde ein Rechtsschutzbedürfnis. Bei Vorliegen einer Beschwer fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für ein Rechtsmittel nur in seltenen Ausnahmefällen. Dies ist der Fall bei einer unnötigen, zweckwidrigen oder missbräuchlichen Beschreitung des Rechtsweges, beispielsweise wenn durch die angefochtene Entscheidung keine Rechte, rechtlichen Interessen oder sonstigen schutzwürdigen Belange des Rechtsmittelführers betroffen sind und die weitere Rechtsverfolgung für ihn deshalb offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 8. Mai 2007 - B 2 U 3/06 R - juris Rn. 13). Ein Rechtsschutzbedürfnis für ein Rechtsmittel eines Leistungsträgers kann zu verneinen sein, wenn dieser die streitigen Leistungen inzwischen vollständig und endgültig bewilligt hat. Vorliegend schließt der Bescheid vom 16. August 2017, mit dem Leistungen für die Zeit von August bis Dezember 2017 bewilligt worden sind, ein Rechtsschutzbedürfnis schon deswegen nicht aus, weil er nur einen Teil des streitigen Zeitraums betrifft. Die Frage, welche leistungsrechtlichen Auswirkungen sich aus dem Bescheid ergeben, betrifft die Begründetheit der Beschwerde.
Die Beschwerde ist unbegründet. Das SG hat den Antragsgegner zu Recht im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, den Antragstellern für die Zeit vom 1. Juli bis zum 31. Dezember 2017 uneingeschränkte Leistungen nach § 2 AsylbLG zu gewähren.
Der Eilantrag ist statthaft als Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG, weil kein Fall des § 86b Abs. 1 SGG vorliegt. Die Antragsteller können ihr Rechtsschutzziel - die (vorläufige) Gewährung höherer Leistungen - nicht mit der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 3. Juli 2017 gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG erreichen. Ein Widerspruch gegen die Feststellung einer Einschränkung des Leistungsanspruchs nach § 1a AsylbLG hat zwar keine aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 11 Abs. 4 Nr. 2 AsylbLG). Aus der Anordnung der aufschiebenden Wirkung würde sich aber nur dann die Verpflichtung des Leistungsträgers zur Gewährung höherer Leistungen ergeben, wenn und soweit für den streitigen Zeitraum zuvor höhere Leistungen bewilligt worden waren. Mit dem Bescheid vom 3. Juli 2017 sind den Antragstellern erstmals Leistungen für die Zeit von Juli bis Dezember 2017 bewilligt worden, die zuvor ergangenen Bewilligungsbescheide waren jeweils - zuletzt bis Juni 2017 - befristet. Das Vorbringen der Antragsteller ist - wie vom SG zu Recht angenommen - dahin auszulegen, dass sie den statthaften Antrag auf Erlass einer Regelungsanordnung gestellt haben (§ 123 SGG).
Der Eilantrag ist auch begründet. Die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Regelungsanordnung (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG) liegen vor, die Antragsteller haben sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO).
Bezogen auf den Anordnungsanspruch, also das Bestehen des materiell-rechtlichen Leistungsanspruchs, bedarf allein die Frage einer Anspruchseinschränkung nach § 1a AsylbLG einer näheren Prüfung. Es ist davon auszugehen, dass die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG leistungsberechtigten Antragsteller die Voraussetzungen für Analogleistungen nach § 2 Abs. 1, 3 AsylbLG erfüllen, weil sie sich länger als 15 Monaten ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und keine Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Beeinflussung der Aufenthaltsdauer vorliegen (hierzu Bundessozialgericht - BSG -, Urteil vom 17. Juni 2008 - B 8/9b AY 1/07 R - juris Rn. 32 ff.). Es besteht auch kein Zweifel daran, dass sie nach ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen hilfebedürftig im Sinne des SGB XII sind.
In Betracht kommt allein eine Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG.
Nach dieser mit dem Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 eingefügten und zum 6. August 2016 in Kraft getretenen (BGBl I 2016, 1939) Regelung gilt § 1a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG entsprechend für Leistungsberechtigte nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 oder 5 AsylbLG, denen bereits von einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem am Verteilmechanismus teilnehmenden Drittstaat im Sinne von Satz 1 internationaler Schutz oder aus anderen Gründen ein Aufenthaltsrecht gewährt worden ist, wenn der internationale Schutz oder das aus anderen Gründen gewährte Aufenthaltsrecht fortbesteht. Der Zweck der Regelung besteht in der Begrenzung der Sekundärmigration insbesondere aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union nach Deutschland (Deibel, ZfSH/SGB 2016, 520, 524; Oppermann in jurisPK-SGB XII, 2. Auflage 2014, § 1a AsylbLG 2. Überarbeitung Rn. 97.1). Nach dem Gesetzentwurf vom 31. Mai 2016 dient sie der Vervollständigung der Regelung nach § 1a Abs. 4 Satz 1 AsylbLG (BT-Drucksache 18/8615, Seite 35), wonach eine Anspruchseinschränkung für bestimmte Fälle vorgesehen ist, in denen ein anderer Mitgliedstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Bereits im Gesetzgebungsverfahren zu § 1a Abs. 4 AsylbLG in der ab dem 24. Oktober 2015 geltenden Fassung war gefordert worden, dass eine Leistungseinschränkung auch („erst recht“) bei Personen erfolgt, deren Asylverfahren in einem anderen Mitgliedstaat durch Gewährung eines Schutzstatus bereits positiv abgeschlossen worden sind (BR-Drucksache 446/1/15, Seite 7).
Für das Asylverfahren bestimmt § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG (in der seit dem 6. August 2016 geltenden Fassung), dass ein Asylantrag unzulässig ist, wenn ein anderer Mitgliedstaat der Europäischen Union dem Ausländer bereits internationalen Schutz im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 AsylG gewährt hat. Die Vorschrift betrifft grundsätzlich auch die Fälle eines Aufstockungsbegehrens, wenn also in einem anderen Mitgliedstaat lediglich subsidiärer Schutz (vgl. § 4 AsylG) zuerkannt worden ist und in Deutschland nunmehr die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 AsylG) beantragt wird (Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Vorlagebeschluss vom 23. März 2017 - 1 C 17/16 - juris Rn. 16). Das BVerwG hält aber die Frage für ungeklärt, ob es mit europarechtlichen Vorgaben vereinbar ist, § 29 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auf vor dem 20. Juli 2015 gestellte Asylanträge anzuwenden, und hat u.a. diese Frage dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt (Vorlagebeschlüsse vom 23. März 2017 - 1 C 17/16, 1 C 18/16, 1 C 20/16 und vom 1. Juni 2017 - 1 C 22/16 -; zur bis zum 5. August 2016 geltenden Rechtslage: BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 2015 - 1 C 41/15 - juris Rn. 11).
Unter Berücksichtigung des dargestellten Normzwecks und des Regelungszusammenhangs hält der Senat eine teleologische Reduktion von § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG für geboten. Eine teleologische Reduktion ist dadurch gekennzeichnet, dass eine Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut hinsichtlich eines Teils der von ihr erfassten Fälle nicht zur Anwendung kommt, weil der Sinn und Zweck, die Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen (BSG, Urteil vom 4. Dezember 2014 - B 2 U 18/13 R - juris Rn. 27, Urteil vom 15. Dezember 2016 - B 5 RE 2/16 R - juris Rn. 21). Jedenfalls wenn in Deutschland eine Sachentscheidung über den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zu treffen ist, wenn also § 29 AsylG nicht eingreift, dürfte die Anwendung von § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG zweckwidrig und insgesamt nicht gerechtfertigt sein. In einer solchen Konstellation kann nicht davon ausgegangen werden, dass den Leistungsberechtigten nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 AsylbLG die Pflicht oder Obliegenheit trifft, sich in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union zu begeben, in dem ihm subsidiärer Schutz zuerkannt worden ist.
Vorliegend hat das VG Lüneburg mit rechtskräftigem Urteil vom 26. Januar 2017 den Bescheid des BAMF vom 16. Dezember 2016 aufgehoben und zur Begründung darauf abgestellt, dass der Asylantrag nicht als unzulässig abgelehnt werden durfte und die Bundesrepublik Deutschland für die Durchführung des Verfahrens auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zuständig sei. Auf Grund dieses Urteils ist das BAMF verpflichtet, in der Sache über eine Anerkennung der Antragsteller als Flüchtlinge zu entscheiden.
Es kann offen bleiben, ob - wie für die Anspruchseinschränkung nach § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG erforderlich - der den Antragstellern in Rumänien zuerkannte internationale Schutz fortbesteht. Selbst wenn dies der Fall wäre, käme § 1a Abs. 4 Satz 2 AsylbLG wegen der teleologischen Reduktion nicht zur Anwendung.
Lediglich ergänzend wird darauf hingewiesen, dass sich ein Anordnungsanspruch auf höhere Leistungen für die Zeit von August bis Dezember 2017 auch aus dem diesen Zeitraum betreffenden Änderungsbescheid vom 16. August 2017 ergibt. Dieser Bescheid stellt einen eigenständigen Rechtsgrund für die Leistungsgewährung dar, weil er - anders als der die Zeit von Juli bis Dezember 2017 betreffende Bescheid vom 16. August 2017 - nicht als bloßer Ausführungsbescheid zum Beschluss des SG angesehen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2007 - B 8/9b SO 20/06 R - juris Rn. 12).
Die Antragsteller haben einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht. Dies ergibt sich bereits daraus, dass die nach § 1a Abs. 4 i.V.m. § 1a Abs. 2 AsylbLG gekürzten Leistungen grundsätzlich nur einen Teil des notwendigen Bedarfs im Sinne von § 3 Abs. 1 Satz 1 AsylbLG abdecken.
Der Senat geht davon aus, dass bei unveränderter Sach- und Rechtslage auch über den Monat Dezember 2017 hinaus den Antragstellern ungekürzte Analogleistungen zumindest vorläufig gewährt werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).