Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 27.05.2008, Az.: 4 A 207/06
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 27.05.2008
- Aktenzeichen
- 4 A 207/06
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2008, 45933
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:VGLUENE:2008:0527.4A207.06.0A
Rechtsgrundlagen
- 14 InVeKosV
- Art. 60 VO (EG) Nr. 1782/2003
- Art. 19 VO (EG) Nr. 796/2004
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zuweisung von Genehmigungen, die für die Betriebsprämienregelung angemeldeten Flächen auch zur Produktion von Obst, Gemüse oder anderen Kartoffeln als Stärkekartoffeln zu nutzen (OGS - Genehmigungen).
Er ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes, in dem er seit dem Jahr 2000 unter anderem Speisekartoffeln anbaut. Im Jahr 2003 betrug die Anbaufläche hierfür 42,62 ha. Am 11. Mai 2005 beantragte der Kläger u.a. die Festsetzung von Zahlungsansprüchen unter Verwendung des vorgesehenen Antragsvordruckes. Den in Ziffer 6. des Antragsformulars vorformulierten Antrag "Ich beantrage... die Zuweisung von Genehmigungen zur Aktivierung von Zahlungsansprüchen auf mit Obst, Gemüse (ausgenommen Dauerkulturen) und anderen Kartoffeln als Stärkekartoffeln ... bestellten Flächen im Umfang der nachgewiesenen Anbaufläche, die 2003 bzw. 2004 mit OGS als Hauptkultur bestellt waren" kreuzte er nicht an.
Mit Bescheid vom 7. April 2006 setzte die Beklagte 95,53 normale Zahlungsansprüche ohne OGS - Genehmigung mit einem Wert von 255,12 EUR und 3,33 normale Zahlungsansprüche ohne OGS -Genehmigung mit einem Wert von 99,87 EUR sowie 7,59 Stilllegungszahlungsansprüche ohne OGS - Genehmigung mit einem Wert von 255,12 EUR fest.
Der Kläger hat am 22. Mai 2006 Klage erhoben. Er könne Zahlungsansprüche mit OGS - Genehmigungen verlangen, denn es sei unstreitig, dass er im Jahr 2003 auf 42,62 ha Speisekartoffeln angebaut habe. Unschädlich sei es, dass er Ziffer 6 des Antragsformulars nicht angekreuzt habe, denn ein Antrag habe nur deklaratorische nicht aber anspruchsbegründende Wirkung. Im Übrigen habe er das Ausfüllen des Formulars wegen der komplizierten Regelungen einem Mitarbeiter der Beklagten überlassen. Dieser habe das Kreuz unter Ziffer 6 des Vordruckes versehentlich nicht gesetzt. Die Beklagte habe aufgrund der Antragsverfahren der vorangegangenen Jahre gewusst, dass er OGS - Flächen bewirtschafte und hierfür auf jeden Fall Zahlungsansprüche geltend machen wolle. Jedenfalls liege vor diesem Hintergrund ein offensichtlicher Fehler vor, den er, der Kläger, jederzeit korrigieren könne.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, ihm auf der Grundlage des Anbaus von 42,62 ha Speisekartoffeln abzüglich der regionalen Plafondkürzung in Höhe von 0,8083 Zahlungsansprüche mit OGS - Genehmigungen zuzuweisen und den Bescheid vom 7. April 2006 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Da der Kläger die Zuweisung von OGS - Genehmigungen nicht beantragt habe, könne er diese auch nicht verlangen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
Die Klage ist erfolgreich.
Sie ist zunächst zulässig. Insbesondere ist das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers nicht dadurch entfallen, dass die maßgebenden gemeinschaftsrechtlichen Grundlagen mit Wirkung ab dem 1. Januar 2008 geändert wurden und künftig OGS - Genehmigungen nicht mehr erforderlich sein werden [vgl. VO (EG) Nr. 1182/2007 des Rates vom 26.9.2007, ABl. Nr. L 273/1]. Der Kläger wäre durch die Bewilligung zusätzlicher OGS - Genehmigungen nach wie vor begünstigt, weil er unstreitig Speisekartoffeln angebaut hat und deswegen in der Vergangenheit wegen fehlender OGS - Genehmigungen Zahlungsansprüche im Sinne der Regelungen über die einheitliche Betriebsprämie in Titel III der VO (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. Nr. L 270/1) nicht aktivieren konnte. Die Beklagte hat mit Schreiben vom 14. Juni 2006 zugesichert, den für das Jahr 2005 ergangenen Bescheid über die Bewilligung der Betriebsprämie dem Ausgang des vorliegenden Verfahrens anzupassen.
Die Klage ist auch begründet. Der Kläger hat Anspruch auf OGS - Genehmigungen für 42,62 ha Anbaufläche abzüglich der Kürzung im Hinblick auf den Plafond der Region Niedersachsen/Bremen, wobei der Kürzungsfaktor für den maßgebenden Zeitraum 0,8083 betrug. Gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage hierfür sind die Regelungen über die einheitliche Betriebsprämie in Titel III der VO (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 sowie die VO (EG) Nr. 795/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl. Nr. L 141/1) und die VO (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl. Nr. L 141/18). Die Umsetzung dieser Vorschriften auf nationaler Ebene ist u.a. durch das Gesetz zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsgesetz - BetrPrämDurchfG -) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1763) in der nunmehr geltenden Fassung vom 28. März 2008 (BGBl. I S. 495) sowie durch die Verordnung zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsverordnung - BetrPrämDurchfV -) vom 3. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3204), in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2376), geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 8. Mai 2008 (BGBl. I S. 801) erfolgt.
Die Beihilfen im Rahmen der Betriebsprämienregelung werden gemäß Art. 36 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 auf der Grundlage der Zahlungsansprüche für eine entsprechende Hektarzahl beihilfefähiger Flächen im Sinne des Art. 44 Abs. 2 gezahlt. Jeder Zahlungsanspruch gibt zusammen mit je einem Hektar beihilfefähiger Fläche Anspruch auf die Zahlung des mit dem Zahlungsanspruch festgesetzten Betrags [Art. 44 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1782/2003]. Nach Art. 44 Abs. 3 meldet der Betriebsinhaber die Parzellen an, die der beihilfefähigen Fläche für jeden Zahlungsanspruch entsprechen. Die Anzahl der Zahlungsansprüche je Betriebsinhaber entspricht grundsätzlich der Hektarzahl, die er im ersten Jahr der Anwendung der Betriebsprämienregelung angemeldet hat. [Art. 43, 59 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003]. Bis zum 31. Dezember 2007 durften die Betriebsinhaber die nach Art. 44 Abs. 3 angemeldeten Parzellen u.a. nicht für die Produktion von Obst, Gemüse oder anderen Kartoffeln als Stärkekartoffeln - OGS - nutzen [Art. 51 der VO (EG) Nr. 1782/2003 in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung].
Machte ein Mitgliedstaat - wie hier die Bundesrepublik Deutschland - allerdings von der Möglichkeit Gebrauch, die Betriebsprämienregelung in Form des sog. Kombinationsmodells anzuwenden [vgl. Art. 58, 59 VO (EG) Nr. 1782/2003, §§ 2, 5 BetrPrämDurchfG] so konnten die Betriebsinhaber gemäß Art. 60 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 in der bis zum 31. Dezember 2007 geltenden Fassung abweichend von Art. 51 auch die gemäß Art. 44 Abs. 3 VO (EG) Nr. 1782/2003 angemeldeten Parzellen für die Produktion von OGS nutzen. Dabei legte der Mitgliedstaat die Hektarzahl der zulässigen Nutzung auf nationaler und regionaler Ebene fest [Art. 60 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) Nr. 1782/2003]. Im Rahmen der für die betreffende Region nach Art. 60 Abs. 2 bestimmten Obergrenze wurde einem Betriebsinhaber gestattet, die zur Betriebsprämienregelung angemeldeten Flächen für die Produktion der genannten Erzeugnisse zu nutzen und zwar innerhalb der Obergrenze der Hektarzahl, die er für diese Erzeugnisse im Jahr 2003 genutzt hat [Art. 60 Abs. 3 Buchstabe a) VO (EG) Nr. 1782/2003]. Die Nutzung der angemeldeten Flächen zur Produktion von Obst, Gemüse und anderen Kartoffeln als Stärkekartoffeln setzte eine Genehmigung voraus, die innerhalb der betreffenden Region zusammen mit dem entsprechenden Zahlungsanspruch verwendet wurde [Art. 60 Abs. 6 und 7 VO (EG) Nr. 1782/2003].
Auf dieser Grundlage kann der Kläger die Zuweisung von OGS - Genehmigungen beanspruchen. Der Umstand, dass er Ziffer 6 des Antragsvordruckes nicht angekreuzt hat und damit keinen ausdrücklichen Antrag auf OGS - Genehmigungen gestellt hat, steht dem nicht entgegen. Dabei kann offen bleiben, ob ungeachtet der Regelung des § 14 Abs. 1 InVeKosV OGS - Genehmigungen auch ohne Antrag zu erteilen sind, wenn der Betriebsinhaber im Rahmen des Sammelantrages sowie dem dazu gehörenden Flächenverzeichnis nachweist, im Jahr 2003 Speisekartoffeln in einem bestimmten Umfang angebaut zu haben (so VG Braunschweig, Urt.v. 17.7.2007 - 2 A 24/07 und VG Stade, Urt.v. 14.1.2008 - 6 A 1399/06 - juris). Jedenfalls kann der Kläger die Angaben im Antragsvordruck selbst nach Ablauf der Antragsfrist des § 14 Abs. 1 InVeKosV noch korrigieren. Nach Art. 19 der VO (EG) Nr. 796/2004 kann ein Beihilfeantrag nach seiner Einreichung jederzeit berichtigt werden, wenn die zuständige Behörde offensichtliche Irrtümer anerkennt. Dabei sind auch Anträge auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen Beihilfeanträge im Sinne des Titels II der VO (EG) Nr. 796/2004 (so auch VG Braunschweig, Urt.v. 17.7.2007 - 2 A 24/07 -, VG Stade, Urt.v. 11.12.2007 - 6 A 1139/06 -). Der Umstand, dass im Antrag des Klägers die Ziffer 6 des Antragsformulars nicht angekreuzt ist, stellt einen offensichtlichen Irrtum dar. Ein offensichtlicher Irrtum ist nach den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen nicht nur bei einfachen Schreibfehlern, die bei der Prüfung des Antrags sofort erkennbar sind, oder bei widersprüchlichen Angaben im Antragsformular selbst oder zwischen den Angaben im Antragsformular selbst und den Belegen, die ihm beigefügt sind, zu bejahen. Vielmehr kann ein offensichtlicher Fehler - vorausgesetzt, der Betriebsinhaber ist nicht bösgläubig oder handelt in Betrugsabsicht - auch dann vorliegen, wenn die fehlerhafte Angabe bei einem Abgleich mit unabhängigen Datenbanken auffällt, soweit es sich für einen verständigen und objektiven Beobachter aufdrängt, dass es sich um ein offensichtliches Versehen handelt und wenn die Sorgfaltspflichtverletzung des Betriebsinhabers an der unteren Grenze der Vorwerfbarkeit liegt (vgl. Urt. der erkennenden Kammer 30. Juni 2006 - 4 A 2/06 -, OVG Lüneburg, Urt.v. 11. Juni 2003 - 10 LB 27/03 -, RdL 2003, 329). So liegt es hier. Es ist unstreitig, dass der Antrag von einem Mitarbeiter der Beklagten ausgefüllt wurde, der das Kreuz bei Nr. 6 lediglich versehentlich nicht gesetzt hat, obwohl er wusste, dass der Kläger im Jahr 2003 Speisekartoffeln angebaut hat und auch künftig anbauen wollte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V. mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4, 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.