Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 27.05.2008, Az.: 4 A 144/06

Abkömmling; Agrarbetriebsprämie; Betrieb; betriebsindividueller Betrag; Ehegatte; Erblasser; Hoferbe; Landwirtschaft; landwirtschaftlicher Betrieb; Rechtsnachfolge; Vererbung; Verwaltung; Wirtschaftsjahr; Zahlungsanspruch

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
27.05.2008
Aktenzeichen
4 A 144/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 55089
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Ein Hoferbe ist auch dann Rechtsnachfolger i.S. des Art. 33 Abs. 1 lit. b) der VO (EG) Nr. 1782/2003 i.V. mit Art. 13 der VO (EG) Nr. 795/2004, wenn der geerbte Betrieb als Folge von § 14 Abs. 1 Satz 1 HöfeO übergangsweise durch den überlebenden Ehegatten des Erblassers verwaltet wurde und der Hoferbe den Betrieb spätestens zu Beginn des nächsten Wirtschaftsjahres nach der Vollendung des 25. Lebensjahres übernimmt.

Tatbestand:

1

Der Kläger begehrt die Erhöhung des Wertes seiner Zahlungsansprüche im Rahmen der einheitlichen Betriebsprämienregelung durch Zuweisung eines höheren betriebsindividuellen Betrages aufgrund von Vererbung.

2

Der landwirtschaftliche Betrieb des Klägers war bis zu dessen Tod im November 1998 von seinem Vater geführt worden. Im Anschluss übernahm zunächst die Mutter des Klägers die Bewirtschaftung des Betriebes. Unter dem 1. September 2001 schlossen der Kläger und seine Mutter eine schriftliche Vereinbarung des Inhalts ab, die Mutter des Klägers solle nach Beendigung ihres Nutzungs- und Verwaltungsrechts aus § 14 HöfeO zum 25. Geburtstag des Klägers und Hoferben am 15. September 2001 die Bewirtschaftung des Hofes bis zum Ablauf des laufenden Wirtschaftsjahres 2001/2002, somit bis zum Ablauf des 30. Juni 2002 fortsetzen. Der Kläger werde die Eigenbewirtschaftung mit Wirkung ab Beginn des folgenden Wirtschaftsjahres, d. h. ab 1. Juli 2002 aufnehmen.

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Am 31. Januar 2005 beantragten der Kläger und seine Mutter die Überlassung der betriebsindividuellen Beträge gemäß Art. 33 VO (EG) Nr. 1782/2003 bei der Landwirtschaftskammer C.. Dabei gaben sie die Mutter des Klägers als überlassende Betriebsinhaberin und den Kläger als übernehmenden Betriebsinhaber an. Es handle sich um eine Übertragung aufgrund Vererbung/ vorweggenommener Erbfolge, die Betriebsveränderung sei am 1. Juli 2002 erfolgt. Als Nachweis für die Betriebsveränderung legten der Kläger und seine Mutter ein Hoffolgezeugnis mit Erbschein des Amtsgerichts - Landwirtschaftsgericht - D. vom 12. Juli 1999 vor. Mit Schreiben vom 15. Dezember 2005 informierte die Landwirtschaftskammer C. die Mutter des Klägers darüber, dass ihr betriebsindividueller Betrag sich auf 2.240,00 EUR belaufe. Zuvor, am 9. Mai 2005, stellte der Kläger einen Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen bei der Landwirtschaftskammer C.. Mit Bescheid vom 7. April 2006 setzte die Beklagte die dem Kläger zustehenden Zahlungsansprüche fest, im Einzelnen 114, 53 normale Zahlungsansprüche ohne OGS-Genehmigung zum Wert von 258,44 EUR, 10,40 normale Zahlungsansprüche ohne OGS-Genehmigung zum Wert von 103,07 EUR und 9,09 Stilllegungszahlungsansprüche ohne OGS-Genehmigung zum Wert von 255,12 EUR. Die Beklagte legte dabei einen betriebsindividuellen Betrag von 420,00 EUR zugrunde, den sie auf der Grundlage der dem Kläger im Jahr 2002 gewährten Sonderprämie für männliche Rinder in Höhe von 1.260,00 EUR berechnete.

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Am 8. Mai 2006 hat der Kläger Klage erhoben.

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Zur Begründung trägt er vor, er hätte vor dem Jahr 2002 den landwirtschaftlichen Betrieb noch gar nicht übernehmen können, da nach § 14 Abs. 1 HöfeO seiner Mutter als überlebender Ehegattin des Erblassers bis zu der Vollendung seines 25. Lebensjahres ein Recht auf Verwaltung und Nutznießung am Hof zugestanden habe. Seine Mutter betreibe keine Landwirtschaft mehr, so dass der von ihr erwirtschaftete betriebsindividuelle Betrag in Höhe von 2.240,00 EUR unwiederbringlich in die nationale Reserve abfließen würde, wenn er nicht auf ihn, den Kläger, übertragen werde.

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Der Kläger beantragt,

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die Beklagte zu verpflichten, für ihn Zahlungsansprüche unter Berücksichtigung eines zusätzlichen betriebsindividuellen Betrages in Höhe von 2.240,00 EUR abzüglich 1 % für die nationale Reserve festzusetzen und den Bescheid der Beklagten vom 7. April 2006 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Die Übertragung der betriebsindividuellen Beträge der Mutter des Klägers auf den Kläger sei abzulehnen gewesen, da der Kläger den Betrieb nicht von seiner Mutter, sondern - ausweislich des vorgelegten Hoffolgezeugnisses - von seinem Vater geerbt habe.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat Erfolg. Sie ist zulässig und begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf die Festsetzung von Zahlungsansprüchen unter Berücksichtigung eines zusätzlichen betriebsindividuellen Betrages in Höhe von 2.240,00 EUR.

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Gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Zahlungsansprüchen sind die Regelungen über die einheitliche Betriebsprämie in Titel III der VO (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. Nr. L 270/1) sowie die VO (EG) Nr. 795/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl. Nr. L 141/1) und die VO (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl. Nr. L 141/18). Die Umsetzung dieser Vorschriften auf nationaler Ebene ist u.a. durch das Gesetz zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsgesetz - BetrPrämDurchfG -) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1763) in der nunmehr geltenden Fassung vom 28. März 2008 (BGBl. I S. 495) sowie durch die Verordnung zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsverordnung - BetrPrämDurchfV - ) vom 3. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3204), in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2376), geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 8. Mai 2008 (BGBl. I S. 801) erfolgt.

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Die Beihilfen im Rahmen der Betriebsprämienregelung werden gemäß Art. 36 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 auf der Grundlage der Zahlungsansprüche für eine entsprechende Hektarzahl beihilfefähiger Flächen im Sinne des Art. 44 Abs. 2 gezahlt. Jeder Zahlungsanspruch gibt zusammen mit je einem Hektar beihilfefähiger Fläche Anspruch auf die Zahlung des mit dem Zahlungsanspruch festgesetzten Betrags [Art. 44 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1782/2003]. Nach Art. 44 Abs. 3 meldet der Betriebsinhaber die Parzellen an, die der beihilfefähigen Fläche für jeden Zahlungsanspruch entsprechen. Die Anzahl der Zahlungsansprüche je Betriebsinhaber entspricht der Hektarzahl der Flächen, die er im ersten Jahr der Anwendung der Betriebsprämienregelung angemeldet hat. [Art. 43, 59 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/200)]. Der Wert eines Zahlungsanspruches berechnet sich, indem ein regionaler flächenbezogener Betrag durch einen sog. „Top Up“ erhöht wird, der sich im Wesentlichen aus einem betriebsindividuellen Betrag, geteilt durch die nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 angemeldete Hektarzahl ergibt [§ 59 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 1782/2003 i.V. mit § 5 BetrPrämDurchfG]. Der betriebsindividuelle Betrag wird für das Jahr 2005 u.a. aus dem Dreijahresdurchschnitt der Gesamtbeträge der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrPrämDurchfG genannten Direktzahlungen berechnet, die der Betriebsinhaber in jedem der Jahre 2000 bis 2002 bezogen hat (Art. 37 Abs. 1, Art. 38 VO (EG) Nr. 1782/2003 i. V. mit Anhang VII der VO (EG) Nr. 1782/2003 sowie § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrPrämDurchfG). Hierzu gehören u.a. die Sonderprämie für männliche Rinder sowie die Mutterkuhprämie einschließlich der Zahlungen für Färsen sowie Extensivierungsprämie. Hat ein Betriebsinhaber den Betrieb durch Vererbung oder durch vorweggenommene Erbfolge von einem Betriebsinhaber erhalten, dem in den Jahren 2000 bis 2002 in § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrPrämDurchfG genannte Direktzahlungen gewährt wurden, so wird der Wert der Zahlungsansprüche, die der neue Betriebsinhaber im eigenen Namen beantragt, auf Basis des Referenzbetrags der geerbten Produktionseinheiten festgestellt [Art. 33 Abs. 1 lit. b) VO (EG) Nr. 1782/2003 i. V. m. Art. 13 Abs. 1 VO (EG) Nr. 795/2004].

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Nach diesem Maßstab kann der Kläger die Berücksichtigung des betriebsindividuellen Betrages in Höhe von 2.240,00 EUR, der sich für den Zeitraum der Bewirtschaftung des Betriebs durch seine Mutter ergibt, bei der Festsetzung der ihm zustehenden Zahlungsansprüche beanspruchen. Es liegt hier ein Fall der Rechtsnachfolge durch Vererbung im Sinne des Art. 33 Abs. 1 lit. b) VO (EG) Nr. 1782/2003 i. V. m. Art. 13 VO (EG) Nr. 795/2004 vor. Es ist allerdings davon auszugehen, dass während des Zeitraums nach dem Tod des Vaters im November 1998 bis einschließlich Juni 2002 die Mutter des Klägers alleinige Betriebsinhaberin im Sinne von Art. 2 lit. a) VO (EG) Nr. 1782/2003 war. Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 HöfeO steht dem überlebenden Ehegatten des Erblassers, wenn der Hoferbe ein Abkömmling des Erblassers ist, bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres des Hoferben die Verwaltung und Nutznießung am Hof zu. Dieses Recht hat die Mutter des Klägers - wie sich auch der Vereinbarung vom 1. September 2001 entnehmen lässt - in Anspruch genommen. So hat die Mutter des Klägers in dem fraglichen Zeitraum auch sämtliche Anträge auf Agrarförderung allein und im eigenen Namen gestellt.

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Jedoch ist vor dem Hintergrund der Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 HöfeO ein Fall des Art. 33 Abs. 1 lit. b) VO (EG) Nr. 1782/2003, Art. 13 VO (EG) Nr. 795/2004 gegeben, so dass der Kläger den von seiner Mutter erwirtschafteten betriebsindividuellen Betrag übernehmen kann. Nach Art. 13 Abs. 5 VO (EG) Nr. 795/2004 werden für die Anwendung von Art. 33 Abs. 1 lit. b) VO (EG) Nr. 1782/2003 und für die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 die in den einzelstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehenen Begriffsbestimmungen für "Vererbung" und "vorweggenommene Erbfolge" zugrunde gelegt. Damit soll den speziellen erbrechtlichen Regelungen und deren Eigenarten in dem jeweiligen Mitgliedstaat Rechnung getragen werden. Es soll nach der Intention des gemeinschaftsrechtlichen Verordnungsgebers sichergestellt werden, dass für den Fall der Vererbung eines landwirtschaftlichen Betriebs auf einen Erben, der die landwirtschaftliche Tätigkeit in dem Betrieb fortsetzen will, die Übertragung des Betriebs innerhalb der Familie reibungslos erfolgen kann [vgl. Erwägungsgrund (16) der VO (EG) Nr. 795/2004]. Da im deutschen Recht die spezielle hoferbenrechtliche Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 HöfeO dem überlebenden Ehegatten des verstorbenen Betriebsinhabers für einen Übergangszeitraum das Recht einräumt, den Betrieb zu verwalten, und es dem Abkömmling als Hoferben unmöglich macht, vor Vollendung seines 25. Lebensjahres als Betriebsinhaber des geerbten Hofes zu agieren, ist nach dem dargelegten Sinn und Zweck der Art. 33 Abs. 1 lit. b) VO (EG) Nr. 1782/2003, Art. 13 VO (EG) Nr. 795/2004 der während des - aus Sicht des Hoferben unfreiwilligen - Zeitraums der Verwaltung durch den überlebenden Ehegatten erwirtschaftete betriebsindividuelle Betrag für die Zahlungsansprüche des Hoferben zu berücksichtigen. Anknüpfungsgegenstand ist hier der geerbte landwirtschaftliche Betrieb, dessen Referenzbetrag die Basis für die Berechnung des Werts der Zahlungsansprüche des Hoferben darstellt [vgl. Art. 13 Abs. 1 Unterabs. 2 VO (EG) Nr. 795/2004]. Dass der geerbte Betrieb aufgrund der geltenden nationalen erbrechtlichen Bestimmungen übergangsweise durch den überlebenden Ehegatten des Erblassers verwaltet wurde, ist dabei nach alledem unschädlich.

17

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

18

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§§ 124 Abs. 2 Nr. 3 oder 4, 124a Abs. 1 VwGO) liegen nicht vor.