Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 27.05.2008, Az.: 4 A 420/06

Agrarordnung; Antrag; Betriebsprämie; Frist; Landwirtschaft; Nachfrist; Termin; Zahlungsanspruch

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
27.05.2008
Aktenzeichen
4 A 420/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 55090
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Art. 3 Abs. 4 der VO (EWG, Euratom) 1182/1971 sowie Art. 20 der VO (EG) Nr. 796/2004 sind im Rahmen der Art. 21 Abs. 1 Satz 4, Art. 21a Abs. 1 Satz 2 der VO (EG) Nr. 796/2004 nicht anwendbar.

Tatbestand:

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Der Kläger begehrt die Festsetzung von Zahlungsansprüchen und die Auszahlung von Betriebsprämie im Jahr 2005. Dies beantragte er am 13. Juni 2005 bei der Beklagten für eine Fläche von 4,35 ha. Mit Bescheid vom 3. August 2008 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Der Antrag auf Festsetzung der Zahlungsansprüche sei nach § 21a Abs. 1 der VO (EG) Nr. 796/2004 unzulässig, weil er mehr als 25 Tage nach Ablauf der Antragsfrist am 15. Mai 2005 gestellt worden sei. Da Betriebsprämie im Rahmen der dem Betrieb zur Verfügung stehenden Zahlungsansprüche gewährt werde, könne der Kläger auch keine Betriebsprämie erhalten.

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Der Kläger hat am 21. August 2006 Klage erhoben. Er habe den Antrag nicht im Sinne des Art. 21a Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 verspätet gestellt. Soweit der letzte Termin für die Einreichung der Antragsunterlagen auf einen Feiertag, Samstag oder Sonntag falle, gelte nach Art. 20 der VO (EG) Nr. 796/2004 abweichend der erste folgende Arbeitstag als letzter Termin. Im Jahr 2005 sei der 15. Mai 2005 ein Sonntag und der folgende Montag, der 16. Mai 2005, ein Feiertag gewesen. Die Frist habe damit am 17. Mai 2005 geendet. Die 25 - tägige Nachfrist des Art. 21a der VO (EG) Nr. 796/2004 sei am 11. Juni 2006 abgelaufen. Da dies ein Samstag gewesen sei, habe er seinen Antrag gemäß Art. 20 der VO (EG) Nr. 796/2004 bis zum 13. Juni 2005 stellen können. Dies folge auch aus Art. 3 Abs. 4 der VO (EG) Nr. 1182/1971 des Rates.

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Der Kläger beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 3. August 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihm 4,35 Zahlungsansprüche im Wert von jeweils 255,12 EUR zuzuweisen und Betriebsprämie für das Jahr 2005 in Höhe von 910,01 EUR auszuzahlen.

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Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung wiederholt sie zunächst die Begründung des angegriffenen Bescheides. Ergänzend trägt sie vor, der Wortlaut der Art. 21, 21a der VO (EG) Nr. 796/2004 spreche gegen die von dem Kläger vertretene Auffassung, dass darin eine Nachfrist gesetzt werde. Es sei unbeachtlich, dass der 11. Juni 2006 ein Samstag gewesen sei. Nur bei der Ermittlung des letzten Termins für die Einreichung der Anträge solle von der Regelung des Art. 5 Abs. 1 der VO (EWG, Euratom) Nr. 1182/1971 abgewichen werden.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf die Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Mit Einverständnis der Beteiligten entscheidet das Gericht ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).

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Die Klage bleibt ohne Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Die Beklagte hat die Anträge des Klägers auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen und auf Auszahlung der Betriebsprämie für das Jahr 2005 zu Recht abgewiesen, weil der Kläger diese Anträge nicht rechtzeitig gestellt hat.

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Letzter Termin für die Anträge auf Festsetzung der Zahlungsansprüche sowie auf Zahlung der Betriebsprämie für das Jahr 2005 war der 17. Mai 2005. Nach Art. 34 Abs. 2 und Abs. 3 der VO (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 (ABl. Nr. L 270/1), Art. 11 Abs. 2 1. Unterabsatz der VO (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl. Nr. L 141/18) i.V. mit §§ 7, 11 InVeKosV waren die Anträge bis zum 15. Mai 2005 zu stellen. Da der 15. Mai 2005 ein Sonntag und der 16. Mai 2005 in der Bundesrepublik Deutschland ein Feiertag war, konnten die Anträge jedoch nach Art. 20 der VO (EG) Nr. 796/2004 bis zum 17. Mai 2005 gestellt werden. Fällt der letzte Termin für die Einreichung von Beihilfeanträgen, sonstigen Unterlagen, Verträgen und Erklärungen nach den Bestimmungen des Titels II der VO (EG) Nr. 796/2004 auf einen Feiertag, einen Samstag oder einen Sonntag, so gilt danach abweichend von Art. 5 Abs. 1 der VO (EWG, Euratom) Nr. 1182/1971 des Rates als dieser Termin der erste folgende Arbeitstag; diese Regelung gilt auch im Rahmen der Betriebsprämienregelung nach Art. 34 Abs. 2 der VO (EG) Nr. 1782/2003. Wird der Antrag später gestellt, verringern sich - außer in Fällen höherer Gewalt und außergewöhnlicher Umstände - bei Einreichung eines Beihilfeantrags nach den festgesetzten Fristen die Beihilfebeträge um 1% je Arbeitstag Verspätung [Art. 21 Abs. 1 Satz 1 der VO (EG) Nr. 796/2004]. Im ersten Jahr der Anwendung der Betriebsprämienregelung verringern sich die Beträge, die in demselben Jahr für die dem Betriebsinhaber zuzuteilenden Zahlungsansprüche zu zahlen sind, um 4 % je Arbeitstag Verspätung, wenn - wie in der Bundesrepublik Deutschland - die Anträge auf Zuteilung von Zahlungsansprüchen und der Sammelantrag für dasselbe Jahr von dem Betriebsinhaber zusammen eingereicht werden müssen, der Betriebsinhaber diese Anträge jedoch nach der festgesetzten Frist einreicht [Art. 21a Abs. 1 Satz 1 der VO (EG) Nr. 796/2004]. Beträgt die Verspätung mehr als 25 Kalendertage, sind die Anträge als unzulässig anzusehen; dem Betriebsinhaber werden keine Zahlungsansprüche zugeteilt [Art. 21 Abs. 1 Satz 4, Art. 21a Abs. 1 Satz 2 der VO (EG) Nr. 796/2004].

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Der zuletzt genannte Fall liegt hier vor, denn der Kläger hat seine Anträge auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen und auf Auszahlung der Betriebsprämie für 2005 nicht innerhalb von 25 Kalendertagen nach Ablauf des Termins am 17. Mai 2005 eingereicht.

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Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg auf die Regelung des Art. 20 der VO (EG) Nr. 796/2004 berufen, denn die Vorschrift ist im Rahmen der Art. 21 Abs. 1 Satz 4, Art. 21a Abs. 1 Satz 2 der VO (EG) Nr. 796/2004 nicht anwendbar. Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Bestimmungen. Zunächst regelt Art. 20 der VO (EG) Nr. 796/2004 ausdrücklich die "Abweichung vom Termin für die Einreichung von Beihilfeanträgen, sonstigen Unterlagen, Verträgen und Erklärungen". Ein Termin ist die Angabe eines Enddatums, bis zu dem ein Ereignis eingetreten oder eine Handlung vorgenommen werden sein muss (EuGH, Urt. v. 22.11.1973 - RS -139-73). Anders als in §§ 7, 11 InVeKosV, 34 Abs. 2 und 3 der VO (EG) Nr. 1782/2003 ist in Art. 21 Abs. 1 Satz 4 bzw. Art. 21a Abs. 1 Satz 2 der VO (EG) Nr. 796/2004 ein derartiges Enddatum nicht genannt. Vielmehr regeln die zuletzt genannten Vorschriften eine Zeitspanne, nach deren Ablauf die Anträge unzulässig sind. Weiter stellen Art. 21 Abs. 1 Satz 4 bzw. Art. 21a Abs. 1 Satz 2 der VO (EG) Nr. 796/2004 ausdrücklich auf "Kalendertage" ab, anders als Art. 21 Abs. 1 Satz 1 sowie Art. 21a Abs. 1 Satz 1 der VO (EG) Nr. 796/2004, wonach sich die Kürzung nach Arbeitstagen berechnet. Daraus folgt, dass für die Frage, ab wann ein Antrag auf Festsetzung von Zahlungsansprüchen und auf Auszahlung der Betriebsprämie unzulässig ist, allein die Zahl der vergangenen Kalendertage maßgebend ist, unabhängig davon, ob es sich bei dem letzten Tag der Frist um einen Samstag, Sonntag oder Feiertag handelt.

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Auch die Systematik der Regelungen zeigt, dass Art. 20 im Rahmen des Art. 21 und Art. 21a der VO (EG) Nr. 796/2004 nicht anwendbar ist. Art. 20 VO (EG) Nr. 796/2004 betrifft allein den Termin, zu dem die Anträge eingereicht werden sollen, Art. 21 und Art. 21a VO (EG) Nr. 796/2004 regeln hingegen die nach Ablauf des Termins eintretenden Folgen.

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Zuletzt kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf Art. 3 Abs. 4 der VO (EWG, Euratom) 1182/1971 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine (ABl. Nr. L 124/1) berufen. Fällt der letzte Tag einer nicht nach Stunden bemessenen Frist auf einen Feiertag, einen Sonntag oder einen Sonnabend, so endet die Frist danach mit Ablauf der letzten Stunde des folgenden Arbeitstages. Diese Vorschrift ist hier ebenfalls nicht anwendbar. Die Regelungen des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 bzw. Art. 21a Abs. 1 Satz 2 der VO (EG) Nr. 796/2004 enthalten keine Fristbestimmung im Sinne des Art. 3 Abs. 4 VO (EWG, Euratom) 1182/1971. Diese Verordnung kennt den Begriff des Kalendertages nicht. Sie unterscheidet zwischen den in den Art. 2 und Art. 3 geregelten Fristen, die sich nach Stunden, Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren bemessen und den in Art. 4 und 5 genannten Daten und Terminen. Während sich die Fristen grundsätzlich nach Art. 3 Abs. 4 1. Unterabsatz der VO (EWG, Euratom) 1182/1971 verlängern, wenn ihr letzter Tag auf einen Sonnabend, Sonntag oder Feiertag fällt, gilt dies nicht, wenn Termine oder Daten versäumt werden. Grund hierfür ist, dass es in den Fällen, in denen bestimmte Termine oder Daten maßgeblich sind, an einem Unsicherheitsfaktor fehlt, der es rechtfertigt, die Frist zu verlängern, wenn sie an einem Sonnabend, Sonntag oder Feiertag abläuft (EuGH, Urt. v. 22.11.1973 - RS 139-73). Die in Art. 21 Abs. 1 Satz 4 bzw. Art. 21a Abs. 1 Satz 2 der VO (EG) Nr. 796/2004 getroffene Regelung ist hiermit vergleichbar. Der Ablauf der maßgeblichen Zeitspanne ist eindeutig zu berechnen, weil ausdrücklich die Anzahl der Kalendertage entscheidend ist, ein Unsicherheitsfaktor besteht nicht.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Die Berufung und die Sprungrevision werden nach §§ 124a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 3, 134 Abs. 1 und Abs. 2, 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zugelassen, weil den hier entschiedenen Rechtsfragen zur Anwendung des Art. 20 der VO (EG) Nr. 796/2004 und des Art. 3 Abs. 4 der VO (EG) Nr. 1182/1971 des Rates grundsätzliche Bedeutung zukommt.