Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 05.02.2019, Az.: 8 B 5/19
Antragsfrist; gebotene Sorgfalt; Verschulden
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 05.02.2019
- Aktenzeichen
- 8 B 5/19
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2019, 70047
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 34a Abs 2 S 1 AsylVfG
- § 60 Abs 1 VwGO
- § 60 Abs 2 VwGO
- § 80 Abs 5 VwGO
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Eine dem Bescheid nicht beigefügte Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung führt nicht zu der einjährigen Rechtsbehelfsfrist des § 58 Abs. 2 VwGO und auch nicht in jedem Fall zur Gewährung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist pakistanischer Staatsangehöriger, reiste im September 2018 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 24. Oktober 2018 einen Asylantrag. Bei seiner Anhörung durch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) gab er an, über die Türkei nach Bulgarien gelangt zu sein. Eine Eurodac Abfrage ergab, dass er bereits am 1. Juli 2015 in Bulgarien Asyl beantragt hat. Das Bundesamt stellte darauf gegenüber den bulgarischen Behörden am 10. Dezember 2018 ein Wiederaufnahmeersuchen, welchem diese am 12. Dezember 2018 stattgaben.
Die Antragsgegnerin lehnte daraufhin mit Bescheid vom 13. Dezember 2018, den der Antragsteller am 27. Dezember 2018 erhalten hat (Bl. 136 VV), den Asylantrag des Antragstellers als unzulässig ab (Ziffer 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 2), ordnete seine Abschiebung nach Bulgarien an (Ziffer 3) und befristete das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG auf sechs Monate ab dem Tag der Abschiebung (Ziffer 4).
Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 4. Januar 2019 Klage erhoben und um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht.
Zur Begründung führt er aus, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in Bulgarien systemische Mängel aufwiesen, insbesondere in seinem konkreten Einzelfall, da er an einer posttraumatischen Belastungsstörung leide. Dem Bescheid sei ausweislich der Verwaltungsvorgänge eine Übersetzung des Tenors und der Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt gewesen, so dass ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren sei. Aufgrund der fehlenden Übersetzung sei er noch nicht einmal in der Lage gewesen, von etwaigen im Camp des Ankunftszentrums in Fallingbostel mitanwesenden Landsleuten eine Übersetzung zu erhalten.
II.
Der Antrag des Antragstellers auf Prozesskostenhilfe ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dementsprechend erfolgt auch keine Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 121 Abs. 1 ZPO).
Der gegen die Abschiebungsanordnung gerichtete Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (§ 80 Abs. 5 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO i.V.m. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG) ist bereits unzulässig. Denn der Antragsteller hat diesen nicht binnen der Wochenfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG gestellt und ihm war auch keine Wiedereinsetzung in die Frist zu gewähren.
Nach § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG sind Anträge nach § 80 Absatz 5 VwGO - wie hier - gegen die Abschiebungsanordnung innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen.
Der Antragsteller hat den Bescheid vom 13. Dezember 2018 am 27. Dezember 2018 erhalten. Die Antragsfrist endete damit gem. § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Halbsatz 1 BGB am 3. Januar 2019 um 24:00 Uhr. Der Antrag des Antragstellers ging demgegenüber erst am Abend des 4. Januar 2019, mithin nach Ablauf der Frist bei Gericht ein.
Die Antragsfrist betrug auch nicht wegen einer unrichtigen Erteilung der Rechtsbehelfsbelehrung ein Jahr (vgl. zur Anwendung des § 58 Abs. 2 VwGO bei einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Auflage 2018, § 58 Rn. 23, 29). Denn eine fehlende oder unrichtige Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung macht diese nicht unrichtig im Sinne des § 58 Abs. 2 VwGO und bewirkt auch sonst nicht dessen Anwendung; für den Fristlauf ist es vielmehr unerheblich, ob der Antragsteller eine Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung erhalten hat (BVerwG, Urt. v. 29.08.2018 - 1 C 6.18 -, juris Rn. 20 ff.; a.A. noch VG Lüneburg, Urt. v. 13.09.2017 - 3 A 394/17 -, juris Rn. 15).
Dem Antragsteller war auch nicht auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in die Antragsfrist des § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG zu gewähren.
Nach § 60 Abs. 1 VwGO ist demjenigen, der ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, auf seinen Antrag hin Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Verschulden im Sinn des § 60 Abs. 1 VwGO ist dann gegeben, wenn der Betroffene nicht die Sorgfalt walten lässt, die für einen gewissenhaften, seine Rechte und Pflichten sachgerecht wahrnehmenden Beteiligten geboten und ihm nach den gesamten Umständen zuzumuten ist (vgl. dazu BVerwG, Beschl. v. 23.02.1996 - BVerwG 8 B 28.96 -, juris Rn. 1 m.w.N.; Kopp/Schenke, VwGO, 24. Aufl. 2018, § 60 Rn. 9). Der Antrag ist gem. § 60 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 VwGO binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses zu stellen und die Tatsachen zur Begründung des Antrags sind bei der Antragstellung oder im Verfahren über den Antrag glaubhaft zu machen (§ 60 Abs. 2 Satz 2 VwGO).
Der Antragsteller hat einen Wiedereinsetzungsgrund nicht dargelegt und glaubhaft gemacht.
Soweit er anführt, dass er psychisch erkrankt sei, erfüllt das von ihm vorgelegte, nicht unterzeichnete Schreiben des Netzwerks für traumatisierte Flüchtlinge in Niedersachsen e.V. nicht die an die Substantiierung einer behaupteten Erkrankung zu stellenden Anforderungen (vgl. dazu BVerwG, Urt. v. 11.09.2007 - 10 C 17.07 -, juris Rn. 15, und Urt. v. 27.07.2012 - 10 B 21.12 -, juris Rn. 7 zur Substantiierung eines Sachverständigenbeweisantrages unter Bezugnahme auf BVerwG, Urt. v. 11.09.2007 - 10 C 8.07 -), zumal sich aus den dortigen Ausführungen auch nicht ergibt, dass der Antragsteller unfähig gewesen wäre, selbst zu handeln und zudem auch außerstande gewesen wäre, einen Bevollmächtigten mit der Wahrnehmung seiner Interessen zu beauftragen sowie im gebotenen Umfang zu informieren (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.08.2018 - 1 C 6.18 -, juris Rn. 34).
Darüber hinaus begründet der Antragsteller seinen Wiedereinsetzungsantrag pauschal mit der nicht beigefügten Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung. Er legt dabei weder dar noch ist sonst ersichtlich, weshalb dieser Umstand für die Versäumung der Klagefrist (mit)ursächlich gewesen sein soll. Insoweit trägt er lediglich vor, dass dies dazu geführt habe, dass deshalb auch etwaige im Ankunftszentrum anwesende Landsleute ihm die Rechtsbehelfsbelehrung nicht übersetzen hätten können. Er führt aber in keiner Weise aus, weshalb es ihm bei Anwendung der gebotenen und den Umständen nach zuzumutenden Sorgfalt konkret nicht möglich gewesen sei, den Inhalt des erhaltenen Schriftstücks und die für eine Erhebung von Rechtsmitteln einzuhaltenden Fristen in Erfahrung zu bringen, zumal er sich in einer Erstaufnahmeeinrichtung aufgehalten hat und ihm damit mehr Informations- und Übersetzungsmöglichkeiten zur Verfügung gestanden haben dürften, als wenn er etwa in einer Wohnung gelebt hätte. Allein der Umstand, dass dem Bescheid eine Übersetzung der Rechtsbehelfsbelehrung nicht beigefügt war, führt für sich alleine noch nicht zu der Annahme einer Kausalität für die Versäumung der Klagefrist (vgl. BVerwG, Urt. v. 29.08.2018 - 1 C 6.18 -, juris Rn. 36).
Auch sonst liegen keine offenkundigen Umstände vor, die einen Wiedereinsetzungsgrund begründen würden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 VwGO, 83b AsylG. Die außergerichtlichen Kosten des Prozesskostenhilfeverfahrens werden gem. § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 1 Satz 4 ZPO nicht erstattet.
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.