Oberverwaltungsgericht Niedersachsen
Urt. v. 26.08.1991, Az.: 6 K 31/89

Bebauungsplan; Normenkontrollantrag; Abwägungsgebot; Öffentliche und private Belange; Landwirtschaftlicher Betrieb

Bibliographie

Gericht
OVG Niedersachsen
Datum
26.08.1991
Aktenzeichen
6 K 31/89
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1991, 13157
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OVGNI:1991:0826.6K31.89.0A

Tenor:

Der am 1. September 1986 vom Rat der Antragsgegnerin als Satzung beschlossene Bebauungsplan Nr. 44 "Herdetor/Nordring" wird für nichtig erklärt, soweit er das Flurstück 59/1 der Flur 1 betrifft.

Im übrigen wird der Normenkontrollantrag zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu 1/4 und die Antragsgegnerin zu 3/4.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Antragsgegnerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht der Antragsteller vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Gründe

1

I.

Der Antragsteller wendet sich gegen den Bebauungsplan Nr. 44 "..." der Antragsgegnerin, soweit darin seine unbebauten Flurstücke ... und ... der Flur ... der Gemarkung ... als Teil eines öffentlichen Parkplatzes ausgewiesen sind.

2

Der Antragsteller ist Eigentümer der genannten beiden Flurstücke nordwestlich des von ihm betriebenen landwirtschaftlichen Anwesens ... 38. Das Flurstück ... ist 267 qm groß, grenzt unmittelbar an die Ostseite des Nordrings und wird als eingezäunter Pferdeauslauf für vier Ponys des Antragstellers genutzt. Es ist durch das Wegeflurstück ... der Antragsgegnerin von dem übrigen Hofgelände getrennt. Auf dem 996 qm großen Flurstück ... liegt eine ca. 120 qm große betonierte Dungplatte zur Mistlagerung aus den Rinder- und Pferdeställen des Antragstellers. Dieser hielt in den ihm zur Verfügung stehenden Stallungen 1988 insgesamt 56 Rinder und vier Kleinpferde. Die Freifläche des Flurstücks ... dient ebenfalls als Pferdeauslauf und Manövrierfläche für Großfahrzeuge eines Lohnunternehmers, der den gelagerten Stalldung abfährt.

3

Eine Freifläche auf dem südlich angrenzenden Flurstück 59/3, das mit einer Scheune, einem leerstehenden Hühnerstall und einem Pferdestallanbau bebaut ist, ist teilweise als Abstellplatz für landwirtschaftliche Fahrzeuge betoniert und dient im übrigen ebenfalls als Pferdeauslauf. Dieses Flurstück ist nicht als öffentlicher Parkplatz vorgesehen, sondern als weitgehend nicht überbaubare Grundstücksfläche des Mischgebiets westlich der Straße ....

4

Hauptberuflich betreibt der Antragsteller eine Viehhandlung in .... Sein landwirtschaftlicher Nebenerwerbsbetrieb in Esens verfügt über 2.137 qm Eigenland und 850 qm Hof- und Gebäudefläche seiner Ehefrau. Außerdem nutzt er 17 ha Grünland im Außenbereich von ... als Mähweide.

5

Am 22. April 1985 beschloß der Rat der Antragsgegnerin die Aufstellung des Bebauungsplans. Dieser Beschluß wurde am 8. und 9. Mai 1985 ortsüblich bekanntgemacht. Daraufhin erhob der Antragsteller am 20. Juli 1985 telefonisch und unter dem 1. August 1985 schriftlich Bedenken gegen die vorgesehene Inanspruchnahme seiner Grünflächen, die er nicht entbehren könne.

6

In seiner Sitzung am 28. April 1986 stimmte der Rat der Stadt dem Entwurf des Planes und seiner Begründung zu und beschloß die öffentliche Auslegung, deren Ort und Dauer am 29. und 30. April 1986 unter Angabe des Geltungsbereichs in der örtlichen Tageszeitung ortsüblich bekanntgemacht wurden. Entwurf und Begründung lagen vom 12. Mai 1986 bis 13. Juni 1986 öffentlich aus. Unter dem 12. Juni 1986 widersprach der Antragsteller der Ausweisung seiner Parzellen ... und ... als öffentliche Parkplätze, weil er das Anwesen als betriebliche Einheit gekauft habe und diese nur so bewirtschaften könne. Außer der Parzelle ... könne er keine Flächen abgeben. Unter dem 18. Juni 1986 kündigte er gegenüber der Antragsgegnerin an, gegen die Planung gerichtlich vorzugehen. Am 30. Juni 1986 entschied der Rat der Antragsgegnerin über die vorliegenden Bedenken und Anregungen, und zwar im Falle des Antragstellers dahin, daß der Bau eines Parkplatzes unter Inanspruchnahme seines Geländes im dringenden öffentlichen Interesse liege, so daß es bei der getroffenen Festsetzung verbleibe. Der Parkplatz habe Vorrang vor dem Interesse des betroffenen Grundstückseigentümers, der Anspruch auf eine entsprechende Entschädigung habe. Bei der Gestaltungsplanung für den Parkplatz sollten weitere Verhandlungen mit den Eigentümern zur Entwicklung eines Kompromisses angeboten werden.

7

Unter dem 11. August 1986 ließ der Antragsteller seine Bedenken durch seinen Prozeßbevollmächtigten wiederholen: Es komme allenfalls eine geringfügige Inanspruchnahme seiner Flurstücke in Betracht. Zur Bewirtschaftung seines Hofes seien die zugehörigen Flächen unentbehrlich. Insbesondere sei er auf Wendemöglichkeiten für größere Fahrzeuge bei der Abfuhr von Stallmist usw. angewiesen. Von dem Flurstück ... könne höchstens ein 3 m breiter Streifen abgegeben werden. Außerdem könne darüber verhandelt werden, daß das Flurstück ... zur Verfügung gestellt werde. Anderenfalls sei der Hof nicht mehr lebensfähig und müsse insgesamt aufgegeben werden. Abschließend wurden die Flurstücke ..., ... und ... zum Verkauf für mindestens 300.000,-- DM angeboten, weil damit die zwangsläufige Aufgabe des Hofes verbunden sei. Am 25. August 1986 wurden an Ort und Stelle verschiedene Lösungsmöglichkeiten besprochen. Deren Verwirklichung scheiterte jedoch an den unterschiedlichen Kaufpreisvorstellungen der Beteiligten.

8

Am 1. September 1986 beschloß der Rat der Antragsgegnerin den Bebauungsplan nach Prüfung der Bedenken und Anregungen als Satzung mit seiner Begründung. Hiervon wurde der Antragsteller unter dem 2. Oktober 1986 schriftlich benachrichtigt. Dabei wurde ihm mitgeteilt, daß der Rat der Stadt unter Brücksichtigung aller vorgetragenen Gesichtspunkte nach wie vor die Auffassung vertrete, daß der Bau eines Parkplatzes wie geplant im dringenden öffentlichen Interesse liege und es deshalb bei der getroffenen Festsetzung verbleibe. Der Parkplatz habe Vorrang vor den Interessen des betroffenen Grundeigentümers, der allerdings einen entsprechenden Entschädigungsanspruch habe. Eine etwaige spätere Änderung des Bebauungsplans im Rahmen einer Kompromißlösung wurde in Aussicht gestellt.

9

Mit Bescheid vom 26. März 1987 genehmigte der Landkreis W. den Bebauungsplan ohne Auflagen. Die Genehmigung wurde am 15. April 1987 gemäß § 12 BBauG unter Angabe des Geltungsbereichs im Amtsblatt für den Landkreis bekanntgemacht.

10

Nach der Planbegründung wurde der öffentliche Parkplatz parallel zum Nordring, jedoch ohne Verbindung zu diesem, ausgewiesen, um für die Innenstadt die Probleme des ruhenden Verkehrs lösen zu können. Der Ausbau des Parkplatzes sei im Rahmen der Stadtsanierung vorgesehen. Fast die Hälfte der benötigten Parkplatzfläche habe die Stadt inzwischen mit Hilfe von Sanierungszuschüssen erworben. Der Rest müsse von drei Privateigentümern erworben werden. Insgesamt fänden hier ca. 250 Pkw Platz. Andere Flächen, die diesem Zweck dienen könnten, stünden nicht zur Verfügung. Eine durchgeführte Bedarfsermittlung für öffentliche Parkplätze und private Einstellplätze sei im März 1986 durhgeführt worden. Danach fehlten 228 öffentliche Parkplätze für den Sanierungsbereich. Darüber hinaus müßten Ersatzmöglichkeiten für mindestens 265 private Einstellplätze geschaffen werden. Im Hinblick auf die beiden streitigen Flurstücke des Antragstellers habe der Parkplatz Vorrang vor den Interessen des betroffenen Grundstückseigentümers, der entsprechend zu entschädigen sei.

11

Mit seinem Normenkontrollantrag macht der Antragsteller geltend: Die Inanspruchnahme seiner Flurstücke für den vorgesehenen öffentlichen Parkplatz zwinge ihn zur Aufgabe seines landwirtschaftlichen Betriebs an dieser Stelle. Das sei bei der Abwägung nicht hinreichend berücksichtigt worden. Das Flurstück ... werde als Weide genutzt. Diese Fläche sei erforderlich, um solche Tiere, die einer besonderen Beaufsichtigung bedürften, auch im Sommer in der Nähe des Hofes halten zu können. Das Flurstück ... werde als Lagerplatz für den im Winter anfallenden Stallmist und im übrigen als befahrbare Fläche benötigt. Die Landwirtschaftskammer habe in einem im Enteignungsverfahren erstellten Gutachten vom 6. Februar 1989 bescheinigt, daß es sich um einen umfangreichen landwirtschaftlichen Betrieb handele. Danach seien die hofnahen Freiflächen für die Existenz des Betriebs notwendig. Auch das von der Bezirksregierung im Enteignungsverfahren in Auftrag gegebene Gutachten des Sachverständigen ... in ... vom 21. September 1989 halte die vorhandene Dungplatte auf dem Flurstück ... für unentbehrlich. Deren Verlegung auf das Flurstück ... sei nicht möglich, weil dem der Bebauungsplan entgegenstehe und die verbleibende Restfläche als Pferdeauslauf und Longierplatz nicht mehr geeignet wäre. Das würde zu einer Aufgabe der Pferdehaltung führen und den Verlust einer wesentlichen Erwerbsquelle bedeuten. Ohne das Flurstük ... könnte der Betrieb nicht weitergeführt werden. Demgegenüber sei ein gesteigertes Interesse der Allgemeinheit an der vorgesehenen Inanspruchnahme seiner Flächen nicht zu erkennen. Es werde bestritten, daß ein Bedarf an 250 öffentlichen Parkplätzen bestehe. Private Parkplätze könnten damit ohnehin nicht ersetzt werden. Alternativstandorte seien ebensowenig erörtert worden wie der Bau eines Parkhauses, der zusätzlichen Flächenerwerb erübrigt hätte. Dem scheinbaren öffentlichen Interesse an der Schaffung öffentlicher Parkflächen sei zu seinen Lasten einseitig der Vorrang eingeräumt worden, ohne daß eine gerechte Abwägung seiner Belange stattgefunden habe. Ohne diesen Abwägungsfehler wäre der Bebauungsplan mit Sicherheit anders ausgefallen. Die Planungsunterlagen ließen erkennen, daß die betrieblichen Belange des Hofes überhaupt nicht ermittelt worden seien. Weder sei der Betrieb besichtigt worden noch sei es zu einer Beurteilung durch einen Sachkundigen gekommen. Seine Ponys halte er nicht aus Liebhaberei, sondern als Nebenzweig seiner Landwirtschaft, weil er auch mit Pferden handele. Auf den umstrittenen Freiflächen müßten zeitweise acht Trecker mit Hänger, beladen mit Heu und Stroh, rangiert und abgestellt werden. Seine besten Dauerwiesen befänden sich nicht in ..., sondern in ....

12

Der Antragsteller beantragt,

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den am 1. September 1986 vom Rat der Antragsgegnerin beschlossenen Bebauungsplan Nr. 44 "..." für nichtig zu erklären, soweit er die Flurstücke ... und ... der Flur 1 betrifft.

14

Die Antragsgegnerin beantragt,

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den Antrag zurückzuweisen.

16

Sie erwidert: Die Abwägung sei fehlerfrei zustandegekommen. Sie sei wesentlich ausführlicher gewesen, als den Protokollen der städtischen Gremien zu entnehmen sei. Die örtlichen Verhältnisse seien der Verwaltung und den 19 Ratsmitgliedern zum großen Teil persönlich bekannt gewesen. Die Flurstücke des Antragstellers lägen an der Umgehungsstraße, so daß sich die Ratsmitglieder von der tatsächlichen Nutzung der Weide hätten überzeugen und sich ein eigenes Urteil bilden können, um somit dem Abwägungsgebot nachzukommen. Wiederholte Kontrollen hätten ergeben, daß die Weide lediglich für zwei bis vier Ponys genutzt wurde. Rinder seien dort nie gesehen worden. Bei der Ponyhaltung handele es sich lediglich um ein privates Hobby und nicht um eine Pferdezucht. Der Antragsteller habe das Anwesen nicht als landwirtschaftlichen Betrieb, sondern als Kohlen- und Landabsatzhandel mit Wohnhaus und Lagerschuppen erworben. Die Rinderhaltung sei dort nie genehmigt worden. Es habe sich seit jeher um ein innerstädtisches Mischgebiet gehandelt. Die grundsätzliche Entbehrlichkeit der streitigen Flurstücke für den Betrieb des Antragstellers ergebe sich auch daraus, daß dieser sie der Stadt zum Kauf angeboten habe. Dem übrigen Parkplatz seien bereits ein Verbrauchermarkt und ein Einfamilienhaus gewichen. Im Vergleich dazu sei die Inanspruchnahme einer Ponyweide nicht unangemessen. Auch das Gutachten ... habe später die betriebliche Entbehrlichkeit der Flurstücke des Antragstellers bestätigt. Im Enteignungsverfahren habe die Stadt inzwischen auf die 120 qm große Dungplatte verzichtet. Auch solle eine private Anfahrt für die landwirtschaftlichen Fahrzeuge des Antragstellers bei der Detailplanung für den Parkplatz berücksichtigt werden.

17

Wegen des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten im einzelnen wird auf deren Schriftsätze mit Anlagen und auf die beigezogenen Planungsvorgänge der Antragsgegnerin verwiesen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war.

18

II.

Der Normenkontrollantrag ist zulässig, aber nur hinsichtlich des Flurstücks ... begründet.

19

Die Zulässigkeit des Antrags ergibt sich aus § 47 Abs. 2 VwGO. Danach kann den Normenkontrollantrag stellen, wer durch einen Bebauungsplan (vgl. § 47 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) einen Nachteil erlitten oder in absehbarer Zeit zu erwarten hat. Das ist hier schon deshalb der Fall, weil der Antragsteller nach der angegriffenen Planung einen Teil seiner Hofflächen für den Bau eines öffentlichen Parkplatzes abgeben soll. Seine Antragsbefugnis wird auch von der Antragsgegnerin nicht bezweifelt.

20

Die Normenkontrolle führt auch in der Sache zum Erfolg, soweit sie das Flurstück ... betrifft. Insoweit rügt der Antragsteller zu Recht, daß der Bebauungsplan gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BBauG (= § 1 Abs. 6 BauGB) verstößt. Nach dieser Vorschrift sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Dieses Gebot ist verletzt, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet oder wenn in die Abwägung an Belangen nicht eingestellt wird, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muß. Es ist ferner verletzt, wenn die Bedeutung der betroffenen privaten Verlange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, die zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens ist dem Abwägungsgebot allerdings genügt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Diese Grundsätze gelten sowohl für den Abwägungsvorgang als auch für das Abwägungsergebnis (vgl. BVerwG, Urt. v. 5. 7. 1974 - IV C 50.72 -, BVerwGE 45, 309 = NJW 1975, 70 und v. 1. 11. 1974 - IV C 38.71 -, BVerwGE 47, 144 [BVerwG 01.11.1974 - IV C 38/71]). Die verwaltungsgerichtliche Kontrolle beschränkt sich angesichts der planerischen Gestaltungsfreiheit der Gemeinde auf die Überprüfung, ob sie die im Rahmen der Planung abwägungserheblichen Gesichtspunkte rechtlich und tatsächlich zutreffend bestimmt hat und ob sie die aufgezeigten Grenzen der ihr obliegenden Gewichtung der unterschiedlichen Belange eingehalten hat.

21

Die Antragsgegnerin hat sich über die Belange des Antragstellers hinweggesetzt, ohne sie im einzelnen hinreichend ermittelt zu haben. Der gesetzlich vorgeschriebene Abwägungsvorgang hat mit der Ermittlung und Feststellung des abwägungserheblichen Materials zu beginnen (vgl. OVG Koblenz, Urt. v. 5. 12. 1990 - 10 C 52/89 -, BauR 1991, 295 [OVG Rheinland-Pfalz 05.12.1990 - 10 C 52/89]). Die Gemeinde muß darüber entscheiden, welche Belange für die Abwägung überhaupt in Betracht kommen können und inwieweit das Abwägungsmaterial aufgrund der konkreten Umstände von Bedeutung ist. Bei der Planung des öffentlichen Parkplatzes auf dem privaten Betriebsgelände des Antragstellers war es aber erforderlich, daß die Antragsgegnerin zunächst die tatsächliche Situation klärte und Ermittlungen darüber anstellte, mit welchen Folgen und Auswirkungen auf den betroffenen Betrieb zu rechnen ist. Das wiederum setzte die Einholung einer fachkundigen Stellungnahme der Landwirtschaftskammer oder eines Sachverständigen voraus, um so eine hinreichende Grundlage für die zu treffende Ermessensentscheidung zu erhalten. Anderenfalls mußte der Bebauungsplan bereits an der fehlenden Sachverhaltsaufklärung durch die Gemeinde scheitern. Solange die Rinder- und Pferdehaltung des Antragstellers und auch seine möglicherweise ungenehmigte Dunglagerung auf dem Flurstück 59/1 behördlich nicht beanstandet wurde, waren die Belange dieses Betriebes angemessen zu berücksichtigen. Das konnte nicht geschehen, solange die grundsätzliche Entbehrlichkeit der streitigen Flurstücke für die Fortführung des Betriebes ohne Kenntnis seiner Einzelheiten bei der Planung unterstellt wurde. Erst nach Abschluß der Planung wurde im Enteignungsverfahren durch ein Gutachten der Landwirtschaftskammer vom 6. Februar 1989 aufgrund näherer Ermittlungen festgestellt, daß die hofnahen Freiflächen für die Existenz des Betriebes notwendig seien. Das weitere Gutachten des Sachverständigen Philipps vom 21. September 1989 bestätigte die Unentbehrlichkeit eines Teils des Flurstücks 59/1 für die dortige Dungplatte. Das wiederum führte schließlich zu einem teilweisen Verzicht der Antragsgegnerin auf die Inanspruchnahme dieses Flurstücks, jedoch ohne entsprechende Änderung des Bebauungsplans. Das läßt den Schluß zu, daß die Antragsgegnerin bei vorzeitiger Aufklärung der Sachlage möglicherweise anders geplant hätte. Insbesondere hätte es nahegelegen, dem Antragsteller eine ausreichend breite Zufahrt zur Dungplatte sowie Stellflächen und Manövriergelände für die landwirtschaftlichen Fahrzeuge zu belassen. Immerhin verfügt er über drei Schlepper, vier Anhänger und sämtliche Heuernte- und Grünlandpflegegeräte, die er zur Bewirtschaftung seiner 16 ha Grünland in Esens einsetzt. Die Unzulänglichkeit des Abwägungsvorgangs wird durch den eigenen Vortrag der Antragsgegnerin unterstrichen, wonach sich die Ratsmitglieder von der Umgehungsstraße aus von der tatsächlichen Nutzung des "Weidegrundstücks" hätten überzeugen können, um dem Abwägungsgebot nachzukommen. Eine sorgfältige Ermittlung der betrieblichen Verhältnisse hätte ergeben, daß keineswegs nur Weideland für zwei bis vier Ponys in Anspruch genommen werden sollte, sondern auch befestigte Teilflächen wie die Dungplatte und deren Zufahrt.

22

Der Abwägungsvorgang war auch insofern mangelhaft, als Alternativstandorte nicht ernsthaft erwogen wurden, die eine volle Inanspruchnahme des Flurstücks ... erübrigt hätten. In der Ergänzungsbegründung zum Bebauungsplan heißt es hierzu lediglich, andere Flächen, die als Parkplatzgelände dienen könnten, stünden nicht zur Verfügung. Damit ist nicht gesagt, daß andere Flächen nicht als öffentlicher Parkplatz hätten überplant werden können. So befinden sich etwa im Bereich des Bebauungsplans Nr. 27 an der Ostseite des Nordrings größere Freiflächen (Flurstück ... u.a.), deren Eignung zu diesem Zweck offenbar gar nicht geprüft wurde. Auch andere Standorte für mehrere kleine Parkplatzflächen hätten sorgfältig daraufhin untersucht werden müssen, ob sie eine Entlastung der hofnahen Flächen des Antragstellers bewirken konnten. Derartige Unterlassungen führen zur Unvollständigkeit des Abwägungsvorgangs und damit zur Nichtigkeit entsprechender Planfestsetzungen nach § 9 Abs. 1 Nr. 11 BBauG (vgl. OVG Lüneburg, Urt. v. 25. 2. 1983 - 1 OVG C 14/82 -). Ein Verkehrskonzept, in dem auch die Unterbringung des ruhenden Verkehrs im Stadtgebiet festgelegt ist, hat die Antragsgegnerin nicht erarbeiten lassen. Nur wenn die Inanspruchnahme der Flächen des Antragstellers sich nach einem derartigen Rahmenplan als mehr oder weniger zwangsläufig aufgedrängt hätte, wäre die Erörterung von Alternativstandorten möglicherweise entbehrlich gewesen.

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Diese Mängel im Abwägungsvorgang sind nach § 214 Abs. 3 Satz 2 BauGB, der hier nach der Überleitungsvorschrift des § 244 Abs. 1 BauGB anzuwenden ist, nur erheblich, wenn sie offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluß gewesen sind. Daran hat der Senat aber keinen Zweifel. Denn es besteht die konkrete Möglichkeit, daß der Rat der Antragsgegnerin eine andere Planungsentscheidung hinsichtlich des Flurstücks 59/1 getroffen hätte, falls der Abwägungsvorgang fehlerfrei vorgenommen worden wäre (vgl. BVerwG, Urt. v. 21. 8. 1981 - 4 C 57.80 -, BVerwGE 64, 33).

24

Hinsichtlich des Flurstücks ... lassen sich dagegen keine Abwägungsfehler feststellen. Insoweit bedurfte es keiner näheren Ermittlungen, weil der Antragsteller bereits unter dem 12. Juni 1986 erklärte hatte, außer der Parzelle ... könne er keine Flächen abgeben. Auch aus dem Schreiben seiner Prozeßbevollmächtigten vom 11. August 1986 (S. 3) ergab sich seine Bereitschaft, das Flurstück ... zur Verfügung zu stellen. Zumal dieses Flurstück durch eine Wegeparzelle der Antragsgegnerin von dem Hofgelände getrennt liegt, brauchte sich dem Rat nicht die Frage aufzudrängen, wie sich die Abgabe dieser Weidekoppel im einzelnen auf die Bewirtschaftung des Hofes auswirken würde. Im übrigen läßt sich auch den im Jahre 1989 erstellten beiden Gutachten nicht entnehmen, daß das Flurstück ... für den Hof unentbehrlich wäre. Deshalb ist insoweit auch das Abwägungsergebnis nicht zu beanstanden.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, ihre vorläufige Vollstreckbarkeit auf einer analogen Anwendung des § 167 Abs. 2 VwGO iVm den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

26

Das Verfahren war nicht dem Bundesverwaltungsgericht vorzulegen, weil die Voraussetzungen des § 47 Abs. 5 VwGO nicht vorliegen.

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Beschluß

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Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 50.000,-- DM (in Worten: fünfzigtausend Deutsche Mark) festgesetzt.

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Taegen

30

Dr. Sarnighausen

31

Richter am Verwaltungsgericht Viecens gehört dem Oberverwaltungsgericht nicht mehr an. Taegen