Verwaltungsgericht Lüneburg
Urt. v. 22.04.2008, Az.: 4 A 153/06

Bibliographie

Gericht
VG Lüneburg
Datum
22.04.2008
Aktenzeichen
4 A 153/06
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 45921
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGLUENE:2008:0422.4A153.06.0A

Amtlicher Leitsatz

Der Kauf von Mutterkuhprämienrechten allein stellt keine Investition in Produktionskapazitäten dar.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Festsetzung von höherwertigen Zahlungsansprüchen und zwar durch Berücksichtigung eines zusätzlichen betriebsindividuellen Betrages aus der nationalen Reserve.

2

Er ist Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes. Am 27. April 2005 beantragte er u.a. die Festsetzung von Zahlungsansprüchen. Er beantragte auch die Zuweisung eines betriebsindividuellen Betrages aus der nationalen Reserve, weil er Investitionen in Produktionskapazitäten vorgenommen habe. Im Jahr 2000 habe er beschlossen, die Milchproduktion aufzugeben und in die Mutterkuhhaltung einzusteigen. Er habe in den Jahren 2000 - 2002 Mutterkuhprämienrechte und weibliche Tiere hinzugekauft. Inzwischen habe er 29,2 Prämienrechte, die er mit 22 Mutterkühen und 8 Färsen auch gut nutze. Im Einzelnen habe er im Jahr 2001 über 13,3 Prämienrechte, im Jahr 2001 über 21,1 Prämienrechte, im Jahr 2002 über 22,5 Prämienrechte und im Jahr 2003 über 29,2 Prämienrechte verfügt.

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Mit Bescheid vom 7. April 2006 setzte die Beklagte 19,88 Zahlungsansprüche im Wert von 354,13 EUR und 67,65 Zahlungsansprüche im Wert von 198,76 EUR fest. Die Zuweisung eines betriebsindividuellen Betrages aus der nationalen Reserve lehnte sie ab. Mit Rücksicht auf die Erhöhung der Mutterkuhquoten könnte im Rahmen der Investition eine Kapazitätserhöhung von 10,2 Tieren anerkannt werden. Da jedoch auch die Aufstockung des Tierbestandes in den Jahren 2000 bis 2004 berücksichtigt werden müsse, liege nach Prüfung der in der HI - Tier erfassten Daten keine Kapazitätserhöhung vor.

4

Der Kläger hat am 9. Mai 2006 Klage erhoben. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor:

5

Er könne eine Erhöhung des betriebsindividuellen Betrages um 10 Einheiten für die Mutterkuhprämie verlangen, weiter eine Erhöhung um 12 Einheiten für die Prämienart Extensivierungsprämie. Es sei zu Unrecht nicht berücksichtigt worden, dass er bei seinen Prämienanträgen vom 15. Mai 2002 und vom 6. Februar 2003 über eine erzeugerspezifische Obergrenze von 29,2 Prämienansprüchen verfügt habe. Nicht nachvollziehbar sei, wenn die Beklagte dies mit der Begründung ablehne, dass es in den Jahren 2000 bis 2004 nicht zu einer Aufstockung des Tierbestandes gekommen sei. Üblicherweise seien Mutterkühe, für die zusätzliche Prämien beantragt worden seien, aus dem vorhandenen Bestand rekrutiert worden, d.h. es habe sich nicht um neu zugekaufte Tiere gehandelt, sondern sie seien bereits im Bestand gewesen, aber wegen fehlender Prämienrechte nicht prämienfähig gewesen. Diese Form der Bestandsergänzung sei gerade bei Betrieben mit größeren Viehbeständen üblich gewesen. Neuzukäufe seien nicht erforderlich gewesen. Der Bestand an prämienfähigen Mutterkühen habe sich entsprechend der Bewilligungsbescheide von 13 auf 30 Mutterkühe erhöht.

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Der Kläger beantragt,

  1. die Beklagte zu verpflichten, ihm Zahlungsansprüche unter Berücksichtigung eines zusätzlichen betriebsindividuellen Betrages aus der nationalen Reserve in Höhe von 2 574,- EUR zu gewähren und den Bescheid vom 7. April 2006 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

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Die Beklagte beantragt,

  1. die Klage abzuweisen.

8

Eine Erhöhung des betriebsindividuellen Betrages werde gemäß § 15 Abs. 2 Nr. 1 BetrPrämDurchfV u.a. nur vorgenommen, wenn die Investition zu einer Erhöhung der Produktionskapazität geführt habe. Daran fehle es hier. Der Ankauf von Prämienrechten führe für sich genommen nicht zu einer Steigerung der Produktionskapazität. Hierzu wäre es erforderlich gewesen, den Tierbestand aufzustocken. Dies sei hier aber nicht erfolgt. Die Zahl des gewogenen Mittels der im Betrieb des Klägers gehaltenen prämienfähigen Mutterkühe sei in der Zeit von 2000 bis 2005 kontinuierlich von 43 auf 34 zurückgegangen. Der Höchststand an prämienfähigen Mutterkühen sei von 46 auf 36 zurückgegangen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die im Gerichtsverfahren gewechselten Schriftsätze und auf die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

10

Die Klage bleibt ohne Erfolg; sie ist zulässig, aber unbegründet.

11

Der Kläger kann keine höherwertigen Zahlungsansprüche verlangen, als sie in dem angegriffenen Bescheid der Beklagten festgesetzt wurden. Gemeinschaftsrechtliche Rechtsgrundlage für die Festsetzung von Zahlungsansprüchen sind die Regelungen über die einheitliche Betriebsprämie in Titel III der VO (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 mit gemeinsamen Regeln für Direktzahlungen im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik und mit bestimmten Stützungsregelungen für Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe (ABl. Nr. L 270/1) sowie die VO (EG) Nr. 795/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl. Nr. L 141/1) und die VO (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl. Nr. L 141/18). Die Umsetzung dieser Vorschriften auf nationaler Ebene ist u.a. durch das Gesetz zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsgesetz - BetrPrämDurchfG -) vom 21. Juli 2004 (BGBl. I S. 1763) in der nunmehr geltenden Fassung vom 28. März 2008 (BGBl. I S. 495) sowie durch die Verordnung zur Durchführung der einheitlichen Betriebsprämie (Betriebsprämiendurchführungsverordnung - BetrPrämDurchfV -) vom 3. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3204), in der Fassung der Bekanntmachung vom 26. Oktober 2006 (BGBl. I S. 2376), geändert durch Art. 1 der Verordnung vom 4. April 2007 (BGBl. I S. 489) erfolgt.

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Die Beihilfen im Rahmen der Betriebsprämienregelung werden gemäß Art. 36 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1782/2003 auf der Grundlage der Zahlungsansprüche für eine entsprechende Hektarzahl beihilfefähiger Flächen im Sinne des Art. 44 Abs. 2 gezahlt. Jeder Zahlungsanspruch gibt zusammen mit je einem Hektar beihilfefähiger Fläche Anspruch auf die Zahlung des mit dem Zahlungsanspruch festgesetzten Betrags [Art. 44 Abs. 1 der VO (EG) Nr. 1782/2003]. Nach Art. 44 Abs. 3 meldet der Betriebsinhaber die Parzellen an, die der beihilfefähigen Fläche für jeden Zahlungsanspruch entsprechen. Die Anzahl der Zahlungsansprüche je Betriebsinhaber entspricht der Hektarzahl der Flächen, die er im ersten Jahr der Anwendung der Betriebsprämienregelung angemeldet hat [Art. 43, 59 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/200)]. Der Wert eines Zahlungsanspruches berechnet sich, indem ein regionaler flächenbezogener Betrag durch einen sog. "Top Up" erhöht wird, der sich im Wesentlichen aus einem betriebsindividuellen Betrag, geteilt durch die nach Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 angemeldete Hektarzahl ergibt [§ 59 Abs. 3 der VO (EG) Nr. 1782/2003 i.V. mit § 5 BetrPrämDurchfG]. Der betriebsindividuelle Betrag wird für das Jahr 2005 u.a. aus dem Dreijahresdurchschnitt der Gesamtbeträge der in § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrPrämDurchfG genannten Direktzahlungen berechnet, die der Betriebsinhaber in jedem der Jahre 2000 - 2002 bezogen hat [Art. 37 Abs. 1, Art. 38 VO (EG) Nr. 1782/2003 i.V. mit Anhang VII der VO (EG) Nr. 1782/2003 sowie § 5 Abs. 2 Nr. 1 BetrPrämDurchfG]. Hierzu gehören auch die Sonderprämie für männliche Rinder sowie die Mutterkuhprämie einschließlich der Zahlungen für Färsen sowie Extensivierungsprämie. Einbezogen sind ferner die Beträge der Milchprämie nach Art. 95 VO (EG) Nr. 1782/2003 und die Milch-Ergänzungszahlung nach Art. 96 VO (EG) Nr. 1782/2003 auf der Grundlage der einzelbetrieblichen Referenzmenge für Milch, die dem Betrieb am 31. März 2005 zur Verfügung stand [Art. 62 VO (EG) Nr. 1782/2003 i.V.m. § 5 Abs. 2 Nr. 2 BetrPrämDurchfG].

13

Unter bestimmten Voraussetzungen wird der betriebsindividuelle Betrag abweichend vom Regelfall nicht nur anhand des durchschnittlichen Prämienaufkommens in den Jahren 2000 bis 2002 berechnet, sondern um Beträge aus der nationalen Reserve zugunsten einer bis spätestens am 15. Mai 2004 begonnenen Investition erhöht. Rechtsgrundlage hierfür ist § 15 BetrPrämDurchfV i.V.m. Art. 21 VO (EG) Nr. 795/2004 und Art. 42 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003. Nach Art. 42 Abs. 1, Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/2003 bilden die Mitgliedstaaten eine nationale Reserve, die gemäß Art. 42 Abs. 4 VO (EG) Nr. 1782/2003 unter anderem dazu verwendet wird, Referenzbeträge für Betriebsinhaber festzulegen, die sich in einer besonderen Lage befinden. Dies sind u.a. solche Betriebsinhaber, die im Sinne des Art. 21 der VO (EG) Nr. 795/2004 in Produktionskapazitäten investiert oder Flächen gekauft haben. Die Investitionen müssen in einem Plan oder Programm vorgesehen sein, dessen Durchführung spätestens am 15. Mai 2004 begonnen hat und das der Betriebsinhaber der zuständigen Behörde übermittelt. Liegen weder ein Plan noch Programme in Schriftform vor, können die Mitgliedstaaten andere objektive Nachweise für das Vorliegen einer Investition berücksichtigen [Art. 21 Abs. 2 VO (EG) Nr. 795/2004 in der Fassung der VO (EG) Nr. 1974/2004 der Kommission vom 29. Oktober 2004 (ABl. Nr. L 345/85)]. Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BetrPrämDurchfV wird in Fällen zu berücksichtigender Investitionen im Sinne des Art. 21 VO (EG) Nr. 795/2004 bei der Ermittlung des Referenzbetrages der betriebsindividuelle Betrag auf der Grundlage der durch die Investition bis zum Ablauf der Antragsfrist nach § 11 Abs. 1 der InVeKoSV nachgewiesenen zusätzlichen Produktionskapazität berechnet. Erhöhungen des betriebsindividuellen Betrages werden bei der Festsetzung des Referenzbetrages nur berücksichtigt, wenn die Investition unmittelbar zu einer Erhöhung der Produktionskapazität führt (§ 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BetrPrämDurchfV).

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Hieran gemessen kann der Kläger nicht verlangen, dass die Beklagte bei der Berechnung des betriebsindividuellen Betrages die Mutterkuhprämie sowie Extensivierungsprämie berücksichtigt, die der Kläger im Jahr 2003 erhalten hat. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger bis zum 15. Mai 2004 Investitionen vorgenommen hat, die unmittelbar zu einer Erhöhung der Produktionskapazität geführt haben. Der Kauf von Mutterkuhprämienrechten allein stellt keine Investition in Produktionskapazitäten im Sinne des Art. 21 der VO (EG) Nr. 795/2004 dar. Hiermit sind nur Investitionen in das Leistungsvermögen des Betriebes, nämlich in seine Fähigkeit zur Produktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen gemeint. Vorausgesetzt wird deswegen eine Investition in Produktionsmittel (siehe auch VG Hannover, Urt.v. 12.3.2008 - 11 A 3397/06 -). Hierzu gehören die Prämienansprüche nicht, die nach Art. 7 der VO (EG) Nr. 1254/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 - ABl. Nr. L 160/21 - [in der Fassung der VO (EG) Nr. 1512/2001 des Rates - ABl. Nr. L 201/2 -] den Anspruch auf Mutterkuhprämien begrenzt haben. Diese sind nicht Bestandteil der Investition sondern dienen lediglich dem Nachweis ihrer Nachhaltigkeit (so auch VG Stade, Urt.v. 14.1.2008 - 6 A 1228/06 -). Offen bleiben kann, ob dies anders zu beurteilen ist, wenn der Erwerb von Prämienrechten mit einer Aufstockung des Bestandes an Mutterkühen sowie Färsen einhergeht oder wenn eine solche zumindest geplant ist. Hier war dies nicht der Fall. Aus den im Verwaltungsvorgang enthaltenen Auswertungen der HI - Tier lässt sich ersehen, dass der Bestand der über 8 Monate alten weiblichen Tiere im Betrieb des Klägers in den Jahren 2000 bis 2005 kontinuierlich zurückgegangen ist. Die Zahl des gewogenen Mittels der prämienfähigen Tiere ist von 43 im Jahr 2000 auf 35 im Jahr 2003 und 34 im Jahr 2005 gesunken, der Höchstbestand ist von 46 Tieren im Jahr 2000 auf 38 im Jahr 2003 und 36 im Jahr 2005 zurückgegangen.

15

Die Voraussetzungen für die Berücksichtigung eines vom Regelfall abweichenden Referenzzeitraums liegen auch nicht vor, soweit sich der Kläger auf den Zukauf von Tieren beruft. Aus dem Wortlaut des Art. 21 der VO (EG) Nr. 795/2004 sowie des § 15 Abs. 2 BetrPrämDurchfV, wonach eine Steigerung bzw. Erhöhung der Produktionskapazität gefordert wird, ergibt sich, dass Investitionen in den Mutterkuhbestand durch Zukauf von Tieren nur dann zu zusätzlichen betriebsindividuellen Beträgen führen können, wenn es hierdurch zu einer Erweiterung des Mutterkuh - und Färsenbestandes gekommen ist. Wie bereits dargelegt, war dies hier nicht der Fall.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.