Verwaltungsgericht Lüneburg
Beschl. v. 27.06.2007, Az.: 10 A 18/06
Anordnung; Beamte; Beauftragung; Dienstherr; dienstliche Weisung; Dienstpflicht; Dienstpflichtsverletzung; Dienstvergehen; Disziplinarverfahren; Disziplinarverfügung; Eigenverwaltung; Gymnasium; Lehrer; Lehrmittel; Lernmittel; Mitwirkung; Organisation; Schule; Schulleiter; Verschulden; Verweis
Bibliographie
- Gericht
- VG Lüneburg
- Datum
- 27.06.2007
- Aktenzeichen
- 10 A 18/06
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2007, 71916
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 6 Abs 1 DO ND
- § 63 BG ND
- § 51 SchulG ND
- § 43 Abs 2 SchulG ND
- § 32 Abs 3 DO ND
Amtlicher Leitsatz
Leitsatz
Kommt ein Lehrer der rechtmäßigen Übertragung einer Verwaltungsaufgabe durch seinen Schulleiter nicht nach, ist ein Verweis eine angemessene disziplinarrechtliche Maßnahme.
Gründe
Der E. geborene Beamte ist seit dem 1. August 1978 am Gymnasium F. in G. tätig. Am 8. April 1991 wurde er zum Oberstudienrat befördert und zum Fachobmann für Informatik berufen.
Am 22. März 2004 beauftragte der Schulleiter der F. G., Oberstudiendirektor H., den Beamten schriftlich zur Mitwirkung bei der Organisation der Lehr- und Lernmittel. Dagegen erhob der Beamte mit Schreiben vom 14. April 2004 Widerspruch. Am 5. Juli 2004 beauftragte der Schulleiter den Beamten erneut schriftlich und ab sofort zur Mitwirkung bei der Organisation der Lehr- und Lernmittel, und zwar konkret zur Erledigung folgender Aufgaben: Einrichten des Computerprogramms Bankboy zur Überwachung der Zahlungseingänge; Übernahme der Daten aus dem Schulverwaltungsprogramm Sibank in das Programm Bankboy; Überwachung der Zahlungseingänge; Ausdrucken nicht plausibler Zahlungseingänge und deren Überprüfung, ggf. Einleitung des Mahnverfahrens; Durchführen von Überweisungen; Erstellen von Listen zur Schulbuchausleihe.
Mit Verfügung vom 12. Oktober 2004 leitete die Bezirksregierung G. gegen den Beamten wegen des Verdachts eines Dienstvergehens disziplinarische Vorermittlungen ein und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Mit Schreiben vom 13. Januar 2005 teilte die Landesschulbehörde dem Beamten das wesentliche Ergebnis der disziplinarischen Vorermittlungen mit und gab ihm erneut Gelegenheit zur Stellungnahme.
Mit Disziplinarverfügung vom 3. März 2005 verhängte die Landesschulbehörde gegen den Beamten einen Verweis. Der Beamte habe vorsätzlich gegen seine Pflicht zur Befolgung von Anordnungen Vorgesetzter und gegen die Pflicht zum vertrauensvollen Zusammenwirken mit Vorgesetzten verstoßen, indem er den wiederholten Weisungen des vorgesetzten Schulleiters zur Erledigung von Aufgaben im Zusammenhang mit der Organisation der Lehr- und Lernmittel der Schule nicht nachgekommen sei und sich dabei den von seinem Vorgesetzten gewünschten Gesprächen am 29. Juni 2004 und 26. August 2004 ganz bzw. inhaltlich entzogen habe.
Die dagegen erhobene Beschwerde des Beamten hat das Niedersächsische Kultusministerium mit Beschwerdebescheid vom 28. November 2006 zurückgewiesen. Die Landesschulbehörde habe zu Recht gegen den Beamten wegen der schuldhaften Verletzung seiner Dienstpflichten einen Verweis verhängt. Der Beamte habe über einen längeren Zeitraum hinweg die durch den Schulleiter ausgesprochene Beauftragung, bei der Organisation der Lehr- und Lernmittel mitzuwirken, nicht umgesetzt. Der Verweis auf die Ferien gehe ins Leere. Auch Ferientage, die die Urlaubstage zuzüglich eines freien Tages im Kalenderjahr überstiegen, seien Arbeitstage. Erst am 19. Mai 2005 habe der Beamte gegenüber der Landesschulbehörde vorgetragen, dass es ihm zu jenem Zeitpunkt im Frühjahr 2005 nicht möglich gewesen sei, die übertragenen Aufgaben in vollem Umfang zu erledigen, da er ausgelastet gewesen sei und zudem gesundheitliche Probleme gehabt habe. Dieser Vortrag ändere nichts an der Tatsache, dass sich der Beamte gegenüber der Schulleitung über einen längeren Zeitraum hinweg unangemessen verhalten und jegliche Umsetzung der Anordnung verweigert habe.
Der Beamte hat am 28. Dezember 2006 die gerichtliche Entscheidung beantragt. Er macht im Wesentlichen geltend, er habe die Qualifikation zum Fachobmann für Informatik im Eigenstudium erworben; diese Qualifikation sei nur teilweise vorhanden. Zudem sei er gesundheitlich eingeschränkt. Hinsichtlich der Beauftragung vom 22. März 2004 habe es an entsprechenden sachlichen Vorgaben und Konferenzbeschlüssen gefehlt. Zudem sei ein entsprechendes Programm in der Schule nicht bekannt gewesen. Der Schulleiter habe jedes Gespräch darüber mit ihm verweigert. Er habe neben dem förmlichen Widerspruch versucht auch mündlich darauf hinzuweisen, dass er sich erst gründlich in das unbekannte Programm einarbeiten müsse, zumal er von Fachkollegen erfahren habe, dass es in anderen Schulen mit der Umsetzung des Programms erhebliche Probleme gegeben habe. Der damit verbundene Aufwand sei sachlich und fachlich so umfangreich gewesen, dass er nebenher nicht habe geleistet werden können und er sich überfordert gefühlt habe, insbesondere da er keinen Ansprechpartner gehabt habe. Die einzige Antwort darauf sei die zweite schriftliche Beauftragung vom 5. Juli 2004 gewesen. Es sei letztlich nicht um die Unterstützung eines Kollegen gegangen, sondern um die Umsetzung eines geschlossenen Gesamtprojekts auf der Grundlage des Computerprogramms Bankboy, das ihm bis zu seiner Beauftragung im Wesentlichen nicht bekannt gewesen sei.
Der Beamte beantragt sinngemäß,
die Disziplinarverfügung der Landesschulbehörde vom 3. März 2005 und den Beschwerdebescheid des Niedersächsischen Kultusministeriums vom 28. November 2006 aufzuheben.
Die beteiligte Behörde beantragt,
die Disziplinarverfügung aufrecht zu erhalten.
Zur Begründung verweist sie auf die Disziplinarverfügung und den Beschwerdebescheid und führt ergänzend aus, dass sich der Beamte den Aufforderungen schlicht widersetzt habe. Er sei nicht bereit gewesen, der Weisung des Schulleiters zur Übernahme von Tätigkeiten außerhalb des Unterrichts im Bereich der Schulbuchausleihe nachzukommen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie auf den Verwaltungsvorgang der beteiligten Behörde Bezug genommen.
II.
Über den Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist gemäß Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Niedersächsischen Disziplinarrechts vom 13. Oktober 2005 (Nds. GVBl. S. 296) nach den Vorschriften der Niedersächsischen Disziplinarordnung zu entscheiden, weil die Disziplinarverfügung vor dem 1. Januar 2006 gegen den Beamten ergangen ist.
Der Antrag auf Entscheidung der Disziplinarkammer ist gem. § 32 Abs. 3 NDO zulässig, aber unbegründet.
Der Beamte hat ein Dienstvergehen i.S.d. § 85 Abs. 1 Satz 1 NBG begangen. Er hat schuldhaft ihm obliegende Pflichten verletzt. Die Kammer legt ihrer disziplinarrechtlichen Würdigung den von der beteiligten Behörde ermittelten Sachverhalt zu Grunde, der im Wesentlichen von dem Beamten nicht in Frage gestellt wird.
Der von der beteiligten Behörde in der Disziplinarverfügung und in der Beschwerdeentscheidung dargestellte Sachverhalt begründet jedoch nicht in vollem Umfang den Vorwurf einer disziplinarrechtlich relevanten Pflichtverletzung.
Der Beamte hat seine beamtenrechtliche Pflicht, gem. § 63 Satz 3 NBG die Anordnungen seines Vorgesetzten auszuführen, nicht dadurch schuldhaft verletzt, dass er der schriftlichen Beauftragung vom 22. März 2004, bei der Organisation der Lehr- und Lernmittel mitzuwirken, nicht nachgekommen ist. Mit der beteiligten Behörde ist zwar davon auszugehen, dass der Beamte grundsätzlich verpflichtet war, der Anordnung des Schulleiters, bei der Organisation der Lehr- und Lernmittel mitzuwirken, nachzukommen. Gem. § 51 Satz 4 NSchG sind Lehrkräfte verpflichtet, Aufgaben im Rahmen der Eigenverwaltung der Schule und andere schulische Aufgaben außerhalb des Unterrichts zu übernehmen. Zu den allgemeinen Dienstpflichten, die eine Lehrkraft über die Unterrichtsverpflichtung hinaus wahrzunehmen hat, gehört neben der Teilnahme an Konferenzen und Ausschüssen im Rahmen der Eigenverantwortung ihrer Schule auch die Übernahme und Durchführung besonderer Aufgaben in der Schule. Dazu kann auch die Sorge für eine Sammlung oder für eine Bücherei gehören (vgl. Seyderhelm/Nagel/Brockmann, Niedersächsisches Schulgesetz, Stand: Juni 2006, § 51 Anm. 3.2.) sowie die Verwaltung von Lehrmitteln (vgl. Woltering/Bräth, Niedersächsisches Schulgesetz, 4. A., § 51 Rn. 6). Gem. § 43 Abs. 2 Nr. 3 NSchG führt der Schulleiter oder die Schulleiterin die laufenden Verwaltungsgeschäfte und sorgt nach Nr. 5 für die Einhaltung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften. Er oder sie kann nach Abs. 3 in Erfüllung der Aufgaben nach Abs. 2 allen an der Schule tätigen Personen Weisungen erteilen, insbesondere auch im Rahmen der Eigenverwaltung der Schule (z.B. betreffend die Verwaltung der Bücherei, der Sammlungen, des Sprachlabors etc; vgl. Woltering/Bräth, a.a.O., § 43 Rn. 20). Die Organisation der entgeltlichen Ausleihe von Lernmitteln stellt eine Aufgabe in diesem Sinne dar, zu deren Erfüllung der Schulleiter den Lehrkräften Weisungen erteilen darf. Nach dem Runderlass des MK vom 13. Mai 2004 (SVBl. S. 257) bieten die öffentlichen Schulen den Erziehungsberechtigten und volljährigen Schülern an, Lernmittel gegen ein Entgelt auszuleihen. Die Schulleitung richtet auf den Namen der Schule ein Girokonto für die Abwicklung der Einzahlungen und Auszahlungen im Rahmen des Ausleihverfahrens ein. Die Schule stellt ferner sicher, dass die Einnahmen und Ausgaben in geeigneter Weise geprüft werden. Nach dem Runderlass des MK vom 11. März 2005 (SVBl. S. 194) ergeben sich die Zuständigkeiten im Rahmen der entgeltlichen Ausleihe von Lernmitteln aus dem Niedersächsischen Schulgesetz und führt die Schulleitung die laufenden Verwaltungsgeschäfte, wozu alle organisatorischen Maßnahmen, wie Bedarfsermittlung, Bestellung, Verteilung und Bezahlung der Lernmittel sowie die Führung des Schulkontos gehören. Ferner ist darin geregelt, dass die Schulleitung unbeschadet der Gesamtverantwortung (Verwaltungs-)Aufgaben - an Lehrkräfte oder zu vergütende Hilfskräfte - delegieren kann.
Die schriftliche Beauftragung des Beamten durch den vorgesetzten Schulleiter am 22. März 2004 ist allerdings zu unbestimmt. Es ist darin nicht hinreichend deutlich, welche Aufgaben dem Beamten konkret übertragen wurden. Es ist auch nicht ersichtlich, dass diese Beauftragung - mündlich oder schriftlich - später konkretisiert worden ist. Aus der Nichtbefolgung dieser Anordnung kann dem Beamten mithin kein disziplinarrechtlich relevanter Vorwurf gemacht werden.
Der Beamte hat die ihm obliegenden Pflichten jedoch dadurch schuldhaft verletzt, dass er der schriftlichen Beauftragung des vorgesetzten Schulleiters vom 5. Juli 2004, in der die im Rahmen der Lehr- und Lernmittelorganisation auf den Beamten übertragenen Aufgaben im Einzelnen konkret aufgeführt sind, nicht nachgekommen ist. Damit hat der Beamte gegen die beamtenrechtliche Pflicht, Anordnungen des Vorgesetzten auszuführen (§ 63 Satz 3 NBG), sowie gegen die Pflicht zum vertrauensvollen Zusammenwirken mit Vorgesetzten (§ 63 Satz 1 NBG) verstoßen.
Der Beamte hat auch schuldhaft gehandelt. Ihm war jederzeit bewusst bzw. es hätte ihm bewusst sein müssen, dass er verpflichtet war, der schriftlichen und insoweit konkretisierten Beauftragung vom 5. Juli 2004 nachzukommen und mit der Bearbeitung der konkret übertragenen Aufgaben unverzüglich zu beginnen. Bei der Bitte um sofortigen Beginn handelt es sich für den Beamten ersichtlich um ein zeitliche, nicht in das Ermessen des Beamten gestellte Anordnung. Soweit sich der Beamte erstmals im Rahmen eines persönlichen Dienstgesprächs am 19. Mai 2005, d.h. nach Erlass der angefochtenen Disziplinarverfügung vom 3. März 2005, darauf berufen hat, dass es ihm zurzeit nicht möglich sei, die ihm im Rahmen der Schulbuchausleihe übertragenen Aufgaben in vollem Umfang zu erledigen, da er ausgelastet sei und zudem gesundheitliche Probleme habe, ändert dies nichts an dem Vorwurf des schuldhaften Handelns. Denn bis zu diesem Zeitpunkt, d.h. über einen Zeitraum von etwa 10 Monaten, hat der Beamte die ihm übertragenen Aufgaben nicht erfüllt bzw. nicht mit deren Bearbeitung begonnen. Es wäre dem Beamten auch zuzumuten gewesen, dem Schulleiter unverzüglich nach der schriftlichen Beauftragung eine entsprechende dienstliche Überlastung bzw. gesundheitliche Beeinträchtigung anzuzeigen und gegebenenfalls nachzuweisen, sofern diese Umstände bereits zu einem früheren Zeitpunkt und nicht erst im Frühjahr 2005 vorgelegen haben sollten. Dass der Beamte dies über einen so langen Zeitraum unterlassen hat und die dienstliche Anordnung vom 5. Juli 2004 schlicht nicht befolgt hat, ist ihm insoweit disziplinarrechtlich vorwerfbar.
Die von der beteiligten Behörde getroffene Entscheidung, gegen den Beamten gem. § 6 NDO einen Verweis zu verhängen, ist angemessen und auch ausreichend, um dem Beamten das Gewicht seiner Dienstpflichtverletzung deutlich vor Augen zu führen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 114 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 NDO.
Der Beschluss ist gemäß § 32 Abs. 5 Satz 2 NDO unanfechtbar.