Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 22.11.2016, Az.: L 7 AL 2/15

Insolvenzgeld; Sittenwidrigkeit; Wirksamkeit von im (vorläufigen) Insolvenzverfahren geschlossenen Arbeitsverträgen

Bibliographie

Gericht
LSG Niedersachsen-Bremen
Datum
22.11.2016
Aktenzeichen
L 7 AL 2/15
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2016, 43082
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
SG - 03.12.2014 - AZ: S 3 AL 201/12

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Einem Anspruch auf Insolvenzgeld steht es grundsätzlich nicht entgegen, dass der zugrunde liegende Arbeitsvertrag erst nach Eröffnung des (vorläufigen) Insolvenzverfahrens geschlossen worden ist.

Tenor:

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 3. Dezember 2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Insolvenzgeld.

Der Geschäftsführer der F. Malerfachbetrieb und Fachmarkt GmbH (nachfolgend: GmbH), G., beantragte am 14. Juni 2012 die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der GmbH.

Das Amtsgericht (AG) H. ordnete mit Beschluss vom 25. Juni 2012 (Aktenzeichen: I.) die vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestellte Herrn Steuerberater J. (nachfolgend: B.) zum vorläufigen Insolvenzverwalter, der den Geschäftsbetrieb der GmbH im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung weiterführte. In seinem für das AG H. erstellten Gutachten führte er aus, dass teilfertige Leistungen beendet und Neuaufträge zur Vermeidung von Schadensersatzansprüchen realisiert werden sollten, auch um Altforderungen zu erfüllen. Er empfahl die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zum 1. September 2012. Am 1. September 2012 eröffnete das AG H. mit Beschluss vom selben Tage das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH wegen Zahlungsunfähigkeit und bestellte B. zum Insolvenzverwalter. In dem Beschluss heißt es unter anderem:

„Dem Insolvenzverwalter wird die Genehmigung erteilt, für die in der Phase der vorläufigen Verwaltung erteilten Zahlungszusagen für Lieferungen und Leistungen in der vorläufigen Verwaltung, Zahlung im eröffneten Verfahren zu leisten.“

Der Kläger wurde ab dem 18. August 2012 aufgrund eines mündlichen Arbeitsvertrages beschäftigt. Der Insolvenzantrag sei ihm bekannt gewesen. Nach seinen Angaben habe es seinerzeit ein Gespräch mit dem Geschäftsführer der GmbH und dem vorläufigen Insolvenzverwalter B. gegeben, wobei B. seiner Einstellung zugestimmt habe, um zu gewährleisten, dass Aufträge abgewickelt würden. Ausweislich der Lohnabrechnung rechnete die GmbH das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis für den Monat August 2012 auf der Basis eines Bruttolohns von 1.159,19 Euro (756,79 Euro netto) ab.

Am 14. September 2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Insolvenzgeld in Höhe des Nettoarbeitsentgelts für August 2012 in Höhe von 756,79 Euro.

Dies lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 20. September 2012; Widerspruchsbescheid vom 2. Oktober 2012). Zur Begründung führte sie aus, dem Anspruch auf Insolvenzgeld stehe nach dem Sinn und Zweck der Regelung des § 165 Abs. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) entgegen, dass der Arbeitsvertrag im Insolvenzeröffnungsverfahren abgeschlossen worden sei. Mit der Korrektur der vorangegangenen Vorschrift des § 141b Arbeitsförderungsgesetz (AFG) sei die Bezugsberechtigung dahingehend erweitert worden, dass Insolvenzgeld/Konkursausfallgeld auch an Arbeitnehmer gezahlt würde, die gutgläubig Arbeit aufgenommen hätten. Erfolge die Einstellung durch oder mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters, komme ein Anspruch für diese Arbeitnehmer nicht in Betracht. Da bereits im Zeitpunkt des Vertragsschlusses feststehe, dass das Arbeitsentgelt tatsächlich nicht gezahlt werde und der Arbeitgeber entgegen der gesetzlichen Vertragstypik nach § 611 Abs. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) nur abhängig von der Masseausstattung das Entgelt entrichten solle, ziele eine derartige Vereinbarung regelmäßig von vornherein auf eine Belastung der Versichertengemeinschaft ab. Zudem werde das Versicherungsprinzip verletzt, weil sich derartige Vorgänge vor dem Hintergrund der sich abzeichnenden Krise/Insolvenz des Arbeitgebers abspielten.

Dagegen hat der Kläger am 31. Oktober 2012 Klage zum Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben. Er hat unter anderem vorgetragen, dass er nach erfolgreicher Durchführung des Insolvenzverfahrens seinen Arbeitsplatz behalten habe.

Das SG hat mit Urteil vom 3. Dezember 2014 den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Oktober 2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Insolvenzgeld nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu bewilligen. Zur Begründung hat das SG im Wesentlichen ausgeführt, dass die Voraussetzungen des § 165 SGB III erfüllt seien. Zur Überzeugung des SG stehe nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung fest, dass der Kläger mit der GmbH einen mündlichen Arbeitsvertrag geschlossen habe und der vorläufige Insolvenzverwalter B. der Einstellung zugestimmt sowie die Genehmigung der vorläufigen Maßnahme durch das Insolvenzgericht eingeholt habe. Der Beschluss über die Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom 1. September 2012 habe einen entsprechenden Passus enthalten. Der rückständige Arbeitsentgeltanspruch folge aus dem Arbeitsvertrag. Es bestünden nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung keine Anhaltspunkte dafür, dass der Arbeitsvertrag sittenwidrig gewesen sei. Insbesondere habe der Kläger weder vorsätzlich noch grob fahrlässig gewusst, dass sein Arbeitsverhältnis gegen die guten Sitten verstoßen könnte, sondern er sei von einem „normalen“ Arbeitsverhältnis ausgegangen. Der Vergütungsanspruch für die von dem Kläger geleistete Arbeit ergebe sich zumindest unter Berücksichtigung der Grundsätze des faktischen Arbeitsverhältnisses. Auch wenn der Kläger nach dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingestellt worden sei, habe die Einstellung nicht nur betrieblichen, sondern auch Allgemeininteressen gedient. Es habe im Interesse der Versichertengemeinschaft gelegen, die im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung begonnene Sanierung auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens fortzuführen und damit einen Teil der vorhandenen Masseansprüche der Arbeitnehmer abzudecken und ihre Arbeitsplätze nach erfolgreicher Sanierung zu erhalten.

Gegen das am 29. Dezember 2014 zugestellte Urteil des SG hat die Beklagte am 14. Januar 2015 Berufung eingelegt.

Die Beklagte trägt vor, es sei danach zu unterscheiden, ob Arbeitnehmer vor oder nach einer vorläufigen Insolvenzverwaltung eingestellt würden. Einstellungen von Arbeitnehmern nach Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung gingen zu Lasten der Insolvenzversicherung, weil davon auszugehen sei, dass bereits bei der Einstellung vereinbart werde, dass die Entgeltansprüche entweder durch eine Insolvenzgeldzahlung oder durch eine Zahlung aus der Masse abgesichert seien. Eine solche Vereinbarung ziele regelmäßig von vornherein auf eine Belastung der Versichertengemeinschaft ab. Nach den bestehenden Weisungen der Beklagten könne ein Anspruch auf Insolvenzgeld in solchen Fällen nur dann anerkannt werden, wenn Arbeitnehmer in so genannten Schlüsselpositionen eingestellt würden, die Einstellung also zwingend notwendig sei, um die unmittelbare Betriebsschließung zu verhindern. Bei dem Kläger handele es sich jedoch nicht um einen Arbeitgeber in einer Schlüsselposition, so dass auch kein Anspruch auf Insolvenzgeld bestehe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 3. Dezember 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich auf die Ausführungen des SG im Urteil vom 3. Dezember 2014, die er für zutreffend hält. Ergänzend trägt er vor, dass es aus wirtschaftlichen Gründen geboten gewesen sei, den Geschäftsbetrieb fortzuführen und insbesondere noch einen größeren Auftrag abzuwickeln. Dafür sei die Einstellung weiterer Arbeitnehmer erforderlich gewesen. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses habe entgegen der Auffassung der Beklagten gerade nicht festgestanden, ob Arbeitsentgelt gezahlt werden könne oder nicht. Eine entsprechende Vereinbarung, dass Entgeltansprüche entweder durch eine Insolvenzgeldzahlung oder durch eine Zahlung aus der Masse abgesichert seien, habe es insoweit nicht gegeben. Durch die Weiterführung des Geschäftsbetriebes der GmbH sei im Übrigen noch Geld erwirtschaftet worden, wodurch die Versichertengemeinschaft im Ergebnis sogar entlastet worden sei. Ohne die Einstellung des Klägers hätte der größere Auftrag nicht erfüllt werden können, so dass durchaus von einer Schlüsselstellung des Klägers gesprochen werden könne.

Der Senat hat den Steuerberater B. in der mündlichen Verhandlung vom 22. November 2016 als Zeugen vernommen. Zum Zeitpunkt der Bestellung des B. zum vorläufigen Insolvenzverwalter seien unter den fertigzustellenden Aufträgen noch zwei Projekte vorhanden gewesen, bei denen noch offene Forderungen bestanden und die Malerarbeiten noch hätten zu Ende geführt werden müssen. Zu diesem Zeitpunkt seien 10 Arbeitnehmer und ein Lehrling bei der GmbH beschäftigt gewesen, alle Mitarbeiter mit langfristigen Kündigungsfristen. Im Juli 2012 habe der Geschäftsführer der GmbH dem Zeugen B. berichtet, dass einige Arbeitnehmer durch Eigenkündigung ausscheiden würden. Daraufhin seien, um die noch vorhandenen zwei Projekte fertigstellen zu können, im August 2012 drei neue Mitarbeiter eingestellt worden, darunter auch der Kläger. Bei einem der drei Arbeitnehmer sei Insolvenzgeld durch die Beklagte gezahlt worden, bei dem zweiten Arbeitnehmer ebenfalls (nach einem sozialgerichtlichen Urteil). Alle drei Arbeitnehmer seien über Auflösungsverträge und Neueinstellung zum 1. Oktober 2012 bei dem Betriebsnachfolger weiterbeschäftigt worden. Nach Bestellung zum vorläufigen Insolvenzverwalter habe B. eine Betriebsversammlung abgehalten und allen Arbeitnehmern erklärt, dass sie von dem Arbeitgeber keinen Lohn mehr erhalten würden. B. habe die Arbeitnehmer darüber informiert, dass ihre Entgeltansprüche bis zum 31. August 2012 über Insolvenzgeld abgesichert seien. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 22. November 2016 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die sonstigen Inhalte der Gerichtsakte, die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte des AG Göttingen zum Aktenzeichen K. Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist unbegründet.

Das SG hat mit Urteil vom 3. Dezember 2014 zu Recht den Bescheid der Beklagten vom 20. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Oktober 2012 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger Insolvenzgeld zu gewähren. Denn der Bescheid der Beklagten vom 20. September 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Oktober 2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (vgl. § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben nach § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der seit dem 1. April 2012 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt (BGBl. 2011 I, 2854) Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt 1. die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, 2. die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder 3. die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt (Satz 2 aaO).

Maßgebliches Insolvenzereignis war im vorliegenden Fall die Eröffnung des Insolvenz-verfahrens am 1. September 2012. Ein hiervon abweichendes, vorrangiges vorheriges Insolvenzereignis ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Kläger war in der GmbH als Arbeitnehmer aufgrund des mündlichen Arbeitsvertrags vom 18. August 2012 beschäftigt. Ausweislich der Lohnabrechnung des Klägers für den Monat August 2012 ist von einem Anspruch auf Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. August 2012 bis 31. August 2012 in Höhe von 1.159,19 Euro beziehungsweise 756,79 Euro netto auszugehen.

Bedenken an der Wirksamkeit des Arbeitsvertrags vom 18. August 2012 bestehen nach Ansicht des Senats nicht. Der Arbeitsvertrag kam durch zwei korrespondierende wirksame Willenserklärungen (§§ 145 f. BGB) zustande.

Der Umstand, dass der Arbeitsvertrag im Insolvenzeröffnungsverfahren beziehungsweise im vorläufigen Insolvenzverfahren geschlossen wurde, verstößt weder gegen Regelungen des Arbeitsförderungsrechts, des Insolvenzrechts noch gegen den Beschluss des AG H. vom 25. Juni 2012 über die vorläufige Verwaltung des Vermögens der GmbH gemäß § 21 Abs. 1 und 2 Insolvenzordnung (InsO). Mit Beschluss des AG H. vom 25. Juni 2012 ist gerade kein allgemeines Verfügungsverbot angeordnet worden, sondern es wurde lediglich angeordnet, dass Verfügungen der GmbH nur mit Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters wirksam sind. Nach der Vernehmung des Zeugen B., an dessen Glaubwürdigkeit keine Zweifel bestehen, hat der Senat auch keine Zweifel daran, dass er der Einstellung des Klägers zugestimmt hat. Denn nach der in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Aussage des B. hat der Geschäftsführer der GmbH dem Zeugen B. im Juli 2012 berichtet, dass einige Arbeitnehmer durch Eigenkündigung ausscheiden würden und B. hat daraufhin, um die noch vorhandenen zwei Projekte fertigstellen zu können, im August 2012, zugestimmt, drei neue Mitarbeiter einzustellen, darunter auch den Kläger.

Im Übrigen ergibt sich aus dem SGB III kein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB, insbesondere keine Anhaltspunkte dafür, dass im vorläufigen Insolvenzverfahren nur Arbeitnehmer in „Schlüsselpositionen“ eingestellt werden dürften. Vielmehr hat der Gesetzgeber in § 165 Abs. 1 Satz 1 SGB III eindeutig geregelt, dass für den Anspruch auf Insolvenzgeld die Beschäftigung und der Lohnausfall in den vorausgegangenen drei Monaten des Arbeitsverhältnisses vor dem Insolvenzereignis maßgebend sind. In § 165 Satz 2 SGB III hat der Gesetzgeber darüber hinaus die Insolvenzereignisse abschließend geregelt. In § 165 Abs. 3 SGB III hat der Gesetzgeber die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Insolvenzgeld für den Fall geregelt, dass Arbeitnehmer nach Eintritt des Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen haben. In einer solchen Fallgestaltung umfasst der Insolvenzgeldzeitraum abweichend von § 165 Abs. 1 SGB III die letzten dem Tag der Kenntniserlangung vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses. Eine besondere Regelung beziehungsweise Ausschlussregelung für den Fall, dass der Arbeitsvertrag im vorläufigen Insolvenzverfahren geschlossen worden ist, hat der Gesetzgeber gerade nicht getroffen.

Eine andere Auffassung lässt sich auch nicht im Hinblick auf die Entstehungsgeschichte des § 165 SGB III rechtfertigen. Der Anwendungsbereich des § 165 Abs. 3 SGB III ist gegenüber § 141b Abs. 4 AFG nämlich erweitert worden. Während § 141b Abs. 4 AFG nur den Insolvenztatbestand der Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels Masse erfasste, bezieht die jetzige Regelung auch die erweiterten Insolvenztatbestände nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB III (Eröffnung des Insolvenzverfahrens) und § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 (Beendigung der Betriebstätigkeit) ein. Dadurch hat der Gesetzgeber die frühere Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die bereits die Vorläuferregelung auf andere Insolvenzereignisse entsprechend angewendet hatte, umgesetzt (BSG, Urteil vom 16. November 1984, 10 RAr 17/83 = SozR 4100 § 141b Nr. 34, Voelzke in Hauck/Noftz, SGB III, Stand Februar 2016, § 165 SGB Rn. 165,). Ein gesetzgeberischer Wille, Insolvenzgeldansprüche für Arbeitsverhältnisse, die nach Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens geschlossen werden auszuschließen, lässt sich der Gesetzeshistorie insoweit nicht entnehmen. Es kommt insbesondere nicht auf eine fehlende Kenntnis von dem Insolvenzantrag analog § 165 Abs. 3 SGB III oder darauf an, ob die neu eingestellten Arbeitnehmer Schlüsselpositionen innehaben (vgl. Landessozialgericht [LSG] Baden-Württemberg, Urteil vom 24. Mai 2016 – L 13 AL 1503/15 –, NZI 2016, 647 = juris Rn. 21; Urteil vom 6. Februar 2009 – L 8 AL 4096/06 –, NZS 2010, 163; Sächsisches LSG, Urteil vom 18. Dezember 2014, L 3 AL 13/13, NZI 2015, 522 = juris Rn. 32; SG Kassel, Urteil vom 7. 11. 2012 – S 7 AL 43/12 –, NZS 2013, 356; Schneider in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 1. Aufl. 2014, § 165 Rn. 63.1; siehe auch Koch/Rein, NZS 2014, 841). Auch eine einschränkende Auslegung oder analoge Anwendung des § 165 Abs. 3 SGB III, dass eine Insolvenzgeldgewährung bei neu eingestellten Arbeitnehmern nur in Betracht komme, wenn ihre Einstellung (auf einer Schlüsselposition) notwendig gewesen sei, um eine unmittelbare Betriebsschließung zu verhindern, scheidet aufgrund des klaren Regelungsgehalts der Vorschrift und mangels planwidriger Regelungslücke aus.

Der Arbeitsvertrag des Klägers mit der GmbH verstößt auch nicht gegen die guten Sitten (§ 138 BGB). Ein Rechtsgeschäft ist nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig, wenn es nach seinem aus der Zusammenfassung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu entnehmenden Gesamtcharakter mit den guten Sitten nicht zu vereinbaren ist. Dabei sind nicht nur der objektive Inhalt des Geschäfts, sondern auch die Umstände, die zu seiner Vornahme geführt haben, und die von den Parteien verfolgten Absichten und Beweggründe zusammenfassend zu berücksichtigen (vgl. Bundesgerichtshof, Urteil vom 10. Oktober 1997 – V ZR 74/96 –, NJW-RR 1998, 590). Vorliegend fehlt es bereits an den objektiven Voraussetzungen der Sittenwidrigkeit des Rechtsgeschäfts. Denn nach der in sich schlüssigen und widerspruchsfreien Aussage des Zeugen B. steht fest, dass der Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der GmbH dazu dienen sollte, noch zwei bestehende Aufträge abzuarbeiten und mögliche Schadensersatzansprüche aus der künftigen Insolvenzmasse abzuwenden.

Der Abschluss des Arbeitsvertrages mit dem Kläger ist auch kein gegen § 138 BGB verstoßendes Rechtsgeschäft zu Lasten der Beklagten oder der Allgemeinheit. Das Insolvenzverfahren dient nämlich dazu, die Gläubiger eines Schuldners gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt oder in einem Insolvenzplan eine abweichende Regelung insbesondere zum Erhalt des Unternehmens getroffen wird (§ 1 Satz 1 InsO). Die Einstellung des Klägers war gerechtfertigt und diente dem Erhalt des Unternehmens, weil im vorläufigen Insolvenzverfahren noch zwei Aufträge abzuarbeiten waren, jedoch diese Aufträge aufgrund von Eigenkündigungen einiger Arbeitnehmer zum 31. Juli 2016 nicht hätten fertiggestellt werden können. Im Übrigen ist der Kläger, wie auch die anderen neu eingestellten Arbeitnehmer, zum 1. Oktober 2012 weiterbeschäftigt worden, so dass auch insoweit nicht ersichtlich ist, dass kein Bedarf an der Einstellung des Klägers bestand. Eine Beschränkung von Neueinstellungen auf Schlüsselpositionen vermag nach dem oben Gesagten nicht zu überzeugen, zumal der Kläger nach Auffassung des Senats in gewisser Weise auch eine Schlüsselposition innehatte, weil nach den in sich schlüssigen und überzeugenden Ausführungen des Zeugen B. der Kläger zur Durchführung des Sanierungskonzepts bzw. zur Fertigstellung der beiden Aufträge erforderlich war. Die Rechtsposition des Klägers unterscheidet sich nicht von den Erwartungen der anderen Arbeitnehmer, die entgegen der gesetzlichen Vertragstypik der §§ 611 ff. BGB während der vorläufigen Insolvenzverwaltung von ihrem Leistungsverweigerungsrecht keinen Gebrauch gemacht haben, weil der Arbeitgeber keinen Lohn mehr zahlen konnte und wollte, sondern nur deshalb weitergearbeitet haben, weil ihre Lohnansprüche bis Ende August 2012 über die Insolvenzgeldversicherung realisiert werden konnten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Ein Grund, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen, ist nicht gegeben.