Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen
Urt. v. 28.11.2016, Az.: L 11 AS 699/15
Zahlungsbegehren aus einer zugesagten Direktzahlung von Kosten der Unterkunft; Zahlung des Bedarfs für Unterkunft und Heizung auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder an andere Empfangsberechtigte; SGB-II-Leistungen; Direktzahlung von Kosten der Unterkunft; Reflexartige Begünstigung des Vermieters; Übernahmeerklärung; Anspruch auf Arbeitslosengeld II; Leistungen für Unterkunft und Heizung; Zahlungsanspruch des Vermieters aus einer zugesagten Direktzahlung von Kosten der Unterkunft; Auslegung einer Übernahmeerklärung im Sinne einer öffentlich-rechtlichen Zusage
Bibliographie
- Gericht
- LSG Niedersachsen-Bremen
- Datum
- 28.11.2016
- Aktenzeichen
- L 11 AS 699/15
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2016, 32685
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:LSGNIHB:2016:1128.L11AS699.15.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- SG Hannover - 23.03.2015 - AZ: S 77 AS 1446/12
Rechtsgrundlagen
- § 22 Abs. 7 SGB II
- § 51 Abs. 1 Nr. 4a SGG
- § 54 Abs. 5 SGG
- i.d.F. v. 01.04.2011 § 22 Abs. 7 SGB II
Fundstellen
- FEVS 68, 508 - 514
- NZS 2017, 579
Redaktioneller Leitsatz
1. Nach § 22 Abs. 7 SGB II kann der Bedarf für Unterkunft und Heizung auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder an andere Empfangsberechtigte gezahlt werden.
2. Ausweislich der Gesetzesbegründung werden durch diese Norm keine Rechte und Pflichten von Vermietern oder anderen Empfangsberechtigten gegenüber dem Leistungsträger begründet, also auch kein einklagbarer Anspruch auf Direktzahlung der Miete.
3. Die Vorschrift dient vielmehr allein der Sicherstellung der zweckentsprechenden Verwendung der dem Hilfebedürftigen gewährten Leistungen, begründet also keinen sog. Drittschutz, sondern allenfalls eine "reflexartige" Begünstigung des Vermieters.
4. Bei einer Übernahmeerklärung nach § 22 Abs. 7 SGB II ist zunächst abzugrenzen, ob die Erklärung lediglich eine Tatsachenmitteilung enthält (d.h.: Mitteilung der Leistungsberechtigung der Mieter und Ankündigung einer bestimmten verwaltungstechnischen Abwicklung, nämlich im Wege der Direktzahlung) oder ob darüber hinaus auch eine materiell-rechtliche Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Vermieter begründet werden soll.
5. Selbst wenn diese besonderen Umstände vorliegen, gebietet es die Interessenlage, einen Bindungswillen des Leistungsträgers längstens für die Dauer des Mietverhältnisses sowie längstens für die Dauer der Hilfebedürftigkeit der Mieter anzunehmen; eine Übernahmeerklärung ist somit generell der Höhe nach auf den sozialhilfe- bzw. grundsicherungsrechtlich anzuerkennenden Umfang der Hilfebedürftigkeit begrenzt.
Tenor:
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens in vollem Umfang.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 1.914,42 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Zahlungsansprüche aus einer vom Beklagten gemäß § 22 Abs 7 Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) zugesagten Direktzahlung von Kosten der Unterkunft (KdU).
Die Kläger sind Eigentümer einer Wohnung im J. 2 in K., die sie mit Wirkung ab 1. April 2011 an Frau L. M. N., deren im Jahr 2006 geborenen Sohn O. sowie an Herrn P. Q. zu einem monatlichen Mietzins von 687,-- Euro (Bruttokaltmiete) vermietet hatten. Im Mietvertrag war die Zahlung einer Mietkaution zu Mietbeginn i.H.v. 1.080,-- Euro vorgesehen. Frau N., deren Sohn O. sowie Herr Q. standen im streitbefangenen Zeitraum beim Beklagten im laufenden Bezug von SGB II-Leistungen, wobei einerseits Frau N. sowie ihr Sohn O. und andererseits Herr Q. als jeweils eigenständige Bedarfsgemeinschaften geführt wurden.
Auf Nachfrage erklärte der Beklagte vor Abschluss des Mietvertrags unter der Bezugszeile "Übernahme der Mietkosten und Mietkaution/Mietsicherheit" gegenüber der für die Kläger handelnden Hausverwaltungsgesellschaft R. schriftlich u.a. Folgendes:
"Hiermit bestätigen wir Ihnen, dass Frau S. sowie Herr T. hilfebedürftig im Sinne des Sozialgesetzbuches sind und derzeit eine Grundsicherung durch uns beziehen, worin auch die Kosten für die Unterkunft enthalten sind.
Vertragspartner für das o.g. Mietverhältnis ist nicht das Jobcenter Hameln Pyrmont sondern Frau N. und Herr Q ...
Für den Fall des Mietvertragsabschlusses sichern wir die Übernahme
- der geforderten Mietkaution in Höhe von 1080,-- Euro
- Mietzahlungen in Höhe von monatlich 687,-- Euro (inklusive Betriebskostenvorauszahlung)
zu.
Die Mietzahlung wird durch das Jobcenter direkt an den Vermieter gezahlt. ( )" (vgl. im Einzelnen: Übernahmeerklärung des Beklagten vom 4. April 2011)
In der Folgezeit überwies der Beklagte trotz dieser weitreichenden Übernahmeerklärung zunächst lediglich den auf Herrn Q. entfallenden Anteil von Mietkaution sowie laufender Miete (jeweils 1/3 der Gesamtbeträge) an die Kläger (zunächst nur für die Monate April bis November 2011; Nachzahlung für die Monate Dezember 2011 und Januar 2012 im September 2016, vgl. Schriftsatz des Beklagten vom 20. September 2016). Die Zahlung von zunächst nur 1/3 der Miete sowie 1/3 der Mietkaution beruhte darauf, dass Frau N. trotz entsprechender Aufforderung dem Beklagten keinen Mietvertrag vorgelegt hatte, der auch sie (neben U. X.) als Mieterin der Wohnung auswies. Erst nachdem die Kläger durch ihren Prozessbevollmächtigten einen auch von Frau N. unterschriebenen Mietvertrag vorgelegt hatten, zahlte der Beklagte im Dezember 2011 die auf Frau N. und ihren Sohn O. entfallenden laufenden Mietanteile (2/3 von 687,-- Euro = 458,-- Euro pro Monat) für die Monate April bis Dezember 2011 nach (Überweisungsbetrag: 4.122,-- Euro). Die noch ausstehenden Anteile der Mietkaution (2/3 von 1.080,-- Euro) überwies der Beklagte dagegen trotz Aufforderung der Kläger zunächst nicht.
Ende Januar 2012 zogen Frau N., ihr Sohn O. und Herr Q. aus der Wohnung der Kläger aus. Nach dem Vortrag der Kläger soll die Wohnung beim Auszug nicht ordnungsgemäß übergeben worden sein. Stattdessen habe vermieterseitig für eine aufwändige Renovierung sowie die Beseitigung von Müll und Dreck gesorgt werden müssen. Eine Neuvermietung habe erst zum 1. April 2012 erfolgen können.
Frau N. und ihr Sohn O. lebten anschließend (d.h. seit 1. Februar 2012) in einer Wohnung in V ... Ob auch Herr Q. dorthin verzogen ist, kann den dem Senat vorliegenden Verwaltungsvorgängen nicht entnommen werden. Für Frau N. und ihren Sohn O. zahlte der Beklagte mit Wirkung ab 1. Februar 2012 die Leistungen für KdU direkt an ihren neuen Vermieter in V. (vgl. Bewilligungsbescheid vom 1. Februar 2012).
Die Kläger verlangten vorprozessual mehrfach vom Beklagten weitere Zahlungen für das mit Frau N. und Herrn Q. abgeschlossene Mietverhältnis (laufende Mietzahlungen, Restbetrag der Mietkaution, Renovierungskosten sowie "Nutzungsentgelt" für die Zeit nach dem Auszug bis zur Neuvermietung der Wohnung, d.h. für die Monate Februar und März 2012). Nachdem der Beklagte weitere Zahlungen verweigert hatte, haben die Kläger am 5. April 2012 beim Sozialgericht (SG) Hannover Klage auf Zahlung von 4.401,42 Euro nebst Zinsen erhoben.
Das SG hat der Klage teilweise stattgegeben und den Beklagten verurteilt, die noch ausstehenden 2/3 der Mietkaution sowie die volle Miete für den Monat Januar 2012 zu zahlen. Die darüber hinausgehende Klage hat das SG abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass der Beklagte sich mit seinem Schreiben vom 4. April 2011 gegenüber den Klägern verpflichtet habe, die für Frau N. und Herrn Q. anfallende Miete (einschließlich Mietkaution) zu übernehmen. Diesen öffentlich-rechtlichen Anspruch der Kläger habe der Beklagte hinsichtlich der Mietkaution bislang lediglich zu 1/3 erfüllt, so dass ein weiterer Zahlungsanspruch i.H.v. 2/3 der Mietkaution bestehe. Zusätzlich habe der Beklagte noch die Miete für den Monat Januar 2012 zu zahlen. Kein Anspruch bestehe dagegen auf Zahlung der Miete bzw. eines Nutzungsentgelts für die Monate Februar und März 2012 oder auf Zahlung sonstiger Beträge (u.a. Renovierungskosten). Das Schreiben des Beklagten vom 4. April 2011 sei erkennbar auf die Übernahme von Mietzinszahlungen lediglich für die Zeit der tatsächlichen Nutzung der Wohnung durch die SGB II-Leistungsempfänger beschränkt gewesen. Die Übernahmeerklärung erstrecke sich somit nicht auf Zeiträume, in denen der Beklagte zur Zahlung von Miete für ein anderes/neues Mietverhältnis verpflichtet sei (Urteil vom 23. März 2015).
Gegen das den Klägern am 7. April 2015 zugestellte Urteil richtet sich ihre am 7. Mai 2015 eingelegte Berufung, die auf die Zahlungsansprüche für laufende Miete (bis einschließlich Januar 2012), für Nutzungsentgelt (Februar und März 2012) sowie für die Mietkaution beschränkt worden ist. Hierbei handelt es sich nach den Berechnungen der Kläger um einen Restbetrag von 1.914,42 Euro zzgl. Zinsen. Die Kläger sind der Auffassung, dass dem Schreiben des Beklagten vom 4. April 2011 im Wege der Auslegung ein Schuldbeitritt hinsichtlich sämtlicher Forderungen aus dem Mietverhältnis zu entnehmen sei. Eine Neuvermietung sei aufgrund der zuvor erforderlichen Reinigungs- und Renovierungsarbeiten erst zum 1. April 2012 möglich gewesen.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 23. März 2015 dahingehend abzuändern, dass der Beklagte zur Zahlung weiterer 1.914,42 Euro nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozent über dem Basiszinssatz seit dem 19. Januar 2012 verurteilt wird.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Beklagte hat in Ausführung des erstinstanzlichen Urteils an die Kläger 1/3 Mietanteil für die Monate Dezember 2011 und Januar 2012 (2 x 229,-- Euro = 458,-- Euro) sowie 2/3 der Mietkaution (= 720,-- Euro) gezahlt. Zu weiteren Zahlungen ist der Beklagte nicht bereit.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des übrigen Vorbringens der Beteiligten wird auf die die Bedarfsgemeinschaft W. betreffende Verwaltungsakte des Beklagten (Bl. 469-669) sowie die erst- und zweitinstanzliche Gerichtsakte verwiesen. Sie sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.  
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet mit Zustimmung der Beteiligten (Schriftsätze vom 20. September und 14. Oktober 2016) ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die frist- und formgerecht eingelegte Berufung ist statthaft, da sie auf Zahlung von weiteren 1.914,42 Euro gerichtet ist, d.h. auf einen Betrag von mehr als 750,-- Euro (vgl. zu dieser Wertgrenze für die Statthaftigkeit der Berufung: § 144 Abs 1 Nr 1 SGG).
Die Zulässigkeit des Sozialrechtswegs ist im Berufungsverfahren nicht mehr zu prüfen, nachdem das SG seine sachliche Zuständigkeit bejaht und in der Sache entschieden hat (§ 17a Abs 5 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG -). Unabhängig davon teilt der Senat die Rechtsauffassung des SG, wonach es sich bei einem Zahlungsanspruch, den ein Vermieter aus einer Übernahmeerklärung nach § 22 Abs 7 SGB II herleitet, um eine Angelegenheit der Grundsicherung für Arbeitsuchende i.S.d. § 51 Abs 1 Nr 4a SGG handelt (ebenso: SG Lüneburg, Urteil vom 27. August 2008 - S 24 AS 722/08; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. September 2011 - L 9 AS 1932/10; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21. September 2012 - L 3 AS 42/10 -, Rn 32; vgl. zur Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz [BSHG]: Bundesverwaltungsgericht - BVerwG -, Urteil vom 19. Mai 1994 - 5 C 33/91 -, BVerwGE 96, 71).
Die Kläger verfolgen ihr Rechtsschutzinteresse zutreffend im Wege der allgemeinen Leistungsklage (§ 54 Abs 5 SGG). Über den streitbefangenen Zahlungsanspruch war nicht vorab durch Verwaltungsakt zu entscheiden, weil die Beteiligten sich nicht in einem subordinationsrechtlichen Verwaltungsrechtsverhältnis gegenüberstanden (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21. September 2012 - L 3 AS 42/10 -, Rn 32; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteile vom 11. November 2010 - L 9 AS 480/10 -, Rn 36, 37, sowie vom 28. September 2011 - L 9 AS 1932/10 -, Rn 34ff.).
Die nach alledem zulässige Berufung ist jedoch unbegründet.
Streitbefangen sind im Berufungsverfahren nur noch die Ansprüche auf Zahlung der laufenden Miete bis einschließlich Januar 2012, des "Nutzungsentgelts" für die Monate Februar und März 2012 (d.h. für die Zeit seit dem Auszug der Mieter bis zur Neuvermietung am 1. April 2012) sowie der restlichen Mietkaution. Darüber hinausgehende Ansprüche - etwa für die Renovierung der Wohnung oder für Schadensersatz - machen die Kläger im Berufungsverfahren ausdrücklich nicht mehr geltend (vgl. Schriftsatz bzw. Berufungsbeschränkung der Kläger vom 14. Oktober 2016).
Der Anspruch der Kläger auf Zahlung der Mietkaution ist bereits vollständig durch Erfüllung erloschen (1). Die laufende Miete für die Monate April 2011 (Einzug der Mieter) bis Dezember 2011 ist ebenfalls vom Beklagten gezahlt worden. Hinsichtlich der Miete für Januar 2012 ist der Beklagte bereits erstinstanzlich zur Zahlung verurteilt worden (2). Für das darüber hinaus verlangte Nutzungsentgelt für die Monate Februar und März 2012 steht den Klägern keine Anspruchsgrundlage zur Seite (3). Insoweit müssen sich die Kläger an ihre Mieter, also an Frau N. und Herrn Q. halten.
(1) Der Anspruch der Kläger auf Zahlung der Mietkaution i.H.v. 1.080,-- Euro ist durch entsprechende Zahlungen des Beklagten bereits vollständig erloschen (§ 362 Bürgerliches Gesetzbuch - BGB -). Die Kläger haben am 15. April 2011 vom Beklagten eine Zahlung i.H.v. 589,-- Euro erhalten (vgl. zu diesem Zahlungseingang: Schreiben der R. Hausverwaltung vom 8. September 2011). Der Überweisungsbetrag setzte sich zusammen aus 1/3 der Mietkaution (1.080: 3 = 360,-- Euro) sowie 1/3-Anteil der April-Miete (687: 3 = 229,-- Euro), d.h. aus den damals für Herrn Q. fälligen Beträgen für Miete und Mietkaution (Aufteilung der KdU nach dem sog. "Kopfteilprinzip", vgl. hierzu etwa: BSG, Urteil vom 17. Februar 2016 - B 4 AS 2/15 R -, SozR 4-4200 § 22 Nr 89 m.w.N.). Den Restbetrag der Mietkaution (d.h. die beiden auf Frau N. und deren Sohn O. entfallenden Anteile der Mietkaution = 720,-- Euro) hatte der Beklagte zunächst nicht gezahlt, weil ihm (dem Beklagten) zunächst kein Mietvertrag vorgelegt worden war, der auch Frau N. als Mieterin auswies. Der Beklagte hat dann jedoch in Ausführung des erstinstanzlichen Urteils diesen Restbetrag an die Kläger nachgezahlt (vgl. Schriftsatz des Beklagten vom 20. September 2016). Ein weitergehender Zahlungsanspruch steht den Klägern hinsichtlich der Mietkaution somit nicht mehr zu.
(2) Die Mieten für die Monate April 2011 (Einzug) bis Dezember 2011 hat der Beklagte ebenfalls bereits in voller Höhe an die Kläger gezahlt. Für den Monat Januar 2012 hat der Beklagte die Miete zumindest anteilig bereits gezahlt; im Übrigen ist der Beklagte zur diesbezüglichen Zahlung schon erstinstanzlich verurteilt worden.
Im Einzelnen hat der Beklagte für die laufende Miete folgende Zahlungen bewirkt:
- Überweisung von 1/3-Mietanteil (Anteil des Herrn Q.) für die Monate April bis September 2011 (d.h. insgesamt 6 x 229,--) mittels der am 15. April 2011 bei den Klägern eingegangenen Überweisung i.H.v. 589,-- Euro (1/3 der Mietkaution und 1/3 der April-Miete, s.o.) sowie mittels der am 29. April 2011, 31. Mai 2011, 30. Juni 2011, 29. Juli 2011 und 6. September 2011 den Klägern gutgeschriebenen Überweisungen i.H.v. jeweils 229,-- Euro (vgl. zu diesen Zahlungseingängen: Schreiben der R. Hausverwaltung vom 8. September 2011)
- Überweisung von 1/3 der Miete (Anteil des Herrn Q. - Zahlbetrag: 229,-- Euro pro Monat) in den Monaten Oktober und November 2011 (vgl. hierzu: Schriftsatz des Beklagten vom 20. September 2016 als Antwort auf die richterliche Verfügung vom 16. September 2016)
- Nachzahlung von 1/3 der Miete (Anteil des Herrn Q. - Zahlbetrag: 229,-- Euro pro Monat) für die Monate Dezember 2011 und Januar 2012 durch den Beklagten im September 2016 (vgl. hierzu: Schriftsatz vom 20. September 2016)
- Nachzahlung von 2/3 der Miete (Anteile der Frau N. und ihres Sohnes O.) für die Monate April bis Dezember 2011 im Dezember 2011 (9 x 458,-- Euro = 4.122,-- Euro)
Ob der Beklagte zwischenzeitlich auch den in der obigen Auflistung noch nicht enthaltenen 2/3-Mietanteil für den Monat Januar 2012 (Mietanteil von Frau N. und ihres Sohnes O. - Zahlbetrag insgesamt: 458,-- Euro) überwiesen hat, lässt sich den dem Senat vorliegenden Akten nicht zweifelsfrei entnehmen (vgl. hierzu: richterliche Verfügung vom 16. September 2016 sowie Antwort des Beklagten vom 20. September 2016). Da der Beklagte jedoch bereits erstinstanzlich zur Zahlung u.a. der vollen Miete für den Monat Januar 2012 (Hervorhebung durch den Senat) verurteilt worden ist und das Urteil mangels einer Berufung des Beklagten insoweit rechtskräftig geworden ist, bedarf es diesbezüglich keiner weiteren Verurteilung mehr. Vielmehr ist der Beklagte verpflichtet, auch den auf Frau N. und ihren Sohn O. für den Monat Januar 2012 entfallenden 2/3-Mietanteil (458,-- Euro) unverzüglich an die Kläger auszuzahlen, falls dies noch nicht geschehen sein sollte. Ggf. müssten die Kläger ihre Forderung im Wege der Zwangsvollstreckung gegenüber dem Beklagten realisieren. Eine erneute Entscheidung des Senats hat diesbezüglich dagegen nicht zu ergehen.
(3) Hinsichtlich des geltend gemachten "Nutzungsentgelts" für die Monate Februar und März 2012 steht den Klägern gegenüber dem Beklagten keine Anspruchsgrundlage zur Seite. Das SG hat die Klage insoweit zu Recht abgewiesen.
(a) Ein entsprechender Zahlungsanspruch ergibt sich nicht aus § 22 Abs 7 SGB II (in der vom 1. April 2011 bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung). Nach § 22 Abs 7 SGB II kann der Bedarf für Unterkunft und Heizung auf Antrag der leistungsberechtigten Person an den Vermieter oder an andere Empfangsberechtigte gezahlt werden.
Ausweislich der Gesetzesbegründung werden durch diese Norm keine Rechte und Pflichten von Vermietern oder anderen Empfangsberechtigten gegenüber dem Leistungsträger begründet, also auch kein einklagbarer Anspruch auf Direktzahlung der Miete (vgl. Entwurf des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des SGB II und des SGB XII, BT-Drucks 17/3404, S. 98; Luik in: Eicher, SGB II, 3. Auflage 2013, § 22 Rn 226; Piepenstock in: jurisPK-SGB II, 4. Auflage, 2015, § 22 Rn 227). Die Vorschrift dient vielmehr allein der Sicherstellung der zweckentsprechenden Verwendung der dem Hilfebedürftigen gewährten Leistungen (vgl. erneut: BT-Drucks 17/3404, S. 98), begründet also keinen sog. Drittschutz, sondern allenfalls eine "reflexartige" Begünstigung des Vermieters (vgl. LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21. September 2012 - L 3 AS 42/10 -, Rn 39; Berlit in: LPK-SGB II, 5. Auflage 2013, § 22 Rn 178).
(b) Ein Anspruch auf Zahlung des "Nutzungsentgelts" kann nicht aus der vom Beklagten abgegebenen Übernahmeerklärung hergeleitet werden.
Der Senat kann an dieser Stelle noch offen lassen, ob es sich bei der Übernahmeerklärung des Beklagten vom 4. April 2011 um eine öffentlich-rechtliche Zusage (vgl. zu dieser im ungeschriebenen allgemeinen Verwaltungsrecht wurzelnden hoheitlichen Selbstverpflichtung mit Bindungswillen: BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1994 - 5 C 33/91 -, BVerwGE 96, 71) oder um eine - grundsätzlich ebenfalls denkbare - privatrechtliche Willenserklärung des Beklagten handelt (im Sinne etwa eines Bürgschafts- oder Garantieversprechens, einer befreienden Schuldübernahme oder eines Schuldbeitritts, vgl. BVerwG, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juli 2010 - I-24 U 230/09 -, ZMR 2011, 713). Denn der Senat hat den vorliegenden Rechtsstreit unter allen in Betracht kommenden rechtlichen Gesichtspunkt zu entscheiden (§ 17 Abs 2 Satz 1 GVG), d.h. unter Einbeziehung auch zivilrechtlicher Anspruchsnormen.
Das SG hat einen Anspruch der Kläger auf Zahlung eines "Nutzungsentgelts" für die Monate nach Auszug der Mieter (d.h. für die Monate Februar und März 2012) zu Recht verneint. Zutreffend hat das SG dies damit begründet, dass der Übernahmeerklärung - auch im Wege der Auslegung - ein diesbezüglicher Zahlungsanspruch nicht entnommen werden kann.
Bei einer Übernahmeerklärung nach § 22 Abs 7 SGB II ist zunächst abzugrenzen, ob die Erklärung lediglich eine Tatsachenmitteilung enthält (d.h.: Mitteilung der Leistungsberechtigung der Mieter und Ankündigung einer bestimmten verwaltungstechnischen Abwicklung, nämlich im Wege der Direktzahlung) oder ob darüber hinaus auch eine materiell-rechtliche Zahlungsverpflichtung gegenüber dem Vermieter begründet werden soll (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1994 - 5 C 33/91 -, BVerwGE 96, 71; LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 11. November 2010 - L 9 AS 480/10 -; LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21. September 2012 - L 3 AS 42/10 -; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juli 2010 - I-24 U 230/09, ZMR 2011, 713). Es bedarf nach allgemeiner Meinung besonderer Umstände, um aus einer solchen Übernahmeerklärung eine eigenständige materiell-rechtliche Zahlungsverpflichtung herzuleiten (BVerwG, a.a.O; LSG Nordrhein-Westfalen, a.a.O.; LSG Schleswig-Holstein, a.a.O.; OLG Düsseldorf, a.a.O.). Selbst wenn diese besonderen Umstände vorliegen, gebietet es die Interessenlage, einen Bindungswillen des Leistungsträgers längstens für die Dauer des Mietverhältnisses sowie längstens für die Dauer der Hilfebedürftigkeit der Mieter anzunehmen. Eine Übernahmeerklärung ist somit generell der Höhe nach auf den sozialhilfe- bzw. grundsicherungsrechtlich anzuerkennenden Umfang der Hilfebedürftigkeit begrenzt (BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1994, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juli 2010, a.a.O.).
Grundsicherungsrechtlich hatten Frau N., ihr Sohn O. und Herr Q. keinen Anspruch gegenüber dem Beklagten auf Übernahme des von den Klägern für die Monate Februar und März 2012 verlangten Nutzungsentgelts. Anspruch auf Übernahme der KdU besteht nämlich ausschließlich hinsichtlich einer von den Hilfebedürftigen tatsächlich bewohnten Unterkunft. In den Monaten Februar und März 2012 lebten Frau N., ihr Sohn O. sowie Herr Q. jedoch überhaupt nicht mehr in der Wohnung der Kläger (Auszug im Januar 2012). Ihnen standen KdU allenfalls für die im Februar 2012 neu bezogene und seitdem tatsächlich bewohnte Wohnung zu (vgl. zur diesbezüglichen Leistungsgewährung an Frau N. sowie ihren Sohn O.: Bescheid des Beklagten vom 1. Februar 2012).
Eine - in begründeten Einzelfällen mögliche - Übernahme von "doppelten" Wohnungskosten kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Insoweit handelt es sich nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats bei den Kosten für doppelte Mietzahlungen anlässlich eines Wohnungswechsels (sogenannte Überschneidungskosten) zwar um Wohnungsbeschaffungskosten im Sinne des § 22 Abs 6 SGB II (vgl. Urteil vom 31. März 2014, - L 11 AS 1445/10 -, Rn 18 mwN - zitiert nach ; Urteil vom 23. Februar 2016 - L 11 AS 1148/13 -). Ein solcher Anspruch bestand im vorliegenden Fall jedoch nicht, weil Frau N., ihr Sohn O. sowie Herr Q. ohne entsprechende Zusicherung des SGB II-Leistungsträgers in ihre neue Wohnung gezogen waren (§ 22 Abs 4 SGB II; vgl. zur fehlenden Zusicherung für den Umzug: Bescheid des Beklagten vom 1. Februar 2012).
Ebenso wenig lassen sich weitergehende Ansprüche aus dem Wortlaut der vom Beklagten am 4. April 2011 abgegebenen Übernahmeerklärung herleiten. Der Beklagte hatte im Einleitungssatz dieser Übernahmeerklärung ausdrücklich an die Hilfebedürftigkeit der Frau N., ihres Sohnes O. sowie des Herrn Q. angeknüpft und auf deren laufenden Leistungsbezug hingewiesen. Die Übernahmeerklärung war ausdrücklich auf die Mietkaution sowie die monatlichen Mietzahlungen beschränkt. Eine darüber hinausgehende rechtliche Verpflichtung, insbesondere zur Zahlung des von den Klägern für die Zeit nach dem Auszug verlangten "Nutzungsentgelts" lässt sich der Übernahmeerklärung somit nicht entnehmen. Entgegen der Auffassung der Kläger hat der Beklagte gerade nicht pauschal alle Verpflichtungen aus dem Mietverhältnis übernommen.
(4) Ein Anspruch auf Zinsen für die vom Beklagten verspätet bzw. erst nachträglich geleisteten Zahlungen besteht nicht.
Der Senat wertet die Übernahmeerklärung des Beklagten als öffentlich-rechtliche Zusage (vgl. BVerwG, Urteil vom 19. Mai 1994 - 5 C 33/91 -, BVerwGE 96, 71). Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte in Ausübung seiner ihm nach dem SGB II obliegenden hoheitlichen Aufgaben (hier: Direktzahlung nach § 22 Abs 7 SGB II) gegenüber den Klägern anstelle einer öffentlich-rechtlichen Zusage eine privatrechtliche Erklärung abgeben wollte, sind nicht erkennbar (vgl. zum Regelfall der öffentlich-rechtlichen Natur einer Übernahmeerklärung nach § 22 Abs 7 SGB II: LSG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21. September 2012, a.a.O.; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27. Juli 2010, a.a.O.). Angesichts der öffentlich-rechtlichen Rechtsnatur der vorliegend streitbefangenen Übernahmeerklärung finden zivilrechtliche Zinsansprüche somit keine Anwendung.
Für einen sozialrechtlichen Zinsanspruch ist keine Anspruchsnorm erkennbar. Schließlich handelt es sich bei einer an den Vermieter erfolgenden Direktzahlung nach § 22 Abs 7 SGB II nicht um die Auszahlung von Geldleistungen an einen Leistungsberechtigten i.S.d. § 44 SGB I. Der Vermieter tritt bei einer solchen Direktzahlung auch nicht an die Stelle des anspruchsberechtigten Hilfebedürftigen, sondern erhält lediglich eine Empfangsberechtigung (vgl. Gesetzesbegründung, BT-Drucks 17/3404, S. 98; Luik in: Eicher, a.a.O., § 22 Rn 226). Ebenso wenig führt die Direktzahlung nach § 22 Abs 7 SGB II zu einer Gesamtschuldnerschaft von Mietern und SGB II-Leistungsträger (vgl. Piepenstock, jurisPK-SGB II, a.a.O., Rn 227). Etwaige Zinsansprüche wegen verspäteter Mietzinszahlung bestehen nach alledem allenfalls gegenüber den Vertragspartnern der Kläger, d.h. gegenüber Frau N. und Herrn Q ... Dass die Übernahmeerklärung des Beklagten sich lediglich auf die laufende Miete sowie auf die Mietkaution, nicht dagegen auf weitere (Zins-)Ansprüche aus dem Mietverhältnis bezog, ist bereits dargelegt worden.
(5) Die Kostenentscheidung für das Berufungsverfahren beruht auf § 197a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 154 Abs 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Für das erstinstanzliche Verfahren verbleibt es infolge der Zurückweisung der Berufung bei der im Urteil des SG vom 23. März 2015 getroffenen Kostenentscheidung.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs 2 i.V.m. § 52 Abs 3 Gerichtskostengesetz (GKG).