Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 27.10.2023, Az.: 4 B 1549/23

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
27.10.2023
Aktenzeichen
4 B 1549/23
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 44095
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2023:1027.4B1549.23.00

Tenor:

Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes wird abgelehnt.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers,

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs gegen die mit Bescheid vom 25. September 2023 verfügte schulische Ordnungsmaßnahme (Überweisung an eine andere Schule) anzuordnen,

hat keinen Erfolg.

Der Antrag ist zulässig.

Bei der vom Antragsgegner angeordneten Überweisung des Antragstellers in den 5. Jahrgang der J. handelt es sich um eine Ordnungsmaßnahme im Sinne des § 61 Abs. 3 Nr. 4 des Niedersächsischen Schulgesetzes (NSchG), so dass Widerspruch und Anfechtungsklage kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkung entfalten (vgl. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) i.V.m. § 61 Abs. 4 Satz 3 Halbsatz 2 NSchG). Dass der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtschutzes vor der Einlegung des Widerspruchs gestellt wurde, ist unschädlich, da der Widerspruch jedenfalls noch innerhalb der Widerspruchsfrist erfolgte (vgl. hierzu: Adelheid/Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 129; Gersdorf, in: Posser/Wolff/Decker, VwGO, 66. Edition, Stand: 01.07.2021, § 80 Rn. 164).

Der Antrag ist aber unbegründet.

Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in dem hier gegebenen Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO die aufschiebende Wirkung eines Widerspruches anordnen, wenn die sofortige Vollziehung des Verwaltungsaktes nicht im überwiegenden öffentlichen Interesse liegt. Diese Voraussetzung ist dann gegeben, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt nach der im Rahmen des § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmenden summarischen Überprüfung aller Wahrscheinlichkeit nach als nicht rechtmäßig erweisen wird, weil an der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Bescheides kein überwiegendes öffentliches Interesse bestehen kann. Andererseits ist ein überwiegendes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der Verfügung dann anzunehmen, wenn sich diese mit großer Wahrscheinlichkeit als rechtmäßig darstellt. Kann nicht festgestellt werden, ob die Ordnungsmaßnahme rechtmäßig ist, fällt die gebotene Interessenabwägung zu Gunsten des öffentlichen Interesses an der kraft Gesetzes angeordneten weiteren sofortigen Vollziehbarkeit aus (vgl. Nds. OVG, Beschl. v. 23. November 2018, 2 ME 798/18, juris Rn. 6).

Gemessen an diesen Vorgaben erweist sich die von dem Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller verfügte Überweisung an eine andere Schule (hier: J.) nach summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aller Voraussicht nach als rechtmäßig.

Ordnungsmaßnahmen sind nach § 61 Abs. 2 NSchG zulässig, wenn Schülerinnen oder Schüler ihre Pflichten grob verletzen, insbesondere gegen rechtliche Bestimmungen verstoßen, den Unterricht nachhaltig stören, die von ihnen geforderten Leistungen verweigern oder dem Unterricht unentschuldigt fernbleiben. Zu den Ordnungsmaßnahmen zählt u.a. die Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform oder, wenn eine solche Schule nicht unter zumutbaren Bedingungen zu erreichen ist, an eine Schule mit einem der bisherigen Beschulung der Schülerin oder des Schülers entsprechenden Angebot (§ 61 Abs. 3 Nr. 4 NSchG). Eine Maßnahme nach Absatz 3 Nrn. 3 bis 6 setzt voraus, dass die Schülerin oder der Schüler durch den Schulbesuch die Sicherheit von Menschen ernstlich gefährdet oder den Schulbetrieb nachhaltig und schwer beeinträchtigt hat (§ 61 Abs. 4 Satz 1 NSchG). Über die Ordnungsmaßnahme entscheidet die Klassenkonferenz unter Vorsitz der Schulleitung (§ 61 Abs. 5 Satz 1 NSchG). Die Überweisung an eine andere Schule derselben Schulform bedarf zudem nach § 61 Abs. 7 NSchG der Genehmigung der zuständigen Schulbehörde.

Die Wahl der jeweiligen Ordnungsmaßnahme stellt sich als eine pädagogische Ermessensentscheidung der zuständigen Klassenkonferenz dar, die sich daran auszurichten hat, ob ein Verbleiben des Schülers oder der Schülerin an der betreffenden Schule im Hinblick auf die unbeeinträchtigte Erfüllung ihres Erziehungs- und Bildungsauftrags oder wegen des Schutzes Dritter, etwa der Mitschülerinnen und Mitschüler, nicht mehr hingenommen werden kann und ob dem Schüler oder der Schülerin in dieser Deutlichkeit und Konsequenz vor Augen geführt werden muss, dass sein bzw. ihr Verhalten nicht geduldet werden kann. Diese pädagogische Bewertung einer schulischen Situation, die vor allem auch eine pädagogische und psychologische Beurteilung der Person und des Verhaltens des betreffenden Schülers bzw. der Schülerin und etwaiger anderer Beteiligter verlangt, entzieht sich einer Bewertung nach allein rechtlichen Kriterien. Der Klassenkonferenz steht vielmehr - wie auch sonst bei Wertbeurteilungen im pädagogischen Bereich - ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Bewertungsspielraum zu. Die Prüfungskompetenz der Verwaltungsgerichte beschränkt sich mithin darauf zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für die Anwendung einer Ordnungsmaßnahme vorliegen, die bestehenden Verfahrensvorschriften eingehalten worden sind, ob das zuständige Schulorgan gehandelt hat, ob von dem Ermessen ein dem gesetzlichen Zweck entsprechender Gebrauch gemacht worden ist, ob von einer richtigen und vollständigen Tatsachengrundlage ausgegangen worden ist, keine sachfremden Erwägungen angestellt worden sind, ob gleichgelagerte Fälle nicht ohne sachliche Rechtfertigung ungleich behandelt worden sind und ob die ausgewählte Maßnahme geeignet und verhältnismäßig ist (Nds. OVG, Beschluss vom 29.09.2023 - 2 ME 75/23 -, juris Rn. 18; Beschluss vom 14.01.2013, - 2 ME 416/12 -, juris Rn. 4; VG Stade, Beschluss vom 30.12.2011 - 3 B 1550/11 -, juris Rn. 5).

Diesen rechtlichen Vorgaben wird die hier zu überprüfende Ordnungsmaßnahme gerecht.

Verfahrensfehler werden von dem Antragsteller nicht geltend gemacht und sind auch nicht ersichtlich. Die Klassenkonferenz hat am 20. September 2023 beschlossen, dass der Antragsteller in den Jahrgang 5 der J. überwiesen und er bis zum Zeitpunkt der Genehmigung der Überweisung vom Unterricht ausgeschlossen wird. Die erforderliche Genehmigung hat das zuständige Regionale Landesamt für Schule und Bildung in Lüneburg mit Schreiben vom 25. September 2023 erteilt.

Durch sein Verhalten hat der Antragsteller grob gegen seine Pflichten verstoßen.

Der Antragsteller besucht seit dem Schuljahr 2022/2023 (5. Jahrgangstufe) das Gymnasium K.. Nach der ausführlichen Dokumentation der Lehrkräfte störte der Antragsteller seit Beginn des Schuljahres wiederkehrend den Unterricht, verweigerte die Mitarbeit und befolgte Anweisungen der Lehrkräfte nicht. Sowohl gegenüber Lehrkräften als auch Mitschülerinnen und Mitschülern verhielt sich der Antragsteller respektlos, verletzend, störend und teils (zunehmend) aggressiv. Aufgrund seines Verhaltens war die Durchführung des Unterrichts oftmals nicht oder nur zeitweise möglich. Den Lehrkräften war es teilweise nicht oder nur unter erheblichem Aufwand und unter Zurückstellung der übrigen Schülerinnen und Schüler möglich, ihrer Aufsichtspflicht gegenüber dem Antragsteller nachzukommen. Nachdem der Antragsteller - vor dem Hintergrund der Wiederholung der 5. Jahrgangsstufe - die Lerngruppe gewechselt hatte, verbesserte sich sein Verhalten kurzzeitig, aber nicht nachhaltig. Bereits kurz nach Beginn des Schuljahres 2023/2024 begann er wieder, den Unterricht zu stören, verweigerte oftmals die Mitarbeit, kam regelmäßig verspätet, provozierte und beleidigte Lehrkräfte und Mitschülerinnen und Mitschüler und entzog sich zunehmend dem Unterricht durch Weglaufen. Zahlreiche Male musste der Antragsteller frühzeitig von der Schule abgeholt werden.

Beispielhaft hierzu sind folgende Vorfälle:

Am 31. August 2023 schlugen sich der Antragsteller und ein Mitschüler mit Linealen. Anschließend hantierte der Antragsteller mit der spitzen Seite seines Zirkels gegenüber dem Mitschüler und weigerte sich, den Zirkel abzugeben. Am 5. September 2023 kam es im Rahmen des Sportunterrichts zu einem Vorfall, bei dem der Antragsteller einen anderen Mitschüler zunächst beleidigte und diesen später - auch auf die Provokation des Mitschülers hin - trat und schlug. Nachdem die Lehrkraft die Schüler voneinander getrennt hatte, rannte der Antragsteller direkt wieder zu dem Mitschüler und trat diesen erneut. Dem Versuch der Lehrkraft, die Situation zu besprechen, entzog sich der Antragsteller, indem er weglief. Am 13. September 2023 trat der Antragsteller eine Mitschülerin im Gang und sagte ihr, dass sie zu langsam laufe. Er beleidigte zudem eine andere Mitschülerin und sagte ihr, dass sie einen Mitschüler "ficken" solle. Am 19. September 2023 verschwand der Antragsteller bereits vor Beginn des Sportunterrichts zwischen Sträuchern und war für die Lehrkräfte nicht ansprechbar. Der Antragsteller kletterte sodann außen an der Brücke über die L. entlang, setzte sich zeitweise auf einen Stein in der L. und reagierte auf die Ansprache der Lehrkräfte mit Beleidigungen. Zuvor hatte er den Kunstunterricht durch ein bodentiefes Fenster verlassen, welches er - um hindurchzukommen - nahezu aus den Angeln gehoben hatte. Am 20. September 2023 warf der Antragsteller in der Pause mit Äpfeln und Kastanien nach anderen Kindern, erschien nicht oder stark verspätet zum Unterricht und versuchte u.a. durch das An- und Ausschalten der Tafel, den Unterricht zu verhindern.

Das Verhalten des Antragstellers stellt eine nachhaltige und schwere Beeinträchtigung des Schulbetriebs dar und gefährdet teilweise auch die Sicherheit der Mitschülerinnen und Mitschüler. Das folgt insbesondere aus der Häufigkeit der Vorfälle, die es den Lehrkräften zeitweise unmöglich machen, den Unterricht durchzuführen.

Die angegriffene Ordnungsmaßnahme genügt auch dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Mildere und den Antragsteller weniger belastende Ordnungsmaßnahmen hat die Klassenkonferenz in gerichtlich nicht zu beanstandender Weise nicht verhängt, sondern sich aufgrund des ihr zustehenden und gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren Wertungsspielraums ohne Rechtsfehler für eine Überweisung des Antragstellers an eine andere Schule entschieden. Diese Maßnahme erscheint insbesondere angesichts der bereits in der Vergangenheit gegen den Antragsteller verhängten Vielzahl von Erziehungs- und Ordnungsmaßnahmen im Hinblick auf die Wiederherstellung der erforderlichen Arbeitsatmosphäre in der Schule und mit Blick auf die Verantwortung des Antragsgegners für die Sicherheit der Schülerinnen und Schüler sowohl als geeignet und erforderlich, als auch angemessen.

Bereits im September 2022 wurden persönliche Gespräche sowie zahlreiche Telefonate der Lehrkräfte mit den Eltern des Antragstellers geführt. Zudem erfolgte ein Austausch mit der Familienhelferin. Ein Beobachtungsbogen zur Anregung der Reflexion und Elterninformation (Beginn 2. Dezember 2022) wurde seitens des Antragstellers boykottiert. Die Lehrkräfte vereinbarten mit dem Antragsteller einen sogenannten Verstärkerplan (Belohnungssystem), der vom Antragsteller teilweise angenommen wurde. Es erfolgten zahlreiche Einzelgespräche der Lehrkräfte mit dem Antragsteller. Es fanden Beratungsgespräche der Schulleiterin sowie einzelner Lehrkräfte mit der schulpsychologischen Dezernentin, dem Beratungsangebot der Niedersächsischen Landesschulbehörde und des Landkreises Verden zur Stärkung der inklusiven Schule mit dem Schwerpunkt emotionale und soziale Förderung von Kindern und Jugendlichen (BASIS) sowie dem Jugendamt statt. Zudem besuchte eine Mitarbeiterin des BASIS den Unterricht des Antragstellers. Mit Schreiben vom 28. April 2023 empfahl der Antragsgegner den Eltern des Antragstellers, eine vollumfängliche ärztliche Diagnostik des Antragstellers vornehmen zu lassen. Hierfür wurde eine Frist gesetzt mit dem Hinweis, dass - sollte innerhalb der Frist kein Nachweis über eine Terminvereinbarung sowie eine Schweigepflichtentbindung vorliegen - dem Jugendamt der Verdacht auf Kindeswohlgefährdung angezeigt werde. Die Frist verstrich erfolglos. Der Antragsgegner zeigte am 13. Juni 2023 den Verdacht der Kindeswohlgefährdung beim Jugendamt an.

Die Klassenkonferenz beschloss am 22. Dezember 2022, dass der Antragsteller für acht Wochen zwei Mal wöchentlich an einem Sozialtraining der Schulsozialarbeiterin teilnehmen solle. Bei der Nichtteilnahme wurde ein Ausschluss vom Unterricht für zwei Wochen als Ordnungsmaßnahme angedroht. Der Antragsteller verweigerte die Teilnahme am Sozialtraining. Die Ordnungsmaßnahme beruhte darauf, dass der Antragsteller den Unterricht stark störte, sich dem Unterricht teils komplett verweigerte, sich unerlaubt aus dem Unterricht entfernte und Anweisungen von Lehrkräften sowie der Schulleiterin nicht Folge leistete. Am 15. März 2023 beschloss die Klassenkonferenz den Antragsteller für sieben Tage vom Unterricht auszuschließen und verpflichtete ihn, anschließend ein Sozialtraining zu absolvieren. Die Ordnungsmaßnahme war damit begründet, dass der Antragsteller nach wie vor stark den Unterricht störte, sich respektlos verhielt, die Teilnahme am Unterricht verweigerte und sich unerlaubt aus dem Unterricht entfernte. Dem Sozialtraining verweigerte sich der Antragsteller abermals. Mit Beschluss der Klassenkonferenz vom 15. Mai 2023 wurde der Antragsteller für 13 Tage vom Unterricht ausgeschlossen. Auch dieser Unterrichtsausschluss erfolgte im Wesentlichen aufgrund der - weiterhin bestehenden - starken Störungen des Unterrichts, der Verweigerungshaltung, dem unerlaubten Entfernen vom Unterricht sowie dem teils gewaltsamen Verhalten gegenüber Mitschülerinnen und Mitschülern. Das weiterhin bestehende Angebot eines Sozialtrainings nahm der Antragsteller nicht wahr. Am 21. Juni 2023 wurde der Antragsteller im Rahmen einer Eilmaßnahme bis zum Stattfinden der Klassenkonferenz vom Unterricht ausgeschlossen. Am 27. Juni 2023 beschloss die Klassenkonferenz, den Antragsteller für 11 Tage vom Unterricht auszuschließen. Hintergrund war hier die Gewalt gegen einen Mitschüler sowie die Androhung, diesen bzw. die ganze Klasse "abzustechen".

Der streitgegenständlichen Ordnungsmaßnahme, die die Klassenkonferenz am 20. September 2023 beschlossen hat, lag wieder eine Vielzahl von Vorfällen zugrunde, bei denen der Antragsteller sich verweigerte und respektlos, gewaltsam sowie unzugänglich auftrat. Die Klassenkonferenz hat umfangreich und nachvollziehbar die möglichen Ordnungsmaßnahmen diskutiert und abgewogen. Ein weiterer Ausschluss vom Unterricht wurde als ungeeignet abgelehnt, da diese Maßnahme bereits mehrfach erfolglos angewandt worden war und den Bildungserfolg des Antragstellers gefährdet. Eine Überweisung in eine Parallelklasse wurde ebenfalls verworfen, da der Antragsteller nach dem Wechsel der Lerngruppe infolge der Wiederholung der 5. Jahrgangsstufe - nach einer kurzzeitigen Besserung - dieselben Verhaltensweisen gezeigt hatte. Für die Ordnungsmaßnahme einer Überweisung wurde angeführt, dass der Antragsteller weiterhin am Unterricht teilnehmen könne, soziale Kontakte zu Gleichaltrigen habe und ihm die Lernstrategie einer Integrierten Gesamtschule (praktische Herangehensweise) möglicherweise zu Gute komme.

Der Vortrag des Antragstellers bzw. seiner Eltern rechtfertigt keine andere Beurteilung:

Das gilt zunächst für den Einwand, dass ein Schulwechsel für die psychische Gesundheit bedenklich sei und der zuständige Psychologe sowie das Familiengericht hierzu nicht geraten hätten. Weder dem umfangreichen Verwaltungsvorgang des Antragsgegners noch der ausführlichen Antragsbegründung der Eltern des Antragstellers ist zu entnehmen, welche psychischen Probleme den Antragsteller konkret belasten oder welchen Hintergrund sein psychisches Leiden hat. Es wurden weder im gerichtlichen Verfahren noch - soweit ersichtlich - gegenüber dem Antragsgegner ärztliche Berichte, Stellungnahmen o.ä. vorgelegt, obwohl der Antragsteller - nach Angaben seiner Eltern - für mehrere Wochen von der Kinderärztin krankgeschrieben war, seit Januar 2023 in Behandlung einer Kinder- und Jugendpsychologin ist und offenbar auch wegen akuter Probleme im Herbst 2022 bereits in der Kinder- und Jugendpsychiatrie M. behandelt worden ist. Da insofern weder der Klassenkonferenz noch dem Gericht Näheres über etwaige psychische Leiden des Antragstellers bekannt war und ist, lassen sich auch die potentiellen Auswirkungen der gewählten Ordnungsmaßnahme auf dessen psychische Gesundheit nicht einschätzen und zu dessen Gunsten berücksichtigen.

Es fehlen durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass sich - wie vom Antragsteller vorgetragen - die Schulleitung - in der durchaus schwierigen Situation - eskalierend verhalten hat. Von Seiten des Antragsgegners wurden verschiedene Erziehungsmaßnahmen versucht, wie etwa der Einsatz eines Verstärkerplans, das Angebot eines Sozialtrainings, der Einsatz verschiedener Fachkräfte und Beratungsstellen usw., um dem Verhalten des Antragstellers erzieherisch zu begegnen. Die Eltern wurden hierbei kontaktiert und informiert. Dass die Ankündigung von Klassenkonferenzen einen negativen Einfluss auf das Verhalten des Antragstellers hatte, rechtfertigt nicht den Vorwurf der Eskalation. Der Antragsgegner trägt nicht nur hinsichtlich des Antragstellers eine Bildungs- und Erziehungsverantwortung, sondern ebenso gegenüber den anderen Schülerinnen und Schülern. Dieser kann der Antragsgegner nur gerecht werden, wenn aus dem Verhalten des Antragstellers Konsequenzen folgen. Zu berücksichtigen ist auch, dass - soweit ersichtlich - bis heute - aus nicht erkennbaren Gründen - dem Antragsgegner nichts Genaueres zu den psychischen Problemen und dem Hintergrund des Verhaltens des Antragstellers bekannt ist. Daher war es kaum möglich, einzuschätzen, welche Vorgehensweisen ggf. eskalierend wirken. Dass die Eltern des Antragstellers mehrfach von der Schulleiterin aufgefordert wurden, den Antragsteller von der Schule abzuholen, führt ebenso nicht zur hme eskalierenden Verhaltens. Der Hintergrund des Anrufs am 16. Juni 2023 lässt sich anhand des Verwaltungsvorgangs nicht nachvollziehen. Es obliegt allerdings der Schulleitung, den störungsfreien Schulbetrieb zu gewährleisten. Hierzu kann es - insbesondere bei starken Störungen, wie sie durch den Antragsteller erfolgten - erforderlich sein, die Abholung von der Schule zu veranlassen.

Der Vorwurf, dass der Vorschlag des Vaters, ihn als Schulbegleiter für seinen Sohn einzusetzen, ohne nachvollziehbare Begründung vom Antragsgegner verworfen worden sei, trifft nicht zu. Im Rahmen der Klassenkonferenz am 15. Mai 2023 wurde der Vorschlag diskutiert und - nachvollziehbar - mit der Begründung verworfen, dass die Anwesenheit des Vaters die Probleme aus Sicht der Klassenkonferenz verstärken würde und es sich bei dem Vater des Antragstellers nicht um einen ausgebildeten Schulbegleiter handele. Es sei angemerkt, dass für die Gewährung einer Schulassistenz im Rahmen einer Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Achtes Buch (SGB VIII) der Jugendhilfeträger zuständig ist. Bei diesem hat sich der Vater des Antragstellers, nach seinen Angaben im Rahmen der Klassenkonferenz vom 20. September 2023, bereits informiert und die (zutreffende) Rückmeldung erhalten, dass es zunächst einer Diagnose bedarf. Warum eine solche - ggf. vorläufige (Verdachts)Diagnose - nach wie vor nicht vorliegt, ist - wie bereits dargelegt - nicht verständlich.

Es trifft zu, dass das Verhalten des Antragstellers teilweise eine Reaktion auf Fehlverhalten anderer Schülerinnen und Schüler darstellte. Dies erklärt möglicherweise das Fehlverhalten des Antragstellers in einzelnen Situationen, aber beseitigt den darin liegenden eigenen Pflichtenverstoß nicht (vgl. hierzu: Nds. OVG, Beschluss vom 29.09.2023 - 2 ME 75/23 -, juris Rn. 33). Es ist auch weder dargelegt noch ersichtlich, dass das Fehlverhalten anderer Schülerinnen und Schüler ohne Konsequenzen geblieben ist.

Der Vortrag, dass durch den Wechsel des Antragstellers an eine weiter entfernt liegende Schule die Handlungsmöglichkeiten der Eltern hinsichtlich des ggf. erforderlichen Abholens des Antragstellers von der Schule erschwert werden, ist bereits nicht nachvollziehbar. Die Eltern des Antragstellers leben - anders als der Antragsteller selbst - in N.. Die Entfernung von dort zum Antragsgegner beträgt 8,7 km (10 Minuten Autofahrt) und zur J. 10,2 km (11 Minuten Autofahrt). Jedenfalls zwischen der Schule und dem Wohnort der Eltern des Antragstellers ist der Unterschied nicht nennenswert. Weiteres wurde hierzu nicht ausgeführt.

Soweit der Antragsteller durch den Schulwechsel soziale Kontakte verliert, ist zu berücksichtigen, dass Veränderungen des sozialen Umfeldes, die mit dem Wechsel der Schule einhergehen, in der Natur der Ordnungsmaßnahme der Überweisung an eine andere Schule liegen und daher hinzunehmen sind (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 13.01.2013 - 2 ME 416/12 -, juris Rn. 11).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 und 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG) i.V.m. Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.