Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 05.10.2023, Az.: 3 A 483/19

Beihilfe; ICSI-Behandlung; Kostenteilungsprinzip; künstliche Befruchtung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
05.10.2023
Aktenzeichen
3 A 483/19
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 44085
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2023:1005.3A483.19.00

Tenor:

Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Gewährung weiterer Beihilfe für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung seiner Ehefrau mittels einer sogenannten ICSI - Behandlung (intracytoplasmatische Spermieninjektion).

Der am 14. August 1985 geborene Kläger ist mit einem Beihilfebemessungssatz in Höhe von 50% beihilfeberechtigt. Seine am 21. August 1981 geborene Ehefrau ist gesetzlich krankenversichert.

Am 12. September 2018 beantragte der Kläger bei dem Beklagten die Übernahme der entstehenden Kosten für eine bevorstehende intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI-Behandlung) wegen einer diagnostizierten schweren männlichen Fertilitätsstörung.

Mit Bescheid vom 17. September 2018 erkannte der Beklagte die Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung aufgrund des vorgelegten Behandlungsplans vom 28. August 2018 im Umfang von drei ICSI-Versuchen als beihilfefähig an. In diesem heißt es, die Aufwendungen für die einzelnen Leistungen zur künstlichen Befruchtung würden der Person zugerechnet, bei der die Leistungen durchgeführt würden. Die außerkörperlichen Aufwendungen würden der Ehefrau zugerechnet (Kostenteilungsprinzip). Dem Ehemann würden Aufwendungen für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Gewinnung, Untersuchung und Aufbereitung, ggf. einschließlich der Kapazitation des männlichen Samens sowie erforderlicher Laboruntersuchungen, Aufwendungen für die Beratung (Beratung über die speziellen Risiken) vor einer lCSl und ggf. in diesem Zusammenhang erfolgende Aufwendungen einer humangenetischen Beratung zugerechnet. Alle anderen Aufwendungen der künstlichen Befruchtung würden der Ehefrau zugerechnet. Die der Ehefrau des Klägers zuzurechnenden Aufwendungen seien ggf. bei der für die Ehefrau zuständigen gesetzlichen Krankenversicherung geltend zu machen. Die dem Kläger zuzurechnenden und berücksichtigungsfähigen Aufwendungen einschließlich der im Zusammenhang damit verordneten Arzneimittel seien gem. § 40 Abs. 1 NBhVO zur Hälfte beihilfefähig. Die Beihilfe errechne sich aus dieser Hälfte der Aufwendungen multipliziert mit dem maßgeblichen Bemessungssatz.

Mit am 24. September 2018 bei dem Beklagten eingegangenen Antrag reichte der Kläger drei an ihn gerichtete Rechnungen vom 17. April 2018 in Höhe von 571,19 €, vom 3. Juli 2018 in Höhe von 40,22 € sowie vom 30. Juli 2018 in Höhe von 178,00 € und zwei an seine Ehefrau gerichtete Rechnungen vom 17. April 2018 über einen Betrag von 272,13 € und vom 18. April 2018 über einen Betrag von 446,93 € ein.

Mit Bescheid vom 25. September 2018 gewährte der Beklagte dem Kläger eine Beihilfe in Höhe von insgesamt 75,41 €. Dieser Zahlbetrag enthielt eine Beihilfe für die ärztliche Behandlung des Klägers gemäß Rechnung vom 7. April 2018 in Höhe von 55,30 € sowie gemäß Rechnung vom 3. Juli 2018 in Höhe von 20,11 €. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Aufwendungen für Maßnahmen, die über solche zur künstlichen Befruchtung hinausgingen, wie die Kryokonservierung von Samenzellen, imprägnierten Eizellen oder noch nicht transferierten Embryonen seien nicht beihilfefähig (Nr. 5.2 des Rd.Erl. des MF vom 02.01.2012 zu § 40 Abs. 1 NBhVO). Die Einkünfte der Ehegattin hätten im vorletzten Kalenderjahr vor der Stellung des Beihilfeantrages die Einkommensgrenze in Höhe von 18.000 Euro überstiegen. Die Aufwendungen seien daher nicht beihilfefähig (§ 80 Abs. 3 Satz 2 NBG).

Mit Schreiben vom 3. November 2018 wandte sich der Kläger an den Beklagten. Darin heißt es, er, der Kläger, reiche nochmals die ärztlichen Forderungen seine Ehefrau betreffend ein. Die Untersuchungen seien notwendig gewesen, um eine Genehmigung zur künstlichen Befruchtung zu erhalten. Eine solche sei notwendig, da bei ihm eine Kryptospermie vorliege, er also folglich der Verursacher des unerfüllten Kinderwunsches sei. Beigefügt war ein Schreiben der gesetzlichen Krankenversicherung der Ehefrau des Klägers vom 18. Juli 2018, wonach die Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung mittels intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) abgelehnt wurde. Zur Begründung wurde ausgeführt, die beantragte Behandlung sei nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung.

Das Schreiben des Klägers vom 3. November 2018 wertete der Beklagte als Widerspruch gegen den Beihilfebescheid vom 25. September 2018.

Mit Beihilfeantrag vom 3. November 2018 reichte der Kläger ein Rezept vom 1. November 2018 zur Behandlung der Ehefrau über einen Betrag von 635,10 € sowie erneut die an seine Ehefrau gerichteten Rechnungen vom 17. April 2018 über einen Betrag von 272,13 € und vom 18. April 2018 über einen Betrag von 446,93 € ein.

Mit Bescheid vom 6. November 2018 lehnte der Beklagte die Gewährung einer Beihilfe ab. Zur Begründung hieß es, dem Rezept nach seien die Aufwendungen zur Behandlung der Ehefrau entstanden. Für die Aufwendungen der künstlichen Befruchtung gelte das sog. Kostenteilungsprinzip. Es werde Beihilfe zu den Aufwendungen für Leistungen gewährt, die bei der oder dem Beihilfeberechtigten durchgeführt worden seien. Widerspruch hiergegen legte der Kläger nicht ein.

Mit weiterem Antrag, bei dem Beklagten eingegangen am 22. November 2018, begehrte der Kläger die Gewährung von Beihilfe für drei an ihn gerichtete Rechnungen jeweils vom 15. November 2018 in Höhe von 2.652,53 €, von 99,60 € sowie von 90,- € und eine an seine Ehefrau gerichtete Rechnung ebenfalls vom 15. November 2018 in Höhe von 597,96 €.

Mit Beihilfebescheid vom 27. November 2018 lehnte der Beklagte die Gewährung einer Beihilfe ab. Der Bescheid enthielt den Hinweis, dass der Kläger die Rechnung aufschlüsseln lassen müsse, da sonst nicht erkennbar sei, für wen die in der Rechnung gestellten Aufwendungen angefallen seien. Die Aufwendungen für die einzelnen Leistungen zur künstlichen Befruchtung würden der Person zugerechnet, bei der die Leistung durchgeführt worden sei. Die außerkörperlichen Aufwendungen würden der Ehefrau zugerechnet (Kostenteilungsprinzip). Dem Ehemann würden Aufwendungen für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Gewinnung, Untersuchung und Aufbereitung, gegebenenfalls einschließlich der Kapazitation des männlichen Samens sowie erforderlicher Laboruntersuchungen, Aufwendungen für die Beratung vor einer ICSI und gegebenenfalls in diesem Zusammenhang erfolgende Aufwendungen einer humangenetischen Beratung zugerechnet. Gemäß Nummer 5 des Runderlasses des MF vom 2. Januar 2012 seien Maßnahmen, die über solche zur künstlichen Befruchtung hinausgingen, wie die Kryokonservierung von Samenzellen, von der Beihilfefähigkeit ausgenommen.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 4. Dezember 2018 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, bei den eingereichten Rechnungen handele es sich um solche, die eine künstliche Befruchtung betreffen würden. Mit Bescheid vom 17. September 2018 sei eine solche genehmigt worden. Das Kostenteilungsprinzip werde von dem Verursacherprinzip verdrängt. Es sei eindeutig in diversen Untersuchungen festgestellt worden, dass er, der Kläger, an einer Kryptospermie leide. Es sei nicht nachvollziehbar, warum seine Ehefrau die Kosten tragen solle. Diese Kosten seien auch bereits im Behandlungsplan und Kostenvoranschlag der Kinderwunschklinik ausgewiesen gewesen. Die private Krankenversicherung habe bereits 50% der angefallenen Kosten aus den Rechnungen beglichen.

Der Kläger reichte bei dem Beklagten am 27. November 2018 eine weitere an ihn gerichtete Rechnung vom 21. November 2018 in Höhe von 90,24 € sowie ein Rezept vom 5. November 2018 zur Behandlung der Ehefrau in Höhe von 148,17 € zwecks Gewährung einer Beihilfe ein.

Mit Bescheid vom 29. November 2018 gewährte der Beklagte dem Kläger eine Beihilfe in Höhe von insgesamt 22,56 €. Dieser Zahlbetrag enthielt eine Beihilfe für die ärztliche Behandlung des Klägers gemäß Rechnung vom 21. November 2018 in Höhe von 90,24 €. Der Bescheid enthielt wiederum den Hinweis auf das Kostenteilungsprinzip.

Gegen diesen Bescheid legte der Kläger unter dem 10. Dezember 2018 Widerspruch ein. Zur Begründung wiederholte er seine Ausführungen in dem Widerspruchsschreiben vom 4. Dezember 2018 und führte ergänzend aus, die Abrechnung von nur 25% des Rechnungsbetrages sei nicht einleuchtend. Es handele sich um eine routinemäßige Blutuntersuchung.

Unter dem 11. Dezember 2018 bestätigte der Beklagte dem Kläger den Eingang seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 27. November 2018 und bat darum, dass der Kläger die Rechnungen so erstellen lasse, dass darin nur die ihm zuzurechnenden Aufwendungen enthalten seien. Anderenfalls werde darum gebeten, in der Rechnung die Zurechnung der Aufwendungen zur Ehefrau und zum Ehemann entsprechend kennzeichnen zu lassen. Es werde gebeten, die von dem Widerspruch betroffenen Belege innerhalb von vier Wochen vorzulegen.

Unter dem 13. Dezember 2018 bestätigte der Beklagte dem Kläger den Eingang seines Widerspruchs gegen den Bescheid vom 29. November 2018. Dieses Schreiben enthielt den gleichen Hinweis wie das Schreiben vom 11. Dezember 2018.

Mit gesondertem Schreiben ebenfalls vom 13. Dezember 2018 wandte sich der Beklagte nochmals an den Kläger und wies auf das im Rahmen der Gewährung der Beihilfe geltende Kostenteilungsprinzip hin. Derzeit enthielten die Rechnungen Aufwendung sowohl zur Behandlung der Ehefrau des Klägers als auch des Klägers selbst. Es sei nicht Aufgabe der Beihilfestelle, die Rechnungen entsprechend der Zuordnung der einzelnen Rechnungspositionen aufzuschlüsseln.

Daraufhin teilte der Kläger dem Beklagten mit Schreiben vom 9. Januar 2019 mit, er habe sich mit dem J. Facharzt-Zentrum für Kinderwunsch in Verbindung gesetzt. Dort sei ihm mitgeteilt worden, dass die Rechnungen 68607 (Rechnung vom 15. November 2018 in Höhe von 99,60 €) und 68608 (Rechnung vom 15. November 2018 in Höhe von 2.652,53 €) nur ihm, dem Kläger, zuzurechnen seien und dies auch eindeutig aus den beiden Rechnungen hervorgehe. Dies habe ihm die behandelnde Ärztin, Frau Dr. K., auch bescheinigt. Diese Bescheinigung legte der Kläger seinem Schreiben bei. Darin heißt es, dass aufgrund der nicht optimalen Spermienqualität die Mikroinjektionen in die Eizelle durchgeführt worden sei. Daher sei die Leistung 1114A auf der Rechnung 68608 über den Kläger als Verursacher abgerechnet worden.

Mit Bescheid vom 18./21. Januar 2019 setzte der Beklagte die am 22. November 2018 beantragte Beihilfe neu fest und hob den Bescheid vom 27. November 2018 insoweit auf, wie er der Neufestsetzung widersprach. Er gewährte dem Kläger nunmehr eine Beihilfe in Höhe von 24,90 €. Dieser Zahlbetrag enthielt eine Beihilfe für die ärztliche Behandlung gemäß Rechnung vom 25. November 2018 in Höhe von 99,60 €. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Neufestsetzung sei erforderlich gewesen, da die Aufwendungen mit Datum vom 15. November 2018, die der Person des Klägers zuzuordnen seien, beihilferechtlich hätten berücksichtigt werden können. Der Bescheid enthielt wiederum den Hinweis, dass der Kläger die Rechnung aufschlüsseln lassen müsse, da sonst nicht erkennbar sei, für wen die in der Rechnung gestellten Aufwendungen angefallen seien. Die Aufwendungen für die einzelnen Leistungen zur künstlichen Befruchtung würden der Person zugerechnet werden, bei der die Leistung durchgeführt worden sei. Die außerkörperlichen Aufwendungen würden der Ehefrau zugerechnet (Kostenteilungsprinzip). Dem Ehemann würden Aufwendungen für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Gewinnung, Untersuchung und Aufbereitung, gegebenenfalls einschließlich der Kapazitation des männlichen Samens sowie erforderlicher Laboruntersuchungen, Aufwendungen für die Beratung vor einer ICSI und gegebenenfalls in diesem Zusammenhang erfolgende Aufwendungen einer humangenetischen Beratung zugerechnet. Gemäß Nr. 5 des Runderlasses des MF vom 2. Januar 2012 seien Maßnahmen, die über solche zur künstlichen Befruchtung hinausgingen, wie die Kryokonservierung von Samenzellen, von der Beihilfefähigkeit ausgenommen. Weiter wurde ausgeführt, dass die Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung einschließlich der in diesem Zusammenhang erforderlichen Arzneimittel nur im Umfang von 50 Prozent beihilfefähig seien (§ 40 Abs. 1. NBhVO). Die geltend gemachten Aufwendungen für die Ehefrau seien nicht beihilfefähig, da das Krankenversicherungsverhältnis nicht nachgewiesen worden sei. Es sei ein Krankenversicherungsschein vorzulegen, der die prozentualen Erstattungstarife und das Datum, seit wann diese Tarife gelten würden, enthalte.

Mit Bescheid vom 10. Januar 2019 lehnte die gesetzliche Krankenversicherung der Ehefrau des Klägers die Kostenübernahme für eine künstliche Befruchtung mittels intracytoplasmatischer Spermieninjektion (ICSI) ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, die beantragte Behandlung sei nicht Bestandteil der vertragsärztlichen Versorgung. Hiergegen hat die Ehefrau des Klägers Klage beim Sozialgericht L. () erhoben. Das Sozialgericht L. hat mit Beschluss vom 4. September 2019 das Ruhen des Verfahrens im Hinblick auf den hiesigen Rechtstreit angeordnet.

Mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2019 wies der Beklagte die Widersprüche des Klägers vom 3. November 2018, 4. Dezember 2018 und 10. Dezember 2018 gegen die Bescheide vom 25. September 2018, vom 6. November 2018, vom 29. November 2018 sowie vom 27. November 2018 in der Fassung der Neufestsetzung vom 18./21. Januar 2019 zurück. Zur Begründung führte er aus, im Rahmen des Kostenteilungsprinzips hätten nur die Aufwendungen als beihilfefähig berücksichtigt werden können, die dem Kläger zuzuordnen seien. Aufwendungen die bei der Behandlung der Ehefrau entstanden seien, seien nicht beihilfefähig.

Gemäß Nr. 4 des Runderlasses des Nds. Finanzministeriums vom 2. Januar 2012 werde eine Beihilfe zu den Aufwendungen für Leistungen gewährt, die bei der oder dem Beihilfeberechtigten durchgeführt worden seien. Nach diesem Kostenteilungsprinzip sei für die Aufwendungen der Ehefrau die Erstattungsstelle (gesetzliche Krankenkasse oder private Krankenversicherung und ggf. Beihilfestelle) zuständig, bei der die Ehefrau krankenversichert und ggf. Beihilfeberechtigte sei und für die Aufwendungen des Ehemannes sei die Erstattungsstelle zuständig, bei der der Ehemann krankenversichert und ggf. Beihilfeberechtigter sei.

Nach Nr. 4.1 des Runderlasses würden dem Ehemann die Aufwendungen für Maßnahmen zugerechnet, die im Zusammenhang mit der Gewinnung, Untersuchung und Aufbereitung, ggf. einschließlich der Kapazitation des männlichen Samens sowie erforderlicher Laboruntersuchungen, stünden, ebenso wie Aufwendungen für die Beratung vor einer intracytoplasmatischen Spermieninjektion und die ggf. in diesem Zusammenhang erfolgende humangenetische Beratung.

Nach Nr. 4.2 des Runderlasses würden der Ehefrau die Aufwendungen für Leistungen für die Beratung des Ehepaares über die medizinischen, psychischen und sozialen Aspekte der künstlichen Befruchtung mittels intrazervikale, intrauterine oder intratubare Insemination nach hormoneller Stimulation mit Gonadotropinen, ln-vitro-Fertilisation (IVF) mit Embryo-Transfer (ET), ggf. als Zygoten-Transfer oder als intratubarer Embryo-Transfer (EIFT = Embryo-lntrafallopian-Transfer) oder intratubarer Gameten-Transfer (GIFT), sowie die Aufwendungen für die extrakorporalen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Zusammenführung von Eizellen und Samenzellen zugerechnet.

Die Aufwendungen vom 5. November 2018 in Höhe von 148,17 €, vom 15. November 2018 in Höhe von 2.652,53 € sowie vom 15. November 2018 in Höhe von 90,- € seien nicht bei dem Kläger, sondern bei seiner Ehefrau durchgeführt worden, sodass eine Beihilfe zu diesen Aufwendungen gemäß Nr. 4 des Runderlasses nicht gewährt werden könne. Die Ehefrau des Klägers sei gesetzlich krankenversichert. Für ihre Aufwendungen sei daher die gesetzliche Krankenkasse zuständig, bei der die Ehefrau krankenversichert sei. Das von der privaten Krankenversicherung des Klägers angewandte Verursacherprinzip finde im Rahmen der Beihilfevorschriften keine Anwendung. Es gelte das Kostenteilungsprinzip. Die Aufwendungen für die Kryokonservierung seien ebenfalls nicht beihilfefähig, da es sich nicht um Leistungen der künstlichen Befruchtung handele (vgl. Nr. 5.2 des Runderlasses).

Der Kläger hat am 5. April 2019 Klage erhoben. Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, ausweislich des Informationsblatts zur Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung und der Regelungen in § 40 NBhVO sei nicht nachvollziehbar, weshalb teilweise eine Beihilfefähigkeit und eine Erstattung durch den Beklagten lediglich in geringerem Umfang erfolgt sei und nicht in Höhe von 50%. Hinsichtlich der Rechnung vom 17. April 2018 in Höhe von 571,19 € habe der Beklagte mit Bescheid vom 25. September 2018 lediglich einen Betrag von 110,59 € als beihilfefähig anerkannt und eine Beihilfe von 55,30 € gewährt. Bei der abgerechneten Behandlung handele es sich um die Kryokonservierung von Sperma. Ausweislich der Zurechenbarkeit der Aufwendungen nach den Vorgaben des Beklagten, würden dem Ehemann die Aufwendungen für die Gewinnung, Untersuchung und Aufbereitung, gegebenenfalls einschließlich der Kapazitation (Reifungsprozess der Samenzelle) sowie die Aufwendungen der Beratung vor einer lCSl zugerechnet. Insoweit sei die Konservierung des Spermas Teil der Gewinnung, Untersuchung und Aufbereitung und für diese erforderlich, sodass auch die Kosten entsprechend des Kostenteilungsprinzips dem Ehemann zuzurechnen seien und hier der geltend gemachte Betrag in Höhe von 216,89 € zu erstatten sei.

Dies gelte auch für die Untersuchungen, um ein Gutachten für die Kostenübernahme von Beihilfe und Versicherung erstellen zu lassen, da dies insgesamt Aufwendungen der Beratung vor einer lCSl betreffe, sodass auch für die an die Ehefrau des Klägers gerichteten Rechnungen vom 17. April 2018 und 18. April 2018 in Höhe von 272,13 € und 446,93 € eine jeweils hälftige Beihilfefähigkeit gegeben und ein Betrag in Höhe von 359,52 € durch den Beklagten an den Kläger zu zahlen sei.

Die Ablehnung der Gewährung einer Beihilfe zu den drei Rechnungen jeweils vom 15. November 2018 in Höhe von insgesamt 3.440,09 € für die tatsächliche lCSl-Behandlung, die Spermaaufbereitung sowie die Kryokonservierung der befruchteten Eizelle mit Beihilfebescheid vom 27. November 2018 sei nicht rechtmäßig, da die lCSl-Behandlung laut der durchführenden Kinderwunschklinik eine Behandlung sei, die beide Eheleute betreffe und daher nicht allein der Ehefrau des Klägers zuzurechnen sei. Insoweit sei auch bezeichnend, dass die Rechnung vom 15. November 2018 über den Betrag von 2.652,53 € auf den Kläger ausgestellt sei, da dieser von der tatsächlichen Behandlung mit betroffen sei. Die intracytoplasmatische Spermieninjektion (ICSI) sei eine Methode der künstlichen Befruchtung. Dabei werde die Samenzelle direkt in das Cytoplasma einer Eizelle eingespritzt. Da die Eizellen bei der lCSl bereits befruchtet würden, werde der Rest der nicht in die Gebärmutter eingesetzten Eizellen für spätere Versuche eingefroren oder verworfen. Die Kryokonservierung der befruchteten Eizellen stehe damit in direktem Zusammenhang mit der Gewinnung, Untersuchung und Aufbereitung und auch der Kapazitation (Reifungsprozess), die insgesamt dem Ehemann, mithin ihm, dem Kläger, zuzurechnen sei.

Bei den ebenfalls mit Rechnung vom 15. November 2018 geltend gemachten Kosten für die Spermaaufbereitung in Höhe von 99,60 € handele es ich um Aufwendungen für Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Gewinnung, Untersuchung und Aufbereitung des Samens stehen. Diese seien allein ihm, dem Kläger, zuzurechnen und zu erstatten.

Soweit hierfür mit Bescheid vom 29. November 2018 lediglich eine Beihilfe von 22,56 € gewährt worden sei, sei nicht nachvollziehbar, warum eine Kostenerstattung nicht zu 50% erfolgt sei. Das Privatrezept des Facharztzentrums für Kinderwunsch vom 5. November 2018 sei ausdrücklich auf ihn, den Kläger, ausgestellt. Bei den damit abgerechneten Arznei- und Verbandsmitteln handele es sich zwar um Spritzen zur Behandlung der Ehefrau, die bei dieser gesetzt worden seien. Eine entsprechende Kostenbeteiligung habe aber auch schon zuvor mit eingereichter Rechnung vom 15. Oktober 2018 stattgefunden, sodass nicht nachvollziehbar sei, weshalb nunmehr eine Ablehnung des Betrages in Höhe von 148,17 € erfolgt sei. Die Rechnung vom 21. November 2018 betreffe einen bei ihm durchgeführten HIV-Test. Zum einen sei dies eigentlich eine normale ärztliche Leistung und stehe grundsätzlich noch nicht einmal im Zusammenhang mit der Kinderwunschbehandlung. Ausweislich des Informationsblatts zur Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung sei aber entsprechend der Voraussetzungen des § 40 Abs. 1 NBhVO der HIV-Status beider Ehepartner vor Beginn der Durchführung der Maßnahmen festzustellen, sodass aufgrund dieser Vorgabe die 50%ige Kostenerstattung zu erfolgen habe und ein Betrag in Höhe von 22,56 € zu erstatten sei. Die erfolgte Ablehnung sei daher auch aufgrund des von dem Beklagten angenommenen und dem der Beihilfe zugrunde gelegten Kostenteilungsprinzip so nicht nachvollziehbar und könne keinen Bestand haben.

Mit Neufestsetzungsbescheid vom 18./21. Januar 2019 sei hinsichtlich der Rechnung vom 15. November 2018 in Höhe von 99,60 € für die Spermaaufbereitung lediglich eine Beihilfe von 24,90 € gewährt worden. Diese betreffe entsprechend der Regelungen des Beklagten ausschließlich den Ehemann und sei daher als Leistung ihm, dem Kläger, zuzurechnen und damit auch in Höhe von 50% beihilfefähig, sodass weiter 24,90 € zu zahlen seien. Dasselbe gelte für die Kryokonservierung der befruchteten Eizellen, da diese in direktem Zusammenhang mit der Gewinnung und Aufbereitung zur Vorbereitung der ICSl stünden.

Dass das von dem Beklagten angewandte Kostenteilungsprinzip ginge nur auf, wenn die gesetzliche Krankenversicherung der Ehefrau die Kosten auch tatsächlich übernehmen würde. Dies sei vorliegend aber gerade nicht der Fall, wie das beim Sozialgericht L. anhängige Verfahren () zeige. Unter dem Aspekt der Fürsorge und der Alimentation sei davon auszugehen, dass nicht nur der Beamte, sondern auch dessen Ehegatte als "Gegenleistung" für beamtenrechtliche Treue die Beihilfe gewährt bekomme. Zwar sei beamtenrechtlich der Nachrang der Beihilfeleistung zu anderen Sicherungssystemen angeordnet, im vorliegenden Fall greife aber gerade das Sicherungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung nicht, da diese die Kostentragung überwiegend abgelehnt habe.

Er und seine Ehefrau hätten darauf vertraut, dass die Beihilfe parallel zur privaten Krankenversicherung die Kosten übernehme, weil beide Systeme die Krankheitskosten typischerweise im Gleichlauf erstatten würden. ln der privaten Krankenversicherung gelte das Verursacherprinzip, wonach eine umfangreiche Kostenübernahme stattfinde, selbst wenn die Ehefrau einen eigenen Anspruch gegen ihre gesetzliche Krankenversicherung habe (BGHZ 158, 166). Ausweislich des Urteils des Bundessozialgerichts vom 17. Juni 2008 stehe Ehegatten, die in unterschiedlichen Krankenversicherungssystemen versichert seien, grundsätzlich ein Wahlrecht zwischen der Inanspruchnahme der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung zu. Dieses Wahlrecht der Betroffenen, ob sie die gesetzliche Krankenversicherung des einen oder die private Krankenversicherung des anderen Partners in Anspruch nehmen würden, erstrecke sich bei Beihilfeberechtigung eines Partners nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 14. Oktober 2008 auch auf die Beihilfe. Insoweit hätten er und mit ihm auch seine Ehefrau auf diese Rechtsprechung des BSG und des BGH vertraut, die durch das Beihilferecht konterkariert werde. Dies sei mit dem Fürsorgegedanken des Beamtenrechts nicht vereinbar.

Nach dem Recht sowohl der privaten als auch der gesetzlichen Krankenversicherungen stelle die Unfruchtbarkeit des versicherten Mannes eine Krankheit dar mit der Folge, dass ein Versicherungsfall nach § 1 Abs. 2 MB/KK94 - Musterbedingungen 1994 Krankheitskosten- und Krankenhaustagegeldversicherung - vorliege und die Kosten der medizinisch notwendigen Heilbehandlung erstattet würden. Beim ihm liege - unstreitig - eine Krankheit in diesem Sinne vor. Er leide unter einer organisch bedingten erheblichen Einschränkung seiner Zeugungsfähigkeit. Daher stelle die ln-vitro-Fertilisation auch eine Heilbehandlung im Sinne des § 1 Abs. 2 Satz 1 MB/KK 94 dar. Die In-vitro-Fertilisation stelle zusammen mit der lCSl-Behandlung eine auf sein Krankheitsbild abgestimmte Gesamtbehandlung dar. Ohne die zu der ln-vitro-Fertilisation zählenden Eizellentnahmen könne die Injektion der Spermien nicht durchgeführt werden. Erst die kombinierten Behandlungsmaßnahmen dienten insgesamt der Linderung der Unfruchtbarkeit des Mannes. Die damit einhergehende Mitbehandlung der Frau sei dabei notwendiger Bestandteil der gesamten Behandlung, sodass die Gesamtbehandlung - auch die der Ehefrau - darauf abziele, seine, des Klägers, Krankheit als versicherter Person zu lindern (vgl. BGH-Urteil vom 03.03.2004, Az. lV ZR 25/03 = BGHZ 158, 166). Er habe nicht damit gerechnet, dass die Behandlung ohne Rücksicht auf deren medizinischen Handlungssinn in Teilakte aufgespalten würde, die für sich genommen eine Linderung nicht erzielen könnten, so wie durch das hier angewandte Kostenteilungsprinzip geschehen.

Beachtenswert sei in diesem Zusammenhang, dass die Maßnahme der Spermienentnahme ohne die weitere Behandlung seiner Ehefrau sinnlos und für sich genommen auch nicht zur Linderung seiner Unfruchtbarkeit geeignet sei. Die In-vitro-Fertilisation sei - ebenso wie die lCSl, bei welcher im Übrigen wichtige Behandlungsschritte ebenfalls außerhalb des Körpers des Mannes vollzogen würden - gerade auf die Linderung der bei ihm vorliegenden Fertilitätsstörung gerichtet und damit notwendiger Bestandteil seiner Heilbehandlung. Allein von ihm sei das versicherte Risiko ausgegangen. Dies sei auch von seiner privaten Krankenversicherung so anerkannt worden und die geltend gemachten Erstattungsansprüche seien insgesamt zum Ausgleich gebracht worden. Die Tatsache, dass der Beklagte seinen Anteil insoweit nicht anerkenne, stelle sich als eine willkürliche Ungleichbehandlung dar, insbesondere weil der Beklagte darauf verweise, dass die gesetzliche Krankenversicherung seiner Ehefrau die Kosten tragen könne, was nicht der Fall sei.

Im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung gelte grundsätzlich gem. § 27a SGB V das Behandlungsprinzip. Dieser Grundsatz gehe auf, wenn beide Ehepartner Mitglieder in der gesetzlichen Krankenversicherung seien. In diesem Fall könne auch eine Leistungslücke im System nicht auftreten. Der Versicherungsfall in der privaten Krankenversicherung sei dagegen nach dem Verursacherprinzip geregelt. Die private Krankenversicherung müsse demnach nur dann leisten, soweit es um eine Sterilitätserkrankung ihres eigenen Versicherungsnehmers gehe. Weshalb im Rahmen der beihilferechtlichen Regelungen davon abzuweichen sei und die Kostentragung nicht übernommen werde, sei nicht nachvollziehbar.

Bei "gemischt versicherten" Ehepaaren passe diese Regelung nicht zusammen, da die gesetzliche Krankenversicherung und die private Krankenversicherung in der Zuordnung der Behandlung nicht aufeinander abgestimmt seien. Dies könne ihm nicht zum Nachteil gereichen. Dadurch entstehe nämlich eine Leistungslücke, weil er vorliegend der alleinige Verursacher der Sterilität sei. Insoweit habe die private Krankenversicherung wie auch die Beihilfe in dieser besonderen Situation ausnahmsweise auch die Behandlungsmaßnahmen am Körper der Ehefrau zu tragen, da anders die Leistungslücke im System nicht geschlossen werden könne.

Mit Schriftsatz vom 19. September 2023 hat der Kläger seine Klage teilweise in Höhe von 1.326,26 € zurückgenommen.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verpflichten, ihm weitere Beihilfeleistungen zu den Aufwendungen für Maßnahmen einer künstlichen Befruchtung in Höhe von 1.889,53 € zu gewähren und die Bescheide vom 25. September 2018, 27. November 2018 in der Fassung der Neufestsetzung vom 18./21. Januar 2019 sowie vom 29. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. März 2019 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er tritt dem Vorbringen des Klägers unter Bezugnahme auf seine Ausführungen in dem Widerspruchsbescheid entgegen und trägt ergänzend vor, der Kläger sei bereits vor Entstehen der Aufwendungen detailliert über das Kostenteilungsprinzip informiert worden, auch darüber, dass eine beihilferechtliche Berücksichtigung der Aufwendungen im Rahmen einer künstlichen Befruchtung gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 NBhVO zu 50% erfolge und es danach zur Anwendung des maßgeblichen Bemessungssatzes von 50% komme. Dadurch würden sich die entsprechenden Kürzungen in der Auszahlung der Beihilfe ergeben. Aufwendungen für Maßnahmen, die über solche zur künstlichen Befruchtung hinausgingen, wie die Kryokonservierung von Samenzellen, imprägnierten Eizellen oder noch nicht transferierten Embryonen seien laut Nr. 5.2 des RdErl. des MF vom 2. Januar 2012 explizit von der Beihilfefähigkeit ausgenommen. Dem Kläger zuzuordnende Gebührenziffern seien Aufwendungen für die Gewinnung, Untersuchung und Aufbereitung gegebenenfalls einschließlich der Kapazitation (Reifungsprozess der Samenzelle) nach GOÄ 315, 495, 3663 bis 3668, A 3668 für die Kapazitation (Reifungsprozess der Samenzelle), A 4816 für die Spermiengewinnung aus dem Nebenhoden (MESA-Verfahren) sowie A 4852 GOÄ für die Spermiengewinnung aus dem Hoden (TESA-Verfahren). Es sei unerheblich, ob der Kläger Verursacher der Maßnahme sei. Dies habe das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht in seinen Beschlüssen vom 12. November 2002 (5 LC 151/02) sowie vom 4. September 2008 (5 LA 198/07) bestätigt. Die Aufwendungen in Höhe von 90,24 € u.a. für einen HlV-Test des MVZ seien im Beihilfebescheid vom 29. November 2018 berücksichtigt worden und eine Beihilfe in Höhe von 22,56 € sei ausgezahlt worden.

Eine beihilfefähige Berücksichtigung der Kosten komme auch nicht aus Gründen der Fürsorgepflicht in Betracht. Eine unzumutbare Härte werde weder vorgetragen noch sei diese ersichtlich. Die finanzielle Belastung sei durch die mangelnde Erstattung zwar hoch, doch dürfe nicht verkannt werden, dass nach den gesetzlichen Regelungen eine Beihilfeleistung von maximal 50% ggf. zum Bemessungssatz von 50% möglich wäre. Ein besonderer Härtefall liege nach ständiger Rechtsprechung nur dann vor, wenn außergewöhnliche, schwerwiegende, atypische und möglichst nicht selbstverschuldete Umstände vorlägen oder diese eine sonstige Notlage hervorrufen würden. Dies sei hier nicht der Fall.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen. Gegenstand dieses Verfahrens war auch die Gerichtsakte des Sozialgerichts L. zum Aktenzeichen S 11 KR 179/19.

Entscheidungsgründe

Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren gem. § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO eingestellt.

Im Übrigen hat die Klage keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.

Die Bescheide des Beklagten vom 25. September 2018, vom 27. November 2018 in der Fassung der Neufestsetzung vom 18./21. Januar 2019 sowie vom 29. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. März 2019 sind in dem hier streitigen Umfang rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung weiterer Beihilfeleistungen zu Aufwendungen für Maßnahmen der künstlichen Befruchtung in Höhe von 1.889,53 €.

Soweit mit Widerspruchsbescheid vom 4. März 2019 auch eine Entscheidung über einen etwaigen Widerspruch gegen den Bescheid vom 6. November 2018, ein solcher befindet sich zumindest nicht in den Verwaltungsvorgängen des Beklagten, getroffen wurde, ist dieser Bescheid nicht Gegenstand des hier anhängigen Verfahrens und bereits in Bestandskraft erwachsen. Denn die Klage wurde ausdrücklich nur gegen die Bescheide vom 25. September 2018, vom 27. November 2018 in der Fassung der Neufestsetzung vom 18./21. Januar 2019 sowie vom 29. November 2018 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. März 2019 erhoben.

Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe begehrt wird (vgl. Nds. OVG, Beschlüsse vom 28.11.2012 - 5 LA 342/11 - juris m.w.N. sowie vom 29.11.2021 - 5 LA 54/21 -).

Nach § 40 Abs. 1 NBhVO in der vom 1. Januar 2012 bis zum 31. Juli 2023 geltenden Fassung vom 7. November 2011 sind Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung einschließlich der Arzneimittel, die im Zusammenhang damit verordnet werden, im Umfang von 50 Prozent beihilfefähig, wenn die Voraussetzungen des § 27a Abs. 1 bis 3 Satz 1 SGB V vorliegen. Das Nähere über die medizinischen Einzelheiten zu Voraussetzungen, Art und Umfang der künstlichen Befruchtung macht das Fachministerium im Niedersächsischen Ministerialblatt bekannt (Satz 2). Beihilfe wird nur gewährt, wenn die Festsetzungsstelle vor Beginn der Behandlung auf der Grundlage eines Behandlungsplans das Vorliegen der Voraussetzungen sowie Art und Umfang der Behandlung anerkannt hat (Satz 3).

Nach Nr. 4 Satz 1 des Runderlasses des Niedersächsischen Finanzministeriums vom 2. Januar 2012 in der Fassung seiner Änderung vom 22. Februar 2018 (nachfolgend: Rd.Erl. des MF vom 02.01.2012) wird Beihilfe zu den Aufwendungen für Leistungen gewährt, die bei der oder dem Beihilfeberechtigten durchgeführt werden. Dem Ehemann werden die Aufwendungen für Maßnahmen, die im Zusammenhang mit der Gewinnung, Untersuchung und Aufbereitung, ggf. einschließlich der Kapazitation des männlichen Samens sowie erforderlicher Laboruntersuchungen, stehen, ebenso wie Aufwendungen für die Beratung (Beratung über die speziellen Risiken) vor einer Intracytoplasmatischen Spermieninjektion und die ggf. in diesem Zusammenhang erfolgende humangenetische Beratung zugerechnet (Nr. 4.1 des Rd.Erl. des MF vom 02.01.2012). Der Ehefrau werden die Aufwendungen für Leistungen für die Beratung des Ehepaares über die medizinischen, psychischen und sozialen Aspekte (nicht nur im Hinblick auf die gesundheitlichen Risiken und die Erfolgsquoten der Behandlungsverfahren, sondern auch auf die körperlichen und seelischen Belastungen insbesondere für die Frau) der künstlichen Befruchtung mittels intrazervikale, intrauterine oder intratubare Insemination nach hormoneller Stimulation mit Gonadotropinen, In-vitro-Fertilisation (IVF) mit Embryo-Transfer (ET), ggf. als Zygoten-Transfer oder als intratubarer Embryo-Transfer (EIFT = Embryo-lntrafallopian-Transfer) oder intratubarer Gameten-Transfer (GIFT), sowie die Aufwendungen für die extrakorporalen Maßnahmen im Zusammenhang mit der Zusammenführung von Eizellen und Samenzellen zugerechnet (Nr. 4.2 des Rd.Erl. des MF vom 02.01.2012).

Damit hat sich der Gesetz- und Vorschriftengeber dazu entschieden, im Beihilferecht bei Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung - losgelöst von Gesichtspunkten der Verursachung - eine anwendungs- bzw. körperbezogene Kostenzuordnung vorzunehmen (vgl. zu § 6 BhV: Nds. OVG, Beschluss vom 04.09.2008 - 5 LA 198/07 - m.w.N.) und hierdurch die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen zu beschränken. Es gilt somit das sogenannte Körperprinzip, so dass es nicht darauf ankommt, bei welchem Ehepartner die Ursache für die Kinderlosigkeit liegt. Dies steht auch nicht den Grundsätzen des Beihilferechts entgegen, da insoweit nicht das Verursacherprinzip gilt, sondern regelmäßig eine anwendungs- bzw. (wie hier) eine körperbezogene Zuordnung erfolgt (vgl. BVerwG; Urteil vom 24.02.2011 - 2 C 40.09 - juris Rn. 10, VG München; Urteil vom 25.01.2018 - M 17 K.1558 - juris Rn. 24 m.w.N.). Im Übrigen ist dem Beihilferecht eine anwendungsbezogene bzw. körperbezogene Zuordnung grundsätzlich nicht fremd (Nds. OVG, Beschluss vom 04.09.2008 - 5 LA 198/07 - m.w.N.).

In Anwendung dessen hat der Beklagte für die - zwischen den Beteiligten unstreitig dem Kläger zuzurechnenden - Aufwendungen gemäß Rechnungen vom 15. November 2018 in Höhe von 99,60 € (Bescheid vom 27. November 2018 in der Fassung der Neufestsetzung vom 18./21. Januar 2019) sowie vom 21. November 2018 in Höhe von 90,24 € (Bescheid vom 29. November 2018) zu Recht die Gewährung einer weiteren - über 25% der bereits gewährten - Beihilfe abgelehnt. Soweit der Kläger einwendet, es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum auch bei Leistungen, die ihm zuzurechnen seien, eine Erstattung bzw. Gewährung der Beihilfe nicht in Höhe von 50%, sondern nur zu 25% erfolgt sei, verkennt er, dass nach § 40 Abs. 1 Satz 1 NBhVO Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung einschließlich der Arzneimittel, die im Zusammenhang damit verordnet werden, lediglich im Umfang von 50% beihilfefähig sind und darauf der hier maßgebliche Bemessungssatzes von 50% zur Anwendung kommt.

Des Weiteren hat der Beklagte unter Hinweis auf das sogenannte Kostenteilungsprinzip ebenfalls zu Recht die Gewährung einer Beihilfe zu den Aufwendungen gemäß der Rechnungen vom 17. April 2018 in Höhe von 272,13 € (Bescheid vom 25. September 2018) sowie vom 18. April 2018 in Höhe von 446,93 € (Bescheid vom 25. September 2018) und gemäß Rezept vom 5. November 2018 in Höhe von 148,17 € (Bescheid vom 29. November 2018) abgelehnt. Denn diese betreffen allesamt die Behandlung der Ehefrau des Klägers.

Bezüglich der Rechnung vom 15. November 2018 in Höhe von 597,96 € (Bescheid vom 27. November 2018 in der Fassung der Neufestsetzung vom 18./21. Januar 2019) kommt eine Beihilfegewährung nicht in Betracht, da es sich hierbei nach den eigenen Angaben des Klägers gemäß seiner mit Schriftsatz vom 28. September 2023 als Anlage überreichten Kostenaufstellung um die Kryokonservierung der befruchteten Eizellen handelt. Gem. Nr. 5.2 sind nicht beihilfefähig Aufwendungen für Maßnahmen, die über solche zur künstlichen Befruchtung hinausgehen, wie die Kryokonservierung von Samenzellen, imprägnierten Eizellen oder noch nicht transferierten Embryonen. Gleiches gilt für die Rechnung vom 30. Juli 2018 in Höhe von 178,- € (Miete für Lagerbehälter) (Bescheid vom 25. September 2018).

Eine Beihilfegewährung kommt auch für die Aufwendungen gemäß Rechnung vom 15. November 2018 in Höhe von 2.652,53 € (Bescheid vom 27. November 2018 in der Fassung der Neufestsetzung vom 18./21. Januar 2019) nicht in Betracht. Zur Überzeugung des Gerichts steht zweifelsfrei und eindeutig fest, dass die in der Rechnung vom 15. November 2018 aufgelisteten Leistungen (Dichtegradientenisolierung, 7x Mikroskopische Isolierung u. Aufnahme Spermien, Sachkosten ICSI, 7x Mikroinjektion einer Eizelle) der Zusammenführung von Ei- und Samenzellen des Klägers und seiner Ehefrau dienten, mithin für extrakorporale Maßnahmen entstanden sind (vgl. VG Göttingen, Urteil vom 20.07.2012 - 4 A 31/12 -). Angesichts dessen kann ein Kostenerstattungsanspruch bzgl. dieser Maßnahmen nur von der Ehefrau des Klägers gegenüber ihrer Krankenkasse geltend gemacht werden.

Hinsichtlich der Rechnung vom 15. November 2018 über 90,- € für eine CA2+ Ionophore (Kalzium-Ionophor) (Bescheid vom 27. November 2018 in der Fassung der Neufestsetzung vom 18./21. Januar 2019) hat der Beklagte die Gewährung einer Beihilfe ebenfalls zu Recht abgelehnt. Hierbei handelt es sich ebenfalls nicht um eine Leistung, die bei dem Kläger als Beihilfeberechtigten durchgeführt wurde. Um bei einer ICSI-Behandlung einen eventuellen Kalziummangel der Eizellen zu beheben - Kalzium wird bei der natürlichen Befruchtung in der Eizelle freigesetzt und erhöht die Befruchtung -, wird das sogenannte Kalzium-Ionophor eingesetzt. Kalzium-Ionophor erhöht die Kalziumkonzentration in der Eizelle und damit die Aussicht auf eine Befruchtung. Die zusätzlichen Kosten für die Kalzium-Ionophor-Behandlung werden nicht von den gesetzlichen Krankenkassen und möglicherweise auch nicht von privaten Krankenversicherungen übernommen (www.kinderwunschzentrum.org/siegen/leistungen/kalzium-ionophor).

Letztlich scheidet auch eine Gewährung einer - weiteren - Beihilfe für die Aufwendungen gemäß Rechnung vom 17. April 2018 in Höhe von 571,19 € (Bescheid vom 25. September 2018) aus. Soweit der Beklagte für die Rechnungsposition "Slow Freezing" - Kryokonservierung Spermien - in Höhe von 350,- € eine Erstattung abgelehnt hat, ist dies rechtlich nicht zu beanstanden. Denn gem. Nr. 5.2 sind nicht beihilfefähig Aufwendungen für Maßnahmen, die über solche zur künstlichen Befruchtung hinausgehen, wie die Kryokonservierung von Samenzellen, imprägnierten Eizellen oder noch nicht transferierten Embryonen. Hinsichtlich der restlichen fünf Rechnungspositionen in Höhe von insgesamt 221,19 €, die der Beklagte dem Kläger zugeordnet hat, ist die Bewilligung einer Beihilfe unter der Annahme eines beihilfefähigen Betrages in Höhe von 55,30 € nicht zu beanstanden. Soweit der Kläger auch in diesem Zusammenhang einwendet, es sei für ihn nicht nachvollziehbar, warum auch bei Leistungen, die ihm zuzurechnen seien, eine Erstattung bzw. Gewährung der Beihilfe nicht in Höhe von 50%, sondern nur zu 25% erfolgt sei, verkennt er, dass nach § 40 Abs. 1 Satz 1 NBhVO Aufwendungen für eine künstliche Befruchtung einschließlich der Arzneimittel, die im Zusammenhang damit verordnet werden, lediglich im Umfang von 50% beihilfefähig sind und darauf der hier maßgebliche Bemessungssatzes von 50% zur Anwendung kommt.

Soweit der Kläger ausweislich seiner mit Schriftsatz vom 28. September 2023 als Anlage überreichten Kostenaufstellung auch eine Beihilfe zu den Aufwendungen gemäß der darin enthaltenen Rechnungen vom 15. Oktober 2018 in Höhe von 1.221,28 € sowie vom 15. November 2018 in Höhe von 1.875,76 € begehren sollte, scheitert eine diesbezügliche Verpflichtung des Beklagten schon daran, dass diese Rechnungen nicht Gegenstand des hier anhängigen Verfahrens sind.

Unabhängig davon und die Entscheidung selbstständig tragend steht der Gewährung einer Beihilfe für die hier streitigen Positionen, die - wie oben ausgeführt - unter Anwendung des Kostenteilungsprinzips der Ehefrau des Klägers zuzurechnen sind, mithin die Aufwendungen gemäß Rechnungen vom 17. April 2018 in Höhe von 272,13 € (Bescheid vom 25. September 2018), vom 18. April 2018 in Höhe von 446,93 € (Bescheid vom 25. September 2018) sowie gemäß Rezept vom 5. November 2018 in Höhe von 148,17 € (Bescheid vom 29. November 2018), die allesamt die Behandlung der Ehefrau des Klägers betreffen, sowie gemäß Rechnung vom 15. November 2018 in Höhe von 2.652,53 € (Bescheid vom 27. November 2018 in der Fassung der Neufestsetzung vom 18./21. Januar 2019) für extrakorporale Maßnahmen im Zusammenhang mit der Zusammenführung von Samenzellen und Eizellen, bereits § 6 Abs. 4 NBhVO entgegen (ebenso Nds. OVG, Beschluss vom 11.06.2015 - 5 LA 34/15 -). Nach Satz 1 dieser Vorschrift sind Aufwendungen für Leistungen, die Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung als Sach- und Dienstleistungen zustehen, nicht beihilfefähig. Als zustehende Sach- und Dienstleistung gilt auch die Kostenerstattung nach § 13 SGB V bei Pflichtversicherten nach § 5 SGB V und familienversicherten Angehörigen nach § 10 SGB V (§ 6 Abs. 4 Satz 2 NBhVO). Solche Leistungen standen der Ehefrau des Klägers zu. Denn nach § 27 a Abs. 1 SGB V umfassen die Leistungen der Krankenbehandlung auch medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft. Die vorstehend aufgeführten Aufwendungen sind der Ehefrau zuzurechnen und wären damit grundsätzlich von ihrer Krankenkasse zu tragen (vgl. zur Zurechnung Nr. 4.1 und 4.2 des Rd.Erl. des MF vom 02.01.2012). Der vom Kläger angeführte Umstand, dass die gesetzliche Krankenversicherung seiner Ehefrau eine Leistungserbringung abgelehnt habe, nämlich als Folge der Inanspruchnahme der privaten Krankenversicherung des Klägers und deren Leistung, was die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung entfallen lässt (vgl. dazu LSG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 24.05.2022 - L 5 KR 221/21-; LSG Berlin-F.enburg, Urteil vom 10.06.2009 - L 9 KR 21/06 - jeweils juris), führt nicht dazu, dass der nach § 6 Abs. 4 NBhVO geregelte Leistungsausschluss nicht mehr zum Tragen kommt und stattdessen die Beihilfeberechtigung des Klägers erweitert wird (Nds. OVG, Beschluss vom 11.06.2015 - 5 LA 34/15 -; VG Stade, Urteil vom 18.08.2016 - 3 A 1313/14 -; VG Oldenburg, Urteil vom 26.01.2015 - 6 A 4597/13 -). Denn ein Erlöschen des grundsätzlich bestehenden Anspruchs der Ehefrau des Klägers durch die Leistung seiner privaten Krankenversicherung ist der Systemgesetzlichkeit der unterschiedlichen Versicherungssysteme geschuldet (VG Stade, Urteil vom 18.08.2016 - 3 A 1313/14 -; VG Oldenburg, Urteil vom 26.01.2015 - 6 A 4597/13 -). Eine nach den zugrunde zu legenden Beihilfevorschriften nicht bestehende Leistungspflicht des Beklagten wird dadurch nicht begründet.

Der Anspruch des Klägers kann auch nicht unmittelbar auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gestützt werden. Das Niedersächsische Oberverwaltungsgericht hat hierzu mit Beschluss vom 7. August 2013 (- 5 LA 95/13 - juris) unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ausgeführt:

"Die Beihilfevorschriften des Dienstherrn eines Beamten enthalten im Grundsatz eine abschließende Konkretisierung dessen, was der Dienstherr für diesen Rechtsbereich aufgrund seiner Fürsorgepflicht an - den diesbezüglichen Anteil in der Besoldung ergänzenden - Leistungen u. a. in Krankheitsfällen für geboten und angemessen ansieht. Sie sind eine den durchschnittlichen Verhältnissen angepasste Regelung, bei der in Kauf genommen werden muss, dass nicht in jedem Einzelfall eine volle Deckung der Aufwendungen erreicht wird. Auch verlangt die Fürsorgepflicht keine "lückenlose" Erstattung sämtlicher krankheitsbedingter Aufwendungen des Beamten und seiner berücksichtigungsfähigen Angehörigen. Deshalb lässt sich ein Beihilfeanspruch regelmäßig nicht unmittelbar aus der dem Dienstherrn gegenüber dem Beamten obliegenden Fürsorgepflicht herleiten, soweit die Beihilfevorschriften für bestimmte Aufwendungen die Beihilfefähigkeit beschränken oder ausschließen (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.6.1999 - BVerwG 2 C 29.98 -, juris, vom 29.6.1995 - BVerwG 2 C 15.94 -, juris, und vom 31.1.2002 - BVerwG 2 C 1.01 -, juris).

Unbeschadet dessen kann es allerdings in atypisch gelagerten Einzelfällen ausnahmsweise geboten sein, einen Anspruch unmittelbar auf der Grundlage der Fürsorgepflicht zu gewähren, wenn nämlich diese ansonsten in ihrem Wesenskern verletzt würde (vgl. BVerwG, Urteile vom 10.6.1999, vom 29.6.1995 und vom 31.1.2002, a. a. O.). Das bedeutet, dass eine Beihilfefähigkeit in seltenen Fällen in Betracht kommen kann, in denen sich - atypischerweise - die Verweigerung der Beihilfeleistung aufgrund ganz besonderer Fallumstände als grob fürsorgepflichtwidrig darstellen würde (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 26.6.2012 - 5 LA 318/10 -). Eine Verletzung des Wesenskerns der Fürsorgepflicht kann aber nur bei unzumutbaren Belastungen bzw. erheblichen Aufwendungen, die für den Beamten unausweichlich sind und denen er sich nicht entziehen kann, angenommen werden (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.4.2009 - BVerwG 2 C 127.07 -, juris Rn 11; OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 11.11.2010, a. a. O., Rn 24), mithin dann, wenn der Beamte erhebliche Aufwendungen für medizinisch notwendige und unabdingbare Behandlungen aufgrund des Beihilfeausschlusses selber tragen müsste und dadurch wirtschaftlich so belastet würde, dass er an einer amtsangemessenen Lebensführung gehindert wäre (vgl. OVG Berl.-Bbg., Urteil vom 11.11.2010, a. a. O., Rn 24)."

Dieser Rechtsprechung schließt sich die Kammer an. Gemessen daran kann der Kläger sein Begehren nicht unmittelbar auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn stützen. Durchgreifende Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger durch die Versagung der Beihilfe in eine solch untragbare Situation geraten würde oder unzumutbaren Belastungen ausgesetzt wäre, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.

Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, er und seine Ehefrau hätten darauf vertraut, dass die Beihilfe parallel zur privaten Krankenversicherung die Kosten übernehme und nicht damit gerechnet, dass die Behandlung ohne Rücksicht auf deren medizinischen Handlungssinn in Teilakte aufgespalten werde, die für sich genommen eine Linderung der Unfruchtbarkeit nicht erzielen könne, so wie durch das hier angewandte Kostenteilungsprinzip geschehen, zumal alle Kosten auch bereits in dem dem Beklagten bekannten Behandlungsplan der Kinderwunschklinik ausgewiesen gewesen seien. Denn der Beklagte hat mit Bescheid vom 17. September 2018, mit dem die Aufwendung für eine künstliche Befruchtung aufgrund des vorgelegten Behandlungsplanes vom 28. August 2018 im Umfang von drei ICSI-Versuchen als beihilfefähig anerkannt wurde, explizit auf das Kostenteilungsprinzip hingewiesen und den Kläger entsprechend aufgeklärt. In diesem heißt es ausdrücklich, die Aufwendungen für die einzelnen Leistungen zur künstlichen Befruchtung würden der Person zugerechnet, bei der die Leistungen durchgeführt würden. Die außerkörperlichen Aufwendungen würden der Ehefrau zugerechnet (Kostenteilungsprinzip). Dem Ehemann würden Aufwendungen für Maßnahmen im Zusammenhang mit der Gewinnung, Untersuchung und Aufbereitung, ggf. einschließlich der Kapazitation des männlichen Samens sowie erforderlicher Laboruntersuchungen, Aufwendungen für die Beratung (Beratung über die speziellen Risiken) vor einer lCSl und ggf. in diesem Zusammenhang erfolgende Aufwendungen einer humangenetischen Beratung zugerechnet. Alle anderen Aufwendungen der künstlichen Befruchtung würden der Ehefrau zugerechnet. Die der Ehefrau des Klägers zuzurechnenden Aufwendungen seien ggf. bei der für die Ehefrau zuständigen gesetzlichen Krankenversicherung geltend zu machen. Die dem Kläger zuzurechnenden und berücksichtigungsfähigen Aufwendungen einschließlich der im Zusammenhang damit verordneten Arzneimittel seien gem. § 40 Abs. 1 NBhVO zur Hälfte beihilfefähig. Die Beihilfe errechne sich aus dieser Hälfte der Aufwendungen multipliziert mit dem maßgeblichen Bemessungssatz.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 2, 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.