Verwaltungsgericht Stade
Beschl. v. 02.11.2023, Az.: 2 A 826/20

Außenbereich; öffentliche Belange; Splittersiedlung; Vorbildwirkung

Bibliographie

Gericht
VG Stade
Datum
02.11.2023
Aktenzeichen
2 A 826/20
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 44090
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:VGSTADE:2023:1102.2A826.20.00

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist Eigentümer des knapp 3.000 m2 großen Flurstücks I. der Flur J. der Gemarkung K.. Das Grundstück liegt nördlich der L. auf Höhe der Hausnummer M.. Zwischen dem Grundstück und der Straße liegt das Flurstück N., wobei das klägerische Flurstück auf der östlichen Seite mit einem ca. 75 Meter langen "Pfeifenstiel" mit der öffentlichen Straße verbunden ist. Das Flurstück N. ist mit einem Supermarkt bebaut und erstreckt sich zudem L-förmig entlang der westlichen Grundstücksgrenze des klägerischen Grundstücks, wobei die Bebauung genau zwischen dem Vorhabengrundstück und der Straße liegt. Der vordere Bereich des Grundstücks 80/18 ist mit einem Parkplatz bebaut. Westlich des Grundstücks liegt das 75 Meter tiefe und 60 Meter breite Flurstück O., dieses ist mit einem Wohnhaus bebaut.

Östlich des klägerischen Grundstücks liegt das Flurstück P., welches mit dem eingeschossigen Betriebsgebäude einer Waffelfabrik bebaut ist. Die Bebauung liegt in etwa auf der Höhe des "Pfeifenstiels" und erstreckt sich nach Norden hin noch etwa 15 Meter über diesen hinaus.

Der Flächennutzungsplan stellt für sämtliche Flächen eine gemischte Bebauung dar. Das Grundstück des Verbrauchermarktes (Flurstück N. liegt im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. Q. "R.", für das klägerische Grundstück liegt kein Bebauungsplan vor.

Östlich des Flurstücks P. liegen das Flurstück S. (direkt an der Straße) und das Flurstück T. (Hinterliegergrundstück, mit der Straße über einen doppelten "Pfeifenstiel" östlich und westlich des Flurstücks S. verbunden). Beide Flurstücke sind mit Wohnhäusern bebaut.

Nördlich der Grundstücke befindet sich eine bewaldete Fläche; der nordwestliche Teil des Grundstücks N. - daher jener, der unmittelbar die Westgrenze des klägerischen Grundstücks bildet - ist ebenfalls bewaldet.

Mit Bauvoranfrage vom 10. Oktober 2019 begehrte der Kläger vom Beklagten einen Bauvorbescheid über die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit eines 8,70 m mal 6,90 m großen Einfamilienhauses auf dem südöstlichen Teil seines Grundstücks.

Mit Bescheid vom 10. März 2020 lehnte der Beklagte die Bauvoranfrage des Klägers ab. Zur Begründung führte er aus, dass sich das Vorhaben des Klägers im Außenbereich befinde. Hier sei es als nicht privilegiertes Vorhaben nur dann zulässig, wenn es öffentliche Belange nicht beeinträchtige. Durch das Vorhaben würde es zu einer Ausuferung der Bebauung in den Außenbereich kommen. Dies stelle eine städtebaulich unerwünschte Zersiedelung des Außenbereichs dar.

Dagegen legte der Kläger am 7. April 2020 Widerspruch ein.

Zur Begründung führte er aus, sein Vorhaben sei zumindest nach § 35 Abs. 2 BauGB zulässig. Es stelle die letzte mögliche Bebauung in der näheren Umgebung dar, eine Vorbildwirkung für eine weitergehende Bautätigkeit und damit eine Zersiedelung des Außenbereichs liege nicht vor, da vor Ort weitere Vorhaben den Darstellungen des Flächennutzungsplans widersprächen, der insoweit für die Nachbargrundstücke nur eine forst- bzw. landwirtschaftliche Nutzung vorsehe.

Mit Bescheid vom 27. April 2020 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung wiederholte und vertiefte er seine Ausführungen. Insbesondere führte er aus, dass der Flächennutzungsplan für das Grundstück zwar eine gemischte Bebauung darstelle, ein positives Baurecht aber nicht allein aus einem Flächennutzungsplan hergeleitet werden könne. Die negative Vorbildwirkung des klägerischen Vorhabens sei zudem nicht auf die in unmittelbarer Nähe liegenden Grundstücke begrenzt. Ein Flächennutzungsplan gelte für das gesamte Gemeindegebiet. Würde das klägerische Vorhaben genehmigt werden, so könnte auch an anderen Stellen im Gemeindegebiet, an denen der Flächennutzungsplan auf Außenbereichsflächen eine mögliche Bebauung darstelle, mit Berufung auf das klägerische Vorhaben gebaut werden. Auch dass die zuständige Gemeinde ihr Einvernehmen erteilt habe, führe nicht zu einer Zulässigkeit des Vorhabens.

Dagegen hat der Kläger am 28. Mai 2020 Klage erhoben.

Zur Begründung wiederholt und vertieft er seine Ausführungen aus dem Widerspruchsverfahren. Sein Vorhaben liege im Innenbereich und sei hier ohne weiteres zulässig. Selbst wenn es im Außenbereich liegen würde, sei es jedenfalls als sonstiges Vorhaben zulässig. Eine unerwünschte Vorbildwirkung liege mangels weiterer Bauplätze nicht vor. Auch Immissionen der benachbarten Gewerbebetriebe würden einer Genehmigung nicht entgegenstehen. Es sei davon auszugehen, dass diese die maßgeblichen Grenzwerte einhalten würden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 19. März 2020 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. April 2020 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger den Bauvorbescheid für ein Einfamilienhaus auf dem Flurstück I. der Flur J. der Gemarkung K. wie beantragt zu erteilen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung bezieht er sich auf die angegriffenen Entscheidungen. Ergänzend führt er aus, dass das Vorhaben des Klägers nur einen kleinen Teil seines Grundstücks in Anspruch nehme und ohne Weiteres drei oder vier weitere Gebäude ähnlicher Größe hier errichtet werden könnten. Ob diese weiteren Vorhaben im Zweifel an naturschutz- oder wasserrechtlichen Fragen scheitern könnten, sei nicht von Belang. Auch auf dem Flurstück P. könnte im nordwestlichen Bereich ein dem Vorhaben des Klägers entsprechendes Wohnhaus errichtet werden. Unabhängig von der Vorbildwirkung würde das Vorhaben zu bodenrechtlichen Spannungen führen. Es sei aufgrund der benachbarten Gewerbe nicht mit anderen Vorhaben, die noch als letzte im Rahmen des Flächennutzungsplans möglich wären, vergleichbar.

Es bestehe zudem die Gefahr, dass das Vorhaben schädlichen Umwelteinwirkungen durch die Lüftungsanlage und die Belieferung des Supermarktes und die Waffelproduktion ausgesetzt wäre. Dies sei aber noch nicht gutachterlich geprüft worden.

Mit Beschluss vom 11. September 2023 hat das Gericht die Gemeinde K. beigeladen.

Die Beigeladene hat sich im schriftlichen Verfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt, im Verwaltungsverfahren aber ihr Einvernehmen erteilt.

Am 2. November 2023 hat eine mündliche Verhandlung vor Ort stattgefunden. Insoweit wird auf das Protokoll zum Verhandlungstag verwiesen.

Wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, wegen des Sachverhalts im Übrigen wird auf die Gerichtsakten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Erteilung eines positiven Bauvorbescheides für die Errichtung eines Wohnhauses auf dem streitgegenständlichen Grundstück. Der Beklagte lehnte den Antrag zu Recht ab, weil das Vorhaben bauplanungsrechtlich unzulässig ist (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das nicht-privilegierte Vorhaben liegt im Außenbereich und beeinträchtigt öffentliche Belange im Sinne von § 35 Abs. 2 und 3 BauGB.

Gemäß § 73 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Niedersächsische Bauordnung (NBauO) ist für eine Baumaßnahme auf Antrag (Bauvoranfrage) über einzelne Fragen, über die im Baugenehmigungsverfahren zu entscheiden wäre und die selbstständig beurteilt werden können, durch Bauvorbescheid zu entscheiden. Dies gilt auch für die Frage, ob eine Baumaßnahme nach städtebaulichem Planungsrecht zulässig ist.

Die planungsrechtliche Zulassungsfähigkeit des Vorhabens, welche der Kläger mit seiner Bauvoranfrage geklärt wissen will, bemisst sich nach § 35 Abs. 2 BauGB, weil es im Außenbereich ausgeführt werden soll. Das Baugrundstück liegt nicht innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i. S. d. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB; es fehlt hier - wie die Beweisaufnahme ergeben hat - am Bebauungszusammenhang.

Ein im Zusammenhang bebauter Ortsteil i.S.v. § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist jede Bebauung im Gebiet einer Gemeinde, die - trotz vorhandener Baulücken - geschlossen und zusammengehörend wirkt, nach Anzahl der vorhandenen Gebäude ein gewisses Gewicht hat und Ausdruck einer organischen Siedlungsstruktur ist (BVerwG, Urteil vom 06.11.1968 - IV C 47.68 - juris Rn. 19; BayVGH, Beschluss vom 01.07.2009 - 1 ZB 07.1653 - juris Rn. 9). Der Begriff der "im Zusammenhang bebauten Ortsteile" umfasst also zwei Komponenten: den "Bebauungszusammenhang" und den "Ortsteil".

Ausschlaggebend für die Frage des Bebauungszusammenhangs ist, ob und inwieweit eine tatsächlich aufeinanderfolgende Bebauung trotz etwa vorhandener Baulücken nach der Verkehrsauffassung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt und die zur Bebauung vorgesehene Fläche (noch) diesem Zusammenhang angehört (BVerwG, Beschluss vom 01.09.2010 - 4 B 21.10 - juris Ls. 1). Wie eng die Aufeinanderfolge von Baulichkeiten sein muss, um sich als zusammenhängende Bebauung darzustellen, ist nicht nach geografisch-mathematischen Maßstäben, sondern auf Grund einer umfassenden Würdigung der tatsächlichen örtlichen Gegebenheiten einzelfallbezogen zu entscheiden. Ein unbebautes Grundstück gehört als Baulücke nur dann einem Bebauungszusammenhang im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB an, wenn es trotz der ihm fehlenden Bebauung gemeinsam mit den ihn umgebenden Grundstücken einen Eindruck der Geschlossenheit (Zusammengehörigkeit) vermittelt (BVerwG, Urteil vom 01.12.1972 - IV C 6.71 - juris Rn. 20f.). Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit sollen eine gewisse - trotz Lücken - bestehende räumliche Verklammerung kennzeichnen. Es soll damit zum Ausdruck gebracht werden, dass das unbebaute Grundstück - gedanklich - übersprungen werden kann, weil es ein verbindendes Element gibt, nämlich die Verkehrsanschauung, die das unbebaute Grundstück als eine sich zur Bebauung anbietende Lücke erscheinen lässt (BVerwG, Urteil vom 19.09.1986 - 4 C 15.84 - juris Rn. 15). Am Ortsrand endet der Bebauungszusammenhang grundsätzlich hinter dem letzten Gebäude (BayVGH, Beschluss vom 12.05.2017 - 15 ZB 16.1567 - juris Rn. 8). Daraus folgt insbesondere, dass die Grenze zwischen Innen- und Außenbereich nicht schematisch gezogen werden kann, etwa als eine den Durchschnitt der nach "außen" ragenden Gebäude bildende Mittellinie oder als eine dem am weitesten in den Außenbereich ragendes Gebäude vorgelagerte Linie. Vielmehr kann die Grenze unregelmäßig (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, EL 150, Mai 2023, § 34 Rn. 25, verweisend auf "verwinkelt" bei Dürr in Kohlhammer-Kommentar § 34 vor Rn. 1) verlaufen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass der Ortsrand oftmals durch uneinheitliche Bebauung gekennzeichnet ist. Die Grenzlinie zwischen Innen- und Außenbereich kann auch durch Vor- und Rücksprünge gekennzeichnet sein. Zudem gilt die Regelvermutung, dass ein Grundstück nur dann dem Innenbereich zuzuordnen ist, wenn es an mindestens drei Seiten von Bebauung umgeben ist (BayVGH, Beschluss vom 03.02.2014 - 1 ZB 12.468 - juris Rn. 3).

Örtliche Besonderheiten können es aber rechtfertigen, dem Bebauungszusammenhang noch bis zu einem Geländehindernis, einer Erhebung oder einem Einschnitt (Damm, Böschung, Fluss, Waldrand o. ä.) ein oder mehrere Grundstücke zuzuordnen, die unbebaut sind. Um dies zu beurteilen, bedarf es einer "echten Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhalts" durch den Tatrichter (vgl. zusammenfassend BVerwG, Urteil vom 16.9.2010 - 4 C 7.10 - juris Rn. 11). Diesen Grundsätzen folgend gehört das Vorhabengrundstück keinem Bebauungszusammenhang an, weil es weder eine Baulücke ist noch örtliche Besonderheiten es rechtfertigen, es dem Bebauungszusammenhang zuzuordnen.

Das Vorhabengrundstück ist keine Baulücke im oben genannten Sinn.

Das Grundstück liegt am Ortsrand. Es ist lediglich nach zwei Seiten, nämlich nach Osten und nach Süden von Bebauung umschlossen, wobei die östliche Bebauung sich nur am vorderen Teils des Grundstücks befindet; nach Norden und nach Westen, sowie im rückwärtigen Bereich nach Osten, schließt sich unbebaute Fläche mit unregelmäßigen Bewuchs, dahinter Wald, an. Der Bebauungszusammenhang endet hinter den letzten Gebäuden, also mit den nördlichen und westlichen Außenwänden der Gebäude auf den Flurstücken P. und N..

Es kann zwar nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass im Einzelfall auch eine nur von zwei Seiten von Bebauung geprägte Fläche auch ohne hinzutretende örtliche Besonderheiten einem Bebauungszusammenhang angehört. Vorliegend weisen die vom Kläger in Bezug genommenen Gebäude aber kein verbindendes Element zueinander auf, das es rechtfertigen könnte, die anschließende Freifläche als Baulücke qualifizieren zu können. Zwar besteht keine erhebliche Entfernung zwischen den Bestandsgebäuden. Doch der Eindruck fehlender Verbindung wird verstärkt durch die Tatsache, dass die Bebauung auf den Grundstücken P. und N. östlich und südlich des Vorhabengrundstücks sich vom Vorhabengrundstück weg nach Süden orientiert. Gerade die fenster- bzw. türlose Rückwand des Supermarktes vermittelt den Eindruck von Abgeschlossenheit. Die Bebauung im Osten ist zudem aufgrund des Parkplatzes und weil sie hauptsächlich südlich, daher zur Straße hin, liegt, vom Standort des Vorhabens deutlich abgerückt. Es liegt keine klare Waldgrenze oder sonstige geografische Besonderheit vor, die es rechtfertigen würde, die streitgegenständliche Fläche hier noch dem Innenbereich zuzuordnen. Vielmehr geht das Wiesengrundstück des Klägers durch einige Büsche, einzelne Bäume und sonstigen Bewuchs nahtlos in den bewaldeten Teil über. Es stellt sich mithin in seiner Gesamtheit als organischer Teil des Außenbereichs dar. Es verbleibt hier demnach bei dem Grundsatz, dass der Bebauungszusammenhang hinter dem letzten Gebäude endet.

Da das geplante Vorhaben nicht gemäß § 35 Abs. 1 BauGB privilegiert ist, stellt es sich als sonstiges Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB dar. Als solches ist nur zulässig, wenn seine Ausführung oder Benutzung öffentliche Belange nicht beeinträchtigt.

Das Vorhaben beeinträchtigt den öffentlichen Belang der Splittersiedlung gemäß § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB, weil es zu einem unerwünschten Ausufern der Bebauung in den Außenbereich führen würde.

Nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB liegt eine Beeinträchtigung öffentlicher Belange vor, wenn ein Vorhaben die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt. Zwar stellt die Bestandsbebauung selbst keine Splittersiedlung dar, die durch die Zulassung des Vorhabens verfestigt oder erweitert würde. Eine Beeinträchtigung dieses öffentlichen Belangs ist jedoch auch dann anzunehmen, wenn die Bebauung in unerwünschter Weise in den Außenbereich ausufern würde und damit die Entstehung einer Splittersiedlung befürchten lässt. Eine - nicht durch Bauleitplanung geordnete - Ausweitung eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils in den Außenbereich hinein ist grundsätzlich ein städtebaulich unerwünschter Vorgang; ihn zu vermeiden ist ein öffentlicher Belang im Sinne des § 35 Abs. 2 und 3 BauGB (BVerwG, U.v. 13.2.1976 - IV C 72.74 - juris Rn. 21; U. v. 25.1.1985 - 4 C 29.81 - juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 3.2.2009 - 1 ZB 07.1079 - juris Rn. 12). Die Entstehung einer Splittersiedlung kann bereits durch die erstmalige Zulassung eines Bauvorhabens zu befürchten sein (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, 136. EL Oktober 2019, § 35 Rn. 107). Zu befürchten ist das Entstehen einer Splittersiedlung allerdings nur dann, wenn das Vorhaben zum Bestehen einer "unerwünschten Splittersiedlung" führt. Unerwünscht in diesem Sinne ist eine Splittersiedlung, wenn mit ihr ein Vorgang der Zersiedlung eingeleitet oder gar schon vollzogen wird; dabei spricht für das Vorliegen einer Zersiedelung gewissermaßen eine starke Vermutung (BVerwG, U.v. 3.6.1977 - IV C 37.75 - juris Rn. 24). Der Vorgang der Zersiedelung des Außenbereichs ist jedenfalls dann unerwünscht, wenn das Vorhaben eine weit reichende oder doch nicht genau übersehbare Vorbildwirkung besitzt. Hierfür reicht es aus, dass bei einer Zulassung des Vorhabens weitere ähnliche Vorhaben in der Splittersiedlung nicht verhindert werden könnten und dadurch der Außenbereich weiter zersiedelt würde (BVerwG, U.v. 27.8.1998 - 4 C 13/97 - juris Rn. 12; B.v. 7.6.2016 - 4 B 47.14 - juris Rn. 17). Dabei kommt es auf eine abschließende bebauungsrechtliche Prüfung zu befürchtender Folgevorhaben, insbesondere auf die Prüfung einer etwaigen Beeinträchtigung anderer Belange durch ein Folgevorhaben nicht an (vgl. BVerwG, B.v. 2.9.1999 - 4 B 27.99 - juris Rn. 6).

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts spricht es dementsprechend gegen eine unerwünschte Zersiedelung, wenn das Vorhaben in einer organischen Beziehung zur bereits vorhandenen Bebauung steht. Für eine unerwünschte Zersiedelung spricht hingegen, wenn sich mit dem Vorhaben die bebaute Ortslage so in Richtung auf die freie Flur ausdehnen würde, das dies, sollte es Schule machen, zu einer gleichsam breiartigen Ausuferung der vorhandenen Bebauung führen könnte. Eine solch weitergehende, d.h. durch das Vorhaben noch nicht vollzogene, mit ihm aber doch angebahnte Folgewirkung ist auch geeignet, (schon) das erste Vorhaben zu Fall zu bringen. Gerade für nach der Siedlungsstruktur unerwünschte Entwicklungen gilt - im Unterschied etwa zur Frage unwirtschaftlicher Erschließungsaufwendungen - dass die öffentlichen Belange nicht nur gestatten, sondern sogar erfordern, bereits den ersten Ansätzen entgegenzutreten. Wenngleich aber demnach Folgewirkungen der in Rede stehenden Art einem Vorhaben entgegengehalten werden könnten, reicht dafür doch eine (abstrakte) Vermutung nicht aus. Andernfalls würde ein fast generelles Verbot, geschlossene Ortslagen in Richtung auf die freie Flur auszudehnen bestehen. Ein solches Verbot ist jedoch - in dieser Allgemeinheit - mit § 35 Abs. 2 und 3 BBauG nicht aufgestellt (BVerwG, Urteil vom 13. Februar 1976 - IV C 72.74 -, Rn. 21, juris).

Hier fehlt es bereits an einer organischen Fortentwicklung der vorhandenen Bebauung. Die gewerblich genutzten Objekte der Nachbarschaft sind massive Baukörper (Supermarkt, Waffelfabrik), die eher zum Ort hin geöffnet sind. Gerade der Supermarkt schirmt das Grundstück des Klägers geradezu von der restlichen Bebauung und der L. ab. Wohnbebauung findet sich erst wieder jenseits dieser Objekte. Auch wenn die Wohnbebauung sich nicht in übermäßiger Entfernung befindet, gibt es zu dieser aber keinerlei Sichtachsen oder sonstige Beziehungen. Die vorhandene Wohnbebauung ist jeweils individuell über die L. erschlossen und liegt wesentlich näher an dieser an, sodass sich auch diesbezüglich keine relevante Beziehung zum Vorhaben ergibt. Das Vorhaben des Klägers stellt keine logische Fortentwicklung der Bebauung dar, sondern wirkt wie ein Fremdkörper in einer rein gewerblich genutzten Umgebung.

Eine solche, unorganische Ausdehnung von Bebauung in den Außenbereich beeinträchtigt öffentliche Belange. Sie ist städtebaulich unerwünscht und führt zu einer ungeplanten und mithin konfliktträchtigen Zersiedelung des Außenbereichs. Eine Ausnahme nach § 35 Abs. 2 BauGB erfordert die Berücksichtigung zahlreicher städtebaulicher Interessen. Durch das Erfordernis der organischen Entwicklung wird sichergestellt, dass hierüber nicht Vorhaben zulässig werden, die nicht nur im Konflikt mit dem Außenbereich stehen (und in diesem folglich nur ausnahmsweise zulässig sind), sondern auch im Konflikt mit der bereits vorhandenen Bebauung, an die sie sich anschließen, stehen. Eine Bebauung, die gleichsam auf beiden Seiten im Konflikt steht - einerseits zum Außenbereich, andererseits zum Innenbereich - ist schlechthin mit einer geregelten städtebaulichen Entwicklung unvereinbar und damit regelmäßig unzulässig.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen beruht die Entscheidung auf § 162 Abs. 3 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Gründe für eine Zulassung der Berufung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 4 i.V.m. § 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO) liegen nicht vor.