Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 23.05.2012, Az.: 2 K 103/11
Einkünfte aus Kapitalvermögen aufgrund der Veräußerung von Teilschuldverschreibungen der Lehman Brothers Treasury Co. B.V.
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 23.05.2012
- Aktenzeichen
- 2 K 103/11
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 2012, 17349
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:2012:0523.2K103.11.0A
Rechtsgrundlagen
- § 20 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 EStG
- § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG
Fundstellen
- DStR 2013, 6
- DStRE 2013, 269-271
- DStZ 2012, 566-567
- EFG 2012, 1658-1661
- StX 2012, 501-502
Amtlicher Leitsatz
Die Veräußerung von Schuldverschreibungen, bei denen während der Laufzeit unter bestimmten Voraussetzungen jährlich Zins- oder Bonuszahlungen fällig werden und bei denen die Rückzahlung des Kapitals zum Nennwert garantiert ist (u.a. Teilschuldverschreibungen der Lehman Brothers Treasury Co. B.V.), führt nicht zu Einkünften aus Kapitalvermögen.
Tatbestand
Der Kläger erwarb in den Jahren 2007 und 2008 zwei verschiedene Teilschuldverschreibungen. Zwischen den Beteiligten ist nunmehr streitig, ob aus der Veräußerung der Teilschuldverschreibungen im Streitjahr steuerpflichtige (negative) Kapitaleinkünfte entstanden sind oder ob die negativen Einkünfte den sonstigen Einkünften (Spekulationsgeschäfte) zuzuordnen sind.
Der Kläger erwarb zunächst am ... 2007 eine Teilschuldverschreibung der Credit Suisse zu einem Nennwert von ... EUR zu einem Kurswert von ... EUR (Wertpapierkennnummer - WKN - CS0AC7). Der Kläger veräußerte diese Teilschuldverschreibungen am ... 2008 für ... EUR. Die zweite Teilschuldverschreibung der Lehman Brothers Treasury Co. B.V. (WKN A0TVK2) zu einem Nennwert von ... EUR erwarb der Kläger am 16. Mai 2008 zu einem dem Nennwert entsprechenden Kurswert. Er veräußerte diese Teilschuldverschreibung sodann am ... 2008 zu einem Kurswert von ... EUR. Insgesamt erzielte er aus diesen beiden Geschäften einen Verlust von ... EUR.
Die Funktionsweise der Credit-Suisse-Schuldverschreibung ergibt sich aus dem zugehörigen Prospekt, auf welchen zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird. Zusammenfassend hatte der Kläger einen Anspruch auf Rückzahlung des Nennwerts der Teilschuldverschreibungen zum jeweiligen Rückzahlungstag. Daneben gab es sogenannte Bonusbeträge, welche jeweils in Abhängigkeit von der Kursentwicklung bestimmter Aktien zu zahlen waren. Die Bonusbeträge waren an den sogenannten Bonustagen zahlbar, welche jeweils der 5. Bankgeschäftstag nach dem letzten Kalendertag einer Beobachtungsperiode waren. Die Beobachtungsperioden endeten jährlich zum 11. Mai eines Jahres. Ausweislich Seite 29 des Prospektes handele es sich bei den Teilschuldverschreibungen um Kapitalforderungen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 Einkommensteuergesetz (EStG), da die Rückzahlung des Kapitalvermögens ausdrücklich zugesagt werde. Gewinne aus dem Verkauf oder der Einlösung der Teilschuldverschreibungen seien steuerlich als Kapitaleinkünfte im Sinne von § 20 Abs. 1 oder Abs. 2 EStG zu betrachten und unterlägen daher der Einkommensteuer.
Die Schuldverschreibung der Lehman Brothers hatte eine identische Funktionsweise, allerdings eine abweichende Laufzeit sowie abweichende Referenzaktien (vgl. Konsolidierte Bedingungen, ...). Insbesondere ergibt sich auch hier eine Verzinsungspflicht an bestimmten "Zinszahlungstagen" (§ 3 (a) der Konsolidierten Bedingungen). Nach § 4 (a) der Konsolidierten Bedingungen war am Endfälligkeitstag eine Rückzahlung in Höhe von mindestens 100% des Nennbetrags fällig. Im Gegensatz zum Prospekt der Credit Suisse wird im Hinblick auf die steuerliche Behandlung unter anderem ausgeführt: "Für Privatanleger behandelt die Finanzverwaltung aufgrund einer aktuellen Entscheidung des Bundesfinanzhofs Veräußerungs- oder Einlösungsgewinne aus den Schuldverschreibungen bei der Veranlagung [...] möglicherweise als spekulativ. In dem Fall wären Gewinne nach einer einjährigen Haltefrist steuerfrei, der Abzug potentieller Verluste wäre beschränkt."
In den für das Streitjahr erstellten Jahresbescheinigungen bescheinigte die Bank des Klägers aus An- und Verkauf der Schuldverschreibungen negative Einnahmen aus Kapitalvermögen in Höhe von ... EUR. Gleichzeitig sollten die in Zusammenhang mit der Anschaffung angefallenen Provisionen zu negativen Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften führen.
Im Rahmen der Bearbeitung der Einkommensteuererklärung versagte der Beklagte - das Finanzamt (FA) - dem Kläger den beantragten Abzug von ... EUR bei den Einkünften aus Kapitalvermögen. Es verwies darauf, dass die Verluste der Vermögensebene zuzuordnen seien. Das gegen den Bescheid vom ... 2009 angestrengte Einspruchsverfahren verlief erfolglos. In der Einspruchsentscheidung vom ... 2011 führte das FA aus, die streitigen Veräußerungserlöse gehörten erkennbar der Vermögensebene an und seien nicht im Rahmen der Marktrendite steuerbar. Die Ertrags- und die Vermögensebene seien im Streitfall nicht in einer untrennbaren Art und Weise vermischt. Die Erträge der Papiere lägen einzig und allein in einem Kapitalnutzungsentgelt in Form jährlicher Kuponzahlungen. Die Ertrags- und die Vermögensebene seien daher ohne Schwierigkeiten voneinander abgrenzbar. Es gäbe weder einen verdeckten Zinsertrag, noch seien die Schuldverschreibungen durch eine Kombination von Kapitalnutzung und Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals gekennzeichnet. Vielmehr läge der Zinsertrag offen und sei ohne jede Schwierigkeit zu ermitteln. Jedoch seien die streitigen Verluste im Rahmen der Spekulationsgeschäfte nach § 23 EStG zu erfassen. Insoweit änderte das FA den - hier nicht angefochtenen - Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den 31. Dezember 2008.
Gegen den unter dem ... 2011 nochmals geänderten Einkommensteuerbescheid richtet sich nunmehr die Klage. Während des Klageverfahrens änderte das FA den Bescheid nochmals unter dem ... 2011. Die Änderungen stehen hier nicht in Streit.
Der Kläger macht geltend, sein Bankhaus habe die Wertpapiere als Finanzinnovation eingestuft. Erträge und Verluste daraus seien daher regelmäßig den Einkünften aus Kapitalvermögen zuzuordnen. Die Wertpapiere wiesen keine Emissionsrendite auf. Zwar sollte der gezahlte Anleihebetrag zurückgezahlt und bei bestimmter stichtagsbezogener Entwicklung der Börsenkurse bestimmter Aktien Kuponzahlungen ausgekehrt werden. Als Garantiezertifikat ließe sich jedoch bei den Papieren der Kapitalertrag vom Kursgewinn weder leicht noch eindeutig abgrenzen.
Es bestehe kein wesentlicher Unterschied zu Dax-Zertifikaten, für welche der BFH in seinem Urteil vom 13. Dezember 2006 (VIII R 62/04, BFHE 216, 199, [BFH 13.12.2006 - VIII R 62/04] BStBl II 2007, 568 [BFH 13.12.2006 - VIII R 62/04]) bereits entschieden habe, dass insoweit die Differenz zwischen Veräußerungspreis und Anschaffungskosten im Rahmen der Einkünfte aus Kapitalvermögen zu erfassen sei. Auch die hier im Streit stehenden Papiere seien während ihrer gesamten Laufzeit erheblichen Kursschwankungen ausgesetzt gewesen. Sie hätten teilweise über 20% ihres Emissionswertes aufgrund ausgebliebener oder auszubleiben drohender Kuponzahlungen eingebüßt. Eine Vermischung von Vermögen und Ertrag sei mithin evident. Schließlich zeige auch die Realisierung der Verluste, dass das investierte Vermögen sehr wohl "im Feuer" gestanden habe und ein Anspruch auf die volle Rückführung des Vermögens faktisch nicht bestanden habe. Es handele sich daher um eine echte Finanzinnovation, weil sich Kapitalertrag und Kursgewinne nicht voneinander trennen ließen. Dies ergebe sich über dies aus einer dem Prozessbevollmächtigten bekannten Verfügung der OFD Frankfurt, welche jedoch nur für den internen Gebrauch bestimmt sei und nicht in externe Hände gelangen dürfe.
Schließlich bestünden auch verfassungsrechtliche Bedenken. Denn § 52a Abs. 10 Satz 7, 2. Hs EStG ordne an, dass Kapitalforderungen im Sinne von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG in der im Streitjahr geltenden Fassung auch dann vorlägen, wenn eine Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene möglich erscheine. In der Folge fielen Veräußerungsgewinne von Wertpapieren, die vor dem 1. Januar 2009 erworben wurden, ungeachtet der Haltedauer nach § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 EStG unter die Abgeltungssteuer. Dies gelte auch dann, wenn eine Trennung von Ertrag- und Vermögensebene von der Finanzverwaltung als möglich angesehen werde. Nach Beklagtenansicht solle ein Veräußerungsverlust solcher Wertpapiere außerhalb der einjährigen Haltedauer steuerlich unbeachtlich sein. Darin liege ein Verstoß gegen das steuerliche Leistungsfähigkeitsprinzip.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 2008 vom ... 2011 dahingehend zu ändern, dass ein Betrag von ./. ... EUR den Einkünften aus Kapitalvermögen statt bisher den sonstigen Einkünften zugeordnet wird.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen
und verweist auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.
Die Beteiligten haben übereinstimmend auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
I.
Das Gericht konnte nach § 90 Abs. 2 Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hatten.
II.
Die Klage ist unbegründet.
1. Im Streitfall liegen keine Kapitaleinkünfte im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG vor.
Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Alt. 2 EStG zählen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung oder Einlösung von sonstigen Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt, soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Haben die Kapitalforderungen keine Emissionsrendite oder weist der Steuerpflichtige sie nicht nach, gilt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als Kapitalertrag. Dies gilt gemäß Satz 4 entsprechend für die Einlösung bei Endfälligkeit von Kapitalforderungen.
a) Die hier in Streit stehenden Schuldverschreibungen sind Kapitalforderungen im Sinne von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG. Denn ausweislich der vorliegenden Prospekte ist jeweils die Rückzahlung des Kapitalvermögens, in Form des insoweit maßgebenden Nennbetrags (vgl. dazu BFH-Urteil vom 4. Dezember 2007, VIII R 53/05, BFHE 219, 339, [BFH 04.12.2007 - VIII R 53/05] BStBl II 2008, 563 [BFH 04.12.2007 - VIII R 53/05]) zugesagt.
b) Ebenso wenig weisen die Schuldverschreibungen eine Emissionsrendite auf. Als Emissionsrendite ist die vom Emittenten bei der Begebung einer Anleihe, d.h. von vornherein zugesagte Rendite zu verstehen, die bis zur Einlösung des Papiers bzw. Endfälligkeit einer Kapitalforderung mit Sicherheit, d.h. mindestens, erzielt werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 24. Oktober 2000, VIII R 28/99, BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97 sowie vom 7. Dezember 2010, VIII R 37/08, BFH/NV 2011, 776). Eine von vornherein zugesagte Rendite wiesen die Schuldverschreibungen jedoch nicht auf. Denn die Verzinsung bzw. der "Bonusbetrag" hingen ihrerseits jeweils von dem ungewissen Ereignis der Entwicklung bestimmter Referenzaktien ab. Sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach war daher die Rendite unbestimmt.
c) Gleichwohl ist im Streitfall nicht der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2, 1. Hs. EStG (Marktrendite) als negativer Kapitalertrag anzusetzen.
Es fehlt bei den streitigen Teilschuldverschreibungen nach der Art ihrer Gestaltung an einer typischen Verbindung von Kapitalnutzung und Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals; vielmehr sind Kapitalnutzungsentgelt und Wertentwicklung des Kapitals rechnerisch eindeutig abgrenzbar und bestimmbar. Das steht der Anwendung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2, 1. Hs. EStG entgegen.
aa) Nach der im Streitjahr, also vor Einführung der Abgeltungsteuer, im EStG angelegten Systematik soll § 20 EStG das Entgelt für die Überlassung von Kapital zur Fremdnutzung erfassen. Es ist zwischen dem Kapitalvermögen als solchem und dem Ertrag als Frucht des Kapitals zu differenzieren. Wertveränderungen der Kapitalanlage als solcher wirken sich auf die Besteuerung der erzielten Erträge im Rahmen des § 20 EStG nicht aus (vgl. BFH-Urteil vom 24. Oktober 2000, VIII R 28/99, BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97 [BFH 24.10.2000 - VIII R 28/99]), sondern werden allenfalls gemäß §§ 17, 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfasst. Aus Wertsteigerungen können sich jedoch dann Kapitalerträge i.S. von § 20 EStG ergeben, wenn in ihnen Nutzungsentgelte enthalten sind (vgl. BFH-Urteil vom 2. März 1993 VIII R 13/91, BFHE 171, 48, [BFH 02.03.1993 - VIII R 13/91] BStBl II 1993, 602 [BFH 02.03.1993 - VIII R 13/91]). Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG auf Vertragsgestaltungen reagiert, die auf eine Kombination von Kapitalnutzung und Ausschöpfung der Werthaltigkeit des Kapitals gerichtet waren, um statt steuerpflichtiger Zinserträge steuerfreie private Veräußerungsgewinne zu erzielen. Er hat damit jedoch die grundsätzliche im System des EStG hinsichtlich der Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 bis 7 EStG) angelegte Differenzierung zwischen Quellenausnutzung und Quellenverwertung nicht aufgegeben (vgl. zur Entstehungsgeschichte BFH-Urteil vom 13. Dezember 2006, VIII R 62/04, BFHE 216, 199, BStBl II 2007, 568).
bb) Bei den hier zu beurteilenden Teilschuldverschreibungen geht es entsprechend ihrer konkreten Ausgestaltung nicht darum, Nutzungsentgelt und Kursentwicklung untrennbar zu verbinden. Diese untrennbare Verbindung wäre aber gerade Voraussetzung, um eine Abweichung vom grundsätzlichen System des § 20 EStG durch das Abstellen auf die Marktrendite rechtfertigen zu können (vgl. insbesondere BFH-Urteile vom 13. Dezember 2006, VIII R 62/04, BFHE 216, 199, BStBl II 2007, 568 und vom 4. Dezember 2007, VIII R 53/05, BFHE 219, 339, BStBl II 2008, 563). Bei dem streitigen Veräußerungsverlust geht es vielmehr um einen negativen Erlös, bei dem feststeht, dass es sich bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht um ein negatives Entgelt für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung handelt. Der Gesetzeszweck erfordert es, Überschüsse und entsprechend Verluste nicht als Kapitalertrag zu behandeln, bei denen die Veranlassung durch die Kapitalüberlassung zur Nutzung von vornherein ausscheidet (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 2006, VIII R 62/04, BFHE 216, 199, BStBl II 2007, 568).
Vielmehr ist der dem Grunde nach zu erzielende Bonus bzw. Zinsbetrag ohne größeren Aufwand und ohne größere Schwierigkeiten zu ermitteln. Denn an den jeweiligen "Beobachtungstagen" wird der in einem bestimmten Prozentsatz vom Nennertrag ausgedrückte "Bonusbetrag" bzw. Zins als Ertragszahlung fällig. Die dafür maßgebliche Entwicklung bestimmter Aktien ist dabei ebenfalls problemlos nachzuvollziehen, da - jedenfalls im Prospekt - die jeweiligen maßgeblichen Börsen und Terminbörsen sowie das maßgebliche Veröffentlichungsmedium genannt werden. Damit ist es aus Sicht des Senats nicht mit besonderen Schwierigkeiten behaftet, die Erträge von der Kursentwicklung abzugrenzen. Die Tatsache allein, dass dies aufgrund der Notwendigkeit der Überprüfung mehrere Aktienkurse aufwendig sein mag, bedeutet aber nicht, dass damit eine untrennbare Verbindung zwischen Nutzungsentgelt und Kursentwicklung geschaffen wird.
Zwar wendet der Kläger zutreffend ein, das Risiko der ausbleibenden Bonuszahlungen schlage sich auf den Wert der Schuldverschreibung nieder. Dies führt aber nicht zu einer anderen Beurteilung im Streitfall. Zunächst dürfte es sich um eine Selbstverständlichkeit handeln, dass der Kurs der Papiere im Wert fällt, wenn die Kuponzahlungen ausbleiben oder auszubleiben drohen. Dies führt aber nicht zu einer Untrennbarkeit, zumal auch die Dividendenaussichten bei Aktien ebenfalls Einfluss auf den Kurs haben, gleichwohl eine Trennung zwischen Vermögens- und Ertragsebene möglich ist. Denn allein Kursschwankungen führen nicht dazu, dass Kursgewinne oder -verluste nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG Berücksichtigung finden (BFH-Urteil vom 20. November 2006, VIII R 97/02, BFHE 216, 79, BStBl II 2007, 555 [BFH 20.11.2006 - VIII R 97/02] unter II. 2. b) bb) der Gründe).
Daher kann sich der Senat auch nicht der zu einem vergleichbaren Sachverhalt ergangenen Entscheidung des FG Münster (Urteil vom 22. Juni 2010, 9 K 2179/08 E, EFG 2011, 234) anschließen. Das FG Münster führt sinngemäß aus, es komme für die Frage, ob eine Untrennbarkeit in dem obigen Sinne vorliege, auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Veräußerung der Schuldverschreibung an. Sei eine mögliche Verzinsung im Zeitpunkt der Veräußerung noch ungewiss, sei diese noch nicht verdient, so dass das Entgelt für eine wahrscheinliche Verzinsung nicht bestimmt werden könne. Träfe diese Ansicht zu, würde die steuerliche Behandlung von Zufälligkeiten abhängen. Denn sollte etwa während der ersten Beobachtungsphase bereits eine Aktie unter die maßgebliche Barriere fallen, würde dies zu einem vollständigen Wegfall der Bonuszahlungen führen. Bei einer Veräußerung vor diesem Zeitpunkt läge ein ungewisses Ereignis vor, welches aus Sicht des FG Münster im Ergebnis zu Einkünften aus Kapitalvermögen führen würde, während bei einer Veräußerung danach allenfalls, d.h. innerhalb der maßgeblichen Frist, sonstige Einkünften in Form von Spekulationsgeschäften vorliegen könnten.
Maßgeblich muss daher vielmehr eine anhand der Ausgabebedingungen zu treffende Beurteilung sein, ob sich Kursentwicklung und Nutzungsentgelt voneinander abgrenzen lassen. Dementsprechend führt der BFH im Urteil vom 13. Dezember 2006, VIII R 79/03, BStBl II 2007, 562 aus, es komme auf die Art der Gestaltung bzw. die Vereinbarung eines abgrenzbaren Kapitalnutzungsentgelts an (unter II. 2. der Gründe). Die Frage, ob eine "untrennbare Verbindung" im Sinne der Rechtsprechung des BFH vorliegt, kann aus Sicht des erkennenden Senats daher nur anhand der getroffenen Vereinbarungen, also letztlich des zugrunde liegenden Prospekts, beurteilt werden und nicht vom Zeitpunkt der Veräußerung abhängen.
Zudem kommt es im Streitfall nicht zu dem für "Finanzinnovationen" konstruktiven Bestandteil der Einbindung von Kursgewinnen in das Entgelt für die Kapitalüberlassung, wie es etwa bei einem DAX-Zertifikat der Fall ist (vgl. BFH-Urteil vom 13. Dezember 2006, VIII R 79/03, BFHE 216, 187, [BFH 13.12.2006 - VIII R 79/03] BStBl II 2007, 562 [BFH 13.12.2006 - VIII R 79/03]). Zwar sind auch die hier zu beurteilenden Schuldverschreibungen abhängig von der Entwicklung, also den Kursen, bestimmter Aktien. Die Kurse selbst werden aber nur insoweit benötigt, als dass bei Überschreiten bestimmter Werte ein Entgelt fällig wird, ansonsten nicht. Die Kursentwicklung selbst ist also gerade nicht in die Schuldverschreibungen eingebunden, da sich deren Rückzahlungsbetrag nicht entsprechend den Referenzkursen entwickelt.
cc) Im Hinblick auf die Schuldverschreibung der Lehman Brothers Treasury Co. B.V. sei darüber hinaus und unabhängig von den bisherigen Erwägungen ausgeführt, dass die Verluste offensichtlich auf einer Bonitätsverschlechterung der Anleiheschuldnerin beruhen. Die Anleiheschuldnerin war eine Tochter der amerikanischen Investmentbank Lehman Brothers Inc., welche bekanntermaßen im Herbst des Jahres 2008 in Insolvenz gefallen ist. Beim Verkauf der Schuldverschreibungen Ende 2008 war daher absehbar, dass es zur (vollständigen) Rückzahlung des Nennbetrags nicht mehr kommen wird. Diese Bonitätsverschlechterung ist nicht im Rahmen der Marktrendite zu berücksichtigen, da dies dem im Streitjahr für die Einkünfte aus Kapitalvermögen maßgeblichen Grundsatz der Nichtsteuerbarkeit der privaten Vermögenssphäre widerspräche (vgl. BFH-Urteil vom 7. Dezember 2010, VIII R 37/08, BFH/NV 2011, 776).
2. Ergänzend sei noch erwähnt, dass eine Verwaltungsanweisung der OFD Frankfurt, zumal wenn nicht veröffentlicht und mithin dem Senat nicht bekannt, weder für den Beklagten und insbesondere nicht für das Gericht bindend ist. Der Einwand der verfassungsrechtlichen Bedenken erschließt sich nicht, da § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 EStG erstmals auf Veräußerungen nach dem 31. Dezember 2008 anzuwenden ist (§ 52a Abs. 10 Satz 6 EStG) und daher für das Streitjahr nicht maßgeblich ist. Die vom Kläger zitierte Vorschrift des § 52a Abs. 10 Satz 7 EStG regelt aber nur die Anwendbarkeit der ohnehin erst auf spätere Veräußerungen anzuwendenden Vorschrift.
3. Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass ein Vertrauenstatbestand zugunsten des Klägers nicht entstehen konnte. Das FA ist nicht gehalten, die in einer Steuerbescheinigung durch die Bank vertretene Ansicht zur steuerlichen Behandlung zu übernehmen, zumal wenn diese selbst zum Teil von Spekulationsgeschäften ausgeht. Zudem ist bereits in den Bedingungen zum Papier der Lehman Brothers ersichtlich, dass die steuerliche Behandlung desselben zumindest nicht eindeutig geklärt ist.
4. Ob und inwieweit der Beklagte die entstandenen Verluste zutreffend bei den Einkünften aus Spekulationsgeschäften berücksichtigt hat, war hier nicht zu beurteilen. Eine Auswirkung auf die Einkommensteuer ergibt sich wegen § 23 Abs. 3 Satz 7 EStG nicht, der Verlustfeststellungsbescheid ist nicht angefochten.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
IV.
Die Revision war im Hinblick auf die gegen das Urteil des FG Münster vom 22. Juni 2010 (9 K 2179/08 E, EFG 2011, 234) eingelegte Revision (Aktenzeichen des BFH VIII R 40/10) zuzulassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO).