Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 08.02.2012, Az.: 9 K 49/10

Kindergeldfestsetzung für ein sich um einen Studienplatz bewerbendes Kind

Bibliographie

Gericht
FG Niedersachsen
Datum
08.02.2012
Aktenzeichen
9 K 49/10
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2012, 12373
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:FGNI:2012:0208.9K49.10.0A

Verfahrensgang

nachfolgend
BFH - 26.08.2014 - AZ: XI R 14/12

Fundstellen

  • EFG 2012, 1279-1281
  • Jurion-Abstract 2012, 241317 (Zusammenfassung)

Verfahrensgegenstand

Ausbildungswilligkeit trotz Nichtannahme eines angebotenen Studienplatzes

Amtlicher Leitsatz

Ein Kind, dass sich um einen Ausbildungs-/Studienplatz zum nächstmöglichen Ausbildungs-/Studienbeginn bewirbt, ist beginnend mit dem Zeitpunkt der Bewerbung mindestens bis zum Zeitpunkt des nächstmöglichen Ausbildungs-/Studienbeginns nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob die Ausbildungsstelle angetreten oder der Studienplatz angenommen wird.

Dies gilt jedenfalls so lange, wie sich die Eigenbemühungen als ernsthaft und nicht als nur zum Schein erfolgt darstellen, bzw. die nicht erfolgte Annahme einen sicheren Rückschluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit der Bemühungen zulässt.

Die Ablehnung eines angebotenen Ausbildungs- oder Studienplatzes ist nicht gleichbedeutend mit der Beendigung der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG.

Tatbestand

1

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Aufhebung einer Kindergeldfestsetzung ab August 2009 und der Rückforderung überzahlten Kindergeldes für den Zeitraum August 2009 bis November 2009.

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Der Kläger ist kindergeldberechtigter Vater seiner Tochter S. M. (S), geboren 19. September 1987. Vor dem Streitzeitraum bemühte sich S vergeblich um eine Ausbildungsstelle bei der Polizei und bewarb sich anschließend bei insgesamt 15 Universitäten/Fachhochschulen um einen Studienplatz für das Wintersemester 2009/2010. Am 21. Juli 2009 erhielt sie daraufhin eine Zulassung zur Hochschule Bremen. Sie konnte jedoch die Auflagen der Hochschule - vorausgesetzt war eine abgeschlossene Berufsausbildung - nicht erfüllen. Ferner erhielt S einen Zulassungsbescheid der Fachhochschule Hildesheim, datiert auf den 20. Juli 2009. Der Zulassungsbescheid enthielt eine Annahmefrist bis zum 1. August 2009, die S verstreichen ließ. Daneben bekam sie eine Zusage der Universität Bielefeld für einen Studienplatz im Bereich Rechtswissenschaften (Schreiben der Dekanin vom 10. Juli 2009). Danach bestand die Möglichkeit, sich spätestens zum Beginn des Wintersemesters 2009/2010 im Oktober 2009 dort einzuschreiben. Für die weiteren Bewerbungen um einen Studienplatz erhielt S im Juli/August 2009 ablehnende Bescheide.

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S schrieb sich schließlich auch nicht für das Studienfach Rechtswissenschaften an der Universität Bielefeld zum Wintersemester 2009/2010 ein. Weitere Bewerbungen für einen Studienplatz im Sommersemester 2010 oder einen anderen Ausbildungsplatz erfolgten im Anschluss nicht. Stattdessen nahm sie in den Monaten August bis Dezember 2009 eine Aushilfsstelle in einem Hotel an. Ausweislich des vorgelegten Einkommensteuerbescheides 2009 betrugen ihre Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit insgesamt 5.706 EUR.

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Nach einem weiteren Praktikum im Sommer 2010 begann S am 1. März 2011 ein Studium an der Fachhochschule Osnabrück.

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Mit Bescheid vom 6. November 2009 hob die beklagte Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes ab August 2009 auf und forderte das überzahlte Kindergeld in Höhe von 656 EUR zurück. Die Entscheidung wurde damit begründet, dass S im Juli 2009 drei Zulassungsbescheide erhalten habe. Sie habe deshalb ein Studium beginnen können und sei somit nicht mangels Ausbildungsplatz gehindert, eine Berufsausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. Zudem sei die Tochter des Klägers auch für die Monate August bis Dezember 2009 als Aushilfe in einem Sporthotel tätig gewesen.

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Der hiergegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg.

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Mit der vorliegenden Klage verfolgt der Kläger sein Begehren aus dem Einspruchsverfahren auf Aufhebung des Aufhebungs- und Rückforderungsbescheides weiter. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen Folgendes vor: Der Kläger sei anspruchsberechtigt im streitigen Zeitraum, da seine Tochter S trotz ernsthafter Bemühungen daran gehindert gewesen sei, eine Ausbildung zu beginnen oder fortzusetzen. S habe sich an insgesamt 15 Universitäten/Fachhochschulen beworben und sich dort um einen Studienplatz bemüht. Am 21. Juli 2009 habe sie eine Zulassung zur Hochschule Bremen erhalten, habe jedoch die dortigen Auflagen nicht erfüllen können. Die vorausgesetzte abgeschlossene Berufsausbildung habe sie nicht nachweisen können mit der Folge, dass diese Zulassung als Ablehnung zu bewerten sei. Ferner habe S einen Zulassungsbescheid der Fachhochschule Hildesheim, datiert auf den 20. Juli 2009, erhalten. Diesen Studienplatz habe sie bis zum 1. August 2009 annehmen müssen. Zu diesem Zeitpunkt hätten allerdings noch 13 weitere Bewerbungen an anderen Hochschulen/Fachhochschulen bestanden, bei denen Rückäußerungen bzw. Zulassungsbescheide noch ausgestanden hätten. Da das Angebot der Fachhochschule Hildesheim nicht dem primären, ursprünglichen Ziel der Tochter entsprochen habe, habe diese gehofft, im Hinblick auf die noch ausstehenden Bewerbungen an den von ihr favorisierten Universitäten/Fachhochschulen einen ebenfalls positiven Bescheid zu erhalten. Bedauerlicherweise habe S dann in der Folgezeit allerdings lediglich ablehnende Bescheide der Universitäten und Fachhochschulen erhalten. Sämtliche Ablehnungsbescheide seien nach Ablauf der von der Fachhochschule Hildesheim gesetzten Frist erfolgt. Da S letztlich auch in den Losverfahren einen Studienplatz nicht habe erhalten können, habe sie letztlich mit leeren Händen dagestanden. Damit habe S aufgrund der Vielzahl der Bewerbungen nicht ansatzweise rechnen können. Sie sei sich sicher gewesen, zumindest an einer der verschiedenen Hochschulen/Fachhochschulen einen Studienplatz zu erhalten. Entgegen der Auffassung der Beklagten könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Mangel eines Ausbildungsplatzes durch eigenes Verschulden verursacht worden sei. Ein ausreichendes ernsthaftes Bemühen um einen Ausbildungsplatz könne S nicht abgesprochen werden. Während der Orientierung, welcher Studienplatz für sie in Frage komme, sei sie in eine schwere Depression gerutscht. Hintergrund sei der Freitod ihres Bruders gewesen. Im Januar 2010 habe sich seine Tochter dann in psychotherapeutische Behandlung begeben. Eine weitere Bewerbung habe für das Sommersemester 2010 nicht stattgefunden, weil sich aufgrund der traumatischen Erlebnisse um ihren Bruder eine Studienphobie entwickelt habe. Nach einer weiteren Aushilfstätigkeit und einem Praktikum im Sommer 2010 habe seine Tochter aber einen Studienplatz an der Hochschule Osnabrück bekommen und das Studium am 1. März 2011 begonnen.

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Der Kläger beantragt,

den Bescheid über die Aufhebung der Kindergeldfestsetzung vom 6. November 2009 in Form der Einspruchsentscheidung vom 21. Dezember 2009 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

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Die Beklagte hat weiterhin erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Bewerbungsbemühungen der Tochter des Klägers. In der Berufsberatung sei sie zum 3. September 2010 abgemeldet worden. Aus einem Gesprächsvermerk der Arbeitsverwaltung vom 23. Dezember 2008 gehe hervor, dass die Tochter bezüglich ihres Ausbildungszieles sehr unschlüssig gewesen sei. Neben dem zugesagten Studienplatz der Fachhochschule Hildesheim im Bereich Immobilienwirtschaft zum Wintersemester 2009/2010 habe die Tochter auch einen Studienplatz im Fachbereich Jura nicht angenommen. Ihr standen also bereits zum Wintersemester 2009/2010 zwei Studienplätze zur Verfügung. Nach Nichtannahme des angebotenen Studienplatzes an der Fachhochschule Hildesheim sei S nicht mehr als Kind ohne Ausbildungsplatz zu berücksichtigen. Sie habe den Ausbildungsplatzmangel insoweit selbst verschuldet.

Entscheidungsgründe

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1. Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

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Die Beklagte hat zu Unrecht die bestehende Kindergeldfestsetzung für S für die Monate August bis Oktober 2009 aufgehoben und das überzahlte Kindergeld insoweit zurückgefordert. In diesem Zeitraum liegen entgegen der Auffassung der Beklagten die Voraussetzungen für die Kindergeldgewährung vor, denn S konnte eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG). Im Übrigen ist die Klage unbegründet, denn im verbleibenden Streitzeitraum November bis Dezember 2009 konnte der Senat eine erforderliche Ausbildungswilligkeit der Tochter nicht feststellen.

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a. Für ein volljähriges Kind, das das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, besteht nach §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, § 32 Abs. 4 Satz 2 EStG in der im Streitjahr 2009 geltenden Fassung Anspruch auf Kindergeld u.a. dann, wenn das Kind eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG) und seine zur Bestreitung des Unterhalts oder der Berufsausbildung bestimmten oder geeigneten Einkünfte und Bezüge 7.680 EUR im Kalenderjahr nicht übersteigen. Für jeden Kalendermonat, in dem die Voraussetzungen einer Berücksichtigung an keinem Tag vorliegen, ermäßigt sich der Jahresgrenzbetrag um ein Zwölftel. Einkünfte und Bezüge des Kindes, die auf diese Kalendermonate entfallen, bleiben außer Ansatz (§ 32 Abs. 4 Sätze 7 und 8 EStG).

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b. Im Zeitraum August 2009 bis einschließlich Oktober 2009 erfüllte S den Tatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG.

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aa. Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Berücksichtigung eines Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht (vgl. etwa BFH-Urteil vom 22. September 2011 - III R 30/08, BFH/NV 2012, 104 m.w.N.). Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, es habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets bei der Agentur für Arbeit als ausbildungsuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus. Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegen zu wirken, muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 - III R 66/05, BStBl. II 2009, 1005, m.w.N.). Die Nachweise für die Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen. Die besondere Mitwirkungspflicht unter Einbeziehung des über 18 Jahre alten Kindes sieht § 68 Abs. 1 EStG ausdrücklich vor. Es liegt auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (BFH-Urteil vom 19. Juni - III R 66/05, BStBl. II 2009, 1005, m.w.N).

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Diese erforderlichen Nachweise über die Eigenbemühungen seiner Tochter S um einen Ausbildungsplatz hat der Kläger im Streitfall in Form der Bewerbungen für einen Studienplatz zum Beginn des Wintersemesters 2009/2010 vorgelegt.

17

Ein Kind, dass sich um einen Ausbildungs-/Studienplatz zum nächstmöglichen Ausbildungs-/Studienbeginn bewirbt, ist daher beginnend mit dem Zeitpunkt der Bewerbung mindestens bis zum Zeitpunkt des nächstmöglichen Ausbildungs-/Studienbeginns nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG zu berücksichtigen, unabhängig davon, ob die Ausbildungsstelle angetreten oder der Studienplatz angenommen wird. Dies gilt nach Überzeugung des Senats jedenfalls so lange, wie sich die Eigenbemühungen als ernsthaft und nicht als nur zum Schein erfolgt darstellen, bzw. die nicht erfolgte Annahme einen sicheren Rückschluss auf die fehlende Ernsthaftigkeit der Bemühungen zulässt.

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S hat zwar die Annahmefrist für den von der Fachhochschule Hildesheim angebotenen Studienplatz verstreichen lassen und - nach Erhalt von Ablehnungsbescheiden aller Parallelbewerbungen - auch den von der Universität Bielefeld angebotenen Studienplatz im Bereich Rechtswissenschaften nicht angenommen. Gleichwohl stellt dies nach Auffassung des Senats ihre Ausbildungswilligkeit bis zu diesem Zeitpunkt (Beginn des Wintersemesters 2009/2010 Mitte Oktober 2009) nicht in Frage. Für die Ernsthaftigkeit ihrer Bemühungen um einen Studienplatz sprechen sowohl die Vielzahl der Bewerbungen (insgesamt 15) als auch der Umstand, dass S letztlich am 1. März 2011 tatsächlich ein Studium an der Hochschule Osnabrück aufgenommen hat. Ein denkbarer Grund für die zeitliche Verzögerung mögen die vom Kläger angesprochenen Depressionen und die durch den Freitod des Bruders ausgelöste Studienphobie gewesen sein. Zudem spricht das Verstreichenlassen der Annahmefrist bezüglich des Studienplatzes an der Fachhochschule Hildesheim angesichts der äußerst kurzen Fristdauer und der Vielzahl noch ausstehender Bescheidungen der Parallelbewerbungen nicht gegen eine Ausbildungswilligkeit.

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bb. Entgegen der Auffassung der beklagten Familienkasse ist auch die Ablehnung eines angebotenen Ausbildungs- oder Studienplatzes nicht gleichbedeutend mit der Beendigung der Erfüllung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG.

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(1) Nach der Rechtsprechung des BFH ist ein Kind auch dann als ausbildungsplatzsuchend im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG anzusehen, wenn ihm ein Ausbildungsplatz bereits zugesagt wurde, es diesen aber aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten kann (BFH, Urteile vom 15. September 2005 - III R 67/04, BStBl. II 2006, 305; vom 21. Oktober 2010 - III R 74/09, BFH/NV 2011, 250). Dies gilt nach der jüngeren Rechtsprechung des BFH selbst dann, wenn das Kind in den Monaten, in denen es auf einen Ausbildungsplatz wartet, einer Vollzeiterwerbstätigkeit nachgeht (BFH-Urteil vom 17. Juni 2010 - III R 34/09, BStBl. II 2010, 982). Insoweit sind dann lediglich alle in diesem Zeitraum erzielten Einkünfte und Bezüge in die Grenzbetragsberechnung einzubeziehen.

21

(2) Bislang höchstrichterlich nicht geklärt ist die Rechtsfrage, ob der Tatbestand des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG auch dann erfüllt sein kann, wenn die Verschiebung des Ausbildungsbeginns oder die Ablehnung eines angebotenen Ausbildungs- oder Studienplatzes auf einer freien Entscheidung des Kindes beruht.

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Das FG Münster hat im Urteil vom 1. Juni 2011 (11 K 4202/10 Kg, EFG 2011, 1633, [FG Münster 01.06.2011 - 11 K 4202/10 Kg] Rev. eingelegt, Az. des BFH: XI R 38/11 betr. Kindergeldanspruch für Zeiten des bewussten Zuwartens auf den Beginn des Studiums) entschieden, dass für den Fall, dass der späte Ausbildungsbeginn nicht auf fremdbestimmten Gründen beruht, - jedenfalls zunächst - eine hinreichenden Ausbildungswilligkeit fehlt. Die Entscheidung wird damit begründet, dass es ansonsten das Kind letztlich in der Hand hätte, sich die Kindergeldberechtigung durch bewusstes - ggfs. sogar mehrfaches - Überspringen von Ausbildungsterminen möglichst lange zu sichern.

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(3) Diese Auffassung, die der Senat als zutreffend erachtet, führt im Streitfall aber nicht dazu, dass die Ausbildungswilligkeit bereits mit der Ablehnung des ersten angebotenen Studienplatzes zu verneinen ist. Nichts anderes lässt sich entgegen der Auffassung der Beklagten aus der vorgenannten BFH-Rechtsprechung (BFH in BStBl. II 2006, 305; BFH/NV 2011, 250 [BFH 21.10.2010 - III R 74/09]) ableiten. Hieraus folgt nach Überzeugung des Senats insbesondere nicht, dass ein Kind grundsätzlich schon dann nicht mehr aus ausbildungsplatzsuchend im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG angesehen werden kann, wenn es aus freiem Entschluss einen angebotenen Ausbildungs- oder Studienplatz nicht annimmt. Zu berücksichtigen ist, dass auch bei Ablehnung eines Studienplatzes die Ausbildungswilligkeit zumindest solange fortbesteht, bis die letzte Ablehnung der Bewerbung erfolgt bzw. der zugesagte Studienplatz mit Beginn des Semesters endgültig nicht angenommen wird.

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Bis zu diesem Zeitpunkt ist ein Kind, das sich auf einen Studienplatz bewirbt, eine Zusage erhält und diesen annimmt in gleicher Weise zu behandeln (und als ausbildungswillig zu berücksichtigen) wie ein Kind, das sich erfolglos auf einen Studienplatz bewirbt bzw. trotz Zusage den Studienplatz nicht annimmt.

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Für den Streitfall bedeutet dies, dass S bis Oktober 2009 als ausbildungswillig anzusehen ist und erst die auf ihrem eigenen Entschluss beruhende Nichtannahme des angebotenen Jura-Studienplatzes dazu führt, dass sie ihre Ausbildungswilligkeit ab November 2009 erneut durch objektiv belegbare, ernsthafte und nachhaltige Eigenbemühungen um einen Ausbildungsplatz unter Beweis stellen muss.

26

Da die nachgewiesenen Einkünfte und Bezüge der S den Grenzbetrag deutlich unterschreiten, besteht damit der Kindergeldanspruch für S im Zeitraum August bis Oktober 2009.

27

c. Für die weiteren streitbefangenen Monate November und Dezember 2009 liegt dagegen keiner der Kindergeldtatbestände des § 32 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 EStG vor.

28

Insbesondere ist S nicht mehr als Kind anzusehen, das mangels Ausbildungsplatzes eine Ausbildung nicht beginnen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG). Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass sich S auch nach Beginn des Wintersemesters 2009/2010 weiterhin um einen Studienplatz für das Sommersemester 2010 oder einen anderen Ausbildungsplatz beworben hat.

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2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Finanzgerichtsordnung (FGO).

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3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 151 Abs. 1 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung.

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4. Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung und zur Fortbildung des Rechts zu-zulassen (§ 115 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 FGO). Bislang ist höchstrichterlich nicht geklärt, welche Auswirkungen die auf einem freien Entschluss des Kindes beruhende Ablehnung eines angebotenen Studien- oder Ausbildungsplatzes auf die Erfüllung des Tatbestandes des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG hat.