Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 28.03.2023, Az.: 13 U 67/22

Wettbewerbswidrigkeit des Inverkehrbringens und Anbietens eines aus einem Cannabidiol enthaltenden Hanfextrakt bestehenden Nahrungsergänzungsmittel

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
28.03.2023
Aktenzeichen
13 U 67/22
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2023, 33346
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Lüneburg - 01.12.2022 - AZ: 7 O 4/20

Fundstelle

  • GRUR-RR 2023, 449-451 "Cannabis-Öl"

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein aus einem Cannabidiol enthaltenden Hanfextrakt bestehendes Nahrungsergänzungsmittel ist ein neuartiges Lebensmittel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 lit. a Novel-Food-VO, wenn es in dieser Form vor dem 15.5.1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurde (hier: bejaht).

  2. 2.

    Ein solches neuartiges Nahrungsergänzungsmittel darf gemäß Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO nur in Verkehr gebracht werden, wenn es zugelassen worden ist.

  3. 3.

    Da Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO eine Marktverhaltensregel im Sinne von § 3a UWG ist, ist das Bewerben und Anbieten eines solchen Nahrungsergänzungsmittels wettbewerbswidrig.

In dem Rechtsstreit
... - pp- - ..
hat der 13. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 28. März 2023 beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Lüneburg vom 1. Dezember 2022 gemäß § 522 Abs. 2 ZPO durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.

    Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

  2. 2.

    Die dem Kläger gesetzte Berufungserwiderungsfrist wird aufgehoben.

  3. 3.

    Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für die Berufungsinstanz auf 100.000 € festzusetzen.

Gründe

A.

Der klagende Wirtschaftsverband verlangt - bezogen auf das von der Beklagten vertriebene Nahrungsergänzungsmittel "Cannabis-Öl" (Anlage K 5) - es zu unterlassen, Lebensmitteln mit Hanfextrakt, die Cannabionide wie Cannabidiol enthalten, in Verkehr zu bringen sowie bestimmte Auslobungen zu verwenden (Anlage K 6, Bl. 76 d.A.). Das Produkt der Beklagten enthält Sesamöl und Hanfextrakt, der wiederum Cannabidiol (CBD) enthält.

Der Kläger hat geltend gemacht, es handele sich um ein neuartiges Lebensmittel im Sinne der VO (EU) 2015/2283 vom 25. November 2015 (im Folgenden: Novel-Food-VO), das - unstreitig - nicht über eine Zulassung nach dieser Verordnung verfüge. Das Produkt sei vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet worden.

Mit Urteil vom 1. Dezember 2022, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht Lüneburg die Beklagte nach dem Klagantrag in der zuletzt gestellten Fassung verurteilt. Es hat den zuletzt gestellten Klagantrag als - zulässige - Klagänderung angesehen. Die Klage sei auch begründet. Der Kläger habe gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, Abs. 3 Nr. 2 UWG, § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 3 Abs. 1, § 3a i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO einen Unterlassungsanspruch. Das Produkt der Beklagten sei ein neuartiges Lebensmittel im Sinne des Art. 3 Abs. 2 lit a) Novel-Food-VO. Maßgeblich sei, ob das konkrete von der Beklagten vertriebene Endprodukt vor dem Stichtag des 15. Mai 1997 in nennenswertem Umfang für den menschlichen Verzehr verwendet worden sei. Insoweit komme dem Novel-Food-Katalog der EU-Kommission Indizwirkung für die Beurteilung der Neuartigkeit zu. Der Katalog weise das streitgegenständliche Produkt als neuartiges Lebensmittel aus. Dort sei festgehalten, dass für Extrakte aus Cannabis sativa L. sowie daraus hergestellte Produkte, die Cannabionide enthalten, keine Verwendung in der EU vor dem 15. Mai 1997 nachgewiesen sei. Die Indizwirkung begründe eine sekundäre Darlegungslast der Beklagten, der diese nicht nachgekommen sei. Sie habe lediglich vorgetragen, dass zwischen natürlichen Hanfextrakten und solchen, die mit Cannabioniden angereichert worden seien, zu unterscheiden sei und nur letztere als neuartiges Lebensmittel anzusehen seien. Nach dem Novel-Food-Katalog seien aber auch aus Hanfextrakt hergestellte Produkte neuartig. Hiergegen wende sich die Beklagte nicht. Die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass es in der EU vor dem 15. Mai 1997 eine Verwendungsgeschichte für Produkte gegeben habe, die sich - wie das der Beklagten - aus Sesamöl und Hanfextrakt zusammensetzten. Auch für generell aus Hanfextrakt hergestellte Produkte habe sie eine Verwendungsgeschichte nicht dargelegt.

Es bestehe auch ein Unterlassungsanspruch in Bezug auf die streitgegenständlichen Auslobungen. Die Werbung für das nicht nach der Novel-Food-VO zugelassene Produkt stelle einen Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 lit. a, Abs. 2 und Abs. 4 lit a der VO (EU) 1169/2011 dar.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie weiterhin die Abweisung der Klage begehrt. Die Beklagte meint, das Landgericht sei zu Unrecht von einer Klagänderung ausgegangen. Der Kläger habe auch im letzten Verhandlungstermin weiterhin seinen ursprünglichen Klagantrag, der sich auf mit CBD angereicherte Lebensmittel bezogen habe, gestellt. Deshalb hätte die Klage vollständig abgewiesen werden müssen. In Bezug auf die protokollierte Klarstellung durch den Kläger fehle es an einer ausdrücklichen Erklärung der Klagänderung. Außerdem habe das Landgericht die Klagänderung zu Unrecht als sachdienlich angesehen. Für sie sei überraschend, dass das Landgericht von einer zulässigen Klagänderung ausgegangen sei. Hierdurch sei ihr Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Auch in der Fassung der Klarstellung sei der Klagantrag zu 1 abzuweisen, weil das Produkt der Beklagten nicht mit CBD angereichert sei. Es sei nicht nachvollziehbar, warum das Landgericht nun nicht mehr auf die Frage einer Anreicherung mit CBD, sondern allgemein auf ein CBD-haltiges Lebensmittel abstelle. Außerdem habe sie ihre sekundäre Darlegungslast hinsichtlich der fehlenden Neuartigkeit ihres Produkts erfüllt. Sie habe auf die konsistente Rechtsüberzeugung von Regierungsstellen und Behörden in Deutschland und auf EU-Ebene hinsichtlich der notwendigen Unterscheidung zwischen mit CBD angereichertem Lebensmitteln sowie solchen mit natürlichem Hanfextrakt hingewiesen und weitere konkrete Umstände vorgetragen, aus denen auf einen hinreichend umfangreichen Verzehr des von ihr angebotenen Produkt vor dem Stichtag geschlossen werden könne. Durch ihren "höchst hilfsweisen und fragmentarischen Vortrag" habe sie die Indizwirkung des Novel-Food-Katalogs widerlegt (Bl. 956 d.A.). Damit habe sich das Landgericht nicht im Einzelnen auseinandergesetzt.

Aus den vorstehenden Gründen hätte auch über den Klagantrag zu 2 anders entschieden werden müssen.

B.

Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.

Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 529 Abs. 1, 2. Alt. ZPO).

I.

Das Landgericht hat zutreffend über den Klagantrag zu 1 in der vom Kläger zuletzt gestellten Fassung entschieden.

1. Ein Verstoß gegen § 308 ZPO liegt nicht vor. Im Tatbestand des angefochtenen Urteils wird der Klagantrag zu 1 in der maßgeblichen Fassung zutreffend wiedergegeben. Das Landgericht hat insoweit den Tatbestandsberichtigungsantrag der Beklagten zu Recht zurückgewiesen (Bl. 891 f. d.A.). Der Kläger hat den Klagantrag zu 1 in der im angefochtenen Urteil wiedergegebenen Fassung gestellt, wie sich aus dem erstinstanzlichen Verhandlungsprotokoll vom 21. Juli 2022 unzweifelhaft ergibt (Bl. 844 d.A.). Insoweit ist ohne Belang, ob der Kläger diese Antragsfassung zutreffend als "Klarstellung" qualifiziert hat und/oder ob es sich um eine Klagänderung handelt, wie das Landgericht angenommen hat.

2. Es kann dahingestellt bleiben, ob es sich um eine Klagänderung handelt oder der Klagantrag bereits unter Berücksichtigung der Klagebegründung in dieser Weise ausgelegt werden konnte. Nachdem das Landgericht die Klagänderung als zulässig angesehen hat, ist dies in der Berufungsinstanz nicht mehr zu überprüfen (§ 268 ZPO).

3. Soweit die Beklagte in diesem Zusammenhang eine Verletzung von Hinweispflichten rügt, hätte dies für ihre Berufung nur dann von Belang sein können, wenn die Beklagte in der Berufungsbegründung konkret vorgetragen hätte, welchen Tatsachenvortrag sie auf einen gerichtlichen Hinweis gehalten hätte. Nur solcher, innerhalb der Berufungsbegründungsfrist nachgeholter Vortrag wäre unter den Voraussetzungen des § 531 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO zu berücksichtigen. Derartigen Vortrag hat die Beklagte nicht gehalten, sondern lediglich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag Bezug genommen, den sie selbst als fragmentarisch ansieht.

II.

Zu Recht hat das Landgericht der Klage stattgegeben.

1. Der Kläger ist klagebefugt gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG, was auch die Beklagte nicht in Abrede nimmt.

2. Der Kläger hat einen Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2, Abs. 3 Nr. 2 UWG, § 3 Abs. 1, § 3a i.V.m. Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO.

a) Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler, 41. Aufl. 2023, UWG § 3a Rn. 1.265, 1.271; bereits für die frühere Fassung der Novel-Food-VO: BGH GRUR 2015, 1140 [BGH 16.04.2015 - I ZR 27/14] Rn. 19).

b) Das Inverkehrbringen des Cannabis-Öls der Beklagten verstößt gegen Art. 6 Abs. 2 Novel-Food-VO.

aa) Das Nahrungsergänzungsmittel der Beklagten ist ein neuartiges Lebensmittel im Sinne von Art. 3 Abs. 2 a) iv) Novel-Food-VO.

Nach dieser Bestimmung ist zunächst maßgeblich, ob das Lebensmittel vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurde. Abzustellen ist dabei auf alle Merkmale des in Rede stehenden Lebensmittels und des hierfür verwendeten Herstellungsvorgangs (BGH, Urteil vom 16. April 2015 - I ZR 27/14, Rn. 21, Bohnengewächsextrakt, zu dem gleichen Tatbestandsmerkmal in der Vorgängerregelung, Art. 1 Abs. 2 VO (EG) 258/97). Dabei ist zu berücksichtigen, dass gemäß Erwägungsgrund 17 der Novel-Food-VO Lebensmittel, die ausschließlich aus Lebensmittelzutaten hergestellt werden, die nicht in den Anwendungsbereich dieser Verordnung fallen, insbesondere im Zuge einer Änderung der verwendeten Lebensmittelzutaten oder ihrer Anteile, nicht als neuartige Lebensmittel betrachtet werden sollen.

bb) Im Streitfall geht es um eine Kombination von Sesamöl und einem Hanfextrakt, der mit einem bestimmten Extraktionsverfahren hergestellt worden ist und Cannabidiol (CBD) enthält. Weil die Zutat Sesamöl als solche nicht neuartig ist, kommt es für die Beurteilung der Neuartigkeit des Cannabisöls auf den Hanfextrakt an.

Extraktion nennt man jedes Trennverfahren, bei dem mit Hilfe eines (festen, flüssigen oder gasförmigen) Extraktionsmittels eine oder mehrere Komponenten aus einem Stoffgemisch herausgelöst werden (vgl. Wikipedia). Maßgeblich für die Beurteilung der Neuartigkeit ist auch das von der Lieferantin der Beklagten für die Herstellung ihres Hanfextrakts konkret angewandte Extraktionsverfahren mit dem von ihr verwendeten spezifischen Extraktionsmittel. Denn von dem Extraktionsmittel hängt ab, welche Bestandteile herausgelöst werden.

Es ist davon auszugehen, dass der Hanfextrakt in dem von der Beklagten vertriebenen Cannabis-Öl vor dem 15. Mai 1997 nicht in nennenswertem Umfang in der Union für den menschlichen Verzehr verwendet wurde.

Diese Behauptung des Klägers hat die Beklagte nicht mit Substanz bestritten. Weil es sich um eine negative Tatsache handelt, trifft die Beklagte insoweit nach allgemeinen zivilprozessualen Grundsätzen eine sekundäre Darlegungslast (BGH, GRUR 2015, 1140 [BGH 16.04.2015 - I ZR 27/14] Rn. 22). Dieser ist die Beklagte nicht nachgekommen (s. nachfolgend Ziff. (1) und (2)).

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob dem - in der Vorgängerregelung noch nicht in dieser Form enthaltenen - Tatbestandsmerkmal "ausgenommen Fälle, in denen das Lebensmittel eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel in der Union hat" (Art. 3 Abs. 2 a) iv) eine einschränkende Bedeutung zukommen soll. In Betracht käme, dass Lebensmittel nicht als neuartig anzusehen sind, wenn sie vor dem Stichtag zwar nicht in nennenswertem Umfang verzehrt wurden, aber trotzdem - etwa aufgrund regionaler Besonderheiten - in der Union Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel haben. Aber auch dies hat die Beklagte nicht dargetan.

(1) Das Landgericht hat ausgeführt, die Beklagte habe nicht vorgetragen, dass es in der EU vor dem 15. Mai 1997 eine Verwendungsgeschichte für Produkte gegeben habe, die sich - wie das der Beklagten - aus Sesamöl und Hanfextrakt zusammensetzten. Auch für generell aus Hanfextrakt hergestellte Produkte habe sie eine Verwendungsgeschichte nicht dargelegt. Dass die Beklagte insoweit keinen Vortrag gehalten hat, steht gemäß § 314 ZPO fest. Die Beweiskraft des Tatbestandes gemäß § 314 ZPO erfasst auch diejenigen tatsächlichen Feststellungen, die in den Entscheidungsgründen enthalten sind und den Tatbestand insoweit ersetzen (BeckOK ZPO/Elzer, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 314 Rn. 8). Dem stünde nicht entgegen, wenn sich insoweit Vorbringen aus vorbereitenden Schriftsätzen der Beklagten ergäbe. Zwar wird in dem Tatbestand des angefochtenen Urteils allgemein auf diese Schriftsätze Bezug genommen. Bei einem Widerspruch zwischen ausdrücklichen tatbestandlichen Feststellungen und dem allgemein in Bezug genommenen Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze geht der Tatbestand vor (BeckOK ZPO/Elzer, 47. Ed. 1.12.2022, ZPO § 314 Rn. 27 mwN).

(2) Nur ergänzend wird darauf hingewiesen, dass die Beklagte auch dann nicht ihrer sekundären Darlegungslast nachgekommen wäre, wenn Vorbringen aus ihren vorbereitenden Schriftsätzen berücksichtigt würde. Auch in den erstinstanzlichen Schriftsätzen der Beklagten ist nicht mit Substanz dargetan, dass das Lebensmittel der Beklagten oder der darin enthaltene Hanfextrakt vor dem Stichtag in der Union in nennenswertem Umfang von Menschen verzehrt wurde bzw. eine Verwendungsgeschichte als sicheres Lebensmittel hat. An den von der Beklagten in ihrer Berufungsbegründung genannten Fundstellen (Bl. 952 d.A.) hat sie vorgetragen, Blüten und Blätter von Cannabis sativa seien seit Jahrhunderten innerhalb der EU traditionell zum Verzehr verwendet worden. In gleicher Weise, wie Tee und Kaffee mit heißem Wasser als Extrakt hergestellt worden sei, seien auch Extrakte aus Cannabisblüten und -blättern zum Zwecke des Verzehrs hergestellt worden. Weiter hat sie vorgetragen, soweit ihr bekannt sei, sei der verwendete Hanfextrakt mit dem Extraktionsmittel Ethanol hergestellt worden (Bl. 446 d.A.). In einem italienischen Kochbuch aus dem 15. Jahrhundert finde sich ein Rezept, wonach man Hanfpflanzen in Öl aufgekocht und den Sud zum Verzehr verwendet habe (Bl. 447 d.A.). In Osteuropa sei in den 1970er und 80er Jahren Nutzhanf als Lebensmittelzutat verwendet worden, z.B. zur Herstellung von Hanftee oder beim Bierbrauen (Bl. 448 d.A.). Hanf werde bereits seit dem Jahr 400 in Deutschland angebaut (Bl. 534 d.A.). Die Nutzung von Ethanol als Extraktionsmittel für Lebensmittel und -zutaten sei ein übliches und zulässiges Verfahren (Bl. 609 d.A.).

Mit diesem Vortrag hat die Beklagte die sie treffende sekundäre Darlegungslast nicht erfüllt. Weder für das von ihr hergestellte Nahrungsergänzungsmittel, noch für den dabei verwendeten, im Wege der Ethanol-Extraktion hergestellten Hanfextrakt hat sie eine nennenswerte Nutzung als Lebensmittel vor dem maßgeblichen Stichtag vorgetragen. Der pauschale Vortrag zur jahrhundertelangen Verwendung von Hanf und die Verwendung zur Zubereitung von Tees und zum Bierbrauen genügen insoweit nicht. Es handelt sich nicht um die von der Beklagten verwendete Lebensmittelzutat, einen im Wege der Ethanol-Extraktion hergestellten Hanfextrakt. Darüber hinaus fehlte es selbst zu den von der Beklagten vorgetragenen - gänzlich anderen - Herstellungsmethoden (Aufkochen in Wasser oder Öl) an hinreichend konkretem Vortrag dazu, dass die Produkte in nennenswertem Umfang verzehrt wurden oder eine sichere Verwendungsgeschichte haben.

(3) Auch in der Berufungsbegründung hat die Beklagte hierzu keinen weiteren Tatsachenvortrag gehalten, sondern nur auf ihren "fragmentarischen" erstinstanzlichen Vortrag verwiesen.

(4) Ausweislich ihres Schriftsatzes vom 9. März 2023 meint die Beklagte, sie könne insoweit nach dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist noch weiteren berücksichtigungsfähigen Tatsachenvortrag halten (Bl. 975 d.A.). Dies trifft jedoch nicht zu (§ 520, § 530 ZPO). Wie die Beklagte selbst ausführt, konnte sie (spätestens) aus dem angefochtenen Urteil erkennen, dass sie hierzu hätte vortragen müssen.

Aus den vorstehenden Gründen kann der Kläger auch die Unterlassung der streitgegenständlichen Werbung verlangen. Denn es wird - unter Verstoß gegen Art. 7 Abs. 1 Lebensmittelinformations-VO - der unzutreffende Eindruck erweckt, es handele sich um ein verkehrsfähiges Lebensmittel.

C.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Auch ist eine mündliche Verhandlung nicht geboten.

D.

Hinsichtlich der beabsichtigten Streitwertfestsetzung folgt der Senat der Streitwertangabe in der Klagschrift, gegen die die Beklagte keine Einwendungen erhoben hat.