Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 20.03.2023, Az.: 6 U 36/22

Nachlassinsolvenz; Nachlassverbindlichkeit; Auslegung eines Ehevertrages: Abgrenzung selbständige / unselbständige Unterhaltsvereinbarung; Leistungsversprechen über den Tod hinaus; Feststellung eines Anspruchs auf Unterhaltsleistung als Nachlassverbindlichkeit im Nachlassinsolvenzverfahren

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
20.03.2023
Aktenzeichen
6 U 36/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 45042
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2023:0320.6U36.22.00

Verfahrensgang

vorgehend
LG Verden - 25.03.2022 - AZ: 3 O 235/20

Fundstellen

  • FamRZ 2023, 1787
  • InsbürO 2023, 446-447
  • MittBayNot 2024, 372
  • NJW 2023, 1895-1897
  • NJW-Spezial 2023, 629-630
  • NZI 2023, 7
  • NZI 2023, 501-505
  • ZEV 2023, 481
  • ZInsO 2023, 1255-1261
  • ZVI 2023, 267-272

Amtlicher Leitsatz

  1. 1.

    Die Vorschrift des § 1586b BGB findet auf selbständige Unterhaltsvereinbarungen geschiedener Ehegatten keine Anwendung.

  2. 2.

    Passiv vererbliche Unterhaltsansprüche können als Nachlassverbindlichkeit im Nachlassinsolvenzverfahren gemäß § 40 Satz 1 InsO auch für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens für die Zukunft geltend gemacht werden.

In dem Rechtsstreit
M. O., in E.,
Klägerin und Berufungsklägerin,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Z., in E.,
gegen
Rechtsanwalt B., in B.,
als Insolvenzverwalter über das Vermögen des Dr. O.,
Beklagter und Berufungsbeklagter,
Prozessbevollmächtigter:
Rechtsanwalt Dr. B. in O.,
hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2023 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. D., den Richter am Oberlandesgericht V. und die Richterin am Oberlandesgericht S. für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 25. März 2022 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des Landgerichts Verden teilweise abgeändert.

Es wird festgestellt, dass der Klägerin in dem Insolvenzverfahren über den Nachlass des am 13. Dezember 2016 verstorbenen Dr. O. (Amtsgericht S. - .../17)

  1. 1.

    eine Forderung für die Zeit von Januar 2017 bis Mai 2017 in Höhe von insgesamt 16.545,05 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 3.309,01 € seit dem 5. Januar 2017, dem 4. Februar 2017, dem 4. März 2017, dem 6. April 2017 und dem 5. Mai 2017 jeweils bis zum 22. Mai 2017,

  2. 2.

    eine weitere Forderung für die Zeit ab Juni 2017 in Höhe von 545.333,66 € zusteht.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf bis zu 125.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Klägerin begehrt Feststellung von Forderungen gegen den Nachlass des am 13. Dezember 2016 verstorbenen Dr. O..

Die am #. # 1953 geborene Klägerin und der am #. # 1948 geborene Erblasser schlossen im Jahr 1987 die Ehe miteinander. Für den Erblasser war es die zweite Ehe. Er war verwitwet und hatte aus erster Ehe drei Kinder. Ein weiteres Kind bekam er mit der Klägerin.

Am 7. November 2007 schlossen die Klägerin und der Erblasser vor dem Notar Dr. L.in B. einen Ehevertrag (Anlage K1, Bl. 8 f. d. A.), der einen Ehevertrag aus dem Jahr 1987 teilweise ersetzen sollte. Der Ehevertrag vom 7. November 2007 hat folgenden Inhalt:

I.

Vorbemerkung

Wir sind deutsche Staatsangehörige und haben am 26.06.1987 vor dem Standesbeamten des Standesamts B. miteinander die Ehe geschlossen.

Wir haben am 23.06.1987 einen Ehevertrag (UR-Nr. #/1987 des Notars V. in B.) geschlossen und für unsere Ehe den Güterstand der Gütertrennung vereinbart.

Die Gütertrennung ist am 04.08.1987 in das Güterrechtsregister des Amtsgerichts S. eingetragen worden.

Aufgrund unserer vorgetragenen Wünsche haben wir von dem beurkundenden Notar einen ersten Entwurf eines Ehevertrages (Stand 10.08.2007) erhalten. Aufgrund eines ausführlichen gemeinsamen Gespräches mit Herrn Notar Dr. L. und unserem Steuerberater, Herrn J. W., in B., wurde der heute vorliegende Ehevertrag entwickelt.

II.

Änderung des Güterstandes

1. Wir heben hiermit den Güterstand der Gütertrennung mit Wirkung zum heutigen Tag auf, um künftig im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft zu leben. Wir vereinbaren ausdrücklich, dass unser Anfangsvermögen das Vermögen ist, das jedem von uns am heutigen Tag gehört.

2. ...

III.

Modifizierte Zugewinngemeinschaft.

Nachdem wir von dem Notar über die Bedeutung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft belehrt worden sind, modifizieren wir diesen Güterstand für unsere Ehe wie folgt:

1. Für den Fall, dass der Güterstand auf andere Weise als durch den Tod eines von uns, insbesondere also durch Scheidung unserer Ehe, endet, schließen wir den Ausgleich des Zugewinns aus. Dieses gilt auch für den vorzeitigen Zugewinnausgleich bei einem Getrenntleben. Im Übrigen bleibt es beim gesetzlichen Güterstand, insbesondere auch beim Zugewinnausgleich im Todesfall.

Der Notar hat uns auf die Folgen der Vereinbarung dieser modifizierten Zugewinngemeinschaft hingewiesen und zwar insbesondere darauf, dass für den Fall der Scheidung unserer Ehe ein Ausgleich des Zugewinns nicht stattfindet.

Jeder von uns soll berechtigt sein, und zwar ohne dafür die Einwilligung des anderen Ehegatten zu benötigen, über seine Vermögenswerte frei zu verfügen; §§ 1365 und 1369 BGB bedingen wir hiermit ab.

Der Notar hat uns darüber belehrt, dass durch den Ausschluss der §§ 1365 und 1369 BGB jeder von uns berechtigt ist und bleibt, ohne Zustimmung des anderen sowohl über sein Vermögen im Ganzen als auch über die ihm gehörenden Gegenstände des ehelichen Haushalts frei - also ohne Zustimmung des anderen Ehegatten - zur verfügen.

3. (...)

IV.

Unterhalt und Versorgungsausgleich

Unsere im Ehevertrag vom 23.06.1987 zum Unterhalt und zum Versorgungsausgleich getroffenen Regelungen werden hiermit insgesamt aufgehoben und wie folgt neu gefasst:

1. Im Falle der Scheidung zahlt der Beteiligte zu 1 (Erblasser) der Beteiligten zu 2 (Klägerin), berechnet auf den Tag der Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages pro vollendetem Jahr der Ehe einen einmaligen Betrag von 10.000 EUR (in Worten: EUR zehntausend). Dieser Betrag ist innerhalb von vier Wochen nach Rechtskraft des Scheidungsurteils fällig und zahlbar.

2. Der Beteiligte zu 1 zahlt der Beteiligten zu 2 einen jeweils im Voraus bis zum dritten Werktag eines Monats fälligen Trennungsunterhalt bzw. nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 3.000 EUR (in Worten: EUR dreitausend). Nach Renteneintritt der Beteiligten zu 2, spätestens jedoch mit Vollendung des 65. Lebensjahrs der Beteiligten zu 2, ermäßigt sich der monatliche Unterhalt auf 2.700 EUR (in Worten: EUR zweitausendsiebenhundert). Die vorstehende Unterhaltsverpflichtung ist unabhängig davon, welche Einkünfte die Beteiligte zu 2 erzielt.

Bei der Berechnung des Unterhaltes sind die Beteiligten von folgenden Voraussetzungen ausgegangen:

a) Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Beteiligten zu 1.

- Vermögen (abzüglich aller Verbindlichkeiten): € 3.000.000

- monatliches Nettoeinkommen (nach Abzug aller Steuern, Sozial-, Renten-, Versicherungs-, Zins-, Tilgungs- und Unterhaltsleistungen an die Kinder des Beteiligten zu 1, € 10.000.

b) Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten zu 2

- Vermögen (abzüglich aller Verbindlichkeiten): € 300.000

- monatliches Nettoeinkommen (nach Abzug aller Steuern, Sozial-, Renten-, Versicherungs-, Zins-, Tilgungs- und Unterhaltsleistungen an die Kinder bzw. Adoptivkinder der Beteiligten zu 2 € 1.500.

c) Gemeinsamer ehelicher Bedarf € 9.000

3. Ändert sich der vom statistischen Bundesamt festgestellte Verbraucherpreisindex für Deutschland (Basis 2.000 = 100) gegenüber dem Index für den Monat der Beurkundung dieses Vertrages um 5 % oder mehr, so ändert sich der gegebenenfalls gemäß Ziffer 2. zu zahlende Unterhalt von dem auf die Änderung des Index folgenden Monatsersten prozentual im gleichen Verhältnis. Ändert sich der Index erneut um mehr als 5 % gegenüber dem Stand der jeweils letzten Anpassung, so ändert sich der gegebenenfalls zu zahlende Unterhalt jeweils prozentual im gleichen Verhältnis mit Wirkung von dem auf die Indexänderung folgenden Monatsersten an.

Wird der Verbraucherpreisindex für Deutschland durch das Statistische Bundesamt nicht fortgeführt, so ist der an seine Stelle Kraft amtlicher Veröffentlichung tretende Preisindex für die Anpassung des Unterhalts maßgebend.

Der Notar wird beauftragt, zu der in diesem Vertrag vereinbarten Wertsicherungsklausel die Genehmigung des Bundesamtes für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) zu beantragen. Der Notar wies darauf hin, dass die Wertsicherungsklausel bis zur Genehmigung schwebend unwirksam ist.

4. Der vorstehend vereinbarte Unterhalt kann unter den Voraussetzungen des § 323 ZPO gerichtlich bei wesentlicher Veränderung der Verhältnisse angepasst und/oder befristet werden.

5. Zur Sicherung des vorstehenden Unterhaltsanspruchs bewilligt der Beteiligte zu 1 und beantragt die Beteiligte zu 2 eine Rentenreallast in das Grundbuch von B. Blatt 2972 einzutragen. Zur Löschung dieser Reallast soll der Nachweis des Ablebens der Berechtigten genügen.

Der Rentenreallast darf die im Grundbuch in Abteilung II. unter Nr. 1 eingetragene Vormerkung zur Sicherung des Anspruchs auf Rückauflassung für die Gemeinde B. vorgehen.

Der Beteiligte zu 1 behält sich vor, im Rang vor der bestellten Reallast Grundpfandrechte bis zu einer Höhe von 500.000 EUR nebst jeweils bis zu 20 % Zinsen jährlich seit dem Tage der jeweiligen Grundpfandrechtsbestellung und einmaligen Nebenleistung in Höhe von bis zu 10 % des jeweiligen Grundpfandrechtkapitals in das Grundbuch eintragen zu lassen. Der Rangvorbehalt kann mehrfach ausgenutzt werden. Der Beteiligte zu 1 bewilligt und beantragt einen entsprechenden Rangvorbehalt zur Reallast in das Grundbuch einzutragen.

(...)

6. Der Notar wies die Beteiligten darauf hin, dass die vorstehend vereinbarte Unterhaltsleistung losgelöst von einer etwaigen gesetzlichen Unterhaltspflicht bzw. Unterhaltsberechtigung ist, dass insbesondere die von der Beteiligten zu 2 erzielten Einkünfte entgegen den gesetzlichen Regelungen nicht unterhaltsmindernd berücksichtigt werden und dass die Beteiligten eine Anpassung der Unterhaltsleistungen nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 323 ZPO verlangen können und die Unterhaltsleistung nicht zeitlich befristet ist. Die Beteiligten erklärten, dass sie trotz fehlender Befristung der Unterhaltsleistung und Nichtberücksichtigung der gesetzlichen Regelungen zur Unterhaltspflicht, Unterhaltspflichtigkeit und Unterhaltshöhe und entgegen dem Rat des beurkundenden Notars die vorstehende Regelung wünschen und die damit verbundenen Härten in Kauf nehmen.

7. Mit Rücksicht auf die vorstehenden Regelungen schließen die Vertragsparteien den Versorgungsausgleich im Falle der Scheidung ihrer Ehe aus.

Der Notar wies die Beteiligten auf die Bedeutung des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs hin, insbesondere darauf, dass ein Ausgleich der in der Ehezeit erworbenen Anwartschaften oder Aussichten auf eine Versorgung wegen Alters oder verminderter Erwerbsfähigkeit, gleich aus welchem Grunde, nach Scheidung der Ehe nicht stattfindet und darauf, dass der Ausschluss des Versorgungsausgleichs für den Fall unwirksam ist, wenn innerhalb eines Jahres nach Beurkundung dieser Vereinbarung der Antrag auf Scheidung der Ehe gestellt wird. Für diesen Fall beantragen die Beteiligten die familiengerichtliche Genehmigung des Ausschlusses des Versorgungsausgleichs.

8. Die Beteiligten erklären, dass sie keine weiteren Regelungen zum Unterhalt und zum Versorgungsausgleich, gleich welcher Art, wünschen.

V. Pflichtteilsverzicht

Wir verzichten hiermit wechselseitig auf unsere mit dem Ableben des Erstversterbenden von uns entstehenden Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche und nehmen diesen Verzicht hiermit wechselseitig an.

Im Jahr 2009 ließ der Erblasser zur Besicherung von Krediten aus betrieblichen Gründen auf dem in Nr. 5 des vorgenannten Ehevertrages näher bezeichneten Grundstücks eine Grundschuld in Höhe von 400.000,00 € eintragen.

Im Jahr 2011 wurde die Ehe rechtskräftig geschieden. Im Anschluss kam es zu einem Unterhaltsverfahren vor dem Familiengericht Amtsgericht S. zum Aktenzeichen 21 F #/12 UE. Der Erblasser wurde mit Beschluss vom 2. September 2013 dazu verpflichtet, an die Klägerin beginnend mit dem Monat Juni 2013 laufenden nachehelichen Unterhalt in Höhe von monatlich 3.151,43 €, jeweils fällig bis zum 3. Werktag eines jeden Monats im Voraus zu zahlen (vgl. Anlage K2 - Bl. 13 ff. d. A.).

Bis einschließlich November 2016 zahlte der Erblasser der Klägerin den titulierten Unterhalt. Am 13. Dezember 2016 verstarb er. Alleinerbin ist seine Tochter K. O.. Auf Antrag der Erbin wurde vom Amtsgericht S. zum Aktenzeichen # am 22. Mai 2017 das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt.

Ein Unterhaltsanspruch für den Monat Dezember 2016 in Höhe von 3.309,01 € wurde durch den Beklagten zur Tabelle festgestellt. Die Feststellung weiterer Ansprüche der Klägerin für die Zeit ab Januar 2017 lehnte er ab mit der Begründung, die Unterhaltsverpflichtung des Erblassers sei mit seinem Tod erloschen. Zudem könnten familienrechtliche Unterhaltsansprüche im Insolvenzverfahren für die Zeit nach Eröffnung gemäß § 40 InsO nicht geltend gemacht werden.

Im Jahr 2017 ließ der Beklagte eine Grundschuld zugunsten der Masse in Höhe von 100.000,00 € im Rang vor der Rentenreallast eintragen. Im Rahmen des Nachlassinsolvenzverfahrens entfällt auf diese Grundschuld ein Betrag von 84.190,75 €. Die Klägerin hat das für unzulässig gehalten und hierzu behauptet, es sei mündlich mit dem Erblasser vor Abschluss des Ehevertrags aus dem Jahr 2007 vereinbart worden, dass dieser von dem Rangvorbehalt der Rentenreallast nur Gebrauch machen werde, wenn dies für betriebliche Sicherheiten erforderlich würde. Für außerbetriebliche, also private Belange, werde er den Rangvorbehalt nicht oder jedenfalls nur mit ausdrücklichem Einverständnis der Klägerin nutzen.

Die Klägerin hat in erster Instanz die Ansicht vertreten, aus § 1586b BGB ergebe sich, dass der Unterhaltsanspruch aus dem Ehevertrag auch nach dem Tod des Schuldners fortbestehen würde. Die Vorschrift des § 40 InsO sei auf das Nachlassinsolvenzverfahren entsprechend anzuwenden mit der Folge, dass auch Ansprüche für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Tabelle angemeldet werden könnten.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt,

  1. 1.

    festzustellen, dass der Klägerin in dem Insolvenzverfahren über den Nachlass des Herrn Dr. O. eine Forderung für die Zeit von Januar 2017 bis Mai 2017 in Höhe von insgesamt 16.545,05 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 3.309,01 € seit dem 5. Januar 2017, dem 4. Februar 2017, dem 4. März 2017, dem 6. April 2017 und dem 5. Mai 2017 zusteht,

  2. 2.

    festzustellen, dass der Klägerin in dem Insolvenzverfahren über den Nachlass des Herrn Dr. O. eine Forderung für die Zeit ab Juni 2017 in Höhe von 545.333,66 € (kapitalisierter und abgezinster Unterhaltsbetrag bis zum Lebensende der Klägerin) zusteht,

  3. 3.

    hilfsweise und für den Fall des Obsiegens mit den Anträgen zu 1. und/oder 2. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 84.190,75 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise für den Fall, dass die Klägerin mit ihren Anträgen zu 1. und/oder 2. ganz oder teilweise durchdringen sollte, die Anpassung der Höhe der Unterhaltsansprüche der Klägerin auf Null.

Der Beklagte hat gemeint, dass die Unterhaltsansprüche gemäß § 1586b Abs. 1 BGB nach dem Tod des Verpflichteten nur dann auf den Erben übergingen, wenn nicht, wie vorliegend, ein Verzicht auf den Pflichtteilsanspruch erklärt worden sei. Dies würde sich aus § 1586b Abs. 1 Satz 3 BGB ergeben. Außerdem würde § 40 InsO den Ansprüchen entgegenstehen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Es hat gemeint, die Klägerin habe für die Zeit nach dem Tod des Erblassers keinen Anspruch mehr auf Zahlung von Unterhalt. Zwar gehe gemäß § 1586b Abs. 1 Satz 1 BGB mit dem Tod des Verpflichteten die Unterhaltspflicht auf den Erben als Nachlassverbindlichkeit über. Gemäß § 1586b Abs. 1 Satz 3 BGB hafte der Erbe aber nicht über einen Betrag hinaus, der dem Pflichtteil entspricht, welcher dem Berechtigten zustände, wenn die Ehe nicht geschieden worden wäre. Im Streitfall sei der Ehevertrag auszulegen, ob aus dem zwischen den Ehegatten vereinbarten gegenseitigen Pflichtteilsverzicht abgeleitet werden könne, dass der Verzichtende gegen die Erben des Erblassers keine Unterhaltsansprüche mehr geltend machen könne. Unter Auswertung von Literatur und Kommentarmeinungen sowie Gesetzesbegründung hat das Landgericht gemeint, bei einem Pflichtteilsverzicht habe der Geschiedene schon vor der Ehescheidung nichts mehr zu erwarten, wofür ihm ein Ersatz geboten werden müsse. § 1933 Satz 3 BGB und § 1586b BGB seien wechselseitig aufeinander abgestimmt und stellten die Entschädigung für ein verlorenes gesetzliches Erbrecht dar. Daher ließe ein Pflichtteilsverzicht die Anwendbarkeit von § 1586b BGB entfallen (unter Verweis auf MüKo Maurer, 8. Aufl., § 1586b Rn. 15 sowie Staudinger/Baumann 2014, § 1586b Rn. 34-37). Vorliegend sei der Pflichtteilsverzicht in dem Ehevertrag geregelt worden, der auch die Unterhaltsverpflichtung enthalte. Nach dem mutmaßlichen Willen habe daher keine Besserstellung der Unterhaltsberechtigten bei einer Scheidung eintreten sollen. Es sei fernliegend anzunehmen, dass die Vertragsparteien die Erben bewusst von Pflichtteilsansprüchen freihalten wollten, ihnen aber gleichzeitig die Belastung mit nachehelichen Unterhaltsansprüchen hätten aufbürden wollen. Es könne dahinstehen, ob § 40 Abs. 1 InsO anwendbar sei. Mangels Hauptanspruchs bestehe auch kein Anspruch auf Zahlung von Verzugszinsen und sei der Hilfsantrag ebenfalls nicht begründet.

Dagegen wendet die Klägerin sich mit der Berufung. Sie meint, das Landgericht habe überraschend entschieden, nachdem es vor Abfassung der Entscheidung nur auf die Unanwendbarkeit von § 40 InsO hingewiesen habe. Die vom Landgericht vorgenommene Auslegung des Ehevertrags sei unzureichend, das Landgericht habe der Klägerin nicht weitergehenden Vortrag zu Sinn und Zweck des Ehevertrages ermöglicht. Gemeinsamer Wille der Ehegatten sei es gewesen, dass der Unterhaltsanspruch bis zum Tode der Klägerin bestehe. Denn die Klägerin habe im Anschluss an ihr Studium eine Anstellung in einer leitenden Funktion bei einem renommierten Unternehmen aufgegeben, als sie den Erblasser, Witwer und Vater von drei Kindern, kennenlernte und zu ihm und zu seiner Familie gezogen sei. Sie habe für die drei Halbwaisen die Mutterrolle übernommen, später noch das gemeinsame Kind mit dem Erblasser bekommen. Sie habe den Haushalt der Familie geführt und sich umfassend um die administrativen Belange der Arztpraxis, des Dentallabors und der späteren homöopathischen Praxis des Erblassers gekümmert. Sozialversicherungspflichtige Leistungen habe die Klägerin für Ihre Mühe nicht erhalten. Sie selbst habe den Betrieb des Erblassers als Familienbetrieb angesehen, für den das Prinzip eines Beschäftigungsverhältnisses mit festen Bezügen nicht gegolten habe. Dem Erblasser wie auch der Klägerin sei klar gewesen, dass dadurch für die Klägerin Rentenversicherungsbeiträge nicht gezahlt wurden. Für ihre Tätigkeit in dem der Rechtsform einer GmbH geführten Dentallabor GmbH seien zugunsten der Klägerin allerdings in geringem Umfange Altersvorsorgebeiträge geleistet worden, die ungesichert blieben. Folgte man der Auffassung des Landgerichts bedeutete dies, dass die Klägerin, wäre die Ehe mit dem Erblasser durch seinen Tod und nicht durch Scheidung beendet worden, mittellos dagestanden hätte. Erbrechtliche Ansprüche und Unterhaltsansprüche hätten ihr dann nicht zugestanden. Ansprüche auf Zugewinnausgleich wären aller Voraussicht nach gering gewesen, da die Parteien als Anfangsvermögen das Vermögen am 7. November 2007 angegeben hätten. Der Pflichtteilsverzicht sei nur erfolgt, weil die Klägerin angenommen habe, dass sie zeitlebens Unterhalt bekomme.

Sie beantragt nach Rücknahme des Hilfsantrags (Bl. 146/147, 191, 194 d. A.),

  1. 1.

    festzustellen, dass der Klägerin in dem Insolvenzverfahren über den Nachlass des Herrn Dr. O. eine Forderung für die Zeit von Januar 2017 bis Mai 2017 in Höhe von insgesamt 16.545,05 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 3.309,01 € seit dem 5. Januar 2017, dem 4. Februar 2017, dem 4. März 2017, dem 6. April 2017 und dem 5. Mai 2017 zusteht,

  2. 2.

    festzustellen, dass der Klägerin in dem Insolvenzverfahren über den Nachlass des Herrn Dr. O. eine Forderung für die Zeit ab Juni 2017 in Höhe von 545.333,66 € zusteht.

Der Beklagte beantragt (Bl. 138, 194 d. A.),

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise nach seinem in erster Instanz gestellten Hilfsantrag die Höhe der Unterhaltsansprüche der Klägerin auf Null abzuändern.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung. Der unterbliebene Vortrag der Klägerin beruhe nicht auf einer Verletzung der Hinweispflicht durch das Landgericht. Die Klägerin habe durch den Ehevertrag auch Vorteile erhalten, weil nämlich in dem Ehevertrag von 2007 in Änderung der aus einem ersten Vertrag aus dem Jahr der Eheschließung im Jahr 1987 vereinbarten Gütertrennung nunmehr Zugewinngemeinschaft vereinbart worden sei. Außerdem sei der Unterhaltsanspruch mit 3.000,00 € unabhängig von den Einkünften der Klägerin bemessen gewesen, indexbasiert und durch eine Rentenreallast abgesichert worden. Aus dem Ehevertrag ergebe sich an keiner Stelle, dass es der Wunsch des Erblassers gewesen ist, seine Erben fortdauernd bis zum Tode der geschiedenen Ehefrau mit Unterhaltsverpflichtungen in Höhe von 3.000,00 € zu belasten. Vielmehr sollte der Pflichtteilsverzicht die Erben gerade vor der Geltendmachung von Ansprüchen der Klägerin schützen.

Unrichtig sei auch der Vortrag aus der Berufungsbegründung, dass die Klägerin sich für die Familie aufgeopfert habe. Die Klägerin sei von Juli 1990 bis Oktober 2009 angestellte Geschäftsführerin der B. Dentallabor GmbH, deren alleiniger Gesellschafter der Erblasser war, gewesen und habe dafür bis mindestens Oktober 2010 ein monatliches Bruttogehalt in Höhe von zuletzt 4.000,00 € erhalten. Im Rahmen dieses Beschäftigungsverhältnisses habe die Klägerin eine Pensionszusage in Form einer Altersrente von monatlich 3.000,00 DM erhalten, die durch eine verpfändete Rückdeckungsversicherung gesichert gewesen sei. Hinzu sei eine monatliche Vergütung in Höhe von zuletzt 400,00 € monatlich im Zeitraum von Mai 2004 bis Oktober 2009 für die Tätigkeit der Klägerin für die Dr. O. & Partner GbR gekommen. Es habe mithin keinen Grund gegeben, dass der Erblasser der Klägerin darüber hinaus eine lebenslange Absicherung unabhängig von dem Bestehen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs habe zusichern wollen. Wie der Beklagte bereits in der Klagerwiderung ausgeführt habe, wäre das Ergebnis selbst dann nicht anders, wenn die Klägerin keinen Pflichtteilsverzicht vereinbart hätte, weil es auch dann keine Haftung der Erben für Unterhaltsverpflichtungen gebe. Die Erbenhaftung setze gemäß § 1586b Abs. 1 Satz 3 BGB nicht nur voraus, dass dem Unterhaltsberechtigten überhaupt ein Pflichtteilsanspruch zugestanden hätte, sondern die Erbenhaftung sei beschränkt auf den Wert des fiktiven Pflichtteils. Im vorliegenden Fall wäre der Pflichtteilsanspruch nichts wert gewesen, weil der Nachlass des Erblassers überschuldet gewesen sei, was durch das eröffnete Insolvenzverfahren belegt sei. Schließlich stehe den Ansprüchen der Klägerin die Regelung des § 40 InsO entgegen. Wäre der Erblasser schon zu Lebzeiten in Insolvenz geraten, wäre die Klägerin mit Unterhaltsforderungen für die Zeit nach Insolvenzeröffnung ausgeschlossen. Für die Insolvenz im Todesfall könnte nichts anderes gelten.

Wegen der weiteren Feststellungen nimmt der Senat auf das angefochtene Urteil sowie auf das Sitzungsprotokoll und die eingereichten Schriftsätze und Anlagen Bezug.

II.

Die Berufung ist - nach Rücknahme des Hilfsantrags - ganz überwiegend begründet.

Bei den von der Klägerin angemeldeten Forderungen handelt es sich um eine Nachlassverbindlichkeit gemäß § 325 InsO.

1. Das Landgericht ist zu aus seiner Sicht richtigem Ergebnis gelangt, weil es gemeint hat, bei den von der Klägerin geltend gemachten und zur Tabelle angemeldeten Forderungen handele es sich um gesetzliche Unterhaltsansprüche mit der Folge, dass § 1586b BGB Anwendung findet. In der Folge hat das Landgericht mit vertretbarer Ansicht sodann angenommen, dass vorliegend wegen des Pflichtteilsverzichts der Klägerin von den Erben des Erblassers keinerlei Unterhaltsleistung mehr geschuldet ist und hat deswegen folgerichtig die Klage abgewiesen.

2. Den tatsächlichen Schwerpunkt des Rechtsstreits hat das Landgericht indessen verkannt. Die Klägerin weist mit der Berufungsbegründung zutreffend darauf hin, dass vorliegend die Frage zu klären ist, ob sich aus dem Ehevertrag das Fortbestehen des Unterhaltsanspruchs der Klägerin über den Tod des Erblassers hinaus als selbständige Vereinbarung ergibt. § 1586b BGB findet nämlich nur auf "gesetzliche" Unterhaltsansprüche Anwendung. Wenn wie vorliegend Unterhaltsvereinbarungen zwischen dem Erblasser und dem Gläubiger geschlossen worden sind, kommt es darauf an, ob nur konkretisierende, d. h. die Unterhaltspflicht ausgestaltende, unselbständige Unterhaltsvereinbarungen zwischen dem geschiedenen Ehegatten und dem Erblasser vorliegen, die den Erben nur im Umfang von § 1586b BGB binden, oder eine selbständige Unterhaltsvereinbarung vorliegt. Bei vom gesetzlichen Unterhaltsanspruch unabhängigen selbständigen Unterhaltsvereinbarungen ist entscheidend, ob diese nach dem Willen der Vertragsbeteiligten auch über den Tod des Verpflichteten hinaus gelten sollten (Grüneberg/v. Pückler, BGB, 82. Aufl., § 1586b Rn. 9; BGH, Beschluss vom 4. August 2004 - XII ZB 38/04 -, BGHZ 160, 186-190 = FamRZ 2004 1546, zitiert nach juris, dort Rn. 12 ff.).

a) Im vorliegenden Fall haben die Klägerin und der Erblasser in dem Ehevertrag vom 7. November 2007 unter IV. eine selbständige Unterhaltsvereinbarung geschlossen. Das ergibt sich ausdrücklich aus IV. 6. des notariellen Ehevertrags. Dort heißt es:

Der Notar wies die Beteiligten darauf hin, dass die vorstehend vereinbarte Unterhaltsleistung losgelöst von einer etwaigen gesetzlichen Unterhaltspflicht bzw. Unterhaltsberechtigung ist, dass insbesondere die von der Beteiligten zu 2 erzielten Einkünfte entgegen den gesetzlichen Regelungen nicht unterhaltsmindernd berücksichtigt werden und dass die Beteiligten eine Anpassung der Unterhaltsleistung nur nach Maßgabe der Bestimmungen des § 323 ZPO verlangen können und die Unterhaltsleistung nicht zeitlich befristet ist. Die Beteiligten erklären, dass sie trotz fehlender Befristung der Unterhaltsleistung und Nichtberücksichtigung der gesetzlichen Regelung zur Unterhaltspflicht, Unterhaltspflichtigkeit und Unterhaltshöhe und entgegen dem Rat des beurkundenden Notars die vorstehende Regelung wünschen und die damit verbundenen Härten in Kauf nehmen.

Die vertragliche Verpflichtung des Erblassers zu Unterhaltszahlungen an die Klägerin bestand mithin - ungeachtet der Bezeichnung als "Unterhaltsanspruch" - unabhängig von einer gesetzlichen Unterhaltspflicht. Davon ist auch das Amtsgericht - Familiengericht - S. in seinem Beschluss vom 2. September 2013 ausgegangen und hat auf Seite 6 des vorgenannten Beschlusses (Anlage K2 - Bl. 13/18 d. A.) ausgeführt: "Der vorliegende Ehevertrag stellt eine privatschriftliche Vereinbarung dar, die notariell beglaubigt wurde und einen rein vertraglichen Anspruch der Antragstellerin begründet." Der Beklagte selbst hat in seinem vorgerichtlichen Schreiben vom 10. August 2017 (Anlage K3 zur Klagschrift - Bl. 22 d. A.) diese Auffassung noch geteilt, in dem er darauf verwiesen hat, dass "aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung des Ehevertrags vom 07.11.2007 (u.a. IV § 6 und V. des Ehevertrags) davon auszugehen (sei), dass die Vertragsparteien die Bestimmungen im Ehevertrag vom 07.11.2007 bewusst abweichend von den gesetzlichen Unterhaltsvorschriften gewählt haben."

b) Die Ausgestaltung der Vereinbarung, die nur auf den Zeitpunkt des Renteneintritts bzw. das Erreichen einer Altersgrenze der Vollendung des 65. Lebensjahres der bei Vertragsschluss 54-jährigen Klägerin eingeht und zu einer Reduzierung des Unterhaltsanspruchs in Höhe von 300,00 € führen sollte, während auf den Renteneintritt des fünf Jahre älteren Erblassers als Unterhaltspflichtigem und damit verbundene naturgemäß zu erwartende Einkommenseinbußen nicht abgestellt worden ist, lässt unter Berücksichtigung der weiteren Regelungen des Ehevertrages und des Versorgungszwecks den Schluss darauf zu, dass die Unterhaltsberechtigung der Klägerin bis zu deren Tod andauern sollte.

aa) Die Klägerin hatte im Falle der Ehescheidung keine zusätzlichen Ansprüche auf eine lebenslange Altersversorgung aus dem Versorgungsausgleich zu erwarten, weil dieser im Ehevertrag "mit Rücksicht auf die vorstehenden Regelungen" ausgeschlossen worden ist. Auch war durch die Konstruktion der modifizierten Zugewinngemeinschaft für den Fall der Ehescheidung ein Zugewinn ausgeschlossen. Zwar sollte die Klägerin für jedes Jahr der Ehe im Fall der Scheidung 10.000 € erhalten und hatte im Jahr 2007 nach 20 Jahren Ehe mindestens 200.000 € zu erwarten. Für den Fall, dass der Erblasser vor der Ehescheidung versterben würde, hätte der Klägerin zwar ein Zugewinnausgleichsanspruch zugestanden, dessen Werthaltigkeit indessen, worauf die Klägerin mit Recht verweist, völlig unklar war.

Dass die Klägerin im Falle des Erreichens der für den Rentenbeginn maßgeblichen Altersgrenze keine hohe Rente zu erwarten hatte, ergibt sich zur Überzeugung des Senats daraus, dass der Unterhaltsanspruch der Klägerin sich dann nur um 300 € verringern sollte. Soweit der Beklagte mit der Berufungserwiderung vom 19. September 2022 (Bl. 164 ff. d. A.) als Anlagen B3 und B4 (Bl. 176 bzw. 177 d. A.) zwei Gehaltsabrechnungen vorgelegt hat, wonach die Klägerin als Gehalt von der B. Dentallabor GmbH bis Oktober 2010 ein Monatsgehalt von 4.000 € und von der Dr. O. und Partner GbR darüber hinaus bis zum Jahr 2009 monatlich 400 € erhalten haben soll, ergibt sich aus beiden Abrechnungen, dass sozialversicherungsrechtliche Abzüge an die Rentenversicherung gerade nicht erfolgt sind.

Für eine lebenslange Unterhaltsrente der Klägerin spricht auch, dass die Ehegatten eine Befristung der Unterhaltsverpflichtung bis zum Tod des Erblassers bewusst nicht in den Ehevertrag aufgenommen haben (vgl. IV. Nr. 6).

Weil es auf die Bedürftigkeit der Klägerin für den streitgegenständlichen Anspruch nicht ankam, war die Möglichkeit einer Unterhaltsabänderung nach § 323 ZPO sehr eingeschränkt. Die Parteien des Ehevertrages gingen wegen der sehr guten Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Erblassers ersichtlich von einer unbeschränkten Leistungsfähigkeit des Erblassers bis zu seinem Tod und im Hinblick auf den zu erwartenden hohen Nachlass auch über seinen Tod hinaus aus.

bb) Auch die Regelung in Ziff. IV. Nr. 5. des Ehevertrages, wonach zur Löschung der zu Gunsten der Klägerin von dem Erblasser bewilligten Eintragung einer Reallast in das Grundbuch von B. Bl. # "der Nachweis des Ablebens der Berechtigten (Klägerin) genügen sollte", spricht dafür, dass die Unterhaltszahlungen erst mit dem Tod der Klägerin enden sollten. Die Ehegatten haben keine zusätzliche Regelung dergestalt getroffen, dass ein Anspruch auf Zustimmung zur Aufhebung der Reallast auch in dem Fall besteht, dass ein Unterhaltsanspruch der Klägerin nicht mehr besteht und/oder der Ehemann verstorben ist.

cc) Das Argument des Landgerichts, durch den Pflichtteilsverzicht hätten die Parteien zum Ausdruck gebracht, dass der Erbe nicht mit Unterhaltsansprüchen belastet werden solle, verfängt nicht. Der Pflichtteilsverzicht der Klägerin ist gerade bei einem lebenslangen Anspruch auf "Unterhalt" sinnvoll. Anderenfalls hätte die Klägerin neben dem Unterhalt nach dem Tod des Erblassers auch noch zusätzlich den Pflichtteil beanspruchen können, wenn die Ehe nicht geschieden gewesen wäre oder jedenfalls die Voraussetzungen der Ehescheidung nicht vorgelegen hätten. Insoweit waren die Erben also entlastet.

dd) Selbst wenn vorliegend noch gewisse Zweifel bestünden, ob eine "Unterhaltsverpflichtung" über den Tod des Erblassers hinaus bestehen sollte, würde die Klägerin im Rechtsstreit obsiegen. Denn lässt sich die Frage, ob beim rein vertraglichen Anspruch der Vertrag nach seinem Inhalt dahin auszulegen ist, dass das Leistungsversprechen nicht auch für die Erben des Versprechenden gelten sollte, nicht klären, haftet der Erbe des Versprechenden im Zweifel nach den allgemeinen Vorschriften (§§ 1922, 1967 BGB; so Wendl/Dose/Bömelburg, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., 2019, Rn. 127, zitiert nach beck-online). In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat der Beklagte in Bezug auf das Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 10. Februar 2023 (Bl. 182 d. A.) im Übrigen erklärt, er stelle nicht die vom Senat vorgenommene Auslegung in Frage, dass über den Tod hinaus eine Leistungspflicht des Erblassers bestanden habe, sondern meine, dass der Senat die insolvenz-rechtlichen Besonderheiten, insbesondere § 40 InsO, nicht hinreichend berücksichtigt habe.

3. Die Regelung des § 40 InsO steht der Anmeldung der Forderung zur Insolvenztabelle nicht entgegen. Entscheidend ist allein, ob es sich bei der von der Klägerin geltend gemachten Forderung um eine Nachlassverbindlichkeit handelt, was - wie zuvor ausgeführt - zu bejahen ist.

Gemäß § 40 InsO können familienrechtliche Unterhaltsansprüche gegen den Schuldner im Insolvenzverfahren für die Zeit nach Eröffnung nur geltend gemacht werden, soweit der Schuldner als Erbe des Verpflichteten haftet. Die Regelung des § 100 InsO bleibt davon unberührt. Die in § 40 formulierte Ausnahme besagt, dass auch die erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstehenden Unterhaltsansprüche im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Erben des Unterhaltspflichtigen Insolvenzforderungen sind, soweit sie nach den Bestimmungen des Unterhaltsrechts passiv vererbt werden, d.h. sich gegen den Erben richten (Henckel in: Jaeger, Insolvenzordnung, 1. Aufl. 2004, § 40 Unterhaltsansprüche, zitiert nach juris, dort Rn. 9). Die passiv vererblichen Unterhaltsansprüche können nicht nur im Nachlassinsolvenzverfahren, sondern auch im Insolvenzverfahren über das gesamte Vermögen des Erben, das den Nachlass mitumfasst, und im Eigenkonkurs des unbeschränkt haftenden Erben für die Zukunft geltend gemacht werden (Henckel in: Jaeger, Insolvenzordnung, 1. Aufl. 2004, § 40 Unterhaltsansprüche, zitiert nach juris, dort Rn. 10).

4. a) Die Höhe der geltend gemachten zur Tabelle angemeldeten Hauptforderungen und deren Berechnung hat der Beklagte als Insolvenzverwalter nicht angegriffen.

Die Berechnung der Klägerin ist auch schlüssig. Sie hat zum einen die bis zur Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens entstandenen Ansprüche konkret beziffert und für die Zeit danach einen Kapitalbetrag, bezogen auf die statistische Lebenserwartung der Klägerin berechnet, und diesen abgezinst. Die Klägerin hat hierfür auf § 41 Abs. 2 Satz 2 InsO abgestellt, was zwar nicht zutrifft, aber im Ergebnis unschädlich ist. Es gelten § 46 Satz 2, § 45 InsO. Es handelt sich vorliegend nämlich um wiederkehrende Leistungen, deren Dauer unbestimmt ist. Die Leistungspflicht endet mit dem Tod der Klägerin, dessen Zeitpunkt nicht vorhersehbar ist. Gemäß § 45 Satz 1 InsO sind Forderungen, deren Geldbetrag unbestimmt sind, mit dem Wert geltend zu machen, der für die Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens geschätzt werden kann. Der von der Klägerin vorgenommene Berechnungsweg mit der statistischen Lebenserwartung lässt eine Schätzung jedenfalls zu (MüKo-InsO/Riedel, 4. Aufl. 2019, InsO § 174 Rn. 14-17, zitiert nach beck-online). Der Beklagte ist dieser Rechenweise auch nicht entgegengetreten.

b) Hinsichtlich der für den Zeitraum von Januar bis Mai 2017 monatlich gestaffelten Zinsforderungen ist der Einwand des Beklagten erheblich, dass es sich für die Zeit nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 39 Abs. 1 Nr. 1 InsO um nachrangige Insolvenzforderungen handelt. Solche dürfen erst nach Aufforderung durch das Insolvenzgericht angemeldet werden (§ 174 Abs. 3 Satz 1 InsO). Soweit die Klägerin festgestellt haben möchte, dass es sich bei den ab Eröffnung des Insolvenzverfahrens laufenden Zinsen um eine Insolvenzforderung im Sinne von § 38, § 325 InsO handelt und nicht um eine nachrangige Forderung, ist ihre Klage daher abzuweisen (vgl. auch MüKoInsO/Riedel, 4. Aufl. 2019, InsO § 174 Rn. 38-40a).

5. Ihren Hilfsantrag, der darauf gerichtet ist, im Falle des Obsiegens mit den Klaganträgen zu 1. und 2. weitere 84.091,75 € wegen der Ausnutzung des Rangvorbehalts von noch freien 100.000,00 € durch den Beklagten als Insolvenzverwalter zu erlangen, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 21. Februar 2023 (Bl. 191 d. A.) zurückgenommen.

6. Der "Hilfswiderantrag" des Beklagten im Schriftsatz vom 4. August 2021, dort Seite 4, Bl. 63 d. A., den er in der Berufungserwiderung auf Seite 6, Bl. 169 wiederholt hat, hat keinen Erfolg.

a) Der Antrag ist unzulässig. Der Beklagte meint, es habe sich um einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gehandelt, der bei wesentlicher Veränderung der Verhältnisse angepasst oder befristet werden könne. Für eine solche Abänderung des Titels des Amtsgerichts S. vom 2. September 2013 zu 21 F 101/12 UE wäre das Familiengericht und nicht das Zivilgericht zuständig. Im Übrigen ist der Abänderungsantrag nicht bestimmt genug, weil weder der abzuändernde Unterhaltstitel noch der erstrebte Titel genau bezeichnet sind (Anders/Gehle, ZPO, 80. Aufl., § 323 Rn. 11).

b) Ferner ist der Antrag unbegründet. Soweit für wiederkehrende Leistungen aufgrund einer selbständigen Vereinbarung gemäß § 323 ZPO wegen veränderter Umstände eine Abänderung verlangt werden kann, endet eine solche Abänderungsmöglichkeit in Bezug auf eine Leistungsfähigkeit des Erblassers nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift mit dem Tod des Erblassers. Denn nach dem Tod kann der eigene angemessene Unterhalt des Erblassers nicht mehr gefährdet werden (vgl. zu § 1586b BGB: Bergschneider, FamRZ, 2003, 1049, 1053, dort 8., zitiert nach juris). Es war offensichtlich und vorhersehbar, dass das Einkommen aus der Erwerbstätigkeit mit dem Tod des Erblassers wegfällt. Die Ehegatten sind im Hinblick darauf, dass sie das Vermögen des Erblassers mit 3 Millionen Euro angegeben haben, nach Auffassung des Senats davon ausgegangen, dass aus dem Nachlass die laufenden monatlichen Unterhaltsverpflichtungen getilgt werden können. In der Person der Klägerin - außerhalb der Bedürftigkeit, die unbeachtlich sein sollte - liegende Umstände, die eine Abänderung rechtfertigten, sind weder dargetan noch sonst ersichtlich.

III.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1, 2 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen. Es handelt sich hier um eine auf den besonderen Umständen des Einzelfalls, nämlich der Auslegung eines Ehevertrages, beruhende Entscheidung.

Für den Streitwert ist die aufgrund der Quote von der Klägerin aus der Insolvenzmasse zu erwartende Leistung maßgeblich. Der Insolvenzverwalter hat mit Schriftsatz vom 26. Januar 2022 (Bl. 88 f. d. A.) vorgetragen, dass sich der Massebestand nach Abzug der Verfahrenskosten, vorrangig zu befriedigender Masseverbindlichkeiten und der Gerichtskosten für diesen Rechtsstreit auf 198.242,27 € belaufe. Es seien bislang Forderungen in Höhe von 340.161,33 € zur Insolvenztabelle festgestellt worden. Die Klägerin mache Forderungen von insgesamt 561.878,71 € geltend, sodass es sich um einen Gesamtbetrag von 902.040,04 € handele. Auf die Klägerin entfiele eine Quote von 21,98 %, entsprechend 123.500,94 €.

Der abgewiesene Hilfswiderantrag auf Abänderung des Unterhaltstitels hat ebenso wie der zurückgenommene Hilfsantrag der Klägerin eine Erhöhung des Wertes nicht zur Folge (§ 45 Abs. 1 Satz 2, 3 GKG).