Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 30.03.2023, Az.: 16 U 300/22
Rechte des Käufers eines vom sog. Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw; Höhe des Anspruchs auf Ersatz des Differenzschadens; Voraussetzungen und Umfang der Anrechnung von Nutzungsvorteilen und des Restwerts des Fahrzeugs auf den kleinen Schadensersatz
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 30.03.2023
- Aktenzeichen
- 16 U 300/22
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2023, 52104
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hildesheim - 20.04.2022 - AZ: 5 O 198/21
Rechtsgrundlagen
- § 826 BGB
- § 249 Abs. 1 BGB
Redaktioneller Leitsatz
Dem Käufer eines vom sog. Diesel-Abgasskandal betroffenen Pkw ist im Rahmen des kleinen Schadensersatzes kein Schaden entstanden, wenn die Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs dessen tatsächlichen Wert bei Abschluss des Kaufvertrages um die Höhe des Schadensersatzbetrages übersteigen.
Tenor:
- 1.
Der Verhandlungstermin für den 27. April 2023 um 10:30 Uhr vor dem Oberlandesgericht Celle wird aufgehoben.
- 2.
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für die Berufungsinstanz auf bis 6.000,00 EUR festzusetzen.
- 3.
Es wird erwogen, die Berufung des Klägers gegen das Urteil der Einzelrichterin der 5. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 20. April 2022 durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
- 4.
Dem Kläger wird Gelegenheit zur Stellungnahme - und zur evtl. Rücknahme der Berufung aus Kostengründen - binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses gegeben.
Gründe
Der Senat beabsichtigt nach vorläufiger Beratung, die Berufung des Klägers gemäß § 522 Abs. 2 ZPO als unbegründet zurückzuweisen. Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern nicht eine Entscheidung des Berufungsgerichts. Eine mündliche Verhandlung ist nicht geboten. Zudem hat die Berufung nach vorläufiger Beurteilung aus folgenden Gründen offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Gemäß § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung nur darauf gestützt werden, dass die Entscheidung, die angegriffen wird, auf einer Rechtsverletzung gemäß § 546 ZPO beruht oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Zur Überzeugung des Senats liegen solche Berufungsgründe nicht vor. Das Landgericht hat die Klage vielmehr zu Recht und im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung abgewiesen. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen. Die hiergegen von dem Kläger erhobenen Einwände greifen nicht durch.
Im Einzelnen:
1. Es wird zunächst darauf hingewiesen, dass der Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO nicht entgegensteht, dass bereits Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt worden war. Denn die Bestimmung eines Verhandlungstermins ist nicht als "Sperre" für Entscheidungen nach § 522 Abs. 1, 2 ZPO zu verstehen (vgl. OLG Celle, OLGR 2009, 650; OLG Düsseldorf, NJW 2005, 833 f. [OLG Düsseldorf 03.02.2005 - II-4 UF 150/04]; Zöller/Heßler, ZPO, 34. Aufl., § 522 Rn. 31 mwN).
2. Es kommt zwar, wenn unter Täuschung im EG-Typengenehmigungsverfahren bewusst eine unzulässige Motorsteuerungssoftware verbaut wird, eine deliktische Haftung des Herstellers nach §§ 826, 31 BGB grundsätzlich in Betracht (vgl. BGH, Urteile vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, juris; vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, VI ZR 367/19, VI ZR 397/19 sowie VI ZR 5/20 und vom 19. Januar 2021 - VI ZR 8/20; jew. juris; vgl. auch OLG Celle, Urteile vom 20. November 2019 - 7 U 244/18, juris Rn. 26 ff. und vom 22. Januar 2020 - 7 U 445/18, juris).
3. Im Streitfall kann jedoch dahinstehen, ob es zu einer sittenwidrigen Schädigung durch die Beklagte gekommen ist. Denn jedenfalls hat der Kläger keinen Schaden (mehr) erlitten.
a) Gemäß § 249 Abs. 1 BGB hat, wer zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Dabei kommt es darauf an, den Geschädigten wirtschaftlich möglichst so zu stellen, wie er ohne das schadenstiftende Ereignis stünde (BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20, NJW 2021, 3041 Rn. 13). Nach diesen Grundsätzen kann ein Geschädigter, der durch ein deliktisches Handeln eines Dritten, das einer bewussten arglistigen Täuschung gleichsteht, zum Abschluss eines Kaufvertrags bestimmt worden ist, von diesem verlangen, so gestellt zu werden, als habe er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen. Die deliktische Haftung erfasst dabei nicht das Erfüllungsinteresse oder positive Interesse, weil sie nicht an das Bestehen einer Verbindlichkeit und deren Nicht- oder Schlechterfüllung anknüpft. Sie beschränkt sich vielmehr auf das Erhaltungsinteresse und damit das negative Interesse. Der durch eine unerlaubte Handlung Geschädigte hat grundsätzlich keinen Anspruch darauf, besser zu stehen, als er stünde, wenn der Schädiger die unerlaubte Handlung nicht begangen hätte (BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20, aaO, Rn. 14 f.).
Liegt die Schädigung in dem Abschluss eines Kaufvertrags über ein bemakeltes Kraftfahrzeug (BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 44 ff.), ist der Geschädigte nicht darauf beschränkt, gegen die Erstattung des Kaufpreises unter Anrechnung einer Nutzungsentschädigung und sonstiger Vorteile die Kaufsache herauszugeben. Er kann die Kaufsache behalten. Als Schaden kann er dann den Betrag ersetzt verlangen, um den er den Kaufgegenstand - gemessen an dem objektiven Wert von Leistung und Gegenleistung - zu teuer erworben hat. Der Geschädigte wird damit so behandelt, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen. Da es sich hierbei nur um die Bemessung des verbliebenen Vertrauensschadens und nicht um die Frage einer Anpassung des Vertrags handelt, braucht der Geschädigte in diesem Fall entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts auch nicht nachzuweisen, dass sich der Vertragspartner auf einen Vertragsschluss zu einem niedrigeren Preis eingelassen hätte (BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20, aaO Rn. 16 ff., 21).
Beim kleinen Schadensersatz wird der zu ersetzende Vertrauensschaden auf die berechtigten Erwartungen des Geschädigten reduziert, die durch den zustande gekommenen Vertrag nicht befriedigt werden (vgl. BGH, Urteil vom 19. Mai 2006 - V ZR 264/05, BGHZ 168, 35 Rn. 21 mwN). Bei einem Kaufvertrag geschieht dies durch die Herabsetzung der Leistung des Geschädigten auf das tatsächlich angemessene Maß. Der Geschädigte wird damit so behandelt, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag zu einem niedrigeren Preis abzuschließen. Sein Schaden ist danach der Betrag, um den er den Kaufgegenstand zu teuer erworben hat (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juli 2021 - VI ZR 40/20, aaO Rn. 16). Maßgeblich für die Bemessung dieses "kleinen Schadensersatzes" ist grundsätzlich der Vergleich der Werte von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (BGH, Urteile vom 6. Februar 2018 - II ZR 17/17, NJW 2018, 1675 Rn. 20; vom 25. September 2018 - II ZR 27/17, juris Rn. 11).
Folglich kann der Geschädigte den Schaden ersetzt verlangen, der dadurch entstanden ist, dass er infolge des vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens der Beklagten einen Kaufvertrag über das Fahrzeug geschlossen hat, bei dem der objektive Wert der Gegenleistung (des Fahrzeugs) den objektiven Wert ihrer Leistung (des Kaufpreises) nicht erreicht. Abweichend von der allgemeinen Regel, dass es für die Berechnung des konkreten Schadens - sofern der Schuldner nicht bereits vorher seine Ersatzpflicht erfüllt - grundsätzlich auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz ankommt, ist für die Bemessung des sogenannten kleinen Schadensersatzes dabei grundsätzlich zunächst der Vergleich der Werte von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgeblich. Dies schließt eine schadensmindernde Berücksichtigung später eintretender Umstände im Rahmen der Vorteilsausgleichung nicht aus (vgl. BGH, Urteil vom 6. Februar 2018 - II ZR 17/17, NJW 2018, 1675 Rn. 21).
Dabei können nach den im Bereich des Schadensersatzrechts entwickelten, auf dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB) beruhenden Grundsätzen der Vorteilsausgleichung dem Geschädigten diejenigen Vorteile anzurechnen sein, die ihm in adäquatem Zusammenhang mit dem Schadensereignis zufließen. Dass der Geschädigte in diesem Fall, anders als im Falle der Geltendmachung des großen Schadensersatzes, nicht einen ungünstigen Vertrag rückabwickeln, sondern die Differenz zwischen dem Wert seiner Leistung und der Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses liquidieren will, ändert an der Rechnungseinheit zwischen einerseits dem von ihm gezahlten Kaufpreis und andererseits dem Nutzungswert und tatsächlichen Restwert des Kraftfahrzeugs nichts. Denn bei der Bemessung des objektiven Werts des Fahrzeugs im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ist insbesondere das Risiko der Betriebsuntersagung oder -beschränkung einzubeziehen. Hat sich dieses wertbestimmende Risiko bis zum Ende der Gesamtlaufzeit des Fahrzeugs nicht verwirklicht, muss dieser Umstand im Wege der Vorteilsausgleichung Berücksichtigung finden (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2022 - VIa ZR 100/21, juris 20).
Allerdings sind Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs auf den Anspruch auf kleinen Schadensersatz erst dann und nur insoweit schadensmindernd anzurechnen, als sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2022 - VIa ZR 100/21, aaO Rn. 22).
b) Diesen Maßstab zugrunde gelegt hat der Kläger keinen Schaden (mehr).
aa) Ausgangspunkt der Berechnung ist nach der Rechtsprechung des BGH der tatsächliche Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrages. Im Streitfall hat der Kläger vorgetragen, dass (mindestens) von einem Wertverlust in Höhe von 25 % auszugehen sei. Die Preise für Dieselautos seien mindestens um 25 %, wenn nicht gar um 30 % gesunken (Bl. 237 Bd. I d.A.). Ausgehend davon errechnet sich ein tatsächlicher Wert des Fahrzeuges im Zeitpunkt des Erwerbs durch die Klägerin in Höhe von 13.575,00 EUR (75% des Kaufpreises i.H.v. 18.100,00 EUR), der hier als wahr unterstellt werden kann.
bb) Darüber hinaus sind die Nutzungsvorteile zu ermitteln und von dem tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrages in Abzug zu bringen.
(1) Bei der gemäß § 287 ZPO vorzunehmenden Bemessung der anzurechnenden Vorteile ist von folgender Berechnungsformel auszugehen:
Diese Berechnungsmethode hat der BGH nicht beanstandet (vgl. BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 354/19, NJW 2020, 2796 Rn. 12 f.). Die Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs schätzt der Senat auf 250.000 km. Insoweit macht der Senat von der Möglichkeit der Anspruchsschätzung nach § 287 ZPO Gebrauch. Dies entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats bei Motoren des streitgegenständlichen Typs.
Die für die Bemessung der Nutzungsentschädigung maßgebliche Gesamtlaufleistung ist nicht an der bei gesteigertem Erhaltungsaufwand technisch möglichen Leistungs(ober)grenze orientiert, sondern an der durchschnittlichen Gesamtlaufleistung, wie sie für ein hier vorliegendes Fahrzeug aus der Perspektive und dem mutmaßlichen Parteiwillen unter Berücksichtigung der gewöhnlichen Lebenserfahrung im Regelfall zu erwarten ist (vgl. Eggert, in: Reinking/Eggert, Der Autokauf, 14. Aufl., Rn. 3568). Vor diesem Hintergrund kommt es nicht darauf an, dass vergleichbare Fahrzeuge mitunter auch andere Laufleistungen erzielen, die die vom Senat mit 250.000 km bemessene zu erwartende Gesamtlaufleistung bereits überschritten haben. Denn umgekehrt müssen auch diejenigen Fahrzeuge in die Wertbestimmung mit einbezogen werden, die bereits deutlich vor Erreichen der 250.000-km-Grenze "auf der Strecke" geblieben sind, um eine realistische Betrachtung zu erreichen. Anhaltspunkte dafür, dass auch unter Berücksichtigung letzterer Fahrzeuge die durchschnittliche Lebenserwartung eines entsprechenden Wagens mit mehr als 250.000 km zu prognostizieren wäre, sind weder ersichtlich, noch von dem Kläger im Rahmen seiner Ausführungen dargetan.
Die Bemessung der Schadenshöhe und damit auch der der Berechnung der Nutzungsentschädigung zugrunde zu legenden zu erwartenden Gesamtlaufleistung unterliegt dem Schätzungsermessen des Senats iSd § 287 ZPO. Dieser ist daher an die Beweisanträge der Parteien, etwa auf Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens, nicht gebunden. Eine Schätzung ist nur unzulässig, wenn die festgestellten Umstände keine genügende Grundlage für eine Schätzung abgeben und diese daher mangels greifbarer Anhaltspunkte völlig in der Luft hängen würde (BGH, Urteil vom 22. Mai 2003 - IX ZR 159/01, NJW-RR 2003, 1569, 1571). Davon kann im Streitfall jedoch keine Rede sein. Denn angesichts der umfangreichen, die Bemessung der Restlaufleistung von Fahrzeugen behandelnden Judikatur (vgl. Eggert, in: Reinking/Eggert, aaO Rn. 3574) bestehen genügend Anknüpfungspunkte für eine typenspezifische Bestimmung der Gesamtlaufleistung.
(2) Diesen Maßstab zugrunde gelegt ist vorliegend eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 7.518,11 EUR zu berücksichtigen. Der Kläger hat das Fahrzeug mit einer Laufleistung von 27.030 km erworben (vgl. Anlage K1 = Anlagenband Kläger) und zuletzt eine Laufleistung von 119.644 km mitgeteilt (vgl. Bl. 278 Bd. II d.A.):
cc) Außerdem ist der Restwert des Fahrzeuges zu ermitteln und von dem tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags in Abzug zu bringen. Diesen schätzt der Senat gem. § 287 ZPO auf mindestens 11.600,00 EUR.
Bei seiner Schätzung (§ 287 ZPO) stützt sich der Senat auf die internetbasierte Wertermittlung der Deutschen Automobil Treuhand GmbH (DAT), die anhand von konkreten individualen Faktoren (Standort; Fahrzeugdaten [Erstzulassung; Laufleistung]; Modell; Fahrzeugtyp; Motor und Antrieb; Ausführung und Version]) für das streitgegenständliche Fahrzeug (Volkswagen Golf VII "Lounge", 2.0l TDI, BMT, Euro 6, 110 kW, DSG, Erstzulassung 11/2015, Laufleistung [zuletzt] 119.644 km) einen Fahrzeugwert von mindestens 11.600,00 EUR angibt. Bei einem 4-türigen Fahrzeugmodell würde der Fahrzeugwert sogar mindestens 12.100,00 EUR betragen. Insoweit unterstellt der Senat jedoch zugunsten des Klägers den geringeren Fahrzeugwert für ein 2-türiges Fahrzeugmodell.
dd) Schließlich ist nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung festzustellen, ob die Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen. Denn nur insoweit erfolgt eine schadensmindernde Anrechnung auf den kleinen Schadensersatz.
Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die Nutzungsvorteile in Höhe von 7.518,11 EUR und der Restwert des Fahrzeugs in Höhe von (mindestens) 11.600,00EUR übersteigen den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags in Höhe von 13.575,00 EUR um einen Betrag in Höhe von 5.543,11 EUR.
ee) In Höhe dieses überschießenden Betrages von 5.543,11 EUR erfolgt eine Anrechnung auf den geltend gemachten kleinen Schadensersatzanspruch in Höhe von 4.545,00 EUR (25 % des Kaufpreises) und 920,95 EUR (25 % der Finanzierungskosten).
In diesem Zusammenhang kann die Frage offenbleiben, auf welcher rechtlichen Grundlage der Kläger einen Teil der Finanzierungskosten beansprucht. Es ist bereits nicht nachvollziehbar dargelegt, dass der "RSV-Beitrag" (1.296,00 EUR) und der "S. Safe Beitrag" (535,00 EUR) bei einem um 25 % niedrigeren Darlehensbetrag ebenfalls um 25 % geringer gewesen wären und nicht in der gleichen Höhe angefallen wären. Selbst wenn man aber hier einen Betrag in Höhe von 25 % (= 920,95 EUR) berücksichtigt, verbliebe kein Schaden.
Die Anrechnung des überschießenden Betrages von 5.543,11 EUR auf den geltend gemachten kleinen Schadensersatzanspruch in Höhe von 5.465,95 EUR (4.545,00 EUR [25 % des Kaufpreises] + 920,95 EUR [25 % der Finanzierungskosten]) führt dazu, dass der kleine Schadensersatz dadurch vollständig aufgezehrt wird, so dass ein Schaden in Höhe von 0,00 EUR verbleibt
c) Diese Berechnung des kleinen Schadensersatzes widerspricht nicht der Entscheidung des EuGH vom 21. März 2023 in dem Verfahren C-100/21 widerspricht.
Der EuGH hat ausdrücklich ausgeführt (juris Rn. 90 ff.):
"Des Weiteren ist es, wie bereits im Wesentlichen in Rn. 80 des vorliegenden Urteils festgestellt worden ist, nach Art. 46 der Rahmenrichtlinie Sache der Mitgliedstaaten, die Sanktionen festzulegen, die im Fall der Nichtbeachtung der Richtlinienbestimmungen anwendbar sind. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Darüber hinaus legen die Mitgliedstaaten gemäß Art. 13 Abs. 1 der Verordnung Nr. 715/2007 für Verstöße gegen die Vorschriften dieser Verordnung Sanktionen fest. Diese Sanktionen müssen wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
Unter diesen Umständen ist festzustellen, dass sich aus Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ergibt, dass die Mitgliedstaaten vorsehen müssen, dass der Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestatteten Fahrzeugs einen Anspruch auf Schadensersatz durch den Hersteller dieses Fahrzeugs hat, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist.
In Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften über die Modalitäten für die Erlangung eines solchen Ersatzes durch die betreffenden Käufer wegen des Erwerbs eines solchen Fahrzeugs ist es Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats, diese Modalitäten festzulegen.
Allerdings stünden nationale Rechtsvorschriften, die es dem Käufer eines Kraftfahrzeugs praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren, einen angemessenen Ersatz des Schadens zu erhalten, der ihm durch den Verstoß des Herstellers dieses Fahrzeugs gegen das in Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 enthaltene Verbot entstanden ist, nicht mit dem Grundsatz der Effektivität in Einklang.
Unter diesem Vorbehalt ist darauf hinzuweisen, dass die nationalen Gerichte befugt sind, dafür Sorge zu tragen, dass der Schutz der unionsrechtlich gewährleisteten Rechte nicht zu einer ungerechtfertigten Bereicherung der Anspruchsberechtigten führt (Urteil vom 25. März 2021, Balgarska Narodna Banka, C-501/18, EU:C:2021:249, Rn. 125).
Im vorliegenden Fall wird das vorlegende Gericht zu prüfen haben, ob die Anrechnung des Nutzungsvorteils für die tatsächliche Nutzung des in Rede stehenden Fahrzeugs dem betreffenden Käufer eine angemessene Entschädigung gewährleistet, soweit festgestellt wird, dass diesem im Zusammenhang mit dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 in dieses Fahrzeug ein Schaden entstanden ist."
(Hervorhebungen d. d. Senat)
Der EuGH stellt insoweit ausdrücklich fest, dass es in Ermangelung einschlägiger unionsrechtlicher Vorschriften Sache des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats ist, die Vorschriften über den Ersatz des Schadens festzulegen, der dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 ausgestatteten Fahrzeugs tatsächlich entstanden ist, vorausgesetzt, dass dieser Ersatz in einem angemessenen Verhältnis zum entstandenen Schaden steht (aaO Rn. 96).
Diese Voraussetzungen werden durch die dargelegten Grundsätze des BGH zur Berechnung des sog. kleinen Schadensersatzes gewahrt. Es wird eine angemessene Entschädigung bei gleichzeitiger Vermeidung einer ungerechtfertigten Bereicherung gewährt. Durch die Berechnungsmethode wird ein gerechter Ausgleich zwischen den bei einem Schadensfall widerstreitenden Interessen herbeigeführt. Der Geschädigte darf im Hinblick auf das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht bessergestellt werden, als er ohne das schädigende Ereignis stünde. Allerdings sind nur diejenigen durch das Schadensereignis bedingten Vorteile auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen, deren Anrechnung mit dem jeweiligen Zweck des Ersatzanspruchs übereinstimmt, d.h. bei denen dem Geschädigten die Anrechnung zumutbar ist und die den Schädiger nicht unangemessen entlastet. Vor- und Nachteile müssen bei wertender Betrachtung gleichsam zu einer Rechnungseinheit verbunden sein (vgl. BGH, Urteil vom 24. Januar 2022 - VIa ZR 100/21, juris Rn. 18 mwN).
Dass diese Berechnungsmethode im Streitfall dazu führt, dass der Kläger keinen Anspruch auf kleinen Schadensersatz mehr hat, steht dem folglich nicht entgegen. Eine angemessene Entschädigung wird so gleichwohl gewährleistet.
4. Darüber hinaus hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 823 Abs. 2 BGB iVm § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV bzw. Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Richtlinie 2007/46.
Der EuGH hat zwar in seiner Entscheidung vom 21. März 2023 (aaO Rn. 85) ausgeführt, dass Art. 18 Abs. 1, Art. 26 Abs. 1 und Art. 46 der Rahmenrichtlinie in Verbindung mit Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 715/2007 dahin auszulegen sind, dass sie neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 dieser Verordnung ausgestattet ist. Selbst wenn man dies unterstellen würde, hätte der Kläger keinen Schaden (mehr). Insoweit kann zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorangehenden Ausführungen im Zusammenhang mit einem Anspruch gem. § 826 BGB verwiesen werden.
5. Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.856,40 EUR. Dabei kann zunächst auf die vorangehenden Ausführungen verwiesen werden.
a) Es kann zunächst dahinstehen, dass der Kläger die außergerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren aus einem deutlich überhöhten Geschäftswert von 2,0 begehrt, ohne auch nur ansatzweise die Voraussetzungen für eine solche Überschreitung darzulegen.
b) Ob eine vorprozessuale anwaltliche Zahlungsaufforderung eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG auslöst oder als der Vorbereitung der Klage dienende Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 RVG zum Rechtszug gehört und daher mit der Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG abgegolten ist, ist eine Frage des Innenverhältnisses, nämlich der Art und des Umfangs des im Einzelfall erteilten Mandats. Erteilt der Mandant den unbedingten Auftrag, im gerichtlichen Verfahren tätig zu werden (vgl. Vorbemerkung 3 Abs. 1 Satz 1 VV RVG), lösen bereits Vorbereitungshandlungen die Gebühren für das gerichtliche Verfahren aus, und zwar auch dann, wenn der Anwalt zunächst nur außergerichtlich tätig wird. Für das Entstehen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV RVG ist dann kein Raum mehr. Anders liegt es, wenn sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wird, dass zunächst vorzunehmende außergerichtliche Einigungsversuche erfolglos bleiben. Ein lediglich (aufschiebend) bedingt für den Fall des Scheiterns des vorgerichtlichen Mandats erteilter Prozessauftrag steht der Gebühr aus Nr. 2300 VV RVG nicht entgegen (vgl. BGH, Urteile vom 22. Juni 2021 - VI ZR 353/20, juris Rn. 7 und vom 15. Dezember 2022 - VII ZR 177/21, juris Rn. 33; jew. mwN).
Im Streitfall hat der Kläger nicht schlüssig dargelegt, dass sich der Auftrag nur auf die außergerichtliche Tätigkeit des Anwalts beschränkt hat oder der Prozessauftrag jedenfalls unter der aufschiebenden Bedingung erteilt wurde. Das gesamte klägerische Vorbringen erschöpft sich lediglich in der Berechnung der Gebühren.
6. Nach alledem hat die Berufung des Klägers keine Aussicht auf Erfolg, so dass es auch keiner Aussetzung des Verfahrens nach § 148 ZPO (analog) oder eines Abwartens im Hinblick das Verfahren VIa ZR 335/21 beim BGH bedarf. Der Kläger sollte deshalb dringend erwägen, die Berufung zurückzunehmen.