Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 03.02.1998, Az.: VII 99/97
Auszahlung des Steuererstattungsbetrages auf ein ehemaliges Betriebskonto des Ehepartners; Wirkung der Auszahlung an einen der Ehegatten für und gegen den anderen Ehegatten; Wechselseitige Bevollmächtigung der Ehegatten den Erstattungsbetrag in Empfang zu nehmen durch die gemeinsame Unterschrift auf der Steuererklärung; Verpflichtung des Finanzamtes den Betrag auf das Konto des anderen Ehegatten zu erstatten, wenn die erste Überweisung wegen der nicht mehr bestehenden Bankverbindung scheiterte
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 03.02.1998
- Aktenzeichen
- VII 99/97
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 20549
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0203.VII99.97.0A
Rechtsgrundlage
- § 36 Abs. 4 S. 3 EStG
Fundstellen
- NWB 1999, 873
- NWB DokSt 1999, 1023
Verfahrensgegenstand
Abrechnungsbescheid vom 21. Oktober 1996
Amtlicher Leitsatz
Nicht jede Einkommensteuer-Erstattung an einen Ehegatten wirkt für und gegen den anderen Ehegatten im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG.
Der VII. Senat des Finanzgerichts Niedersachsen hat
nach mündlicher Verhandlung
in der Sitzung vom 3. Februar 1998
für Recht erkannt:
Tenor:
Unter Abänderung des Abrechnungsbescheids vom 21. Oktober 1996 in der Fassung des Einspruchsbescheids vom 4. Februar 1997 wird der Erstattungsbetrag aus Einkommensteuer 1994 auf 2.084 DM festgesetzt.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt das beklagte Finanzamt.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Das beklagte Finanzamt darf die Zwangsvollstreckung der Klägerin wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung inHöhe der zu erstattenden Kosten abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Gestritten wird um einen Steuererstattungsbetrag in Höhe von 2.084 DM aus der Einkommensteuer-Zusammenveranlagung 1994 der Kl ... mit ihrem Ehemann. Die Kl ... meint, die erfolgte Zahlung des Erstattungsbetrages durch das beklagte Finanzamt auf ein ehemaliges Betriebskonto des Ehemannes könne ihrem Auszahlungsbegehren nicht entgegengehalten werden.
Den Erstattungsbetrag 1994 zahlte das beklagte Finanzamt unter der Steuernummer I (Zusammenveranlagung) auf ein Konto der OLB, M W). Diese Bankverbindung hatte Herr W, der Ehemann der Kl, dem beklagten Finanzamt mit dem Betriebseröffnungsbogen vom 26. Juli 1991 mitgeteilt. Mit Schreiben vom 13. März 1992 teilte die OLB dem beklagten Finanzamt mit, daß sie die Geschäftsverbindung mit dem Vollstreckungsschuldner (Ehemann der Kl) gekündigt habe und mit Guthaben auf dem Konto nicht mehr zu rechnen sei; esdas Konto - vielmehr nach Ausgleich geschlossen werde (vgl. Vollstreckungsakte I zu, Bl. 11; dazu auch Bl. 75 mit Hinweis auf Bl. 11; Bl. 80; Bl. 90; Vollstreckungsakte II, Blatt per "Überwachungsbogen"; Bl. 151).
Ausweislich des Aktenvermerks vom 25. November 1992 (Steuerakte/ Heftung Abrechnungsbescheid, Bl. 39) teilte Herr W aus Anlaß einer Erstattung in Höhe von 7.930 DM (vgl. Steuerakte/ Heftung Abrechnungsbescheid, Bl. 38) eine andere Bankverbindung (B Sparkasse,) mit, die sodann vom beklagten Finanzamt für die Überweisung der 7.930 DM benutzt wurde (vgl. Steuerakte/Heftung Abrechnungsbescheid, Bl. 25). Die Kl gab dem beklagten Finanzamt mit Betriebseröffnungsbogen vom 15. November 1993 ihre Bankverbindung (LZO, ..., Kontoinhaber: E W) bekannt, "die für Erstattungen aller Steuerarten gilt" (vgl. Steuerakte/Heftung Abrechnungsbescheid, Bl. 26, 27). Entsprechend erstattete das beklagte Finanzamt die für 1993 zuviel gezahlte Einkommensteuer unter der Steuernummer II (getrennte Veranlagung) auf das Konto der Kl .... Die Kl und ihr Eheman gaben am 6. Oktober 1995 die Einkommensteuererklärung 1994 ab: Sie teilten die Steuernummer II (vgl. getrennte Veranlagung 1993 der Kl) mit und beantragten die Zusammenveranlagung; das Formular wurde in der Rubrik "Bankverbindung" nicht vollständig gefüllt, lediglich wurde das Kästchen "Kontoinhaber lt. Zeilen 2 u. 3" maschinenschriftlich angekreuzt (vgl. Einkommensteuerakte 1994, Bl. 5). In der Kopfzeile des Erklärungsformulars für 1994 ist die maschinenschriftlich angegebene Steuernummer "II" handschriftlich durchgestrichen und in "I" korrigiert worden. Der Einkommensteuerbescheid 1994 mit der Steuernummer I vom 24. Juni 1996 weist ein Guthaben von 2.084 DM aus. Das Guthaben beruht auf dem Umstand, daß alleindie Kl Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielte und die dabei einbehaltenen Lohnsteuerabzugsbeträge höher als die Einkommensteuer waren. Das beklagte Finanzamt buchte am 11. Juni 1996 das Guthaben auf Steuerrückstände des Herrn W um; da das Guthaben der Kl zustand, machte das beklagte Finanzamt die Umbuchungen Anfang Juli 1996 rückgängig und zahlte das Guthaben auf das unter der Steuernummer I gespeicherte Konto des Herrn W bei der OLB (vgl. Steuerakte/Heftung Abrechnungsbescheid, Bl. 8, 16, 17). Die Kl beantragte mit zwei Schreiben aus dem Herbst 1996 beim beklagten Finanzamt, den Erstattungsbetrag auf ein Konto bei der Deutschen Bank zu überweisen. Danach erging am 21. Oktober 1996 ein (negativer) Abrechnungsbescheid, mit dem mitgeteilt wurde, daß das beklagte Finanzamt bereits mit schuldbefreiender Wirkung geleistet habe.
Hiergegen wendet sich die Kl ... nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit ihrer Klage. Zur Begründung trägt die Kl ... u.a. vor, das Guthaben stünde nicht ihrem Ehemann, sondern ihr zu. Im übrigen habe ihr Ehemann nicht nur eine neue Bankverbindung mitgeteilt, sondern auch darauf hingewiesen, daß das alte Konto bei der OLB nicht mehr verfügbar sei. Die Kl ... verweist auf ein Schreiben des Ehemannes vom 20. November 1992 an das beklagte Finanzamt. Des weiteren habe das Finanzamt bereits in 1992 ein Steuerguthaben auf ein neues Konto des Ehemannes bei der Sparkasse B ausgezahlt. Daneben sei in ihrem Betriebseröffnungsbogen vom 15. November 1993 ebenfalls ein anderes Konto mitgeteilt und darauf Steuererstattungen überwiesenworden. Mit Betriebsaufgabe sei dann auch dieses Konto erloschen und die neue Kontoverbindung bei der Deutschen Bank ebenfalls dem beklagten Finanzamt bereits benannt worden. Zudem sei die Einkommensteuer-Erstattung aus 1993 bereits auf ihr damaliges Konto gezahlt worden.
Die Kl ... beantragt,
unter Aufhebung des Einspruchsbecheids vom 4. Februar 1997 den Abrechnungsbescheid vom 21. Oktober 1996 zu ändern und einen Erstattungsbetrag in Höhe von 2.084 DM festzusetzen.
Das beklagte Finanzamt beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es ist weiterhin der Ansicht, die Erstattung bereits wirksam vorgenommen zu haben. Nach § 36 Abs. 4 Satz 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) wirke bei zusammenveranlagten Ehegatten die Auszahlung eines Erstattungsbetrages an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten. Mit der Angabe des Kontoinhabers, wonach mit dem Erklärungsvordruck ausdrücklich gefragt werde, brächten die Eheleute zum Ausdruck, wer von ihnen zur Empfangnahme des Erstattungsbetrages ermächtigt sei. Eine neue Bankverbindung sei anhand der Steuererklärung nicht angegeben worden; es sei nur mitgeteilt worden, daß eine Erstattung an den Kontoinhaber - laut den Zeilen 2 und 3 der Steuererklärung 1994 - erfolgen solle. Das sei das beim beklagten Finanzamtunter einer bestimmten Steuernummer gespeicherte Konto des Ehemannes der Kl gewesen. Durch ihre Unterschrift auf der Einkommensteuer-Erklärung 1994 habe die Kl der Auszahlung des Erstattungsbetrages auf das Konto des Ehemannes nochmals zugestimmt. Das von der Kl ... vorgelegte Schreiben des Ehemannes vom 20. November 1992, mit dem der Ehemann die alte Bankverbindung für überholt erklärt haben will, liege dem beklagten Finanzamt nicht vor. Es sei auch nicht schlüssig nachgewiesen worden, daß dieses Schreiben seinerzeit beim beklagten Finanzamt eingegangen sei. Die Erstattung eines gepfändeten Betrages in Höhe von 7.930 Mark auf das Konto bei der B Sparkasse sei aufgrund eines Aktenvermerks über ein Telefonat erfolgt. Der Anruf habe nach Aktenlage einzig und allein der Erstattung aus der Pfändung gegolten. Es sei keine Aussage darüber getroffen worden, daß das neue Konto auch fürkünftige Erstattungen verwendet werden solle. Ferner könne aus der im Betriebseröffnungsbogen zu den Betriebssteuern der Kl ... und zu einer anderen Steuernummer angegebenen Kontoverbindung nicht geschlossen werden, daß dieses Konto auch für die Steuererstattung aus der gemeinsamen Einkommensteuer Veranlagung 1994 gelten solle. Die Kontoverbindung der Kl sei zum einen zu einer gesonderten Steuernummer eingereicht worden und diene zum anderen der Abwicklung der Zahlungen zu den Betriebssteuern. Hätte dieses Konto bei der gemeinsamen Einkommensteuer-Veranlagung der Kl mit ihrem Ehemann relevant sein sollen, hätte dies dem beklagten Finanzamt mitgeteilt werden müssen. In diesem Fall wäre - so das beklagte Finanzamt - das Einverständnis des Ehemannes erforderlich gewesen. Auch die Steuererstattung aus der getrennten Veranlagung zur Einkommensteuer 1993 lasse insoweit keine andere Schlußfolgerung zu. Für 1993 seien zwei Veranlagungen unter zweiverschiedenen Steuernummern durchgeführt worden. Für sie hätten andere Kontoverbindungen gegolten.
Dem Gericht haben u.a. die Vollstreckungsakten des Ehemannes der Kl ... vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Die Klage hat Erfolg.
Mit der Überweisung des Erstattungsbetrages von 2.084 DM, der unstreitig der Kl ... zusteht, auf ein ehemaliges Betriebskonto des Ehemannes, von dem - wegen Zahlungsunfähigkeit des Ehemannes - Abhebungen nicht mehr vorgenommen werden können, hat das beklagte Finanzamt der Kl gegenüber nicht schuldbefreiend geleistet.
Nach § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG wirkt bei Ehegatten, die nach den §§ 26, 26 b EStG zusammen zur Einkommensteuer veranlagt worden sind, grundsätzlich die Auszahlung des Überschusses an einen Ehegatten auch für und gegen den anderen Ehegatten. Die schuldbefreiende Wirkung der Auszahlung tritt jedoch dann nicht ein, wenn die Finanzbehörde erkennt oder erkennen mußte, daß dererstattungsberechtigte Ehegatte mit dieser Verfahrensweise aus beachtlichen Gründen nicht einverstanden ist (vgl. Tipke/Kruse, Kommentar zur AO/FGO, 16. Auflage, Loseblatt, § 37 AO Tz. 20 b am Ende, Stand: 1995, mit weiteren Nachweisen).
Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (etwa BFH BStBl. II 1990, S. 719, 720), der der Senat folgt, findet die der Verwaltungsvereinfachung dienende Regelung des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG ihre Rechtfertigung darin, daß sich Eheleute, die die Zusammenveranlagung beantragt haben, durch ihre beiderseitigen Unterschriften auf der Steuererklärung nicht nur gegenseitig bevollmächtigen können, den Steuerbescheid, sondern auch einen etwaigen Erstattungsbetrag in Empfang zu nehmen. Die hier einschlägige Vorschrift enthält demnach eine widerlegbare gesetzliche Vermutung hinsichtlich einer Einziehungsvollmacht. Sie geht von der Annahme aus, daß bei einer intakten Ehe die Steuererstattung an einen Ehegatten von dem anderen Ehegattengebilligt wird. Bei der Beurteilung des der Finanzbehörde in § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG eingeräumten Auswahlermessens ist indes zu berücksichtigen, daß sich die Ermächtigungsnorm aus Gründen der Arbeitserleichterung über die materielle Rechtslage hinsichtlich der Erstattungsberechtigung hinwegsetzt. Die Finanzbehörde ist deshalb gehalten, bei der Ermessensausübung die ihm erkennbaren Interessen des Erstattungsberechtigten in seiner Entscheidung einzubeziehen. Es darf folglich nicht mehr an einen Ehegatten auszahlen, wenn sie erkennt oder erkennen mußte, daß der andere Ehegatte mit dieser Verfahrensweise aus beachtlichen Gründen nicht einverstanden ist (vgl. BFH BStBl. II 1990, 719, 720; II 1991, 442, 443; II 1996, 436, 437).
Das beklagte Finanzamt hätte schon aufgrund der sich aus den Akten ergebenden Vorgeschichte erkennen müssen, daß die erstattungsberechtigte Kl mit der vorgenommenen Auszahlung nicht einverstanden sein konnte. Denn es war aufgrund des Inhalts der Vollstreckungsakten offensichtlich, daß die Auskehrung des der Kl ... zustehenden Einkommensteuerguthabens auf ein Altkonto ihres Ehemannes, das auch von diesem bereits 1992 nicht mehr für eine Erstattung durch das beklagte Finanzamtzur Verfügung gestellt worden war, in eine wirtschaftliche Leere gehen mußte und entsprechend von der Kl ... nicht gewollt sein konnte.
Die Ansicht des beklagten Finanzamts, die Erstattung eines Betrages von 7.930 DM in 1992 an den Eheman der Kl auf ein Konto der B Sparkasse sei ein punktueller Vorgang und ließe die alte Bankverbindung (OLB) nicht als überholt erscheinen, steht schon in Widerspruch zu dem Schriftverkehr der OLB mit dem beklagten Finanzamt aus dem Jahr 1992, wonach deutlich wird, daß der Ehemann der Kl von der OlB als zahlungsunfähiger Schuldner geführt wurde. Auf die Existenz des Schreibens des Ehemannes der Kl vom 20. November 1992 an das beklagte Finanzamt kommt es danach letztlich nicht mehr an.
Nachdem das beklagte Finanzamt mit guten Gründen die Verbuchung des Guthabens auf Steuerrückstände des Ehemannes rückgängig gemacht hatte, hätte es konsequent weiter handeln und eine Bankverbindung der Kl benutzen müssen. Auch der Hinweis des beklagten Finanzamts, die von der Kl in ihrem Betriebseröffnungsbogen von 1993 genannte Bankverbindung habe nur der Abwicklung betrieblicher Steuern und nicht der Einkommensteuer gedient, ist nicht zielführend. Vielmehr galt sie nachweislich für Erstattungen aus allen Steuerarten.
Das beklagte Finanzamt kann auch nicht mit Erfolg einwenden, die Kl habe sich mit ihrer Steuererklärung 1994 bewußt und gewollt für die Erstattung ihres Steuerguthabens auf das unter der Steuernummer I gespeicherte Altkonto ihres Ehemannes entschieden. Denn zum einen wird die vom beklagten Finanzamt benutzte Bankverbindung in der Steuererklärung 1994 nicht genannt, zum zweiten ist die Steuererklärung maschinenschriftlich mit einer anderen Steuernummer versehen, unter der ein anderes Konto gespeichert war.
Im übrigen würde der beschriebene Vereinfachungszweck des § 36 Abs. 4 Satz 3 EStG überdehnt, könnte den Steuerbürgern vorgehalten werden, sie müßten sämtliche unter mehreren Steuernummern gespeicherten alten und neuen Bankverbindungen im Zweifel gegen sich gelten lassen.
Der Abrechnungsbescheid war entsprechend dem Klagantrag zu ändern.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151, 155 FGO in Verbindung mit den §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozeßordnung.