Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 24.02.1998, Az.: VI 593/91
Steuerrechtliche Behandlung einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) bei Verjährung; Korrektur des Bilanzansatzes durch Änderung der Anfangsbilanz ; Gewinnerhöhende Rückgängigmachung einer Wertberichtigung
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 24.02.1998
- Aktenzeichen
- VI 593/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 20249
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0224.VI593.91.0A
Rechtsgrundlagen
- § 4 Abs. 1 S. 1 EStG
- § 5 Abs. 1 EStG
- § 7 Abs. 1 KStG
- § 8 Abs. 1 KStG
Fundstellen
- DStRE 1998, 794-796 (Volltext mit amtl. LS)
- GmbH-StB 1998, 337 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
- GmbHR 1998, 1239-1242 (Volltext mit amtl. LS)
- NWB 1999, 1975
Verfahrensgegenstand
Körperschaftsteuer 1984 und 1985
Amtlicher Leitsatz
Ist für den Veranlagungszeitraum, in dem eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) vorgenommen worden ist, Festsetzungsverjährung eingetreten, kann die vGA nicht in einem späteren VZ, der noch unverjährt ist, angesetzt werden.
Werden Forderungen, die nicht zum Betriebsvermögen gehören, in der Bilanz ausgewiesen und später wegen Wertlosigkeit abgeschrieben, so ist der Bilanzansatz durch Änderung der Anfangsbilanz zu korrigieren; Wertberichtigung ist dementsprechend gewinnerhöhend rückgängig zu machen.
In dem Rechtsstreit
hat der VI. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 24. Februar 1998,
an der mitgewirkt haben:
Präsident des Finanzgerichts als Vorsitzender ...
Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtlicher Richter ...
ehrenamtlicher Richter ...
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Körperschaftsteuerbescheide für 1984 und 1985 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung werden dergestalt geändert, daß in den Streitjahren 1984 in Höhe von 45.277 DM und 1985 in Höhe von 94.250 DM vom Ansatz einer verdeckten Gewinnausschüttung abgesehen und der Jeweilige Steuerbilanzgewinn 1984 um 45.277 DM zu erhöhen und der Steuerbilanzverlust 1985 um 94.250 DM zu vermindern ist.
Dem Beklagten wird aufgetragen, die sich aus diesem Urteil ergebenden Beträge zu errechnen.
Die Klägerin trägt 3/4, der Beklagte 1/4 der Kosten.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder durch Hinterlegung der zu erstattenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Abschreibung einer Darlehensforderung sowie die Übernahme von Lieferantenverbindlichkeiten in den Jahren 1984 und 1985 als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) zu behandeln sind. Die Klägerin ist eine im Juli 1977 gegründete GmbH. Ihr Wirtschaftsjahr läuft vom 1. Juli bis 30. Juni der betreffenden Jahre. Ihr Unternehmensgegenstand ist der Groß- und Einzelhandel u.a. mit Eisenwaren, Werkzeugen. Baubeschlägen und Heimwerkertechnik. Ihr Geschäft betrieb die Klägerin in vom beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer C. B. gemieteten Räumen. Das Stammkapital der Klägerin betrug in den Streitjahren 200.000 DM. Herr B. hielt davon 190.000 DM = 95 v.H. und dessen Ehefrau 10.000 DM = 5 v.H. Seit Gründung der Klägerin war Herr B. Alleinvertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer.
Herr B. war ferner Alleingesellschafter und alleiniger alleinvertretungsberechtigter, von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer der im Januar 1976 gegründeten Heimwerkermarkt ... GmbH (im folgenden: HWM). Die beiden Gesellschaften hatten ähnliche Unternehmensgegenstände. Daraus resultierte, daß die Klägerin und die HWM auch im großen Umfang die gleichen Lieferanten hatten.
Die wirtschaftliche Entwicklung der HWM verlief aufgrund verschiedener Faktoren schlecht. Im Wirtschaftsjahr 1976/77 wies sie einen Verlust in Höhe von 40.839,53 DM und im Wirtschaftsjahr 1977/78 einen Verlust in Höhe von 53.883,82 DM aus. Zurüberbrückung dieser Krise bemühte sich die HWM im Jahre 1977 um ein Darlehen bei ihrer Hausbank, die jedoch die Kreditgewährung mangels entsprechender Bonität der HWM ablehnte. Die Klägerin nahm ihrerseits einen Kredit bei der besagten Hausbank in Höhe von 130.000 DM auf und gewährte im Anschluß daran der HWM mit Vertrag vom 20. Juli 1997 ein Darlehen in Höhe von 130.000 DM mit einer Laufzeit von 13 Jahren, d.h. bis zum 10. Dezember 1990, bei einer jährlichen Verzinsung von 7 % und einer jährlichen Tilgung von 5% ohne daß irgendwelche Sicherheiten gewährt wurden. Das von der Klägerin aufgenommene Darlehen wurde grundpfandrechtlich auf einem Grundstück der Gesellschafterin besichert. Für die Gewährung des Darlehens seitens der Klägerin an die HWM war maßgebend, daß die Lieferanten, die die Klägerin und gleichzeitig die HWM belieferten, der Klägerin androhten, im Falle eines Konkurses der HWM auch die Klägerin nicht mehr zu beliefern, weit sie als Ihren eigentlichen Geschäftspartnern den hinter beiden Gesellschaften maßgeblich stehenden C. B. ansahen.
Die vereinbarten jährlichen Tilgungen in Höhe von 6.500 DM wurden von der HWM im Zeitraum von 1978 bis 1983 geleistet, wobei im Jahre 1980 keine Rückzahlung und für 1982 eine doppelte Rückzahlung erfolgten. Im Wirtschaftsjahr 1983/84 erfolgte keine Tilgung. In der Bilanz vom 30. Juni 1984 war die Darlehensforderung mit 94.250 DM ausgewiesen.
Trotz des gewährten Darlehens geriet die HWM weiter in wirtschaftliche Schwierigkeiten. In der Bilanz des Wirtschaftsjahres 1979/80 wurde ein nicht gedeckter Fehlbetrag in Höhe von 276.232,97 DM ausgewiesen. In der Folge wurde der Pachtvertrag für das Inventar der HWM gegenüber gekündigt. Diese stellte ihren Geschäftsbetrieb zum 31. Oktober 1980 ein. Dieser wurde im Jahre 1981 unter Übertragung der einzelnen Wirtschaftsgüter an den Vater von Herrn B. veräußert.
Im Jahre 1980 wiederholten die Lieferanten die Drohung, im Falle des Konkurses der HWM auch die Klägerin nicht mehr zu beliefern. Ebenfalls drohte die Hausbank an, für den Fall des Ausfalls ihrer Forderungen gegen die HWM mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen zur Klägerin. In dieser Situation beglich die Klägerin in den Jahren 1980 und 1981 Lieferantenschulden der HWM und nahm diese auf sie übergegangenen Forderungen als Forderungen gegen die HWM in ihren Jahresabschluß auf. Ebenfalls wurde ein Kontokorrentkredit der HWM in Höhe von 77.000 DM durch Vertrag vom März 1981 gegenüber der Hausbank übernommen und entsprechend als Forderung gegenüber der HWM im Jahresabschluß ausgewiesen. Insgesamt wurden als von der HWM übernommene Lieferantenschulden und Bankverbindlichkeiten im Jahresabschluß für das Wirtschaftsjahr 1981/82 ein Betrag von 148.362,64 DM ausgewiesen. Wegen der wirtschaftlichen Situation der HWM schrieb die Klägerin die übernommenen Lieferantenschulden und Bankverbindlichkeiten im Wirtschaftsjahr 1983/84 mit Wirkung für das Veranlagungsjahr 1984 in Höhe von 45.277,93 DM gewinnmindernd ab. Für das Wirtschaftsjahr 1984/85 mit Auswirkung für das Veranlagungsjahr 1985 wurde die Darlehensforderung als wertlos in voller Höhe von 94.250 DM gewinnmindernd abgeschrieben. Auf dieser Basis ergingen zunächst der Körperschaftsteuerbescheid für 1984 im Oktober 1985 und derjenige für 1985 im September 1986 jeweils unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Bei einer für die Kalenderjahre 1985 bis 1988 durchgeführten Außenprüfung erkannte der Betriebsprüfer die gewinnmindernde Ausbuchung der übernommenen Lieferantenschulden und der Darlehensforderungen nicht an. Dementsprechend erließ der Beklagte gemäß § 164 Abs. 2 und 3 Abgabenordnung (AO) geänderte Körperschaftsteuerbescheide für die Jahre 1984 und 1985 Jeweils vom 25. April 1990, Die dagegen eingelegten Einsprüche wies der Beklagte mit Einspruchsbescheid vom 30. September 1991 unter Hinweis auf die beabsichtigte Behandlung der Ausbuchungen als vGA als unbegründet zurück. Für das Jahr 1984 wurde eine vGA in Höhe von 45.277 DM und für 1985 von 96.835 DM die in Höhe von 94.250 DM auf die genannte Teilwertabschreibung zurückzuführen ist angesetzt. Die Ausbuchung der übernommenen Lieferantenschulden im Wirtschaftsjahr 1981/82 in Höhe von 148.362 DM korrigierte der Beklagte nicht, da für die Körperschaftsteuer 1982 bereits Festsetzungsverjährung eingetreten war.
Am 8. Mai 1985 wurde die Auflösung der HWM beschlossen. Die Löschung im Handelsregister erfolgte am 26. August 1986. Gegen die mit der Einspruchsentscheidung festgesetzte Körperschaftsteuer für 1984 in Höhe von 34.897 DM und für 1985 in Höhe von 56.003 DM richtet sich die am 31. Oktober 1991 erhobene Klage. Zu deren Begründung trägt die Klägerin vor:
Für den Ansatz einer VGA hinsichtlich der Teilwertabschreibung auf die Darlehensforderung und die übernommenen Lieferanten- und Bankschulden fehle es an den gesetzlich geforderten Voraussetzungen. Mit der Übernahme der Schulden und der Gewährung des Darlehens habe die Klägerin nicht ihren Gesellschafter Herrn B. einen Vorteil zugewandt. Vielmehr sei sie aus eigenem betrieblichen Interesse gezwungen gewesen, das Darlehen zu gewähren und die Schulden zu übernehmen, weil sonst ihre eigenen Geschäftspartner die Geschäftsbeziehungen zu ihr eingestellt hätten. Zur Fortführung ihres eigenen Betriebes hätte sie die Bonität der HWM sicherstellen müssen. Durch die Gewährung des Darlehens und die Übernahme der Schulden habe sie die Forderungen gegen die HWM erworben, die sie bilanzmäßig auch zutreffend ausgewiesen habe. Eine Abschreibung sei erforderlich geworden, als nach der Geschäftseinstellung bzw. dem Beschluß der Auflösung der HWM keine Chance mehr bestanden habe, die Restbeträge zu erhalten. Zwischen den Gesellschaften des Herrn C. B. habe eine Art Konzernverhältnis bestanden das eine gemeinsame Haftung begründet habe. In solchen Verhältnissen sei die Abgrenzung der betrieblichen Veranlassung zur vGA am Maßstab des wirtschaftlich Vernünftigen zu messen. Wegen der Einheitlichkeit der Beteiligungsverhältnisse habe sie sich eine Inanspruchnahme durch die Lieferanten nicht entziehen können.
Außerdem sei zu berücksichtigen, daß die HWM bereits 1980 ihren Geschäftsbetrieb eingestellt habe. Als die Klägerin die Schulden übernommen habe, habe bereits eine hohe Wahrscheinlichkeit bestanden, daß die Klägerin ohne Rückzahlung bleiben würde. Damit könnte eine vGA höchstens in den Jahren 1977 bzw. 1980/1981 eingetreten sein. Hinsichtlich dieser Jahre sei inzwischen Festsetzungsverjährung eingetreten.
Die Klägerin beantragt.
unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 30. September 1991 werden die Körperschaftsteuerbescheid für 1984 und 1985 mit der Maßgabe geändert, daß die Abschreibung von Lieferantenschulden in Höhe von 45.277 DM im Wirtschaftsjahr 1983/84 und die Abschreibung der Darlehensforderung in Höhe von 94.250 DM im Wirtschaftsjahr 1984/85 nicht als verdeckte Gewinnausschüttung, sondern als Betriebsausgaben behandelt werden.
Der Beklagte beantragt Klageabweisung.
Zur Begründung seines Antrages trägt er vor, daß in der Gewährung des Darlehens und der Übernahme der Schulden eine VGA gelegen habe, da diese nicht durch betriebliche Gründe, sondern durch das Gesellschaftsverhältnis mit dem Gesellschafter Herrn B. veranlaßt gewesen sei. Die nachdem Tatbestand der vGA erforderliche Einkünfteminderung habe sich erst in den Jahren 1984 und 1985 durch die Abschreibungen ausgewirkt, so daß sich der Tatbestand in diesen Jahren verwirklicht habe.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist insofern begründet, als in den Streitjahren es nicht zum Ansatz von vGA kommt. Im Ergebnis wirkt sich dies aber nicht auf die Festsetzung des zu versteuernden Einkommens aus, da um die von der Klägerin vorgenommenen Teilwertabschreibungen, die der Beklagte als vGA behandelte, der Steuerbilanzgewinn der einzelnen Jahre entsprechend zu erhöhen ist. Zwar ist die Darlehensforderung in Höhe von 94.200 DM und die aus den übernommenen Schulden resultierende Forderung zu Beginn des Wirtschaftsjahres 1983/1984 erfolgsneutral auszubuchen. Die Erhöhungen wirken sich jedoch in den einzelnen Streitjahren wie beschrieben aus, da mit der Ausbuchung Wirtschaftsgüter weggefallen sind, deren Abschreibung den Gewinn der betreffenden Jahre vermindern könnte.
Mit der Gewährung des Darlehens an die HWM. sowie durch die Begleichung der Lieferanten- und Bankschulden ist es in den Jahren 1977 bzw. 1980 und 1981 zu einer vGA gekommen. Daraus können Jedoch keine steuerlichen Folgen gezogen werden, weil diese verjährt sind. Gemäß § 7 Abs. 1, 2 Körperschaftsteuergesetz (KStG) bemißt sich die Körperschaftsteuer nach dem zu versteuernden Einkommen. Nach § 8 Abs. 1 KStG bestimmt sich das, was als Einkommen gilt und wie das Einkommen zu ermitteln ist, u.a. nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes (EStG). Zu diesen gehören die §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 EStG. Danach ist der Gewinn einer Kapitalgesellschaft im steuerlichen Sinne der Unterschiedsbetrag zwischen dem Betriebsvermögen am Schluß des Wirtschaftsjahres und dem Betriebsvermögen am Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahres vermehrt um den Wert der Entnahmen und vermindert um den Wert der Einlagen (§ 4 Abs. 1 Satz 1 EStG). Als Betriebsvermögen ist jeweils das anzusetzen, was nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung auszuweisen ist (§ 5 Abs. 1 EStG).
Dies bedeutet für die Streitjahre 1984 und 1985, daß von ordnungsgemäßen Handels- und damit Steuerbilanzen auszugehen war. Die Bilanzen wären nur korrekt gewesen, wenn in ihnen weder die Restdarlehensforderung aus dem Darlehen des Jahres 1977 noch die Forderungen aus den in den Jahren 1980 und 1981 übernommenen Schulden der HWM enthalten gewesen wären. Bei diesen Forderungen handelt es sich nicht um solche, die betrieblich begründet waren. Dies folgt für die Steuerbilanz aus § 4 Abs. 4 EStG. Weder die Gewährung des Darlehens im Jahre 1977, noch die Übernahme der Schulden 1980/1981 war in diesem Sinne betrieblich veranlaßt. Eine betriebliche Veranlassung besteht dann (vgl. zur Definition Schmidt/Heinicke, EStG. 16. Aufl. 1997, 334 Rz. 28), wenn ein tatsächlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Betrieb besteht. Es kommt darauf an, daß das auslösende Moment für den Vorgang im betrieblichen Bereich liegt. Die Auffassung der Klägerin, sie habe das Darlehen gewährt und die Schulden übernommen, um ihren eigenen Betrieb zu sichern überzeugt nicht. Ihre Argumentation ist auch widersprüchlich. Die Klägerin hat selbst dargelegt, was auch in den Tatsachen entspricht, daß sich ihre Schwestergesellschaft bereits zum Zeltpunkt der Darlehensgewährung in wirtschaftlichen Schwierigkeiten befunden hat. Deshalb hat sie selbst das Darlehen aufgenommen und an ihre Schwestergesellschaft weitergereicht. Ihr war zu diesem Zeitpunkt bereits bewußt, daß Dritte mangels Bonität der HWM kein Darlehen mehr gewährten. Geschäftsbeziehungen zwischen der Klägerin und der HWM bestanden ansonsten nicht. Es ging der Klägerin also nicht darum, einen potentiellen Kunden über wirtschaftliche Schwierigkeiten hinwegzuhelfen und ihn auf diese Weise zu erhalten. Vielmehr sah sie sich zu der Darlehensgewährung aufgrund ihres eigenen Vortrages deshalb veranlaßt, weil sie befürchtete, ihre eigenen Lieferanten zu verlieren. Es ist im Wirtschaftsleben schlechterdings unvorstellbar, daß ein Lieferant von einem Kunden verlangt, die Sicherung der Existenz eines anderen Kunden durch Darlehensgewährung zu übernehmen, wenn zwischen den beiden Kunden keinerlei Beziehungen bestehen. In der Lage der HWM wäre es Aufgabe des Gesellschafters der HWM gewesen, diese durch eigene Darlehensgewährung oder durch entsprechende Zuführung von Eigenkapital wirtschaftlich zu stärken. Damit lag das Interesse für die Darlehensgewährung nicht bei der Klägerin, sondern bei ihrem Hauptgesellschafter. Die Tatsache, daß von der Klägerin überhaupt eine finanzielle "Garantie" für die HWM erwartet wurde, konnte, wenn überhaupt, ausschließlich darauf zurückgeführt werden, weil hinter beiden der gleiche Gesellschafter beherrschend stand. Damit erfolgte die Darlehensgewährung nicht zur Sicherung des eigenen Betriebes der Klägerin, sondern ausschließlich im Interesse des Gesellschafters. Somit fehlte die betriebliche Veranlassung für das gesamte Darlehensgeschäft. Da der Begriff der Veranlassung auch auf den Erwerb von Wirtschaftsgütern anwendbar ist, hat die Klägerin keine betriebliche Darlehensforderung gegen die HWM erworben. Sie durfte daher die Forderungen nicht in ihrer Steuerbilanz ausweisen. Die Gewährung der Darlehenssumme in Höhe von 130.000 DM an die HWM ist daher als eine Entnahme ihres Gesellschafters zu sehen, die im Jahre 1977 den Bilanzgewinn gemindert hat.
Ähnliche Überlegungen gelten auch für die Übernahme der Lieferanten- und Bankschulden im Jahre 1980 und 1981. Damit ist es in den betreffenden Jahren Jeweils zu einer vGA gekommen. Unter einer vGA ist im Sinne von § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG bei einer Kapitalgesellschaft eine Gewinnminderung zu sehen, die durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt ist und nicht auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilung beruht. Eine Zuwendung an einen Gesellschafter erweist sich dann als durch das Gesellschaftsverhältnis veranlaßt, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter den Vermögensvorteil einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt hätte. Sämtliche Voraussetzungen einer VGA waren in den Jahren 1977, 1980 und 1981 für die beschriebenen Vorgänge erfüllt. Dies ergibt sich bereits aus dem Vorstehenden.
Daran ändert sich nichts dadurch, daß in den Streitjahren durch die (fehlerhafte) Einbuchung von Forderungen gegen die HWM auf Seiten der Klägerin keine Gewinn- und ihr folgend Einkommensminderung eingetreten ist. Für die Beurteilung, ob eine vGA vorgelegen hat oder nicht, ist von einer korrekten Bilanzierung auszugehen. Erst wenn sich bei richtiger Bilanzierung eine Einkommensminderung ergibt, besteht die Möglichkeit, im Wege der vGA außerhalb der Bilanz eine Zurechnung vorzunehmen.
Dies steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des BFH zum formellen Bilanzzusammenhang, der dazu führt, daß Bilanzkorrekturen für Jahre, die ertragsteuermäßig bereits verjährt sind, nicht mehr an der Fehlerquelle vorzunehmen, sondern in der ersten noch offenen Veranlagung erfolgswirksam nachzuholen sind (BFH-Urteile vom 25. August 1960 IV 185/58 U. BStBl III 1960, 444; vom 27. März 1962 I 136/60 S. BStBl III 1962, 273; vom 29. November 1965 GrS 1/65 S. BStBl III 1966, 142; vom 7. Juni 1988 VIII R 296/82, BStBl II 1988, 886; vom 16. Mai 1990 X R 72/87, BStBl II 1990, 1044). Denn der BFH macht von dieser Rechtsprechung selbst eine Ausnahme, wenn eine Entnahme buchmäßig nicht erfaßt worden ist und die Veranlagung des Jahres der Entnahme nicht mehr geändert werden kann (BFH-Urteile vom 21. Juni 1972 I R 189/69, BStBl II 1972, 874 vom 26. Februar 1976 I R 150/74, BStBl II 1976, 378; vom 21. Oktober 1976 IV R 222/72, BStBl II 1977, 148). Für den BFH ist bei seiner Rechtsprechung das Verhältnis zwischen § 4 Abs. 1 EStG und § 4 Abs. 2 EStG maßgebend. § 4 Abs. 1 EStG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 EStG verweist auf die Grundsätze der ordnungsgemäßen Buchführung. Zu diesen Grundsätzen gehört das Prinzip der Bilanzidentität (vgl. § 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB). Aus der Steuerbilanz ergibt sich über § 4 Abs. 1 EStG der Gewinn, der zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb führt. Wird die Bilanz geändert, ändern sich dementsprechend auch die Einkünfte. Steht einer Änderung der Einkünfte der Eintritt der Verjährung entgegen, so bedeutet dies nach der Rechtsprechung des BFH, daß auch die entsprechend der bestandskräftigen und nicht mehr änderbaren Veranlagung zugrunde liegende Bilanz nicht geändert werden kann. Dies ist die Schlußbilanz des Jahres, für das die Verjährung eingetreten ist. Für den Grundsatz der Bilanzidentität bedeutet dies, daß die Eröffnungsbilanz des darauf folgenden noch nicht verjährten Jahres mit der Schlußbilanz des vorangegangenen Jahres übereinstimmen muß. Wenn § 4 Abs. 2 EStG die Bilanzberichtigung im Falle fehlerhafter Bilanzen ermöglicht, so würde die Anwendung der Berichtigung bis zum Jahre der Fehlerquelle dem Grundsatz ordnungsgemäßer Bilanzierung der Bilanzidentität widersprechen. Daher begrenzt der BFH den Anwendungsbereich des § 4 Abs. 2 EStG im Falle des Eintritts der Festsetzungsverjährung. Anders verhält es sich Jedoch bei einer Entnahme. Diese führte zu einer Hinzurechnung außerhalb der Bilanz. Auf sie ist der Grundsatz der Bilanzidentität nicht anwendbar. Ihr Tatbestand hat sich daher in dem Jahr erfüllt, in dem die Entnahme erfolgt ist. Ist insoweit Verjährung eingetreten, so ist auch die durch die Entnahme, die zu Einkünften führt, ausgelöste Steuer verjährt und somit § 47 Abs. 2 AO erloschen. Damit es aber zu einer Entnahme kommen kann, muß das entnommene Wirtschaftsgut buchmäßig auch ausgebucht worden sein. Dies bedeutet, daß der Tatbestand der Entnahme voraussetzt, daß eine entsprechende Bilanzberichtigung vorgenommen wird. Ob dies im Jahr der Fehlerquelle oder wie der BFH in den erwähnten Entscheidungen im ersten noch offenen Jahr in der Eröffnungsbilanz erfolgsneutral auszubuchen sei, kann dahingestellt bleiben. Eine erfolgswirksame Ausbuchung im ersten offenen Jahr würde für dieses Jahr eine entsprechende Gewinnminderung bedeuten, die durch die Anwendung des Entnahmetatbestandes auszugleichen wäre. Da der Entnahmetatbestand jedoch bereits verjährt ist, muß die Ausbuchung erfolgsneutral erfolgen.
Auch die vGA erfordert eine Hinzurechnung außerhalb der Steuerbilanz. Wie die Entnahme setzt sie voraus, daß für die Beurteilung des Tatbestandes der VGA von einer richtigen Bilanz ausgegangen wird. Daher kann eine vGA, die in dem Wirtschaftsjahr ihre Entstehung nicht aufgedeckt wurde und aus Gründen der Verjährung auch nicht mehr aufgedeckt werden kann, nicht über die Grundsätze des Bilanzzusammenhangs in dem ersten noch offenen Veranlagungszeitraum gewinnerhöhend erfaßt werden (so Wassermeyer, Rund um den GmbH-Geschäftsführer, Die Steuerberatung 1997, 529, 534; ebenso Brenner, verdeckte Gewinnausschüttung und Bilanzzusammenhang, NWB F.4 Seite 4042).
Daraus ergibt sich auch, daß der erkennende Senat nicht der Auffassung des Beklagten von einer "gestrickten" Tatbestandsverwirklichung der VGA folgt. Die Betrachtungsweise des Beklagten, daß in den Jahren 1977 und 1980/81 deshalb nicht zur vGA gekommen sei, weil keine Einkommensminderung wegen der fehlerhaften bilanziellen Handlung eingetreten sei, und sich daher erst in dem ersten nach den Grundsätzen des Bilanzzusammenhangs berichtigungsfähigen Jahr durch eine Teilwertabschreibung eine Einkommensminderung ergebe und sich so die vGA erst erfülle, verkennt, daß in dem ersten noch offenen noch nicht verjährten Jahr keine Teilwertabschreibung vorgenommen werden kann, da die betreffenden Forderungen keine Gegenstände des Betriebsvermögens darstellen, Abschreibungen aber nur auf Betriebsvermögensgegenstände vorgenommen werden können.
Im Ergebnis waren somit die Darlehensforderung in Höhe von 94.250 DM und die Forderung aus den übernommenen Schulden in Höhe von 45.277 DM erfolgsneutral in der Eröffnungsbilanz des Wirtschaftsjahres 1983/84 auszubuchen. Damit entfiel die Basis für die von der Klägerin geltend gemachten Abschreibungen, so daß der Gewinn Jeweils entsprechend zu erhöhen war.
Bei der Kostenentscheidung ist folgendes zu berücksichtigen:
Die Klägerin hat mit ihrem Klagebegehren insoweit Erfolg, als sie beantragt hat, für die Streitjahre vom Ansatz verdeckter Gewinnausschüttungen in der genannten Höhe abzusehen. Sie ist allerdings insofern unterlegen, als es nicht zum Ansatz von Betriebsausgaben in dieser Höhe kommt, so daß ihr Begehren auf Festsetzung eines niedrigeren Gewinns erfolglos geblieben ist. Das zu versteuernde Einkommen ist in den Streitjahren gleich geblieben. Allerdings ist zu berücksichtigen, daß auch keine zur Herstellung der Ausschüttungsbelastung verpflichtende andere Ausschüttung im Sinne des § 27 KStG vorgelegen hat. Insoweit hat die Klägerin Erfolg gehabt. Für die genaue Berechnung der sich daraus ergebenden Auswirkungen für die Klägerin fehlen dem erkennenden Senat die Unterlagen. Gemäß § 136 Finanzgerichtsordnung (FGO) sind die Kosten verhältnismäßig zu teilen. Der Senat schätzt, daß die Klägerin zu 1/4 Erfolg gehabt hat.
Gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO war dem Beklagten die Berechnung der aus der Entscheidung ergebenden Folgen zu übertragen.
Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Die Frage des Verhältnisses zwischen Bilanzberichtigung und verdeckter Gewinnausschüttung ist höchstrichterlich noch nicht entschieden. Sie ist jedoch von grundlegender Bedeutung für eine unabsehbare Vielzahl von Fällen.