Finanzgericht Niedersachsen
Urt. v. 25.02.1998, Az.: XII 165/91
Voraussetzungen der sachlichen Unrichtigkeit der Buchführung; Inhalt der Einkünfte aus Gewerbebetrieb; Kriterien zur Ermittlung des Zeitpunkts der Verlustrealisierung; Inhalt der Prinzipien zur Gewinnermittlung; Wirkungen einer nicht erfüllbaren Verbindlichkeit für die Gewinnermittlung; Voraussetzungen des Entstehens oder Erhöhens eines Auflösungsverlustes durch eine Bürgschaftsverpflichtung; Einkommensteuerrechtliche Wirkungen der Auflösung einer Kommanditgesellschaft; Voraussetzungen des Vorliegens von (negativen) Einkünften aus einer ehemaligen gewerblichen Tätigkeit; Rechtliche Einordnung von nicht ausgeglichenen Verlusten bei der Ermittlung des Gesamtbetrages von Einkünften
Bibliographie
- Gericht
- FG Niedersachsen
- Datum
- 25.02.1998
- Aktenzeichen
- XII 165/91
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1998, 20191
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:FGNI:1998:0225.XII165.91.0A
Rechtsgrundlagen
- § 158 Abgabenordnung (AO)
- § 146 AO
- § 162 Abs. 2 AO
- § 54 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1991
- § 17 EStG
- § 11 EStG
- § 4 Abs. 1 EStG
- § 5 EStG
- § 24 Nr. 2 EStG
- § 10 d S. 1 EStG in der Fassung des Haushaltsstrukturgesetzes vom 22.12.1981 (BStBl I 1982, 235)
Verfahrensgegenstand
Einkommensteuer 1983 bis 1985 und Verlustabzug gem. § 10 d EStG
Amtlicher Leitsatz
- 1.
Bürgschaften des Gesellschafters einer GmbH als nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung bei Ermittlung des Auflösungsverlustes gem. § 17 Abs. 1-4 EStG.
- 2.
Durchführung des Verlustabzugs gem. § 10 d EStG trotz bestandskräftiger Veranlagung im Verlustentstehungsjahr.
In dem Rechtsstreit
hat der XII. Senat des Niedersächsischen Finanzgerichts
nach mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 25. Februar 1998
an der mitgewirkt haben:
Vorsitzender Richter ... am Finanzgericht
...Richter am Finanzgericht ...
Richter am Finanzgericht ...
ehrenamtliche Richterin ...
ehrenamtlicher Richter ..
für Recht erkannt:
Tenor:
- 1.
Unter Änderung des Einkommensteuerbescheids 1983 vom 12.10.1988 und der Einkommensteuerbescheide 1984 und 1985 in der Fassung des Einspruchsbescheids des Beklagten vom 27.02.1991 wird die Einkommensteuer 1983 auf 28.498 DM, die Einkommensteuer 1984 auf 37.862 DM und die Einkommensteuer 1985 auf 29.366 DM herabgesetzt.
Im übrigen wird die Klage XII 165/91 abgewiesen.
- 2.
Unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids vom 23.10.1991 und des Einspruchsbescheids vom 29.01.1992 wird der Beklagte verpflichtet, den Verlustabzug gemäß § 10 d EStG ausgehend von einem im Veranlagungszeitraum 1982 entstandenen Auflösungsverlust gemäß § 17 EStG in Höhe von 288.000 DM nach Maßgabe von Abschnitt II der Entscheidungsgründe des Urteils vorzunehmen.
Im übrigen wird die Klage XII 79/92 abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden den Klägern zu 63 v. H., dem Beklagten zu 37 v. H. auferlegt.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufigvollstreckbar. Dem Beklagten wird Vollstreckungsnachlaß gegen Sicherheitsleistung gewährt.
Tatbestand
I.
Streitig in dem Verfahren XII 165/91 ist die Rechtmäßigkeit von Einkommensteuerbescheiden, durch die die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb für die Veranlagungszeiträume 1983 bis 1985 durch Hinzuschätzungen erhöht worden sind.
1.
Die Kläger werden als Eheleute zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Die Klägerin war bis November 1981 als Gymnasiallehrerin berufstätig. Der Kläger war nach einer kaufm. Lehre bei der Firma ... AG als kaufm. Angestellter bei dieser Firma, danach bei der Firma ... KG und sodann bei der Firma ... im Reifenhandel tätig. Im Jahre 1977 machte er sich selbständig. Er erwarb von der Kommanditistin der Firma ... KG deren Kommanditanteil von nominell 96.000,00 DM zu einem Kaufpreis von 550.000,00 DM und gründete zusammen mit der Klägerin die Reifen-... GmbH, die als persönlich haftende Gesellschafterin in die KG eintrat. Damit hatten die Kläger die gesamte Firma übernommen. Der Gewinn für 1978 wurde vom Finanzamt ... auf ca. 100.000 DM geschätzt, weil von der Gesellschaft keine Steuererklärung abgegeben worden war. Für das Jahr 1979 wurde ein Verlust von 666.391 DM erklärt. Dies bedeutete die Insolvenzdes Unternehmens. Am 10. April 1980 wurde über die KG und die GmbH das Konkursverfahren eröffnet, am 11.05.1983 wurden beide Konkursverfahren mangels Masse eingestellt.
Die Anfang 1980 als Auffanggesellschaft vom Kläger gegründete Reifenhandel ... GmbH wurde ebenfalls ein Opfer der zunehmend verschlechterten Marktchancen für runderneuerte Reifen. Als die ... AG infolge Insolvenz mit einem Umsatzanteil von ca. 40 % als Abnehmer ausfiel, verschlechterte sich die wirtschaftliche Lage der Reifenhandel ... GmbH so erheblich, daß auf Antrag des Klägers am 11. März 1982 das Konkursverfahren eröffnet wurde, am 30. März 1983 wurde es mangels Masse eingestellt.
Die titulierten Forderungen, die die Gläubiger des Klägers nach den Insolvenzen einzutreiben versuchten, beliefen sich auf rund 1,2 Mill. DM. Die Klägerin haftete aus Bürgschaften gegenüber der Stadtsparkasse ... für Kredite, die die Stadtsparkasse der Auffanggesellschaft gewährt hatte.
2.
Am 1. April 1982 übernahm die Klägerin auf der Insel ... die Gastwirtschaft .... Die notwendige Liquidität für die Betriebseröffnung wurde in der Weise geschaffen, wie die Kläger vortragen, daß von ihrem privaten Geldbestand 4.500,00 DM in die Barkasse und 20.000,00 DM auf einem Postgirokonto in das Betriebsvermögen eingelegt wurden. Weil die Gefahr bestand, daß die Gläubiger das betriebliche Girokonto beim Postscheckamt ausfindig machten und hineinpfänden würden, war für die Tochter der Klägerin aus erster Ehe, ..., ein Postsparbuch bereits vor der Eröffnung der Gastwirtschaft, nämlich am 25. März 1982 angelegt worden, auf das Privatentnahmen aus der Gastwirtschaft eingezahlt wurden und von dem auch wieder Gelder als Einlagen in das Betriebsvermögen zurückflossen. Nachdem die Gläubiger diese "Verbindung" ermittelt hatten, wurde das auf den Namen der Tochter laufende Sparkonto am 30. Mai 1985 zur Filialeder ... Landesbank und am 03.06.1986 zur Filiale der Kreissparkasse ... verlegt.
Die Gastwirtschaft, ganzjährig geöffnet und von den Klägern selbst geführt, wurde bereits im ersten und zweiten Jahr gut besucht, ab 1984 wurde Personal beschäftigt. Um nicht "eine Kneipe von vielen" zu sein, ergriffen die Kläger verschiedene Maßnahmen, die das Lokal aus dem üblichen Rahmen herausragen lassen sollten. Sie engagierten Musikkapellen und organisierten Tanzfahrten auf einem gecharterten Schiff, ohne jedoch einen nachhaltigen Erfolg damit zu haben. Dieser wurde bei Einheimischen und Urlaubern erst erreicht, als die Kläger sich entschlossen, gegenüber den Gästen in besonderer Weise großzügig zu sein wie folgt:
- Jeder Handwerker erhält täglich beim Dämmerschoppen das erste Glas Bier auf Kosten des Hauses.
- Jeder Gast erhält vor der Schließung des Lokals auf Kosten des Hauses ein "Gute-Nacht-Getränk" (sog. "Absackerrunde").
- Für 90,00 DM erhalten Einheimische und Gäste einen Verzehrbon über 100,00 DM.
- Die Kläger und das Personal knobeln mit den Gästen ergiebig um Lokalrunden, auch das Personal darf verlieren.
- Die Klägerin gesellt sich zu den Gästen und lädt diese auf Kosten des Hauses zu einer Runde ein.
Aufgrund dieser Maßnahmen und auch der außergewöhnlichen Präsenz der Kläger im Lokal entwickelte sich die Gastwirtschaft, wie die Kläger vortragen, zu einer Bierkneipe mit besonderem Niveau und erfreute sich in der Saison bei den Gästen äußerster Beliebtheit.
3.
Für die Steuerberatung wurden zur Erstellung einer amerikanischen Buchführung und zur Gewinnermittlung nach § 5 EStG monatliche Kassenberichte geführt und die sortierten Bankauszüge mit Eingangs- und Ausgangsrechnungen bereit gehalten, so daß die Steuerberatung in der Lage war, über das System DATEV die monatliche Buchführung zu erstellen, die Umsatzsteuervoranmeldungen und Lohnsteueranmeldungen anzufertigen und die Jahresabschlüsse aufzustellen.
Die Jahresüberschüsse betrugen nach den Bilanzen für
1983 | 94.521,00 DM |
---|---|
1984 | 72.372,00 DM |
1985 | 72.375,00 DM |
Die Lohnkosten betrugen:
1983 | 14.740,00 DM |
---|---|
1984 | 58.208,00 DM |
1985 | 69.372,00 DM |
Die Rohgewinnaufschläge betrugen nach den eingereichten Bilanzen
unter Zugrundelegung eines Eigenverbrauchanteils von jährlich 1.200,00 DM:
1983 | 139 % |
---|---|
1984 | 122 % |
1985 | 135 % |
4.
Anfang April 1987 ordnete das beklagte Finanzamt (FA) die Durchführung einer Außenprüfung für die Jahre 1983 bis 1985 bei der Klägerin an. Im Mai 1987 wurde mit der Prüfung begonnen, ab September 1987 wurde sie nach Einleitung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens in Zusammenarbeit mit dem Finanzamt fürFahndung und Strafsachen in ... fortgesetzt und im Mai 1988 beendet.
Ausweislich der Anlage 3 zum Prüfungsbericht vom 29. Juli 1988, auf den Bezug genommen wird, ermittelte der Prüfer im Rahmen einer Kalkulation zunächst den Bruttoumsatz für 1985. Dabei ging er vom wirtschaftlichen Wareneinsatz für die verschiedenen Getränke und sonstigen Waren und von den für sie geltenden Rohgewinnaufschlagssätzen aus. Von dem so kalkulierten Gesamtumsatz 1985 von 535.165,00 DM zog er sodann folgende Beträge ab:
Eigenverbrauch Stpfl. | 1.200,00 DM |
---|---|
Getränke Angestellte | 12.000,00 DM |
Getränke Knobelrunden | 3.000,00 DM |
Freibier | 6.760,00 DM |
Verzehr Stammkarten | 4.000,00 DM |
"Personalsonderkosten" | 4.000,00 DM |
Abschlag wegen Kalkulationsunsicherheiten | 6.000,00 DM |
insgesamt | 36.960,00 DM, |
so daß sich ein kalkulierter Brutto-Umsatz lt. Bp. von 498.205,00 DM ergab. Den erklärten Brutto-Umsatz von 448.000,00 DM (abgerundet) erhöhte der Prüfer um den Unterschiedsbetrag von 50.000,00 DM (43.859,64 DM netto) im Wege der Hinzuschätzung.
In der Anlage 4 zum Prüfungsbericht ermittelte der Prüfer ebenfalls für das Jahr 1985 auf der Grundlage seiner Ermittlungen in der Anlage 3 den Durchschnittsaufschlagssatz lt. Bp. als das gewogene Mittel der Einzelaufschlagssätze unter Berücksichtigung der jeweiligen Wareneinsatzanteile mit 238,90 %.
Die Kalkulation des Umsatzes für 1984 führte der Prüfer nicht wie für 1985 im Wege einer nach Warengruppen gegliederten Kalkulation durch, statt dessen multiplizierte er den wirtschaftlichen Wareneinsatz von 166.073,00 DM mit dem durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagssatz von 238 %, so daß sich ein Rohgewinnaufschlag von 395.254,00 DM ergab. Der kalkulierte Umsatz 1984 lt. Bp. belief sich daher auf 166.073,00 DM + 395.254,00 DM = 561.327,00 DM. Davon zog der Prüfer für Eigenverbrauch, Freibier, Knobelrunden usw. 38.960,00 DM ab, so daß der kalkulierte Bruttoumsatz lt. Bp. 522.000,00 DM (abgerundet) betrug. Den Mehrbetrag gegenüber dem erklärten Umsatz von 442.000,00 DM = 80.000,00 DM (70.175,43 DM netto) schätzte der Prüfer dem Gewinn für 1984 hinzu.
Den Umsatz 1983 kalkulierte der Prüfer ebenso wie den Umsatz 1984, den durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagssatz setzte er jedoch für 1983 auf 200 % herab, weil gegenüber 1984 das Glas Bier (0,2 l) 0,10 DM weniger gekostet hatte und auch bei Korn, Schnaps u.a. Preisabweichungen nach unten zu berücksichtigen waren. Nach Abzug der Beträge für Eigenverbrauch, Getränke für Angestellte, Knobelrunden usw. von insgesamt 32.000,00 DM ergab sich ein kalkulierter Bruttoumsatz lt. Bp. von 374.000,00 DM(abgerundet). Der erklärte Umsatz betrug jedoch 396.000,00 DM. Der Prüfer ging davon aus, daß der erklärte Umsatz tatsächlich erzielt wurde, und rechnete ihm weitere 23.000,00 DM (brutto) als Entnahmen wegen ungeklärter Einlagen bzw. Einzahlungen und weitere 7.000,00 DM (brutto) für Entnahmen von Bargeld für Zigaretten und Getränke in anderen Gastwirtschaften (aus nicht gebuchten Einnahmen) zum Gewinn 1983 hinzu.
5.
Das FA übernahm bei der Auswertung des Prüfungsberichtes vom 29.07.1988 die im Bericht zusammengefaßten Ergebnisse und erhöhte durch entsprechende Änderungsbescheide gemäß § 164 Abs. 2 AO vom 12.10.1988 die Einkommensteuer
1983 von 25.188,00 DM auf | 39.594,00 DM |
---|---|
1984 von 15.282,00 DM auf | 47.356,00 DM |
1985 von 17.186,00 DM auf | 40.902,00 DM. |
Gegen die Änderungsbescheide legten die Kläger Einspruch ein.
Zur Begründung trugen sie im wesentlichen vor, die Einzahlungenauf andere Konten sowie die Einlagen seien ausnahmslos aus versteuerten Einnahmen erfolgt. Ein größerer Habenbestand auf den betrieblichen Konten sei stets vermieden worden, um vorhandene Guthaben so dem Zugriff der verschiedenen Altgläubiger zu entziehen. Die Gelder stammten auch aus den erzielten Mieten sowie aus Barentnahmen. Es sei durchgehend ein sehr hoher Bargeldbestand im privaten Bereich gehalten worden; von ungeklärten Geldeinlagen könne daher keine Rede sein.
Aus diesem Grunde habe für das FA weder Anlaß noch Berechtigung bestanden, eine Kalkulation durchzuführen. Denn die erklärten Rohgewinnaufschläge befänden sich noch an der unteren Rahmengrenze der Richtsatzwerte und seien folglich zu akzeptieren. Zudem sei das Kalkulationsergebnis der Außenprüfung utopisch. Es berücksichtige weder den sehr hohen Eigenverbrauch noch die Tatsache, daß die Stammkunden des sehr großzügig behandelt wurden, und daß z. B. viele Knobelrunden vom Gastwirtsehepaar sowie vom Personal zu Lasten des Betriebes übernommen wurden.
Das FA wies den Einspruch im wesentlichen mit folgender Begründung zurück:
Eine formell ordnungsmäßige Buchführung begründe zwar grundsätzlich eine Vermutung für ihre sachliche Richtigkeit, diese Vermutung sei allerdings widerlegbar. Im Streitfall hätten die Ermittlungen des FA ergeben, daß eine Reihe von Einlagen bzw. Einzahlungen auf privaten Sparkonten erfolgt sind, zu deren Herkunft die Klägerin und der Kläger während der Außenprüfung keinerlei Angaben machen konnten (oder wollten).
Außerdem habe eine Kalkulation für die Veranlagungszeiträume 1984 und 1985 große Differenzen gegenüber den erklärten Einnahmen ergeben. Sie seien mit 80.000,00 DM bzw. 50.000,00 DM so erheblich, daß sie mit Ungenauigkeiten der Kalkulation nicht erklärt werden könnten. Sie ließen nur den Schluß zu, daß ein Teil der erzielten Einnahmen keinen Eingang in die Buchführunggefunden hat. Aus diesem Grunde seien Hinzuschätzungen zu den erklärten Einnahmen erforderlich gewesen.
Die Hinzuschätzungen seien am Ergebnis der Kalkulation und an den sich daraus ergebenden Differenzen zu den erklärten Einnahmen orientiert. Die Kalkulation beruhe im wesentlichen auf gesicherten Daten wie Wareneinsatz lt. Buchführung und Verkaufspreisen. Bei den Verkaufspreisen sei das FA im Zweifel jeweils von den Werten ausgegangen, die zu einem niedrigeren Betriebsergebnis führen.
Auch den Hinweisen der Kläger auf hohe Eigenverbrauchstatbestände sei der Prüfer bei der Kalkulation in hohem Maße nachgekommen. So hätten die Kläger am Ergebnis der Kalkulation auch lediglich wegen dieses Gesichtspunktes konkrete Kritik geäußert, die in geringem Umfang Zweifel am Kalkulationsergebnis begründen könnte. Ansonsten hätten sich die Kläger trotz einer Flut von Ausführungen in keiner Weise konstruktiv mit den erheblichen Kalkulationsdifferenzen und den Grundlagen der Kalkulation auseinandergesetzt. Das lasse nur den Schluß zu, daß die Kalkulation auf zutreffenden Daten basiere und zum richtigen Ergebnis geführt habe.
Der in zu geringem Umfang berücksichtigte Eigenverbrauch sei der einzige konkrete Kritikpunkt der Kläger am Kalkulationsergebnis, der bisher nicht hinreichend berücksichtigt wurde. Aus diesem Grunde seien die bisher berücksichtigten, nach Bruttoverkaufspreisen berechneten Abzüge von 39.000,00 DM (1984) bzw. 37.000,00 DM (1985) um weitere 4.000,00 DM auf nunmehr 43.000,00 DM bzw. 41.000,00 DM zu erhöhen. Die Gewinnminderung betrage bei den im Gegenzug um 1/3 dieses Betrages, also um 1.333,00 DM zu erhöhenden Privatentnahmen und der teilweisen Kürzung der Gewerbesteuerrückstellung je 2.367,00 DM.
Für eine darüber hinausgehende Berücksichtigung weiterer gewinnmindernder Sachverhalte, etwa der im Dezember 1990 vorgelegten Berechnung, wonach die Kläger und das Personal inder Zeit vom 01.04.1990 bis 19.10.1990 für sich selbst sowie für Freirunden Beträge von mehr als 33.000,00 DM verbraucht haben wollen, sei danach kein weiterer Raum. Die Kläger müßten sich in diesem Zusammenhang fragen lassen, wie wirklichkeitsnah derartige Darstellungen noch sind.
Auch die Herkunft einer Reihe von Einzahlungen auf privaten Sparkonten sowie von Einlagen hätten die Kläger nicht nachweisen können. Ihr Vortrag, jeweils sehr hohe Barbestände im privaten Bereich gehalten zu haben, aus denen die fraglichen Einzahlungen geleistet wurden, sei nicht überzeugend. Zwar hätten die Kläger den Versuch unternommen, durch eine Geldfluß-Rechnung die Herkunft der ungeklärt gebliebenen Geldeinzahlungen nachzuweisen, doch habe diese Rechnung in keiner Weise zu einer Klärung beitragen können. Zum einen seien sie bei ihren Berechnungen zu Unrecht davon ausgegangen, daß die zur Verfügung stehenden und als Privatentnahmen gebuchten Barabhebungen und Scheckauszahlungen ausschließlich für die Aufstockung des Bargeldbestandes verwandt wurden. Unberücksichtigt bleibe, daß die Beträge (auch) zur Bestreitung der Lebenshaltungskosten gedient haben müssen. Die Kläger könnten nicht mit Erfolg glauben machen, ein solcher Bedarf habe nicht oder nur in sehr beschränktem Umfang bestanden. Zum anderen seien sie bei ihrer Kapitalflußrechnung von einem geschätzten Anfangsbestand an im Hause befindlichem Bargeld von 25.000,00 DM zum 01.04.1983 ausgegangen. Eine solche Behauptung sei jedoch abwegig. Das gelte um so mehr, als sich ihr in diesem Zusammenhang gegebener Hinweis auf eine am 31.08.1982 erfolgte Entnahme in eben dieser Höhe als unzutreffend erwiesen habe, weil dieser Geldbetrag eine Pachtvorauszahlung betraf.
Im übrigen falle auf, daß der Hinweis auf die angeblich stets in großer Menge vorhandenen Bargeldbestände erst nach Übernahme des Mandats durch den neuen steuerlichen Berater ab Sommer 1989 erfolgt sei, also mit über zweijähriger Verzögerung; er hätte sich jedoch gerade auch angesichts der Einschaltung der Steuerfahndung bereits während der Außenprüfung ab Frühjahr 1987 aufdrängen müssen.
6.
Mit form- und fristgerecht erhobener Klage wenden sich die Kläger gegen die streitigen Hinzuschätzungen und tragen zur Begründung im wesentlichen folgendes vor:
Obwohl nach der Richtsatzsammlung wirtschaftlicher Umsatz i. S. der Richtsätze die Jahresleistung des Betriebes zu Verkaufspreisen - ohne Umsatzsteuer - sei und der Wareneinsatz i. S. der Richtsätze mit den steuerlichen Anschaffungskosten unter Abzug des Eigenverbrauchs und der unentgeltlichen Warenabgaben an das Personal angesetzt werde, habe der Prüfer bei seiner Nachkalkulation
- a.
ausgehend von einem durchschnittlichen Brutto-Aufschlagsatz incl. Mehrwertsteuer von 238 % für 1985 und 1984 und 200 %für 1983 den wirtschaftlichen Umsatz einschließlich der Mehrwertsteuer ermittelt,
- b.
statt den Wareneinsatz um den Eigenverbrauch und die unentgeltlichen Warenabgaben an die Kundschaft und das Personal zu kürzen, habe der Prüfer diesen ungekürzt gelassen und erst vom kalkulierten Brutto-Umsatz einen Abzug für die unentgeltlichen Warenabgaben zu Brutto-Preisen vorgenommen.
Beide Fehler seien zu korrigieren, um die i. S. der Richtsatzsammlung richtigen Rohgewinnaufschlagsätze lt. Bp. festzustellen. Dabei sei zu beachten, daß ein Aufschlag von 238 % einem Abschlag von 70,4 % entspricht und ein Aufschlag von 200 % einem Abschlag von 66,7 %.
Nach Abzug der Umsatzsteuer (1983 44.585,00 DM, 1984 64.152,00 DM, 1985 61.185,00 DM) vom kalkulierten Brutto-Umsatz des Prüfers (1983 374.908,00 DM, 1984 522.367,00 DM, 1985 498.205,00 DM) und Kürzung der wirtschaftlichen Wareneinsätze um die Abschläge (1983 10.656,00 DM, 198411.532,00 DM und 1985 10.940,00 DM), die den Kürzungen des Brutto-Umsatzes zu b) entsprechen, errechnen die Kläger folgende Rohgewinne lt. Bp. (vgl. Schriftsatz vom 02.10.1991 zu XII 102, 103/91 Seite 8-10):
1983 | 205.343,00 DM |
---|---|
1984 | 303.674,00 DM |
1985 | 290.856,00 DM, |
die folgende i. S. der Definitionen der Richtsatzsammlung korrigierte Rohgewinnaufschlagsätze des Prüfers ergeben:
1983 | 164,30 % |
---|---|
1984 | 196,50 % |
1985 | 198,99 %. |
Die Kläger erkennen an, daß der Prüfer die Besonderheiten des Lokals bezüglich des Getränkebedarfs der Angestellten, Knobelrunden, Freibier und Verzehrkarten bei der Kalkulation weitgehend berücksichtigt habe; sie machen jedoch geltend, daß er beim Ansatz ihres Eigenverbrauchs mit nur 1.200,00 DM jährlich den erheblich zu niedrigen ertragsteuerlichen Wert ausden Bilanzen ungeprüft übernommen habe. Sie halten unter Hinweis auf Aufzeichnungen über den Eigenverbrauch in einer Kladde für den Zeitraum vom 01.04.1990 bis 31.03.1991 den Ansatz für ihren eigenen Eigenverbrauch mindestens mit einem Betrag für erforderlich, der einem Wareneinsatz von 3.500,00 DM jährlich entspricht. Ferner ist nach Ansicht der Kläger der Wareneinsatz um 80 % des Wareneinkaufs beim Feinkostgeschäft zu kürzen, den der Prüfer der privaten Lebenshaltung der Kläger zugerechnet habe.Nach Kürzung des wirtschaftlichen Wareneinsatzes um folgende Beträge:
- a.
Abschläge (1983 10.656,00 DM, 1984 11.532,00 DM, 1985 10.940,00 DM), die den Kürzungen des Brutto-Umsatzes durch den Prüfer entsprechen (32.000,00 DM 1983, 38.960,00 DM 1984, 36.960,00 DM 1985),
- b.
80 % des Wareneinkaufs beim Feinkostgeschäft (4.077,00 DM für 1983, 5.604,00 DM für 1984, 7.035,00 DM für 1985),
- c.
Eigenverbrauchserhöhung von 1.200,00 DM auf 3.500,00 DM jährlich.
errechnen die Kläger (vgl. Anlage 4 zum Schriftsatz vom 02.10.1991 zu XII 102, 103/91) einen korrigierten Wareneinsatz von
1983 | 1984 | 1985 |
---|---|---|
130.121,00 DM | 156.511,00 DM | 148.134,00 DM, |
dem folgende erklärte Umsätze gegenüberstehen:
350.883,00 DM | 390.369,00 DM | 394.329,00 DM, |
---|
so daß der aus den erklärten Besteuerungsgrundlagen sich ergebende tatsächliche Rohgewinn beträgt:
1983 | 1984 | 1985 |
---|---|---|
220.762,00 DM | 233.858,00 DM | 246.195,00 DM |
und der Rohgewinnaufschlagsatz
169,66 % | 149,42 % | 166,20 %. |
---|
Der Vergleich mit den Rohgewinnaufschlägen lt. Richtsatzsammlung
a) | untere Aufschläge | |
---|---|---|
1983 und 1984 | 150 % | |
1985 | 144 % | |
b) | Mittelwerte 1983 bis 1985 | 186 % |
c) | Oberwerte 1983 bis 1985 | 270 % |
zeige, daß die Rohgewinnaufschläge der Kläger im Prüfungszeitraum zwischen den unteren Werten und den Mittelwerten gelegen haben. Die Unterschreitung der Mittelwerte um ca. 20 % in 1983 und 1985 bei formell ordnungsmäßig ermittelten Buchführungsergebnissen rechtfertige auf keinen Fall eine Hinzuschätzung für diese beiden Jahre, allenfalls könne das Jahr 1984 mit einer Unterschreitung des Mittelwertes um knapp 40 % Anlaß zu weiteren Erörterungen sein.
Auch die angeblich ungeklärten Einzahlungen auf das unter dem Namen ... angelegte Postsparbuch und ab 30.05.1985 auf das bei der ... Landesbank geführte Sparbuch und ab 03.06.1986 auf das bei der Filiale der Kreissparkasse ... unter dem Namen ... geführte Sparkonto rechtfertigen nach Ansicht der Kläger nicht die Annahme des Finanzamtes, es handele sich bei den Einzahlungen auf die Sparkonten um unversteuerte Betriebseinnahmen. Diese Ansicht habe der Prüfer mit der fehlenden Identität zwischen Entnahmen aus dem Betriebsvermögen und Einzahlungen auf die Sparbücher begründet. Man könne dem Prüfer insoweit nur dann folgen, wenn überhaupt keine Entnahmen oder wenn solche nur in geringem Umfang vorgelegen hätten. Die Entnahmen in dem Prüfungszeitraum 1983 bis 1985 seien jedoch mit insgesamt 275.598,00 DM ungewöhnlich hoch gewesen. Die nacheinander auf den Namen eingerichteten Sparkonten und die aus ihnen ersichtlichen Abhebungen und Wiedereinzahlungen einschließlich der angesammelten Guthaben hätten einzig und allein dem Zweck gedient, die Altgläubiger von weiteren Pfändungen abzuhalten. Auch die verhältnismäßig hohen Bargeldbestände in der Wohnung hätten darin ihre Ursache, ebenso die niedrig gehaltenen Guthaben auf dem betrieblichen Girokonto, das nur der Erfüllung der laufenden Verpflichtungen dienen sollte.
Die Zusammenstellung der Barbewegungen auf den Sparkonten(Anlage 6 zum Schriftsatz vom 02.10.1991 zu XII 102, 103/91) zeige im übrigen, daß am
09.12.1983 | 16.000,00 DM |
---|---|
21.08.1984 | 15.000,00 DM |
23.08.1984 | 20.500,00 DM |
28.10.1985 | 10.000,00 DM |
04.11.1985 | 24.040,00 DM |
19.12.1985 | 6.000,00 DM |
wieder in das Betriebsvermögen zurückgeflossen sind. Außerdem seien von den Sparkonten Pachtzahlungen an den Verpächter der Gaststätte gezahlt worden. Kein potentieller Steuerhinterzieher verhalte sich so dämlich, daß er Sparbücher mit Schwarzgeldern zu Pachtzahlungen und zur Wiedereinlage in das Betriebsvermögen verwendet.
Schließlich sei auch die Behauptung des FA, es seien nicht genügend Entnahmen für die Einzahlungen auf den Sparkonten vorhanden gewesen, widerlegt durch die zu den Sparkonten aufgestellte Kapitalflußrechnung (Anlage 6 zum Schriftsatz vm02.10.1991 zu XII 102, 103/91), die den niedrigsten Geldbestand mit 17.165,00 DM am 22.08.1983 ausweise.
Die Kläger beantragen,
- 1.
die gemäß § 54 EStG in der Fassung des Steuer änderungsgesetzes 1991 erhöhten Kinderfreibeträge für die Veranlagungszeiträume 1983 bis 1985 zu gewähren,
- 2.
die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb für
1983 um 19.927 DM 1984 um 57.981 DM 1985 um 35.095 DM
herabzusetzen
Der Beklagte erkennt den Klaganspruch insoweit an, als die Kinderfreibeträge um je 2.700 DM in den Jahren 1983 bis 1985 zu erhöhen sind. Im übrigen beantragt er Klagabweisung.
II.
Streitig ist in dem Verfahren XII 79/92, ob und wie Verluste,die der Kläger bei der Auflösung einer Kapitalgesellschaft und einer Mitunternehmerschaft nach seiner Ansicht im Jahre 1983 erlitten und im Jahre 1991 gegenüber dem FA erstmals steuerlich geltend gemacht hat, gemäß § 10 d EStG sich steuerlich auf die Einkommensteuer der Veranlagungszeiträume (VZ) 1981 bis 1987 auswirken.
1.
Für den VZ 1981 wurde den Klägern im Jahre 1984 ein Bescheid über den Lohnsteuerjahresausgleich und für den VZ 1982 ein Einkommensteuerbescheid erteilt. Die gegen beide Bescheide erhobenen Klagen wurden durch Urteile des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 10. September 1987 (XII 435, 436/86) rechtskräftig abgewiesen. Für 1983 bis 1986 wurden ebenfalls Einkommensteuerbescheide erteilt, sie sind aus den in Abschnitt I des Tatbestands genannten Gründen noch nicht bestandskräftig geworden. Für den VZ 1987 ist ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehender Einkommensteuerbescheid erteilt worden.
2.
Am 14. Juni 1991 beantragten die Kläger die nachträgliche Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes i. S. des § 17 Abs. 4 EStG in Höhe von 911.282,00 DM aus der wesentlichen Beteiligungdes Klägers an der Reifenhandelsgesellschaft ... GmbH (im folgenden: GmbH).
Der Kläger war am Stammkapital der Gesellschaft in Höhe von 20.000,00 DM mit einer Stammeinlage von 19.000,00 DM beteiligt, die Klägerin mit einer Stammeinlage von 1.000,00 DM. Am 8. März 1982 wurde die Eröffnung des Konkursverfahrens beantragt, am 11. März 1982 wurde das Konkursverfahren eröffnet. Durch Beschluß des Amtsgerichtes vom 30. März 1983 wurde das Konkursverfahren gemäß § 204 Konkursordnung (KO) mangels einer die weiteren Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt.
Mit Schriftsatz vom 4. September 1991 bezifferten die Kläger den Gesamtverlust auf 664.503,99 DM, den sie wie folgt errechneten:
a) | Untergang der wesentlichen Beteiligung des Klägers | 19.000,00 DM |
---|---|---|
b) | Forderungen der Stadtsparkasse ... gegen die Kläger aus dem Engagement der GmbH zum 31.12.1989 | 337.279,50 DM |
selbstschuldnerische Bürgschaften beider Kläger gemäß Vertragsurkunde vom 20.11.1980, | 219.000,00 DM | |
des Klägers gemäß Vertragsurkunde vom 30.09.1980 | 50.000,00 DM | |
c) | Umsatzsteuer-Rückstände 1980 bis 1982 (Haftungsbescheid des FA ... vom 22.08.1989 gemäß § 71 AO) zuzüglich Verspätungs- und Säumniszuschläge bis 02.01.1990 | 83.035,39 DM |
d) | Forderungen der AOK nach dem Urteil des Amtsgerichts vom 12.01.1983 | 32.062,58 DM |
e) | Forderung der Firma Elektro- ... GmbH nach dem Urteil des Landgerichts ... vom 03.07.1981 und dem Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 02.04.1982 | 21.137,34 DM |
f) | nicht bezahlte Lieferungen verschiedener Firmen gemäß Urteil des Landgerichts ... vom 17.02.1984 | 90.268,68 DM |
g) | Zuschlag für weitere Kosten, Konkursverwalter, Konkursgericht, Steuerberater, Zinsen der Gläubiger | 150.000,00 DM |
Gesamtverlust gemäß § 17 EStG | 664.503,99 DM |
Die Kläger vertreten unter Hinweis auf die einschlägige Rechtsprechung des BFH die Auffassung, daß Verluste aus dem Wegfall einer wesentlichen Beteiligung im Sinne des § 17 EStG nicht gemäß § 11 EStG in den VZ steuerlich zu erfassen sind, in denen es beim Steuerpflichtigen zu Vermögensabflüssen gekommen ist, sondern daß der Gesamtverlust durch eine Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung (hier VZ 1983) zu ermitteln sei und daß er in Höhe des nicht ausgleichsfähigen Betrages gemäß § 10 d EStG zu einer Änderung der Steuerbescheide für 1981 und 1982 sowie für 1984 bis 1987 führen müsse.
Durch Bescheid vom 23. Oktober 1991 lehnte das FA den Antrag imwesentlichen mit der Begründung ab, die Kläger hätten nicht nachgewiesen, daß sie in Höhe der geltend gemachten Verlustbeträge tatsächlich Aufwendungen getragen haben, die als nachträgliche Anschaffungskosten der wesentlichen Beteiligung berücksichtigt werden könnten. Nicht die Entstehung einer Forderung sei insoweit maßgeblich, sondern einkommensteuerlich allein die Inanspruchnahme aus dieser Forderung, also die tatsächliche Zahlung.
3.
Im Einspruchsverfahren reduzierten die Kläger den für 1983 errechneten Gesamtverlust um 150.000,00 DM (pauschale Kosten gemäß g) der Zusammenstellung) auf rd. 514.000,00 DM und machten zusätzlich Konkursverluste des Klägers aus seiner früheren Beteiligung an der Firma ... Kundendienst GmbH & Co. KG ... geltend.
Die Beteiligungsverhältnisse an der Gesellschaft waren wie folgt:
Das Stammkapital der Komplementärin (Reifen ... GmbH) hatte der Kläger mit 19.000,00 DM gehalten, die Klägerin mit1.000,00 DM. Alleiniger Kommanditist mit einer Haftsumme von 96.000,00 DM war der Kläger.
Der Gewinn der Gesellschaft war für 1978 wegen Nichtabgabe der Steuererklärung auf ca. 100.000,00 DM geschätzt worden, für 1979 war ein Verlust von 666.391,00 DM erklärt worden, der lt. Feststellungsbescheid des FA ... vom 20.07.1982 mit 68.042,00 DM dem Kläger und mit 598.349,00 DM der GmbH zugerechnet wurde. Für 1980 wurden die Einkünfte der Gesellschaft wegen Nichtabgabe der Steuerklärung auf 0 DM geschätzt.
Für beide Gesellschaften (KG und Komplementär-GmbH) war am 10.04.1980 Konkursantrag gestellt worden, am 11.05.1983 wurden die Konkursverfahren mangels Masse eingestellt.Unter Hinweis auf das Urteil des BFH vom 04.09.1969 (BStBl II 1969, 726) und Abschnitt 115 Abs. 1 Satz 8 der Einkommensteuerrichtlinien (EStR) 1990 machten die Kläger mit Schreiben vom 27.12.1991 gegenüber dem Finanzamt erstmals Konkursverluste aus der ehemaligen Mitunternehmerschaft in Höhe von 342.000,00 DM als nachträgliche negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 24 Nr. 2 EStG geltend. Die Einkünfte ermittelten sie durch eine Sonderbilanz nach § 247 HGB zum 31.12.1981 (vgl. Blatt 23, 24 der Rechtsbehelfsakte). Die Kläger beantragten, den Gesamtverlust von 342.000,00 DM, soweit er im VZ 1981 nicht mit positiven Einkünften ausgeglichen werden könne, gemäß § 10 d EStG auf die VZ 1982 bis 1987 zu verteilen.
Das Finanzamt lehnte im Einspruchsbescheid vom 29.01.1992 den Verlustabzug sowohl hinsichtlich des Auflösungsverlustes im Sinne des § 17 EStG als auch hinsichtlich des Verlustes aus der Mitunternehmerschaft bei der KG mit folgender Begründung ab:
Auflösungsverlust im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG
Der Steuerpflichtige habe bei der Auflösung einer Kapitalgesellschaft nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 02.10.1984, VIII R 20/84, BStBl II 1985, 428) kein Wahlrecht in dem Sinne,daß er den Auflösungsverlust in diesem oder jenem Jahr steuerlich geltend machen könne. Stehe der Verlust des auf die wesentliche Beteiligung entfallenden Vermögens schon vor der Verteilung fest, dann müsse der Verlust der Beteiligung auch dem VZ zugerechnet werden, in dem mit einer wesentlichen Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist. Im Streitfall habe der endgültige Verlust der wesentlichen Beteiligung spätestens am 08.03.1982, als der Konkursantrag gestellt wurde, festgestanden, denn die Gesellschaft sei bereits damals völlig vermögenslos gewesen und dem Konkursverfahren sei daher mangels einer die Kosten des Verfahrens deckenden Masse eingestellt worden.
Der Auflösungsverlust im Sinne des § 17 Abs. 4 EStG sei daher dem VZ 1982 zuzuordnen. Da der Einkommensteuerbescheid für 1982 formell und materiell bestandskräftig sei, komme seine Änderung nur unter den Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO(rückwirkendes Ereignis) in Frage. Die Festsetzungsfrist beginne nach dieser Vorschrift mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem das jeweilige Ereignis eintrete. Daraus folge, daß sämtliche Verluste im Sinne des § 17 EStG, die in der Form nachträglicher Anschaffungskosten für die wesentliche Beteiligung des Klägers bis zum 31.12.1986 entstanden sind, ohnehin nicht mehr Berücksichtigung finden können; denn insoweit sei mit Ablauf des 31.12.1990 Festsetzungsverjährung eingetreten. Da der Antrag auf Berücksichtigung des Verlustes erst 1991 gestellt wurde, könne eine eventuelle Ablaufhemmung für die Verjährung auch erst ab Antragstellung in diesem Jahr eingetreten sein.
Verluste aus Mitunternehmerschaft (Beteiligung an der ehemaligen KG)
Für den mit Schriftsatz vom 27.12.1991 gestellten Antrag, aus der Zeit der Mitunternehmerschaft des Klägers an der ... GmbH & Co. KG nachträgliche Verluste im Sinne des § 24 Nr. 2 EStG zu berücksichtigen, gelte im Ergebnis das Gleiche. Denn zum einen seien die Verluste, sofern sie dem Grunde nach überhaupt berücksichtigungsfähig wären, auch nach dem Vortrag der Kläger in den Jahren 1981 und 1982 entstanden. Es hätte daher ihrer Erklärung vor Bestandskraft der Steuerbescheide für jene Jahre bedurft. Zum anderen hätten die Verluste einer gesonderten und einheitlichen Feststellung bedurft. Die Frist für eine solche Feststellung sei jedoch bereits abgelaufen. Im übrigen sei der Nachweis bisher in keiner Weise erbracht worden, daß die erklärten Verluste tatsächlich beim Kläger entstanden sind.
Hinsichtlich der Inanspruchnahme aus den übernommenen Bürgschaften bleibt das FA bei seiner Auffassung, daß unter Inanspruchnahme die tatsächliche Zahlung des Bürgschaftsverpflichteten zu verstehen ist, daß also tatsächliche Aufwendungen des Verpflichteten vorliegen müssen.
4.
Mit der Klage verfolgen die Kläger die einkommensmindernde Berücksichtigung der in 1991 nacherklärten Verluste weiter. Zur weiteren Begründung tragen sie ergänzend folgendes vor:
Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG
a)
Stammeinlage
Bei diesem Verlustposten, der dem Grunde und der Höhe nach feststehe, sei allein der steuerliche Erfassungszeitpunkt (VZ 1982 oder 1983) streitig. Bislang gebe es - soweit ersichtlich - keine ausdrückliche Stellungnahme der Rechtsprechung zu der Frage, unter welchen Umständen der steuerlich maßgebliche Zeitpunkt der Verlusterfassung zwingend vor der Konkurseinstellung mangels Masse anzunehmen ist. Die Kläger weisen darauf hin, daß nach dem vom FA angezogenen BFH-Urteil vom 02.10.1984 (a.a.O.) ein Verlust bereits in dem Jahr erfaßt werden kann, in dem mit einer Änderung des bereits feststehenden Verlustes nicht mehr zu rechnen ist. Letztmöglicher Zeitpunkt der Verlusterfassung sei der förmliche Abschluß der Abwicklung der Kapitalgesellschaft. Nach Auffassungder Kläger ist das BFH-Urteil dahin zu verstehen, daß dem Steuerpflichtigen ein echtes Wahlrecht eingeräumt wird. Auch der Aspekt der Rechtssicherheit spreche dafür, an den Zeitpunkt der Konkurseinstellung anzuknüpfen. Zumindest habe die vom BFH gewählte Formulierung Auswirkungen auf die Feststellungslast. Wer zu seinen Gunsten einen früheren Verlustentstehungszeitpunkt für maßgeblich erkläre, müsse darlegen und beweisen, daß die Abwicklung faktisch schon vor der Konkurseinstellung abgeschlossen und mit einer wesentlichen Änderung des Abwicklungsverlustes nicht mehr zu rechnen war. Der in diesem Zusammenhang erfolgte Hinweis auf die im November 1981 eingetretene Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft und auf die am 07.03.1982 erfolgte Sicherungsverwertung des Vulkanisierkessels sei unzureichend. Die Zahlungsunfähigkeit indiziere nicht notwendig auch eine Überschuldung. Der Umstand, daß die Produktion nicht fortgeführt werden konnte, biete keinensicheren Anhaltspunkt dafür, daß bei der Gesellschaft keine auskehrbaren Vermögenswerte mehr vorhanden waren.
b)
Bürgschaften
Vorab weisen die Kläger darauf hin, daß ihre gesamt schuldnerische Haftung für Verbindlichkeiten der GmbH nicht geeignet sei, die steuerliche Anerkennung von im Namen des Klägers geleisteten Zahlungen auf seine Bürgschaftsschuld infrage zu stellen. Der Schuldner allein bestimme, welche Forderung mit einer Zahlung getilgt werden soll. Dies habe auch dann zu gelten, wenn die Mittel zur Zahlung von der Ehefrau stammen.
Daß die Übernahme der Bürgschaft für die Verbindlichkeiten der GmbH auf gesellschaftsrechtlicher Ebene liege und daß im Zeitpunkt der Übernahme die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft zu erwarten und die Rückgriffsforderung gegen die Gesellschaft uneinbringlich sein würde, liege auf der Hand. Wenn die Rechtsprechung nur bei Inanspruchnahme aus der Bürgschaft eine Erhöhung der Anschaffungskosten bei der Beteiligung zulasse, bleibe offen, ob der Begriff der Inanspruchnahme notwendigerweise dahin zu verstehen ist, daß der Gesellschafter tatsächlich Aufwendungen im Sinne von Vermögensabflüssen getragen haben muß.
Das Abstellen auf geleistete Zahlungen sei insofern ungewöhnlich, als im Bereich der Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG nicht das Abfluß-, sondern das Stichtagsprinzip gelte.
c)
Umsatzsteuerhaftung/AOK-Beiträge
Auch die Aufwendungen des Klägers infolge seiner Abgaben- und sozialversicherungsrechtlichen Inanspruchnahme führen nach Auffassung der Kläger zu nachträglichen Anschaffungskosten der Beteiligung.
Nach dem Urteil des FG Düsseldorf vom 9. Dezember 1987 (EFG 1988, 168) reiche es für eine Veranlassung durch das Gesellschaftsverhältnis aus, wenn das Verhalten, das zur Inanspruchnahme geführt hat, im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Beteiligung steht. Ein solcher Zusammenhang seivorliegend anzunehmen, da die Nichtabführung der Beiträge den Zweck hatte, den Konkurs der GmbH abzuwenden. Sollte man sich der Auffassung anschließen, daß die Ursache für die Inanspruchnahme in diesen Fällen in der Geschäftsführertätigkeit lag, so führe die Haftung eines GmbH-Geschäftsführers für nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge oder Steuerschulden jedenfalls zu Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit.
d)
Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten
Auch die Inanspruchnahme wegen dieser Verbindlichkeiten ist nach Auffassung der Kläger im Gesellschaftsverhältnis begründet. Wie im Strafurteil des Landgerichts vom 17.02.1984 festgestellt, habe der Kläger durch die Betrügereien gegenüber den Lieferanten den Betrieb der Gesellschaft, der seine wirtschaftliche Existenz darstellte, fortsetzen und die vorhandenen Arbeitsplätze sichern wollen. Eine fremder Geschäftsführer hättesich auch in Ansehung eines möglichen Arbeitsplatzverlustes anders verhalten. All dies spreche dafür, die Verluste dem § 17 EStG-Bereich zuzuordnen; zumindest seien die in den streitigen VZ hierauf entfallenden Zahlungsmittelabflüsse als Werbungskosten zu berücksichtigen.
Entgegen der Auffassung des FA stehe der Geltendmachung der vorstehend behandelten Verluste der Eintritt der Festsetzungsverjährung nicht entgegen. Der Verlust der Stammeinlage falle, wie im Einspruchsverfahren bereits ausgeführt, nicht in das bestandskräftig veranlagte Jahr 1982, sondern in den noch offenen VZ 1983. Entsprechendes gelte für die unter Abschnitt II 2 b) bis f) geltend gemachten Verlustposten, die als solche aus einer wesentlichen Beteiligung i. S. des § 17 EStG gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO rückwirkend den im Zeitpunkt der Liquidation entstandenen Auflösungsverlust erhöhen.
Selbst wenn nicht 1983, sondern 1982 das zutreffende Verlustentstehungsjahr wäre, würde dies die Anerkennung der Verluste nicht hindern, weil Verluste gemäß § 17 EStG wiesonstige Verluste auch nach Maßgabe des § 10 d EStG überperiodisch verrechenbar seien.
Verluste aus der Mitunternehmerschaft
Vorab weisen die Kläger darauf hin, daß bei einer vom Kommanditisten eingegangenen Bürgschaft nach herrschender Ansicht Leistungen des Kommanditisten an den Bürgschaftsgläubiger nach dem Ausscheiden aus der Gesellschaft zu nachträglichen negativen gewerblichen Einkünften des ausgeschiedenen Gesellschafters führen. Diese nachträglichen Einkünfte seien fortan direkt in der Einkommensteuerveranlagung des Altgesellschafters zu berücksichtigen. Die gleichen Grundsätze müßten im vorliegenden Fall zur Anwendung gelangen, in dem als Folge des Konkurses der ehemalige Kommanditist aus anderweitigen Verpflichtungsgründen für Schulden der KG in Anspruch genommen wurde.
Bei einer Gewinnermittlung nach §§ 4 Abs. 1, 5 EStG im Rahmen einer Sonderbilanz sei die Inanspruchnahme aus Bürgschaften als nachträgliche Anschaffungskosten zu aktivieren und bei Uneinbringlichkeit des Rückgriffsanspruchs gegen die Gesellschaft abzuschreiben.
Der Einwand der Festsetzungsverjährung greife auch gegenüber diesen Verlusten nicht durch. Da die streitigen Verluste aus Mitunternehmerschaft als negative gewerbliche Einkünfte gemäß § 24 Nr. 2 EStG anzusehen seien und es sich bei ihnen nicht um auf den Auflösungszeitpunkt zurückzubeziehende Bestandteile eines Aufgabeverlustes gemäß § 16 Abs. 3 EStG handele, bedürfe es keiner vorherigen Feststellung im Verfahren der gesonderten und einheitlichen Gewinnfeststellung nach § 180 AO, dessen Bindungswirkung im Rahmen des § 10 d EStG zu beachten sei.
Aufgrund des Abzugsjahrprinzips sei der begehrte Verlustabzug, auch soweit er Schuldtitel betrifft, die aus den bestandskräftigveranlagten Verlustentstehungsjahren 1981 und 1982 stammen, jedenfalls in Höhe des nicht verbrauchten Teils im Wege des Verlustvortrages auf die noch offenen VZ ab 1983 zu gewähren.
Die Kläger beantragen,
einen Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 4 EStG in Höhe von 514.000,00 DM und nachträgliche negative Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 24 Nr. 2 EStG in Höhe von 342.000,00 DM im Veranlagungszeitraum 1983 zu berücksichtigen und den Beklagten zu verpflichten, gemäß § 10 d EStG beide Verluste, soweit sie im Veranlagungszeitraum 1983 nicht mit positiven Einkünften ausgeglichen werden können, auf die Veranlagungszeiträume 1981 und 1982 zurückzutragen und auf die Veranlagungszeiträume 1984 bis 1987 vorzutragen.
Der Beklagte hält an seiner im Einspruchsbescheid vom 29.01.1992 dargelegten Rechtsauffassung fest und beantragt,
die Klage abzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Anfechtungsklage XII 165/91 ist teilweise begründet. 1. Nach § 158 Abgabenordnung (AO) sind der Besteuerung die Buchführung und die Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, zugrunde zu legen, soweit nach den Umständen des Einzelfalles kein Anlaß besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden.
Nach § 146 AO sind Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen vollständig, richtig, zeitgerecht und geordnet vorzunehmen. Diese Vorschrift hat die Klägerin insoweit nicht beachtet, als Einnahmen aus der Vermietung der Ferienwohnungen in Höhe von (brutto) 1.380,00 DM (1983), 3.505,00 DM (1984) und 6.938,00 DM (1985) in der Buchführung nicht gewinn- und umsatzerhöhend erfaßt wurden (Anlage 6 zum Prüfungsbericht vom 29.07.1988). Mag auch insoweit bereits die formelle und sachliche Ordnungsmäßigkeit der Buchführung zu verneinen sein, so mißt der Senat doch der Nachkalkulation des Prüfers dasentscheidende Gewicht für die Beurteilung der Frage bei, ob und in welchem Umfang die Buchführung der Klägerin mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sachlich unrichtig ist. Den Einwendungen der Klägerin gegen die nicht systemgerechte Ermittlung des Wareneinsatzes und des wirtschaftlichen Umsatzes durch den Prüfer wurde im Klageverfahren dadurch Rechnung getragen, daß das Gericht seinen Prüfer beauftragte, ausgehend von den in der Arbeitsakte des Prüfers zusammengetragenen Prüfungsfeststellungen den Wareneinsatz und den wirtschaftlichen Umsatz im Sinne der Definitionen dieser Begriffe durch die Richtsatzsammlung zu ermitteln und eine systemgerechte Nachkalkulaltion vorzunehmen. Das in der Anlage 1 zur Stellungnahme des Gerichtsprüfers (Bl 110 Gerichtsakte XII 102/91) zusammengefaßte Ergebnis wurde den Beteiligten rechtzeitig vor dem Termin zur Kenntnis und Prüfung übersandt und in der mündlichen Verhandlung wurden alle Positionen mit ihnen besprochen. Danach stehen denangefochtenen Gewinn- und Umsatzhinzuschätzungen lt. Bp.
1984 | 1985 |
---|---|
70.175,00 DM | 43.859,00 DM |
folgende Umsatzerhöhungen lt. Kalkulation des Gerichtsprüfers gegenüber:
1984 | 1985 |
---|---|
78.951,00 DM | 43.421,00 DM |
und folgende Gewinnerhöhungen:
1984 | 1985 |
---|---|
73.688,00 DM | 39.913,00 DM |
Das sind gemessen an den vergleichbaren Erlösen lt. Buchführung der Klägerin (1984) 388.302,00 DM, 1985 393.471,00 DM) und den erklärten Gewinnen (1984 72.372,00 DM, 1985 72.375,00 DM) so erhebliche Abweichungen, daß Anlaß besteht, die sachliche Richtigkeit der Buchführung der Klägerin in den Streitjahren 1984 und 1985 zu beanstanden (§ 158 AO) und ihre Ergebnisse nicht in vollem Umfang der Besteuerung zugrunde zu legen (§ 162 Abs. 2 AO).
2.
Gewinn aus Gewerbebetrieb 1984 und 1985 Was die Höhe der notwendigen Hinzuschätzungen in diesen Veranlagungszeiträumen betrifft, hält es der Senat aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung für geboten, den Einwendungen der Klägerin zum wirtschaftlichen Wareneinsatz 1984 und 1985 teilweise Rechnung zu tragen.
a)
Der Eigenverbrauch (lt. Buchführung 1.200,00 DM, lt. Bp. 2.200,00 DM) ist im Einspruchsbescheid vom 08.02.1991 bezüglich des Gewinns aus Gewerbebetrieb und im Einspruchsbescheid vom 05.02.1991 bezüglich der steuerpflichtigen Umsätze um je 4.000,00 DM, nach Bruttoverkaufspreisen = 2.667,00 DM netto erhöht worden. Der Abzug einer weiteren Erhöhung des Eigenverbrauchs vom wirtschaftlichen Wareneinsatz ist nach Auffassung des Senats nicht vertretbar.
b)
Für den Getränkeverbrauch der Arbeitnehmer wurden im Wege der Schätzung 4.000,00 DM, für Knobelrunden 2.000,00 DM und für Freirunden 3.000,00 DM (jeweils Nettobeträge) jährlich angesetzt, so daß sich eine Minderung des wirtschaftlichen Wareneinsatzes in 1984 und 1985 um je 9.000,00 DM ergibt. Das sind ca. 80 v. H. des von der Klägerin für notwendig gehaltenen Gesamtbetrages von ca. 11.000,00 DM (Anlage 6 zum Schriftsatz der Klägerin vom 23.12.1991). Damit ist den Besonderheiten des Lokals der Klägerin in ausreichendem Umfang Rechnung getragen.
c)
Das Gericht geht daher von folgendem wirtschaftlichen Wareneinsatz 1984 und 1985 aus:
Bereinigter Wareneinsatz lt. Zeile 13 der Anlage 1 zur Stellungnahme des Gerichtsprüfers:
1984 | 1985 | |
---|---|---|
DM | DM | |
166.706 | 155.522 | |
abzüglich | ||
weiterer Eigenverbrauch lt. Einspruchsbescheiden vom 05. und 08.02.1991 | 2.776 | 2.776 |
Getränkeverbrauch AN | 4.000 | 4.000 |
Knobelrunden | 2.000 | 2.000 |
Freirunden | 3.000 | 3.000 |
wirtschaftlicher Wareneinsatz | 154.930 | 143.746 |
d)
Bei einem Aufschlagsatz von 198,83 % ergeben sich folgende
kalkulierte Erlöse: | 462.977 | 429.556 |
---|---|---|
abzüglich Rabatte | 3.508 | 3.508 |
Abschlag f. Unsicherheiten | 5.000 | 5.000 |
geschätzter Umsatz | 454.469 | 421.048 |
abzüglich Diebstahl | 5.263 | 5.263 |
geschätzte Erlöse | 449.206 | 415.785 |
vergleichbare Erlöse lt. Buchführung | 388.302 | 393.471 |
Differenz = Umsatz- und Gewinnerhöhung lt. Schätzung | 60.904 | 22.314 |
Darauf entfallende Rückstellung | ||
f. Gewerbesteuer | 7.944 | 2.910 |
f. Umsatzsteuer | 8.585 | 2.740 |
Erhöhung d. Gewinns lt. Urteil (abgerundet) | 44.370 | 16.660 |
Die Einkünfte der Klägerin aus Gewerbebetrieb errechnen sich wie folgt:
1984 | 1985 | |
---|---|---|
DM | DM | |
Angefochtener Gewinn aus Gewerbebetrieb lt. Einspruchsbescheid vom 27.02.1991 | 138.022 | 118.096 |
./. beantragte Herabsetzung des Gewinns | 57.981 | 35.095 |
80.041 | 83.001 | |
+ Erhöhung lt. Urteil | 44.370 | 16.660 |
Einkünfte aus Gewerbebetrieb lt. Urteil | 124.411 | 99.661 |
3.
Gewinn aus Gewerbebetrieb 1983
Der Betriebsprüfer hat in der Anlage 5 zum Bp.-Bericht den vonihm kalkulierten Brutto-Umsatz 1983 u.a. um 12.000,00 DM für "Getränke/Angestellte" gekürzt, obwohl 1983 noch kein Personal bei der Klägerin beschäftigt war. Macht man diese Kürzung rückgängig und auch den Abschlag für Kalkulationsunsicherheiten (6.000,00 DM brutto), so stehen sich bei systemgerechter Durchführung der Kalkulation lt. Anlage 2 der Stellungnahme des Gerichtsprüfers (Bl. 111 Gerichtsakte XII 102/91) geschätzten Erlösen von 349.610,00 DM vergleichbare Erlöse lt. Buchführung (Gaststättenerlöse) von 349.410 DM gegenüber. Für eine Hinzuschätzung zum Gewinn aus Gewerbebetrieb 1983 ist daher kein Raum.
Die Einkünfte aus Gewerbebetrieb 1983 sind daher wie folgt festzusetzen:
DM | |
---|---|
Angefochtener Gewinn aus Gewerbebetrieb | 124.278 |
./. beantragte Herabsetzung des Gewinns | 19.927 |
Einkünfte aus Gewerbebetrieb lt. Urteil | 104.351 |
4.
Den Klägern stehen nach § 54 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1991 Kinderfreibeträge von 2.432 DM für das erste Kind, 916 DM für das einem anderen Elternteil zugeordnete zweite Kind und 432 DM für das dritte Kind = 3.780 DM zu. Da in den angefochtenen Steuerbescheiden nur Kinderfreibeträge in Höhe von insgesamt 1.080 DM nach der früheren Gesetzeslage berücksichtigt wurden, sind die Kinderfreibeträge für 1983 bis 1985 um je 2.700 DM zu erhöhen.
5.
Die angefochtenen Einkommensteuerfestsetzungen 1983 bis 1985 sind nach alledem wie folgt zu berichtigen:
Zu versteuerndes Einkommen lt. ESt-Bescheid 1983 vom 12.10.1988 und lt. ESt-Bescheid 1984 und 1985 in der Fassung des Einspruchsbescheides vom 27.02.1991
1983 | 1984 | 1985 | |
---|---|---|---|
DM | DM | DM | |
119.155 | 132.044 | 119.432 | |
./. Gewinnminderung | |||
lt. Urteil | 19.927 | 13.611 | 18.435 |
./. zusätzl. Kinderfreibeträge | 2.700 | 2.700 | 2.700 |
zu versteuerndes Einkommen | 96.528 | 115.733 | 98.297 |
ESt nach der Splittingtabelle | 28.498 | 37.862 | 29.366 |
II.
Die Verpflichtungsklage XII 79/92 ist ebenfalls teilweise begründet.
1.
Auflösungsverlust gemäß § 17 EStG
a)
Nach § 17 Abs. 1 und Abs. 4 EStG gehört zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch der Gewinn oder der Verlust aus der Auflösung von Kapitalgesellschaften, wenn der Gesellschafter innerhalb der letzten fünf Jahre am Kapital der Gesellschaft wesentlich beteiligt war und er die Beteiligung in seinem Privatvermögen hält. Diese Voraussetzungen sind im Streitfall mit der Auflösung der GmbH durch die Eröffnung des Konkursverfahrens (§ 60 Abs. 1 Nr. 4 GmbH-Gesetz (GmbHG)) am 11. März 1982 erfüllt. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt mit 95 v. H. am Stammkapital der GmbH beteiligt.
b)
Der Senat stimmt der Auffassung des Beklagten zu, daß der streitige Auflösungsverlust im Jahr der zivilrechtlichen Auflösung der GmbH, also im Veranlagungszeitraum (VZ) 1982, steuerlich zu erfassen ist. Die Gesellschaft war bereits in diesem Jahr vermögenslos. Die Sicherungsverwertung des Vulkanisierkessels am 7. März 1982 (einen Tag vor Stellung des Konkursantrags) hatte die werbende Geschäftstätigkeit des Unternehmens weitgehend beendet. Eine Liquidation der GmbH konnte mangels Masse nicht stattfinden. Bei dieser Sachlage steht zur Überzeugung des Senats fest, daß der Kläger seine wesentliche Beteiligung an der GmbH nicht erst im Jahre 1983 verloren hatte. Er selbst behauptet auch nicht, daß er 1983 noch mit Zuteilungen oder Rückzahlungen gemäß § 17 Abs. 4 Satz 2 EStG rechnen konnte. Der streitige Auflösungsverlust fällt daher in den VZ 1982. Ein Wahlrecht zwischen den Jahren 1982 oder 1983 steht dem Kläger nicht zu (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juni 1993 VIII R 81/91, BStBl II 1994, 162).
An dem Zeitpunkt der Verlustrealisierung ändert auch nichts, daß nach Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung oder nach Auflösung einer Kapitalgesellschaft noch Aufwendungen anfallen können, die nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung i. S. des § 17 Abs. 2 Satz 1 EStG sind. Das kann, wie der BFH in seinem Urteil vom 2. Oktober 1984 VIII R 36/83 (BFHE 143, 228, BStBl II 1985, 320) ausgeführt hat, insoweit der Fall sein, alsein Kapitalgesellschafter für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft eine Bürgschaft übernommen hat und der Ersatzanspruch aus der Bürgschaft gegen die Gesellschaft nicht realisierbar ist. Solche nachträglichen Anschaffungskosten sind bei der Ermittlung des Auflösungsverlustes im Jahr der Verlustrealisierung zu berücksichtigen. Es handelt sich dann um ein nachträgliches Ereignis, das die Höhe des Auflösungsverlustes rückwirkend beeinflußt und auf den Zeitpunkt der Auflösung zurückzubeziehen ist. Das Ereignis beeinflußt die Steuerschuld des Jahres der Auflösung und ist nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO zu berücksichtigen (vgl. BFH-Urteil vom 2. Oktober 1984, VIII R 20/84, BStBl II 1985, 428 m.w.N.).
c)
Ist somit die GmbH im VZ 1982 "aufgelöst" i. S. des § 17 Abs. 4 EStG, so bestimmt sich der Zeitpunkt der Entstehung des Auflösungsverlustes nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung (vgl. BFH-Urteil vom 3. Juni 1993 a.a.O. m.w.N.).
Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, daß es nur einen Auflösungsgewinn oder -verlust gemäß § 17 Abs. 2, Abs. 4 EStG gibt, d. h. der Gewinn/Verlust ist auf einen Zeitpunkt zu ermitteln (BFH-Urteil vom 8. Dezember 1992 VIII R 99/90, BFH/NV 1993, 654). Die Berücksichtigung von Betriebsausgaben (Aufwand) außerhalb der Gewinnermittlung gemäß § 17 Abs. 2 EStG ist nicht zulässig, auch wenn nach den Grundsätzen der Gewinnermittlung gemäß §§ 4 Abs. 1, 5 EStG die Voraussetzungen dafür gegebenwären.
d)
Wie der BFH wiederholt im Zusammenhang mit Veräußerungsgewinnen oder -verlusten entschieden hat, ist die Gewinnermittlung nach § 17 Abs. 2 EStG nicht nach dem Zuflußprinzip des § 11 EStG, sondern nach einer Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlustes vorzunehmen (vgl. Urteile vom 21. September 1982 VIII R 140/79, BFHE 137, 407, BStBl II 1983, 289, und vom2. Oktober 1984 a.a.O.). Maßgebender Zeitpunkt der Gewinn- oder Verlustrealisierung ist derjenige, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre.
Diese Grundsätze gelten entsprechend für die Ermittlung eines Auflösungsverlustes nach § 17 Abs. 4 EStG. Auch bei der Auflösung einer Kapitalgesellschaft ist somit eine Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Verlustrealisierung (im Streitfall auf den Tag der Eröffnung des Konkursverfahrens) vorzunehmen.
e)
Der Senat beurteilt den streitigen Auflösungsverlust von 514.000,00 DM wie folgt:
aa)
Verlust des Stammkapitals
Das Stammkapital an der GmbH in Höhe von 19.000,00 DM war im Zeitpunkt der Konkurseröffnung endgültig verloren, was auch das FA nicht bestreitet.
bb)
Übernommene Bürgschaften
Lt. Bürgschaftserklärung vom 30. September 1980 hatte der Klägergegenüber der Stadtsparkasse ... die selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 50.000,00 DM zur Sicherung ihrer Forderung gegen den Hauptschuldner (Reifenhandelsgesellschaft GmbH) übernommen.
Lt. Bürgschaftsurkunde vom 20. November 1980 haben beide Kläger als Gesamtschuldner eine weitere selbstschuldnerische Bürgschaft in Höhe von 219.000,00 DM gegenüber der Stadtsparkasse zur Sicherung ihrer Forderungen gegen den vorgenannten Hauptschuldner übernommen (Bl. 59-62 der GA).
Übernimmt der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft eine Bürgschaft für Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft und wird er daraus in Anspruch genommen, ohne eine gleichwertige Rückgriffsforderung gegen die Kapitalgesellschaft zu erwerben, entstehen dem Gesellschafter nachträgliche Anschaffungskosten der Beteiligung in Gestalt verdeckter Einlagen, wenn die Übernahme der Bürgschaft ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Dies ist der Fall, wenn im Zeitpunkt der Übernahme der Bürgschaft die Inanspruchnahme und die Uneinbringlichkeit der Rückgriffsforderung so wahrscheinlich waren, daß ein Nichtgesellschafter bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes die Bürgschaft nicht übernommen hätte (vgl. BFH-Urteile vom 11. April 1984 I R 175/79, BFHE 141, 38, BStBl II 1984, 535, und vom 2. Oktober 1984 VIII R 36/83, BStBl II 1985, 320).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall erfüllt. Der Senat hat keinen Zweifel daran, daß die Übernahme beider Bürgschaften im Jahre 1980 im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung ihre alleinige Ursache im Gesellschaftsverhältnis des Klägers hatte.Die einige Monate vor der Bürgschaftsübernahme gegründete GmbH war als Auffanggesellschaft für die durch einen 1979 eingetretenen Kapitalverlust von rund 666.000,00 DM insolvent gewordene ... Kundendienst GmbH & Co. KGgegründet worden. Sie war - wenn nicht direkt als Rechtsnachfolger, so doch zumindest im Geschäftsverkehr mit den Kunden - von Anfang an konfrontiert mit der Insolvenz der KG und hätte das schwierig gewordene Geschäft mit runderneuerten Reifen ohne Gesellschafterbürgschaften nicht weiter betreiben können, weil die dafür erforderlichen liquiden Mittel nicht vorhanden waren. Die Zuführung von nachrangigem Haftkapital in Gestalt kapitalersetzender Bürgschaften (oder Darlehen) im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 13. Juli 1981 II ZR 256/79, Juristenzeitung 1981, 840) war daher dringend notwendig. Der Senat sieht in beiden Bürgschaften eine Gesellschafterleistung des Klägers, die als Ersatz für Eigenkapital zu betrachten ist und deshalb ebenso wie dieses gemäß §§ 30, 31 GmbHG gesetzlich gebunden war. Dies rechtfertigt es, die selbstschuldnerischen Bürgschaften den gesellschaftsrechtlichen Einlagen gleichzusetzen.
Das FA hält dem Kläger entgegen, er habe nicht nachgewiesen, überhaupt Zahlungen auf die Bürgschaftsverpflichtung geleistet zu haben; folglich könne die Verpflichtung aus der Bürgschaft auch nicht zu nachträglichen Anschaffungskosten der GmbH-Beteiligung führen. Der Senat hält diese Ansicht nicht für zutreffend. Wie bereits ausgeführt, ist ein Gewinn oder Verlust aus der Veräußerung einer wesentlichen Beteiligung nicht nach dem Zufluß/Abflußprinzip des § 11 EStG, sondern nach einer Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns oder Verlustes vorzunehmen (BFH-Urteile vom 21. September 1982 a.a.O.; vom 26. Juli 1984 IV R 10/83, BFHE 141, 488, BStBl II 1984, 786). Das Gleiche gilt in bezug auf die Ermittlung eines steuerlich zu erfassenden Auflösungsgewinns oder -verlustes (BFH-Urteil vom 2. Oktober 1984 a.a.O.). Hieraus folgt, daß der nach § 17 EStG zu erfassende Gewinn oder Verlust nicht nach der Systematik der Überschußrechnung, sondern nachbilanzrechtlichen Regeln zu ermitteln ist (BFH-Urteile vom 30. Juni 1983 IV R 113/81, BFHE 138, 569, BStBl II 1983, 640, und vom 18. August 1982 VIII R 13/90, BFHE 169, 90, BStBl II 1993, 34).
Bei einer Gewinnermittlung auf bilanzrechtlicher Grundlage ist eine bestehende Verbindlichkeit in der Regel auch dann in vollem Umfang zu berücksichtigen, wenn der Verpflichtete sie mangels finanzieller Mittel nicht erfüllen kann. Eine Ausnahme gilt lediglich dann, wenn mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Inanspruchnahme des Schuldners nicht mehr zu erwarten ist und die Verbindlichkeit deshalb für den Schuldner keine wirtschaftliche Last mehr darstellt (BFH-Urteil vom 9. Februar 1993 VIII R 21/92, BFHE 170, 540, BStBl II 1993, 543), was z. B. nach Eintritt der Verjährung der Fall wäre. Überträgt man diese Grundsätze auf die hier in Rede stehende Problematik, ergibt sich, daß die von einem Gesellschaftereingegangene Bürgschaftsverpflichtung die Anschaffungskosten des Gesellschaftsanteils grundsätzlich unabhängig davon erhöht, ob und inwieweit der Gesellschafter tatsächlich zahlungsfähig ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn der Bürgschaftsgläubiger die Durchsetzung seiner Forderung gegenüber dem Gesellschafter ernsthaft betreibt und hieran auch nicht aus Rechtsgründen gehindert ist. So liegen die Dinge im Streitfall. Die Stadtsparkasse ... hat den Kläger und die Klägerin aus den Bürgschaften in Anspruch genommen und tut dies auch heute noch (vgl. Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts vom 4. Mai 1995). Die Kläger haben nach der Kontoabrechnung der Stadtsparkasse zum 30. September 1994 seit 1989 Zahlungen über insgesamt 55.985,45 DM geleistet. Auf die Anlagen 1-7 zum klägerischen Schriftsatz vom 7. Oktober 1997 (Bl. 58-73 GA) wird Bezug genommen.
Im übrigen geht es bei der Frage, inwieweit durch eine Bürgschaftsverpflichtung ein Auflösungsverlust entsteht oder sich erhöht, ausschließlich um den Umfang der durch die Bürgschaft verursachten nachträglichen Anschaffungskosten des Gesellschaftsanteils. Anschaffungskosten entstehen, wenn im Zusammenhang mit der Anschaffung eine Verbindlichkeit begründet wird, in Höhe der Verbindlichkeit unabhängig von deren Tilgung; das gilt auch in bezug auf die Anschaffung von Gesellschaftsanteilen und muß auch gelten hinsichtlich nachträglicher Anschaffungskosten. Auch hier kann es nicht darauf ankommen, in welcher Höhe der Gesellschafter Zahlungen geleistet hat; alleinentscheidend muß vielmehr sein, welche (Zahlungs-)Verpflichtungen er im Zusammenhang mit seiner Beteiligung eingegangen ist. Das gilt jedenfalls dann, wenn - wie im Streitfall - die Verpflichtung zivilrechtlich wirksam ist, einem fremden Dritten gegenüber besteht und der Gesellschafter aus ihr bereits in Anspruch genommen worden ist.
Diese Beurteilung wird auch durch die höchstrichterliche Rechtsprechung gestützt. Der BFH hat zwar in verschiedenen Entscheidungen sich dahin geäußert, daß "Zahlungen" auf eine Bürgschaft den nachträglichen Anschaffungskosten zugerechnet werden können (BFH-Urteile vom 9. August 1983 VIII R 276/82, BFHE 138, 257, BStBl II 1984, 29; BFHE 148, 246, BStBl II 1987, 257). Andererseits hat er in verschiedenen Entscheidungen ausgeführt, daß die "Übernahme einer Bürgschaft" durch den Gesellschafter (BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428) oder die "Inanspruchnahme aus der Bürgschaft" (BFH/NV 1992, 94) als der die Anschaffungskosten erhöhende Einlagetatbestand anzusehen sei. Eine exakte Unterscheidung zwischen Übernahme und Inanspruchnahme einerseits sowie Zahlung auf die Bürgschaftsverpflichtung andererseits hat er bislang lediglich einmal - und zwar im Rahmen eines summarischen Verfahrens - vorgenommen (BFH/NV 1993, 364); in jener Entscheidung hat er es als "jedenfalls unerheblich" bezeichnet, ob und inwieweit der Gesellschafter auf die ihn treffende Bürgschaftsverpflichtung "tatsächlich gezahlt" habe. In der Entscheidung heißt es weiter, daß sich durch die Zahlungsunfähigkeit des Gesellschafters dessen Schuld nicht mindere. Dies bringt zum Ausdruck, daß auch der BFH davon ausgeht, daß ein Gesellschafter-Bürge unabhängig von seiner Zahlungsfähigkeit nachträgliche Anschaffungskosten im Nominalwert der gesamten, ihm gegenüber bestehenden Forderung hat.
Daß die Klägerin als nicht wesentlich Beteiligte an der GmbH neben dem Kläger in Höhe von 219.000,00 DM ebenfalls aus selbstschuldnerischer Bürgschaft haftete, befreite den Kläger weder gegenüber dem Bürgschaftsgläubiger von seiner Verpflichtung aus der Bürgschaft noch im Innenverhältnis zur Klägerin, soweit diese - wie durch die von der Stadtsparkasse betriebene Pfändung ihrer Gehaltsansprüche geschehen - in Vorlage treten mußte. Denn es waren und sind die Verpflichtungen des Klägers als Hauptschuldner, nicht diejenigen der Klägerin, die bisher getilgt worden sind und noch zu tilgen sein werden.
Der Senat kommt nach alledem zu dem Ergebnis, daß die Anschaffungskosten der Beteiligung des Klägers an der GmbH um den Nominalwert der Bürgschaftsverpflichtung zu erhöhen sind. Da die Inanspruchnahme aus der Bürgschaft eine gleichwertige Rückgriffsforderung des Klägers gegen die Kapitalgesellschaft nicht zur Folge haben konnte, was außer Zweifel steht und auch vom FA nicht bestritten wird, ist der streitige Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 2, Abs. 4 EStG um weitere 269.000,00 DM zu erhöhen.
cc)
Umsatzsteuerrückstände 1980 bis 1982
Forderungen der AOK ... wegen nichtabgeführter Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung
Durch Urteil des Amtsgerichts ... vom 12. Januar 1983 wurde der Kläger wegen fortgesetzter Vorenthaltung der Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung und wegen fortgesetzter Umsatzsteuerhinterziehung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 10 Monaten verurteilt, deren Vollstreckung ausgesetzt wurde (Bl. 75ff GA). Der Kläger hatte ab dem Beitragsmonat April 1980 bis Februar 1982 die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung bei der AOK nicht zu dem Fälligkeitszeitpunkt abgeführt. Dadurch wurde ein Betrag von 98.828,84 DM nicht zu den Fälligkeitsterminen abgeführt, ein Teilbetrag von 15.508,93 DM überhaupt nicht. Nach dem Kontoauszug der AOK ... für die Reifenhandelsgesellschaft ... GmbH betrug der Rückstand per 30.12.1986 19.552,65 DM (Bl. 86 GA).
Nach dem der Kläger durch das vorgenannte Urteil wegen Umsatzsteuerhinterziehung für die Monate Juni 1980 bis September 1981 rechtskräftig verurteilt worden war, nahm ihn das FA ... mit Schreiben vom 22.08.1989 (Anlage zum Schriftsatz der Kläger vom 4. September 1991) wegen Umsatzsteuerhinterziehung in Höhe von 39.038,39 DM zuzüglich Umsatzsteuerverspätungszuschläge von 5.765,00 DM als Haftungsschuldner gemäß § 71 AO in Anspruch.
Lt. Mitteilung des FA ... vom 02.01.1990 erhöhten sich die Abgabenrückstände um 38.282,52 DM Säumniszuschläge auf insgesamt 83.035,39 DM (Bl. 84 GA).
Es ist nicht erkennbar, inwiefern Steuerhinterziehungen des Klägers in Höhe der hinterzogenen Beträge und die fortgesetzte Vorenthaltung von Arbeitnehmeranteilen zur Sozialversicherung die Anschaffungskosten seines Gesellschaftsanteils an der GmbH erhöhen. Zu Unrecht beruft sich der Kläger in diesem Zusammenhang auf das Urteil des FG Düsseldorf vom 9. Dezember 1987 (EFG 1988, 168). Im dort entschiedenen Fall beruhte die Haftungsschuld des Klägers auf § 69 AO (Haftung der Vertreter), nicht auf § 71 AO (Haftung des Steuerhinterziehers). Wer vorsätzlich Steuern hinterzogen hat und die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung zwar einbehalten, aber nicht abgeführt hat, hat sie dem FA bzw. der AOK aus persönlichen Motiven vorenthalten. Daher kommt auch ein Abzug als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit nicht in Betracht.
dd)
Forderung der Firma Elektro ... GmbH über 21.137,34 DM Lt. Pfändungs- und Überweisungsbeschluß des Amtsgerichts vom 02.04.1982 (Anlage zum Schriftsatz der Kläger vom 4. September 1991) wurden die angeblichen Ansprüche des Klägers gegen die ... Lebensversicherung ... gepfändet und der Firma Elektro ... GmbH in Höhe des Pfändungsbetrages von 21.137,34 DM zur Einziehung überwiesen.
Der Pfändungsbetrag setzt sich aus einer Hauptforderung von 14.468,76 DM (Urteil des Landgerichts ... vom 03.07.1981) und aus einer weiteren Hauptforderung von 683,68 DM (Urteil des Amtsgerichts ... vom 03.12.1981) sowie aus festgesetzten Kosten und Zwangsvollstreckungskosten zusammen.
Die Urteile wegen der Hauptforderung hat der Kläger dem Gericht nicht vorgelegt. Es ist daher nicht möglich, den vom Kläger behaupteten wirtschaftlichen Zusammenhang mit seiner GmbH-Beteiligung, insbesondere die Veranlassung der Verbindlichkeiten durch das Gesellschaftsverhältnis festzustellen.
ee)
Verbindlichkeiten gegenüber Lieferanten in Höhe von 90.268,68 DM
Durch Urteil des Landgerichts ... vom 17. Februar 1984 wurde der Kläger wegen Bankrotts und wegen fortgesetzten Betruges unter Einbeziehung von zwei Einzelstrafen aus früheren Urteilen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (Anlage 11 zum klägerischen Schriftsatz vom 7. Oktober 1997 (Bl. 87ff. GA). Nach den Entscheidungsgründen des Urteils (Seite 8ff.) hatte der Kläger von den Firmen ... Reifendienst GmbH, ... Gummi Werke ... GmbH & Co., ... Motorenteile GmbH und ... GmbH Waren im Gesamtbetrag von 90.268,68 DM ohne Vorkasse bezogen, obwohl er damit rechnete, daß er die fälligen Rechnungen nicht würde bezahlen können. Das Gericht nahm insoweit ein Vergehen des fortgesetzten Betruges zum Nachteil der genannten Firmen an.
Daß der Kläger von den Firmen wegen der unbezahlten Lieferungen an die GmbH persönlich in Anspruch genommen wurde, hat er nicht vorgetragen. Insofern fehlt es für die Annahme von zusätzlichen Anschaffungskosten des Gesellschaftsanteils bereits an der Grundvoraussetzung, nämlich an dem Vortrag (unter Beweisantritt), daß die Gläubigerfirmen die Durchsetzung ihrer Forderung auch gegen den Kläger betrieben haben. Offensichtlich haben sie es nicht getan. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die behauptete Erhöhung der Anschaffungskosten der Beteiligung überhaupt darauf gestützt werden kann, daß der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer die Lieferanten der GmbH betrogen hat.
Der Senat kommt nach alledem zu dem Ergebnis, daß der im VZ 1982 zu berücksichtigende Auflösungsverlust gemäß § 17 Abs. 2, Abs. 4 EStG 19.000,00 DM + 269.000,00 DM = 288.000,00 DM beträgt.
2.
Verluste aus Mitunternehmerschaft
Das FA hat es zutreffend abgelehnt, nachträgliche Verluste im Sinne des § 24 Nr. 2 EStG aus der Beteiligung des Klägers an der ehemaligen ... Kundendienst GmbH & Co.KG steuerlich zu berücksichtigen.
a)
Auch nach der Eröffnung des Konkursverfahrens am 10.04.1980 blieb die KG als Handelsgesellschaft bestehen. Durch die Eröffnung des Konkurses über das Vermögen der Gesellschaft wurde diese zwar aufgelöst (§ 131 Nr. 3 i.V.m. § 161 Abs. 2 HGB), aber noch nicht voll beendet. Einkommensteuerrechtlich betreibt eine KG auch während des Abwicklungsstadiums ein gewerbliches Unternehmen im Sinne des § 15 EStG mit der rechtlichen Folge, daß die Gesellschafter der KG weiterhin Mitunternehmer sind; dies giltsogar dann noch, wenn die KG jegliche werbende Tätigkeit eingestellt hat, weil der einkommensteuerrechtliche Begriff des gewerblichen Unternehmens auch die auf die Abwicklung des Unternehmens gerichtete Tätigkeit umfaßt (vgl. BFH-Urteil vom 27. April 1978 IV R 187/74, BStBl II 1979, 89 m.w.N.). Im Laufe einer solchen Abwicklung ändert sich das Gesellschaftsvermögen, entstehen also Gewinne oder Verluste für die Gesellschafter.
Sie sind für die Gesellschafter als laufender Gewinn oder Verlust aus Gewerbebetrieb, ggf. auch als Veräußerungs- oder Aufgabegewinn/-verlust im Sinne von § 16 Abs. 1 Nr. 1 und 2 EStG festzustellen (§ 180 Abs. 1 Nr. 2 AO). Da die KG auch nach Eröffnung des Konkursverfahrens Kaufmann blieb, war sie verpflichtet, für Zwecke der Besteuerung Bücher zu führen und Steuerbilanzen zu erstellen (vgl. BFH-Urteil vom 28. Januar 1992 VIII R 28/90, BStBl II 1992, 881 m.w.N.). Nach Konkurseröffnunghat der Konkursverwalter für die ordnungsmäßige Erfüllung der steuerrechtlichen Buchführungs- und Bilanzierungspflicht zu sorgen (§ 82 Konkursordnung). Kommt er seiner Verpflichtung zur Aufstellung entsprechender Bilanzen für die KG nicht nach, sind die festzustellenden Besteuerungsgrundlagen zu schätzen (§ 162 Abs. 2 Satz 2 AO). Die Schätzung ist so vorzunehmen, daß sie im Ergebnis einem ordnungsgemäß durchgeführten Bestandsvergleich möglichst nahe kommt.
b)
Zuständig für die gesonderte und einheitliche Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 a AO war und ist nicht das beklagte Wohnsitz-Finanzamt, sondern das FA ... als Betriebsfinanzamt (§ 18 AO). Der Auffassung der Kläger, das beklagte FA sei zuständig, weil die streitigen gewerblichen Verluste als nachträgliche Betriebsausgaben unter § 24 Nr. 2 EStG fallen, vermag der Senat nicht zu folgen. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 2 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Vermögensmehrungen oder -minderungen, die durch eine ehemalige gewerbliche Tätigkeit veranlaßt sind und in der auf den Zeitpunkt der Betriebsaufgabe oder -veräußerung zu erstellenden Steuerbilanz und während der sich möglicherweise anschließenden (weiteren) Liquidationsphase noch nicht oder noch nicht hinreichend steuerrechtlich berücksichtigt werden konnten (vgl. BFH-Urteile vom 11. Dezember 1980 I R 119/78, BStBl II 1981, 460, und vom 28. Februar 1990 I R 205/85, BStBl II 190, 537). An diesen Voraussetzungen fehlt es im vorliegenden Fall. Die steuerrechtliche Berücksichtigung der streitigen Verluste von rd. 342.000,00 DM als zusätzliche Anschaffungskosten der Gesellschaftsanteile des Klägers an der KG hätte ohne weiteres in der spätestens auf den Zeitpunkt des Abschlusses der Liquidation zu erstellenden Aufgabebilanz erfolgen können, wenn sie aufgestelltworden wäre. Denn die streitigen Verluste - vom Kläger selbst in der 1991 aufgestellten Sonderbilanz für 1981, 1982 und 1983 mit 342.084,48 DM beziffert - setzen sich aus Verpflichtungen des Klägers zusammen, die bereits vor und in der Liquidationsphase der KG bestanden haben. Ausweislich der Sonderbilanz wurde der Kläger von folgenden Gläubigern in Anspruch genommen:
aa) | Bank AG | |
---|---|---|
(Urteil des LG ... vom 17.09.1980) | 123.978,04 DM | |
zuzüglich Zinsen für 1980 und 1981 gemäß Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 26.02.1982 | 37.060,34 DM | |
bb) | AG | |
(Versäumnisurteil des LG ... vom 01.07.1982) und Pfändungs- und Überweisungsbeschluß vom 09.09.1986 | 87.876,52 DM | |
cc) | FA | |
wegen Umsatzsteuer 1978 | 39.692,36 DM | |
dd) | AOK | |
Urteil des Amtsgerichts ... vom 12.01.1983 KG ... | 7.284,72 DM | |
Reifen-... GmbH | 2.903,05 DM | |
ee) | Landeshauptstadt ... | |
Gewerbesteuer 1975 und 1977 | 24.289,40 DM | |
323.084,48 DM | ||
Hinzukommt der Verlust der Stammeinlage bei der Reifen-... GmbH von | 19.000,00 DM | |
insgesamt | 342.084,48 DM |
Diese nicht erfüllten Verbindlichkeiten des Klägers sind nicht auf das Fortwirken einer vollbeendeten, früheren betrieblichen Tätigkeit zurückzuführen und daher (negative) Einkünfte aus einer ehemaligen gewerblichen Tätigkeit i. S. des § 24 Nr. 2 EStG, sondern in Höhe der verlorenen Stammeinlage von 19.000,00 DM Anschaffungskosten der Beteiligung an der Komplementär-GmbH und in Höhe der übrigen Schuldposten der Aufstellung - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungenzusätzliche Anschaffungskosten der Beteiligung des Klägers an der KG, die als Bestandteile des Aufgabeverlustes gemäß § 16 Abs. 3 EStG durch eine gesonderte und einheitliche Feststellung gemäß § 180 AO vom Betriebsfinanzamt hätten festgestellt werden müssen.
3.
Verlustabzug
Nach § 10 d Satz 1 EStG in der Fassung des Haushaltsstrukturgesetzes vom 22.12.1981 (BStBl I 1982, 235) sind Verluste, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrages der Einkünfte nicht ausgeglichen werden, wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte des zweiten dem VZ vorangegangenen VZ abzuziehen; soweit ein Abzug danach nicht möglich ist, sind sie wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte des ersten dem VZ vorangegangen VZ abzuziehen.
Nach Satz 2 der Vorschrift sind Steuerbescheide, die für die vorangegangenen VZ bereits erlassen waren, insoweit zu ändern, als der Verlustabzug zu gewähren oder zu berichtigen ist. Nach Satz 3 gilt das auch dann, wenn die Steuerbescheideunanfechtbar geworden sind; die Verjährungsvorschriften enden insoweit nicht, bevor die Verjährungsfrist für den VZ abgelaufen ist, in dem Verluste nicht ausgeglichen werden (Verlustentstehungsjahr).
Soweit ein Abzug der nicht ausgeglichenen Verluste nach den Sätzen 1 bis 3 nicht möglich ist, sind diese nach Satz 4 in den folgenden fünf VZ wie Sonderausgaben vom Gesamtbetrag der Einkünfte abzuziehen; der Abzug ist nur insoweit zulässig, als die Verluste in den vorangegangenen VZ nicht abgezogen werden konnten.
a)
Ausgangsgröße für den allgemeinen Verlustabzug ist der Betrag, der für das Verlustentstehungsjahr als negativer Gesamtbetrag der Einkünfte (GdE) und damit als abzugsfähiger Verlust ermittelt wird. Daß im Streitfall die Einkommensteuer für den VZ 1982 bereits bestandskräftig veranlagt worden ist, und, wie das FA zutreffend dargelegt hat, § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO, die einzige in Betracht kommende Änderungsvorschrift, nicht zueiner Herabsetzung der festgesetzen Steuer führen kann, weil die Festsetzungsverjährung für sämtliche in der Form nachträglicher Anschaffungskosten bis zum 31.12.1986 entstandenen Verluste mit Ablauf des 31.12.1990, also vor der Antragstellung (14.06.1991) bereits eingetreten war, steht der Entscheidung über Grund und Höhe des zum Abzug anstehenden Verlustes des Entstehungsjahrs 1982 nicht entgegen. Denn über Grund und Höhe des Verlustabzuges wird für die VZ vor 1990 nach ständiger Rechtsprechung erst im Jahre des Verlustabzuges entschieden (BFH-Urteile vom 9. Dezember 1987 I R 1/85, BFHE 151, 554, BStBl II 1988, 463; vom 9. Dezember 1987 I R 260/83, BFHE 151, 560, BStBl II 1988, 460, und vom 24. Mai 1989 I R 213/85, BFHE 157, 521, BStBl II 1990, 8). Da die Bestandskraft einer Steuerfestsetzung sich nur auf die Höhe der festgesetzten Steuer, nicht aber auf die Besteuerungsgrundlagen erstreckt (Tipke/Kruse Abgabenordnung -Finanzgerichtsordnung, 13. Aufl., § 157 AO, Tz. 7), wirkt die bestandskräftige Festsetzung der Steuer nicht - anders als das FA meint - als Sperre dahin, daß für Zwecke des Verlustabzugs kein Ansatz eines negativen GdE zulässig wäre (vgl. BFH-Urteil vom 8. April 1992 I R 41/88, BFH/NV 1992, 799).
Die Bestandskraft der Steuerfestsetzung im Verlustentstehungsjahr bewirkt in diesem Fall zweierlei:
Für Zwecke des Verlustabzuges wird der negative GdE rechnerisch in der Weise ermittelt, daß der bisherige positive GdE vom neu festgestellten Verlust (im Streitfall 288.000,00 DM) abgezogen wird, so daß für den Verlustabzug nur der verbleibende negative GdE übrigbleibt.
Die festgesetzte Steuer bleibt - ungeachtet des für den Verlustabzug ermittelten negativen GdE - unverändert.
b)
Im vorliegenden Fall kommt folgende Besonderheit hinzu: Hinsichtlich der Einkommensteuer 1982 war Festsetzungsverjährung nicht nur insoweit eingetreten, als Verluste aus nachträglichen Anschaffungskosten der wesentlichen Beteiligung des Klägers sich steuermindernd auswirken könnten, sondern die gesamte für den VZ 1982 festgesetzte Einkommensteuer war, was auch zwischen den Beteiligten unstreitig ist, bereits verjährt, als die Kläger im Jahr 1991 den Antrag auf Berücksichtigung der streitigen Verluste stellten. Auch dieser Umstand, d. h. die hinsichtlich des Verlustentstehungsjahres in vollem Umfang eingetretene Festsetzungsverjährung steht der vorstehend dargelegten Rechtslage bei Durchführung der Verlustabzuges nicht entgegen. Der Ablauf der Festsetzungsfrist für das Verlustentstehungsjahr hat lediglich zur Folge, daß der Ablauf der Festsetzungsfrist für das Verlustrücktragsjahr nicht bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist für das Verlustentstehungsjahr hinausgeschoben wird, wie es in § 10 d Satz 3 Halbsatz 2 EStG an sich vorgesehen ist (vgl. BFH-Urteil vom 4. November 1992 XI R 9/92, DStR 1993, 235).
c)
Was den Verlustabzug gemäß § 10 d Satz 1 EStG im VZ 1980 (dem zweiten dem Verlustentstehungsjahr vorangegangenen VZ) und im VZ 1981 (dem ersten dem Verlustentstehungsjahr vorangegangenen VZ betrifft, ist zu berücksichtigen, daß der Ablauf der Festsetzungsfrist im Verlustrücktragsjahr 1980 nicht gemäß § 10 d Satz 3 EStG gehemmt worden ist, weil die Festsetzungsfrist für das Verlustentstehungsjahr 1982 bezogen auf die nicht ausgeglichenen Verluste, wie unter b) dargelegt, im Jahre 1991 bereits abgelaufen war.
Für den VZ 1981 ist keine Veranlagung zur Einkommensteuer erfolgt, sie ist auch zu keinem Zeitpunkt beantragt worden. Eine Nachholung des Antrags ist nicht möglich, weil die insoweit maßgebliche Antragsfrist des § 46 Abs. 2 Nr. 3 EStG bereits mit Ablauf des 31.12.1984 abgelaufen war.
Bezüglich der Verlustabzugsjahre 1980 und 1981 bleibt es daher beim Verbrauch der Abzugsbeträge, die Gegenstandeiner Änderungsveranlagung für 1980 bzw. der unterlassenen Veranlagung für 1981 gewesen wären (vgl. BFH-Urteil vom 08.04.1992 a.a.O. und von Groll in Kirchhof/Söhn Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 10 d Rdnr. B 321).
Gleiches gilt, wie bereits unter a) ausgeführt, für das Verlustentstehungsjahr 1982. Sollte der GdE 1982 nicht durch Vorlage des Einkommensteuerbescheides 1982 nachgewiesen werden können, was bisher nicht möglich war, müssen ihn die Beteiligten im Wege der Schätzung ermitteln, um den Verlustabzug gemäß § 10 d EStG, auf den die Kläger einen grundsätzlichen Anspruch haben, zu ermöglichen. Aus der Gerichtsakte XII 335/86 zu dem seinerzeit beim Senat anhängig gewesenen Klageverfahren ergibt sich, daß die Einkommensteuer der Kläger für 1982 auf 18.818,00 DM festgesetzt worden ist.
d)
Da das FA den beantragten Verlustabzug gemäß § 10 d EStG aus Gründen abgelehnt hat, die nicht in vollem Umfang der Rechtslageentsprechen, war es zum Erlaß des beantragten Verwaltungsaktes nach Maßgabe von Abschnitt II der Entscheidungsgründe des Urteils zu verurteilen.
4.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 155 FGO i.V. mit §§ 708 Nr. 10, 710 ZPO.
Die Revision ist nicht zugelassen worden.