Landgericht Lüneburg
Urt. v. 04.05.2023, Az.: 6 O 143/22

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
04.05.2023
Aktenzeichen
6 O 143/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 47135
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hünfeld - 13.06.2022 - AZ: 22 - 5602189 - 2 - 8

Fundstelle

  • SVR 2023, 465-466

In dem Rechtsstreit
XY AG, vertreten durch d. Vorstand, vertreten durch den Vorsitzenden, R-Platz 1, W.,
Klägerin,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. Prof. Dr.
Rechtsanwaltsgesellschaft mbH,
gegen
1. die unbekannten Erben des Herrn R. R. P., B-Str. 17, 29565 W., vertr. d. d. Nachlasspfleger K. R., L-Straße 47, U.,
2. I. Versicherung Versicherungsverein a. G., vertreten durch den Vorstand, I-Platz, I.,
Beklagte,
Prozessbevollmächtigter zu 1: Rechtsanw.
Prozessbevollmächtigte zu 2: Rechtsanw.
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 13.04.2023 durch den Richter am Landgericht S. als Einzelrichter
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hünfeld vom 13.06.2022, Aktenzeichen: 22 - 5602189 - 2 - 8, wird aufgehoben und die Klage abgewiesen.

  2. 2.

    Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

  3. 3.

    Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

    und b e s c h l o s s e n:

    Der Wert des Streitgegenstandes wird auf bis zu 30.000 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall.

Die Klägerin war zum Zeitpunkt des streitgegenständlichen Unfallereignisses Kfz-Vollkasko- und Kfz-Haftpflichtversicherung für den Pkw VW Polo, amtliches Kennzeichen XX - YY 77, der Versicherungsnehmerin W. Die Beklagte zu 2. war die Haftpflichtpflichtversicherung des Fahrzeugs Toyota, amtliches Kennzeichen XX - ZZ 139, des zwischenzeitlich verstorbenen, ursprünglichen Beklagte zu 1., Herrn P.

Am 26.11.2019 befuhr die Zeugin W. mit dem bei der Klägerin versicherten Pkw die vorfahrtsberechtigte Hauptstraße in W. in Richtung E. Der ehemalige Beklagte zu 1., Herr P., befuhr die aus Sicht der Zeugin W. von rechts in die H-Straße einmündende He.-Straße, wobei er die Haltelinie an der H-Straße nicht überfuhr. Mit welcher Geschwindigkeit sich Herr P. der vorfahrtsberechtigten H-Straße genähert hat, ist streitig. Die Zeugin W. fuhr mit ihrem Pkw etwa auf Höhe der He.-Straße auf die Gegenfahrbahn, wo sie mit dem entgegenkommenden Traktor samt Hänger des Zeugen V. kollidierte. Durch den Unfall sind Schäden an dem Fahrzeug der Zeugin W einschließlich Abschleppkosten in Höhe von 10.585,36 € sowie für die Reparatur und ein Sachverständigengutachten für den Traktor samt Hänger in Höhe von 16.083,24 € entstanden. Die Klägerin glich die Schäden der Zeugin W. sowie der Halterin des beschädigten Traktors mit Hänger aus.

Die Klägerin behauptet, Herr P. sei mit überhöhter Geschwindigkeit an den Kreuzungsbereich herangefahren und habe dadurch ein Ausweichverhalten der Zeugin W. herbeigeführt. Sie ist der Ansicht, dass den ehemalige Beklagte zu 1., Herr P., das alleinige Verschulden an dem Unfall treffe, weswegen die Beklagten ihr den gezahlten Schaden vollständig zu ersetzen hätten.

Die Klägerin hat gegen den ursprünglichen Beklagten zu 1. P. einen Antrag auf Erlass eines Mahnbescheides über die Hauptforderung von 26.668,60 €, Anwaltsvergütung in Höhe von 1.325,20 €, Mahnkosten in Höhe von 10,00 € und Zinsen für den Zeitraum 27.02.2020 bis 12.05.020 zum obigen Aktenzeichen beim Amtsgericht Hünfeld gestellt. Der daraufhin am 12.05.2022 erlassenen Mahnbescheid ist ausweislich der Zustellungsurkunde Herrn P. am 17.05.2022 zugestellt worden. Auf Antrag der Klägerin hat das Amtsgericht Hünfeld am 13.06.2022 einen entsprechenden Vollstreckungsbescheid erlassen, welcher Herr P. ausweislich der Zustellungsurkunde durch Einlegen in den zu seiner Wohnung gehörenden Briefkasten am 06.08.2022 zugestellt worden ist. Herr P. ist am XX.YY.2022 verstorben. Mit am 23.08.2022 beim Amtsgericht eingegangenen Schreiben hat die Tochter des Verstorbenen "Widerspruch" erhoben. Das Amtsgericht hat das Verfahren daraufhin an das Landgericht Lüneburg abgegeben. Mit Schreiben vom 06.01.2023, eingegangen am selben Tag beim Amtsgericht Hünfeld, hat der zwischenzeitlich zum Nachlasspfleger bestellte Prozessbevollmächtigte der Beklagten zu 1. Einspruch gegen den Vollstreckungsbescheid eingelegt.

Die Klägerin beantragt,

  1. 1.

    den Vollstreckungsbescheid gegen die Beklagten zu 1. aufrechtzuerhalten,

  2. 2.

    die Beklagte zu 2. zu verurteilen, an die Klägerin 26.668,60 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.02.2020 zu zahlen.

Die Beklagten beantragen jeweils,

den Vollstreckungsbescheid aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, Herr P. sei mit seinem Fahrzeug langsam an die Kreuzung herangerollt, da er nach links habe abbiegen wollen. Er habe sich im Zeitpunkt der Kollision der auf der Hauptstraße befindlichen Fahrzeuge noch mindestens anderthalb Meter von der Einmündung entfernt befunden. Sie sind der Ansicht, dass ein Verursachungsbeitrag des bei der Beklagten zu 2. versicherten Fahrzeugs sowie des Herrn P. nicht vorliege.

Die Beklagten zu 1. sind der Ansicht, der Mahnbescheid und der Vollstreckungsbescheid seien dem zwischenzeitlich verstorbenen Beklagten zu 1. P. bereits nicht wirksam zugestellt worden, da dieser nicht geschäftsfähig gewesen sei.

Die Kammer hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugin W. und des Zeugen V. Zudem hat sie die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Lüneburg (Aktenzeichen 2212 Js 6219/20) beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2023 verwiesen.

Entscheidungsgründe

I.

Der Einspruch des Nachlassverwalters der Beklagten zu 1. gegen den Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Hünfeld ist zulässig. Durch den zulässigen Einspruch ist der Prozess gemäß §§ 700, 342 ZPO in die Lage zurückversetzt worden, in der er sich vor Eintritt der Säumnis des ursprünglichen Beklagten zu 1. P. befunden hat.

Der im Tenor bezeichnete Vollstreckungsbescheid ist dem ursprünglichen Beklagten zu 1. P. entgegen der Ansicht der Beklagten zu 1. ordnungsgemäß zugestellt worden. Zwar erfolgte die Zustellung am 06.08.2022 zu einem Zeitpunkt als Herr P. bereits erkrankt war, insoweit kommt es jedoch nicht darauf an, ob er aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr geschäftsfähig war, da bei der Zustellung eines Vollstreckungsbescheides die zweiwöchige Einspruchsfrist gem. §§ 700 Abs. 1, 339 Abs. 1 ZPO auch dann in Gang gesetzt wird, wenn der Adressat zu diesem Zeitpunkt geschäfts- und damit auch prozessunfähig war (BGH, Urteil vom 15.01.2014, VIII ZR 100/13; BGH, Urteil vom 19.03.2008, VIII ZR 68/07).

Gegen den Vollstreckungsbescheid haben die Beklagten zu 1. durch den Nachlassverwalter rechtzeitig Einspruch eingelegt. Die mit Zustellung am 06.08.2022 beginnende zweiwöchige Einspruchsfrist ist vor Ablauf durch das Versterben des ursprünglichen Beklagten zu 1. P. aufgrund der entsprechenden Anwendbarkeit des § 239 Abs. 1 ZPO (BeckOK ZPO/Jaspersen, 48. Ed. 01.03.2023, § 239 Rn. 3.7) nach § 249 Abs. 1 ZPO unterbrochen worden und hat erst mit Beendigung der Unterbrechung von neuem angefangen zu laufen. Eine Aufnahme nach § 239 ZPO durch das Schreiben der Schwester des Verstorbenen scheidet aus, da diese nicht Erbin des Verstorbenen geworden ist. In den Fällen der Unterbrechung des Verfahrens wegen Todes einer Partei endet die Unterbrechung jedoch mit der Zustellung der Anzeige des Nachlasspflegers über seine Bestellung (BGH, Beschluss vom 09.05.1995, XI ZB 7/95). Da der Nachlasspfleger mit der Anzeige seiner Bestellung am 06.01.2023 gleichzeitig Einspruch eingelegt hat, ist dieser fristgerecht.

II.

Die zulässige Klage ist unbegründet.

1.

Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagten auf Schadensersatz gemäß §§ 7 Abs. 1, 17 Abs. 1, Abs. 2, 18 StVG, §§ 115, 116 VVG.

Die Klägerin konnte bereits nicht beweisen, dass sich die vom Fahrzeug des ehemaligen Beklagten zu 1. ausgehende Betriebsgefahr bei der Kollision mit dem entgegenkommenden Traktorgespann ausgewirkt hat und den Beklagten somit zurechenbar ist.

Für eine Zurechnung der Betriebsgefahr kommt es darauf an, ob der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeugs steht. Alleine die Anwesenheit eines im Betrieb befindlichen Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle reicht hierfür nicht aus. Vielmehr ist erforderlich, dass die Fahrweise oder der Betrieb dieses Fahrzeugs zu dem Entstehen des Unfalls beigetragen hat. Ein verkehrswidriges Verhalten dieses Fahrzeugs ist hingegen ebenso wenig erforderlich wie eine Kollision (BGH, Urteil vom 22.11.2016, VI ZR 533/15; BGH, Urteil vom 21.09.2010, VI ZR 263/09; BGH, Urteil vom 26.04.2005, VI ZR 168/04; OLG Brandenburg, Hinweisbeschluss vom 29.11.2018, 12 U 92/18). Eine Haftung kommt grundsätzlich nämlich auch dann in Betracht, wenn der Unfall mittelbar durch das andere Kraftfahrzeug verursacht worden ist. Dieses kann etwa der Fall sein, wenn der Geschädigte - wie vorliegend durch die Klägerin behauptet - durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs zu einer Reaktion wie einem Ausweichmanöver veranlasst wird und dadurch ein Schaden eintritt. Auch ein Unfall infolge einer voreiligen, objektiv nicht erforderlichen Ausweichreaktion kann dem Betrieb eines Kraftfahrzeugs zugerechnet werden, das diese Reaktion ausgelöst hat (BGH, Urteil vom 21.09.2010, VI ZR 263/09; OLG Celle, Urteil vom 07.06.2001, 14 U 210/00). Stets ist aber aufgrund einer insoweit gebotenen wertenden Betrachtung des Schadensereignisses die Feststellung erforderlich, dass die Reaktion des geschädigten Verkehrsteilnehmers - aus seiner Sicht des konkreten Verkehrsgeschehens vor dem Unfall - subjektiv vertretbar erschien. Es müssen also Anhaltspunkte dafür festgestellt werden, dass das Verhalten des Inanspruchgenommenen dem Geschädigten subjektiv zur Befürchtung hätte Anlass geben können, es werde ohne seine Reaktion zu einer Kollision mit dem anderen Verkehrsteilnehmer kommen (OLG Celle, Urteil vom 07.06.2001, 14 U 210/00; LG München I, Endurteil vom 17.04.2015, 17 O 21577/12). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Ursächlichkeit und des Zurechnungszusammenhangs ist der Eintritt der konkreten kritischen Verkehrslage, die unmittelbar zum Schaden führt. Die kritische Verkehrslage beginnt für einen Verkehrsteilnehmer dann, wenn die ihm erkennbare Verkehrssituation konkreten Anhalt dafür bietet, dass eine Gefahrensituation unmittelbar entstehen kann (BGH, Urteil vom 22.11.2016, VI ZR 533/15).

Dies zugrunde legend konnte die für den erforderlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen dem Betrieb des Kfz und dem Schaden beweisbelastete Klägerin den Beweis nicht führen, dass über die reine Anwesenheit des Herrn P. hinaus ein Fahrverhalten von diesem Anlass dafür gegeben hätte, dass ihre Versicherungsnehmerin, die Zeugin W., ein Ausweichmanöver durch Fahrt in den Gegenverkehr vorgenommen hat. Zwar kann ein der Betriebsgefahr zurechenbares Fahrverhalten angenommen werden, wenn ein Fahrzeug durch eine fehlende erkennbare Reduzierung der Geschwindigkeit an einen Kreuzungsbereich heranfährt, an welchen Vorfahrt zu gewähren ist. Dies folgt insoweit auch aus § 8 Abs. 2 StVO, wonach derjenige, der die Vorfahrt zu beachten hat, rechtzeitig durch sein Fahrverhalten, insbesondere durch mäßige Geschwindigkeit, erkennen lassen muss, dass gewartet wird. Ein solches Fahrverhalten kann jedoch vorliegend nicht festgestellt werden.

Die Überzeugung der Kammer beruht insoweit insbesondere auf den Angaben der Zeugin W. und des Zeugen V. sowie der verlesenen Aussage des zwischenzeitlich Verstorbenen Herrn P. aus dem staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren.

Die Zeugin W. hat zwar angegeben, sie sei mit ihrem Fahrzeug bei Dunkelheit auf der Hauptstraße gefahren und Herr P. sei von rechts mit seinem Fahrzeug sehr schnell angefahren gekommen, sie konnte jedoch weder sagen, wann sie den Pkw des Herrn P. erstmals wahrgenommen hat noch, wie weit er zum Zeitpunkt ihres Ausweichens von der die Fahrbahn begrenzenden weißen Linie entfernt gewesen sei. Sie könne sich lediglich daran erinnern, dass sie das Gefühl gehabt habe, ausweichen zu müssen. Auf den Vorhalt, dass Herr P. im geführten Strafverfahren, aus welchen die Aussage von Herrn P. verlesen worden ist, angegeben hat, er sei langsam an die Linie herangerollt, hat die Zeugen bekundet, dass bei ihr schlicht die Erinnerung "hängen geblieben" sei, dass sie habe ausweichen müssen. Insoweit kann schon aufgrund der Aussage der Zeugin W. nicht ausgeschlossen werden, dass sie in schreckhaft Verkennung der Verkehrssituation und aufgrund des verspäteten Erkennens des Fahrzeugs des Herrn P. eine normale und unproblematische Verkehrslage als kritisch eingeschätzt hat. So hat sie mehrfach bekundet, dass bei ihr ein subjektives Gefühl des Erfordernisses eines Ausgleichsmanövers im Vordergrund stand, ohne dass sie zu den objektiven Gegebenheiten konkretere Angaben machen konnte.

Für eine schreckhafte Verkennung der Verkehrssituation spricht auch, dass ausweislich der in Augenschein genommenen Lichtbilder aus der Ermittlungsakte, dort Blatt 23 Bild 16 der Akte, auf dessen Inhalt verwiesen wird, die Straße, aus der Herr P. mit seinem Fahrzeug gekommen ist, aufgrund des dortigen Bewuchses schlecht einsehbar war und die Zeugin W. das Fahrzeug des Herrn P. erst verhältnismäßig spät überhaupt wahrnehmen konnte.

Für eine unkritische Verkehrssituation spricht zur Überzeugung der Kammer auch die Aussage des Zeugen V. Der Zeuge hat angegeben, dass es sich vor dem Unfall um eine für ihn übliche Verkehrssituation gehandelt habe, bei der Frau W. ihm entgegengekommen sei und das Fahrzeug von Herrn P. aus seiner Sicht von links und für Frau W. von rechts kommend an den Kreuzungsbereich herangefahren sei. Eine erhöhte Geschwindigkeit des Herrn P. sei ihm nicht aufgefallen. Vielmehr gehe er davon aus, dass dieser sich "in die Kreuzung reingetastet" habe. Er könne sich den Spurenwechsel von Frau W. eigentlich nur so erklären, dass ihr Fokus auf das von rechts kommende Autos gerichtet war. Insoweit sprechen auch die Angaben des Zeugen V. für ein mit mäßiger Geschwindigkeit durchgeführtes Heranfahren an den Kreuzungsbereich durch Herrn P. Zwar hat der Zeuge auch angegeben, dass er davon ausgehe, dass Herr P. möglicherweise nach dem Unfall noch zurückgesetzt habe, weil nach seiner Logik die Kreuzung wieder hätte freigemacht werden müssen, auf Nachfrage gab er jedoch auch an, dass er weder gesehen habe, dass Herr P. in der Kreuzung stand noch dass dieser über die weiß gestrichelte Linie gefahren wäre. Insoweit handelt es sich bei dieser Aussage zu Überzeugung der Kammer um einen Rückschluss des Zeugen, welcher sich das Ausweichen über der Frau W. im Übrigen nicht erklären konnte, wobei unstreitig ist, dass Herr P. die Linie nicht überfahren hat.

Für ein langsames Heranfahren in Form des von dem Zeugen V. geschilderten "Reintastens" in die Kreuzung sprechen auch die verlesenen Angaben des Herrn P. aus dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Lüneburg, der dort im Rahmen seiner Vernehmung am 29.01.2020 angegeben hat, er habe nach links auf die Hauptstraße abbiegen wollen und schon beim Heranfahren an die Kreuzung gesehen, dass von links und rechts Fahrzeuge gekommen seien. Er sei daraufhin ganz langsam an die Kreuzung herangerollt und habe sich noch etwa 1,5 m von der Einmündung entfernt befunden, als es plötzlich schräg rechts vor ihm gekracht habe. Er sei in diesem Zeitpunkt noch gerollt und habe an der weiß gestrichelten Linie halten wollen.

Insoweit bestehen keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, dass sich die Klägerin infolge des Betriebs des von Herrn P. geführten Pkw zu der von ihr durchgeführten Ausweichmanöver veranlasst sehen durfte, weil sie andernfalls eine Kollision befürchten musste. Ebenso ist möglich, dass die Klägerin ohne Anlass und somit grundlos ausgewichen ist.

2.

Mangels Anspruchs in der Hauptsache stehen der Klägerin auch die geltend gemachten Zinsansprüche nicht zu.

III.

Der Kostenausspruch folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Die Kosten hinsichtlich des Vollstreckungsbescheides waren den Beklagten zu 1. auch nicht nach § 344 ZPO aufzuerlegen, da der Vollstreckungsbescheid nicht in gesetzlicher Art und Weise ergangen ist. Unabhängig von der Frage, ob eine Zustellung des Vollstreckungsbescheids wirksam war, hätte der Vollstreckungsbescheid aufgrund der fehlenden Geschäftsunfähigkeit des ehemaligen Beklagten zu 1. P. nicht an diesen zugestellt werden dürfen (§ 170 Abs. 1 Satz 2 ZPO, vgl. auch für den Fall eines Versäumnisurteils: BGH, Urteil vom 05.10.1961, VII ZR 201/58). Insoweit können ihm bzw. seinem Rechtsnachfolger auch nicht die Kosten des Verfahrens nach § 344 ZPO auferlegt werden. Es bestehen auch ausreichende Anhaltspunkte für die gemäß § 56 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigende Geschäftsunfähigkeit des Herrn P. im Zeitpunkt des Zugangs des Vollstreckungsbescheides. Dies ergibt sich aus dem Anhörungsvermerk des Amtsgerichts Hameln vom 14.04.2022 im Rahmen einer Betreuerbestellung, nach dessen Inhalt der ihn anhörende Richter festgestellt hat, dass Herr P. nicht in der Lage war seinen Erörterungen zu folgen oder auf Fragen zu antworten. Auf Grundlage dieser Anhörung wurde sodann auch eine Betreuung für die Gesundheit und die Aufenthaltsbestimmung mit Beschluss vom selben Tag für 6 Monate angeordnet.

IV.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 Satz 1, Satz 2 ZPO

V.

Die Streitwertfestsetzung hat ihre Grundlage in § 3 ZPO.

Die Entscheidung über die Festsetzung des Streitwertes kann mit der Beschwerde angefochten werden. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache rechtskräftig geworden ist oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, bei dem Landgericht Lüneburg, 21335 Lüneburg, Am Ma rkt 7 eingeht.

Wird der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt, kann die Beschwerde innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung der Festsetzung bei dem Gericht eingelegt werden. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,00 € übersteigt oder das Gericht die Beschwerde in diesem Beschluss zugelassen hat.

Beschwerdeberechtigt ist, wer durch diese Entscheidung in seinen Rechten beeinträchtigt ist. Die Beschwerde wird durch Einreichung einer Beschwerdeschrift oder zur Niederschrift der Geschäftsstelle des genannten Gerichts eingelegt. Sie kann auch zur Niederschrift der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts erklärt werden, wobei es für die Einhaltung der Frist auf den Eingang bei dem genannten Gericht ankommt. Sie ist von dem Beschwerdeführer oder seinem Bevollmächtigten zu unterzeichnen.

Die Einlegung kann auch in elektronischer Form erfolgen. Informationen zu den weiteren Voraussetzungen zur Signatur und Übermittlung sind auf dem Justizportal des Bundes und der Länder (www.justiz.de) im Themenbereich zur elektronischen Kommunikation zu finden. Eine Einlegung per einfacher E-Mail ist unzulässig.

Die Beschwerde muss die Bezeichnung des angefochtenen Beschlusses sowie die Erklärung enthalten, dass Beschwerde gegen diesen Beschluss eingelegt wird. Soll die Entscheidung nur zum Teil angefochten werden, so ist der Umfang der Anfechtung zu bezeichnen.