Landgericht Lüneburg
Urt. v. 08.11.2023, Az.: 5 O 111/23

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
08.11.2023
Aktenzeichen
5 O 111/23
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 55321
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

In dem Rechtsstreit
M. GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer
Klägerin,
Prozessbevollmächtigter: Rechtsanw. J. T.
Geschäftszeichen:
gegen
W. GmbH, vertreten durch d. Geschäftsführer
Beklagte,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanw. J.
Geschäftszeichen:
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg durch die Richterin am Landgericht N. als Einzelrichterin auf die mündliche Verhandlung vom 20.09.2023
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 41.536,95 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.784,60 € seit dem 07.02.2023, aus weiteren 10.079,30 € seit dem 16.03.2023, aus weiteren 9.888,90 € seit dem 15.04.2023 sowie aus weiteren 18.784,15 € seit dem 20.05.2023 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 10,00 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von weiteren 1.156,20 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2023 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Wert: 41.536,95 €.

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten den Ausgleich offenstehender Vergütungsansprüche für erbrachte Dienstleistungen.

Die Klägerin betreibt auf der Internetdomain www.xxx.net ein Hausbauportal. Das Leistungsangebot der Klägerin richtet sich zuvorderst an Hausanbieter und Bauunternehmen, denen es auf dem Portal ermöglicht wird, für Objekte sämtlicher relevanten Hausbaukategorien (Einfamilien-, Reihen-, Fertig- und Massivhäuser, Bungalows, etc.) sowie für eigene Dienstleistungen rund um die Themen Hausbau und Hausverkauf wahlweise regional oder bundesweit Inserate zu schalten. Die Klägerin vermittelt an ihre Vertragspartner sodann die Anfragen von Hausbau- und Hauskaufinteressenten gegen Entgelt. Bei der Beklagten handelt es sich um eine solche Inserentin der Klägerin.

Am 20.12.2022 übermittelte die Beklagte der Klägerin einen Auftrag zur Einrichtung einer neuen Firmenpräsenz auf www.xxx.net und zur damit verbundenen Vermittlung von Hausbau-/Hauskauf-Interessenten unter Verwendung eines vorgestalteten und die AGB der Klägerin enthaltenen Auftragsformulars der Klägerin. Wegen der Einzelheiten wird auf den Auftrag (Anlage K1, Bl. 18 ff. d.A.) Bezug genommen. Der Auftrag wurde von Seiten der Klägerin angenommen. In der Folgezeit leitete die Klägerin Anfragen an die Beklagte weiter.

Die Klägerin begehrt den Ausgleich folgender, nicht bezahlter Rechnungen:

1. Rechnung 22-3331 vom 31.12.2022 über 2.784,60 € (Bl. 24 d.A.)

2. Rechnung 23-0189 vom 06.02.2023 über 10.079,30 € (Bl. 25 d.A.)

3. Rechnung 23-0395 vom 08.03.2023 über 9.888,90 € (Bl. 26 d.A.)

4. Rechnung 23-0597 vom 06.04.2023 über 18.784,15 € (Bl.217 d.A.)

insgesamt 41.536,95 €.

Die Rechnungen wurden der Beklagten am Tage der Rechnungsstellung an die für die Durchführung des Vertragsverhältnisses benannte E-Mail-Adresse der Beklagten übermittelt. Die Klägerin mahnte die Rechnungen vom 31.12.2022 und 06.02.2023 mehrfach an.

Die Klägerin beauftragte den Klägervertreter am 14.03.2023 zunächst mit der außergerichtlichen Geltendmachung der streitgegenständlichen Rechnungsbeträge, soweit diese fällig waren. Der Klägervertreter schrieb die Beklagte mit Schreiben vom 15.03.2023 an und forderte erfolglos zum Ausgleich der Zahlungsrückstände in Höhe von damals 22.752,80 € unter Fristsetzung auf (Bl. 30 d.A.). Hierdurch entstanden vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 1.156,20 €, die der Klägerin in Rechnung gestellt wurden und deren Erstattung die Klägerin von der Beklagten beansprucht.

Die Klägerin beantragt:

  1. 1.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 41.536,95 € nebst Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 2.784,60 € seit dem 07.02.2023, aus weiteren 10.079,30 € seit dem 16.03.2023, aus weiteren 9.888,90 € seit dem 15.04.2023 sowie aus weiteren 18.784,15 € seit dem auf die Rechtshängigkeit folgenden Tag (20.05.2023) zu zahlen.

  2. 2.

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Mahnkosten in Höhe von 10,00 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von weiteren 1.156,20 € nebst Zinsen hierauf in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem auf die Rechtshängigkeit folgenden Tag (20.05.2023) zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte meint, das Geschäftsmodell der Klägerin sei sittenwidrig, und ficht den Vertrag überdies wegen arglistiger Täuschung an. Hätte sie das Geschäftsmodell vorher durchschaut, hätte sie den Vertrag so nicht geschlossen. Sie behauptet, die übermittelten Anfragen seien im Ergebnis nichts wert gewesen. Sie habe die angeblichen Interessenten angeschrieben, dabei habe sich herausgestellt, dass es sich oftmals um bloß lockere Anfragen gehandelt habe, um sich einfach mal mit dem Thema Hausbau zu beschäftigen. Für sie sei überdies bei Vertragsabschluss die Frage des Vorhandenseins eines Grundstücks von großer Bedeutung gewesen. Ihr sei nicht bewusst gewesen, dass hinsichtlich dieser Frage keinerlei Validierung von Seiten der Klägerin durchgeführt werde, von Seiten der Klägerin sei ja mit der sehr hohen Anfragequalität für bessere Abschlussquoten geworben worden. Die Interessenten seien an eine unüberschaubar große Vielzahl von Inserenten weitergeleitet worden.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

1.

Der Klägerin steht gegen die Beklagte gemäß § 611 BGB i.V.m. der vertraglichen Vereinbarung entsprechend dem Auftrag vom 20.12.2022 ein Anspruch auf Zahlung in Höhe von 41.536,95 € nebst Zinsen zu. Sie kann aufgrund der mit der Beklagten getroffenen vertraglichen Vereinbarung die Bezahlung der streitgegenständlichen Rechnungen für ihre Dienstleistungen verlangen.

a) Die Beklagte kann nicht mit Erfolg einwenden, die Klägerin habe ihre geschuldeten Leistungen nicht oder nur mangelhaft erbracht. Ihre diesbezüglichen Rügen sind verspätet.

In § 8 Abs. 5 Satz 1 der AGB ist geregelt, dass der Auftraggeber, mithin die Beklagte, fehlerhafte Anfragen bis zu 30 Tage nach Erhalt der Anfrage reklamieren kann. Für den Fall, dass die Anfrage zu Recht reklamiert wird, ist vereinbart, dass die Verpflichtung, das vereinbarte Entgelt zu zahlen, entfällt. Derartige Reklamationen, die ein zeitnahe Aufklärung ermöglicht hätten, hat die Beklagte bezüglich der streitgegenständlichen Vermittlungen innerhalb dieser Frist nicht getätigt. Bereits aus diesem Grunde kann sie wegen der behaupteten Mangelhaftigkeit der Leistungen keine Rechte herleiten.

Die Beklagte hat die vertraglich vereinbarte Reklamationsfrist in Bezug auf die streitgegenständlichen Hausbauanfragen nicht genutzt, um Reklamationen einzelner Hausbau-Anfragen vorzunehmen.

b) Im Übrigen führten die von der Beklagten behaupteten Schlechtleistungen auch nicht zum Entfallen der Vergütungspflicht.

Die vertragliche Leistung der Klägerin besteht in der Übermittlung der Datensätze von Hausbauinteressenten an ihre Inserenten. Gemäß § 8 Abs. 2 der AGB sind die zu übermittelnden Datensätze von der Klägerin lediglich auf ihre Vollständigkeit hin zu überprüfen und bei Feststellbarkeit ihrer Unvollständigkeit herauszufiltern. Offensichtlich fehlerhafte Datensätze sind gemäß § 8 Abs. 4 der AGB nicht zu vergüten. Soweit sich infolge der Kontaktaufnahme zwischen Inserent und Interessent inhaltliche Unrichtigkeiten bei den Angaben des Interessenten herausstellen sollten oder die Lebenssituationen oder Lebenseinstellungen der Hausbau-Interessenten sich nachträglich derart verändert haben sollten, dass die im Zeitpunkt ihrer Hausbau-Anfrage auf dem Portal der Klägerin getätigten Angaben nicht mehr aktuell sein sollten, stellt dies keine Pflichtverletzung der Klägerin dar.

Ob es sich bei den übermittelten Hausbau-Anfragen dabei nur um lockere Anfragen handelt, um sich einfach mal mit dem Thema Hausbau zu beschäftigen, ist unerheblich, weil auch bei Weiterleitung dieser Interessenten eine vertragsgemäße Leistung der Klägerin vorliegt. Zutreffend validiert die Klägerin die Angaben der Interessenten, ein Grundstück sei vorhanden, nicht. Die Klägerin ist auf der Grundlage der vertraglichen Vereinbarungen zu einer solchen Validierung nicht verpflichtet. Schon auf dem Auftragsformular ist ausgeführt, dass die Angabe "mit Grundstück" bedeutet, dass der Interessent bei seiner Anfrage angibt, ein Grundstück zu besitzen oder reserviert zu haben. Im Übrigen ist nach § 3 Abs. 3 der AGB geregelt, dass die Klägerin keinen Einfluss auf die Angaben der Interessenten hat und insbesondere nicht verpflichtet ist, den Wahrheitsgehalt zu überprüfen, sowie in § 8 Abs. 3 der AGB betreffend die Vergütung und Zahlungsbedingungen, dass maßgeblich nur die Angaben des Interessenten sind, ohne dass es darauf ankommt, ob diese zutreffen. Etwas Anderes kann auch nicht erwartet werden. Denn der Klägerin dürfte es schon aufgrund der Vielzahl der Anfragen unmöglich sein, die diesbezüglichen Angaben der einzelnen Interessenten zu überprüfen.

Die Klägerin hat zu den von ihr übermittelten Hausbauanfragen substantiiert vorgetragen und als Anlage K6 (Bl. 80 ff. d.A.) eine Liste der vermittelten Interessenten zu den Akten gereicht, aus der sich ergibt, dass die Angaben der Interessenten auf die Kriterien der Beklagten in ihrem Auftrag passen. Dieser Liste ist die Beklagte - unabhängig davon, dass die 30-tägige Frist bereits verstrichen ist - nicht substantiiert entgegengetreten. Insbesondere die von der Beklagten mit Schriftsatz vom 30.10.2023 vorgetragene Überprüfung der Liste führt nicht zu einem Entfallen des Vergütungsanspruchs. Dass einige Interessenten aktuell kein Interesse haben, sagt nicht, dass sie zum Zeitpunkt ihrer Anfrage im Internetportal der Klägerin schon kein Interesse hatten. Wenn E-Mails aktuell nicht zustellbar waren, heißt das nicht, dass dies schon zum Zeitpunkt der Anfrage so war.

Soweit die Beklagte behauptet, die an sie übermittelten Hausbau-Anfragen seien nicht nur an maximal sieben Hausanbieter übermittelt worden, ist der Vortrag unsubstantiiert.

c) Mögliche völlig falsche Vorstellungen der Beklagten von der zu erwartenden Quantität und Qualität der Anfragen hätte die Beklagte bereits vor Vertragsschluss bei Sichtung des Internetportals der Klägerin und des Vertragstextes nebst AGB vermeiden können. Bei einer Sichtung des Internetportals der Klägerin ist offenkundig, welche Klicks und welche Angaben die Nutzer lediglich zu machen brauchen, um als Interessent geführt zu werden, dass die "Hemmschwelle" somit gering ist. Beim Lesen des Auftragstextes und der AGB fällt auf, dass die Angaben der Interessenten nicht validiert, sondern nur weitergereicht werden. Dies kann die Beklagte nun nicht im Nachhinein rügen. Auch die feste Vertragslaufzeit ohne Begrenzung der Anfragenhöhe und ohne Begrenzung monatlichen Budgets ergibt sich unmittelbar aus der Vereinbarung. Wenn die Beklagte ihren Radius auf drei Bundesländer ausweitet, liegt unter Berücksichtigung der offenkundig geringen "Hemmschwelle" auf der Hand, dass der Interessentenkreis sehr groß sein kann. Damit hätte die Beklagte rechnen können und müssen.

Aus alledem folgt, dass das Geschäftsmodell der Klägerin weder sittenwidrig ist, noch die Beklagte den Vertrag wegen arglistiger Täuschung anfechten kann.

2.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 3 Satz 1, 288 Abs. 2, 291 BGB.

3.

Die entstandenen Mahnkosten kann die Klägerin aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 1, Abs. 2 BGB erstattet verlangen.

4.

Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat die Beklagte ebenfalls gemäß § 280 Abs. 1, 286 Abs. 1 BGB als Verzugsschaden zu erstatten.

5.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.