Landgericht Lüneburg
Urt. v. 23.03.2023, Az.: 6 O 68/22

Schadenersatz und Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall; Vollständiges Zurücktreten der Betriebsgefahr des Fahrzeugs; Verletzung der Grundregeln des § 1 StVO

Bibliographie

Gericht
LG Lüneburg
Datum
23.03.2023
Aktenzeichen
6 O 68/22
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2023, 27999
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • DAR 2024, 33-35
  • NJW-Spezial 2023, 554

In dem Rechtsstreit
des Herrn D. B.,XXX,
Kläger
Prozessbevollmächtigter: XXX
gegen
1. DA D. A. V. AG, vertreten durch den Vorstand, XXX,
2. Herrn S. H.,XXX,
Beklagte
Prozessbevollmächtigte zu 1, 2: XXX
hat die 6. Zivilkammer des Landgerichts Lüneburg auf die mündliche Verhandlung vom 02.03.2023 durch die Richterin am Landgericht Dr. S. als Einzelrichterin
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. I.

    Die Klage wird abgewiesen.

  2. II.

    Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

  3. III.

    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die vorläufige Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

    und beschlossen:

    Der Streitwert wird festgesetzt auf bis zu 6.000,00 €.

Tatbestand

Der Kläger begehrt Schadenersatz und Schmerzensgeld nach einem Verkehrsunfall.

Am 10.12.2021 befuhr der Kläger gegen Mittag die Kreisstraße XXX. von A. kommend in Richtung N. mit seinem elektrisch unterstützten Treckingrad der Marke "V". Er war dabei auf dem Geh- und Fahrradweg auf der in Fahrtrichtung linken Seite der Fahrbahn unterwegs, der durch das Verkehrszeichen 240 (Gemeinsamer Geh- und Radweg) mit dem Zusatzzeichen 1.000-31 (Verkehr in beide Richtungen) gekennzeichnet ist. Aufgrund der niedrigen Temperaturen an diesem Tag hatte der Kläger die Kapuze seines Parkas aufgesetzt und fuhr in geduckter Haltung auf seinem Fahrrad. Der Kläger fuhr etwa 10-15 km/h.

Der Beklagte zu 2.) wollte zu dieser Zeit mit seinem bei der Beklagten zu 1.) haftpflichtversicherten Peugeot 206 aus der Straße "GXXXring."kommend nach rechts auf die Kreisstraße XXX in Richtung A. abbiegen. Für Fahrzeuge, die aus dem GXXXring. kommen, gilt das im Einmündungsbereich aufgestellte Verkehrszeichen 206 (Halt. Vorfahrt gewähren) mit dem Zusatzzeichen 1.000-32 (Radfahrer kreuzen). Außerdem ist auf der Fahrbahn eine Haltelinie mit einem durchgehenden weißen Strich vorhanden (Zeichen 294). Der Verlauf des kreuzenden Geh- und Radweges ist davon versetzt am Schnittpunkt der Fahrbahnen mit einer unterbrochenen Leitlinie gekennzeichnet. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Unfallörtlichkeit wird auf die Verkehrsunfallskizze sowie den Bildbericht der beigezogenen Verkehrsunfallanzeige der Polizeistation W., Vorgangsnummer XXX (Bl. 10f., 26 - 30 d.A.), verwiesen.

Der Kläger kollidierte mit dem stehenden Fahrzeug des Beklagten zu 2.) im Einmündungsbereich des GXXXrings, wobei zwischen den Parteien der genaue Haltepunkt des Wagens zum Zeitpunkt der Kollision streitig ist.

Durch den Sturz zog sich der Kläger eine Lungenkontusion links, eine Rippenserienfraktur der sechsten bis achten Rippe links, eine Prellung der Lendenwirbelsäule sowie mehrere weitere Prellungen an Armen und Beinen zu. Er wurde vom 10.12.2021 bis zum 15.12.2021 im Allgemeinen Krankenhaus in C. stationär behandelt, wovon er zwei Tage intensivmedizinisch überwacht wurde. Wegen der weiteren Einzelheiten der Diagnose und Behandlung des Klägers wird auf den Entlassungsbrief des Dr. med. M. A. vom 15.12.2021 (Bl. 5 d. A.) Bezug genommen. Bei dem Unfall wurde das Fahrrad des Klägers beschädigt.

Mit Schreiben vom 14.01.2022 forderte der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Beklagte zu 1.) zur Zahlung von 2.745,40 EUR wegen des Schadens am Fahrrad des Klägers neben der Zahlung einer Unfallkostenpauschale in Höhe von 25,00 EUR und eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1.000,00 EUR auf. Mit Schreiben vom 28.01.2022 weitete der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Schmerzensgeldforderung auf einen Betrag in Höhe von 3.000,00 EUR aus. Schließlich ergänzte er die Forderung mit Schreiben vom 14.02.2022 durch die dem Kläger entstandenen Kosten wegen der Zuzahlungen zum Rettungstransport und dem Krankenhausaufenthalt in Höhe von insgesamt 70,00 EUR sowie einer Eigenanteilsrechnung wegen des Rücktransports vom Krankenhaus zur Heimatadresse des Klägers in Höhe weiterer 5,00 EUR.

Darüber hinaus entstanden dem Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 627,13 EUR.

Der Kläger behauptet, der Beklagte zu 2.) habe sein Fahrzeug erst am Schnittpunkt des GXXXrings mit der Kreisstraße angehalten und dadurch den kreuzenden Geh- und Fahrradweg vollständig blockiert. Des Weiteren sei er mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 2.) an dessen vorderer rechter Seite zusammengestoßen. Von der Haltelinie im GXXXring aus sei der kreuzende Geh- und Fahrradweg in beide Richtungen gut einsehbar. Der Wiederbeschaffungswert eines gleichwertigen Fahrrads betrage 2.745,40 EUR.

Der Kläger beantragt,

  1. 1.

    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn 2.845,40 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2021 zu zahlen;

  2. 2.

    die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an ihn ein angemessenes Schmerzensgeld zu zahlen, das 3.000,00 EUR nicht unterschreiten sollte;

  3. 3.

    die Beklagten zu verpflichten, ihm die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 627,13 EUR zu erstatten.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagten behaupten, der Beklagte zu 2.) habe sein Fahrzeug im Bereich der Haltelinie zum Stillstand gebracht, sodass der Geh- und Radweg überhaupt nicht blockiert worden sei. Ferner sei der Kläger mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 2.) an dessen Stoßstange vorne links zusammengestoßen. Von der Haltelinie im GXXXring aus sei es aufgrund eines bewachsenen Zauns auf der rechten Seite nicht möglich, den Geh- und Radweg in Richtung AXXX einzusehen. Der Kläger habe den vor ihm liegenden Verkehrsraum nicht im Blick gehabt. Der Wiederbeschaffungswert eines vergleichbaren Fahrrads betrage allenfalls 2.300,00 EUR und das bei dem Unfall beschädigte Fahrrad weise noch einen Restwert in Höhe von 370,00 EUR auf.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung des Zeugen F. Wegen des Ergebnisses wird auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung vom 02.03.2023 (Bl. 97f. d. A.) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet.

I.

Dem Kläger stehen Ansprüche auf Schadenersatz und Schmerzensgeld nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.12.2021 weder aus § 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG noch aus § 823 Abs. 1 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 8 Abs. 1 S. 1 StVO (gegen die Beklagte zu 1.) jeweils i.V.m. § 115 Abs. 1 Nr. 1 VVG) zu.

Es kann offenbleiben, ob ein Anspruch gegen die Beklagten dem Grunde nach gegeben ist, insbesondere ob ein anspruchsbegründendes kausales Verhalten des Beklagten zu 2.) überhaupt vorliegt. Denn jedenfalls sind die Ansprüche gemäß § 254 Abs. 1 BGB (hinsichtlich der Ansprüche nach dem Straßenverkehrsgesetz i.V.m. § 9 StVG) aufgrund des überwiegenden Mitverschuldens des Klägers, welches zu einem vollständigen Zurücktreten der Betriebsgefahr des Fahrzeugs des Beklagten zu 2. führt, ausgeschlossen.

Die Kollision zwischen dem Kläger und dem Beklagten ist auf das grob verkehrswidrige Verhalten des Klägers zurückzuführen. Er hat die Grundregeln des § 1 StVO verletzt. Dieser fordert von den Teilnehmern des Straßenverkehrs ständige Vorsicht und gegenseitige Rücksichtnahme, sodass kein Anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird. An unübersichtlichen Stellen wie dem Kreuzungsbereich, in dem sich der Unfall ereignete, hat gemäß § 1 StVO der Vorfahrtberechtigte seine Geschwindigkeit der eigenen Sicht anzupassen und so zu bemessen, dass er einen Zusammenstoß mit einem bereits vor seinem Sichtbarwerden aus der nichtbevorrechtigten Straße auf die Einmündung gelangten Fahrzeug durch Ausweichen oder Bremsen vermeiden kann (BGH, Beschluss vom 09.07.1965 - 4 StR 282/65). Er muss damit rechnen, dass ein Wartepflichtiger gezwungen sein könnte, sich zur Erlangung freier Sicht in die Vorfahrtsstraße "hineinzutasten". Darauf darf der Wartepflichtige auch vertrauen (BGH, Beschluss vom 30.09.1958 - 4 StR 350/58).

Bei der Unfallstelle handelt es sich nach der Überzeugung des Gerichts um eine solche unübersichtliche Kreuzung. Dies ergibt sich bereits aus der Aussage des Zeugen F., der die Örtlichkeit auf seinem Weg zum Einkaufen häufiger passiert. Er erklärte, dass es von der Haltelinie im GXXXring aus unmöglich sei, die rechte Straßenseite, aus der der Kläger kam, einzusehen. Dafür müsse man aufgrund eines auf dieser Seite belegenen hohen Zauns, der die Sicht versperre, noch einige Meter weiter nach vorne fahren. Dies deckt sich mit den Lichtbildern des Bildberichts aus der beigezogenen Verkehrsunfallanzeige, die auf der betreffenden Seite einen Zaun mit mehreren daran angebrachten Werbeschildern erkennen lassen, wodurch die Sicht erheblich eingeschränkt wird. Auch der Beklagte zu 2. hat den Kreuzungsbereich als unübersichtlichen Unfallschwerpunkt beschrieben. Darüber hinaus hat auch der Kläger selbst bekundet, dass er das Fahrzeug des Beklagten zu 2.) vor dem Unfall nicht sehen konnte.

Der Kläger ist trotz der unübersichtlichen Lage mit einer unangepassten Geschwindigkeit von 10 bis 15 Stundenkilometern auf die spätere Unfallstelle zugefahren. Er gab in der mündlichen Verhandlung an, stets mit einer Geschwindigkeit zwischen 10 und 15 Stundenkilometern Rad zu fahren. Dies sei auch zum Unfallzeitpunkt seine ungefähre Geschwindigkeit gewesen, sodass eine Verringerung der Geschwindigkeit nicht stattgefunden habe. Dass diese Geschwindigkeit in Anbetracht der Sichtverhältnisse unvernünftig hoch war, zeigt bereits der Ausgang des Unfalls, bei dem es dem Kläger gerade nicht mehr möglich war, rechtzeitig zu bremsen oder auszuweichen.

Daneben hat der Kläger seine Pflicht zur Nutzung des Radweges gemäß § 2 Abs. 4 S. 2, 41 Abs. 1 StVO i.V.m. Zeichen 240 verletzt. Hiernach haben Radfahrer die Pflicht, den durch das Zeichen 240 als solchen ausgewiesenen Geh- und Radweg zu benutzen. Eine Benutzung der Fahrbahn ist Radfahrern in diesem Fall verboten. Das gilt auch für die Benutzung von Pedelecs wie das des Klägers, die mit elektrischem Hilfsantrieb mit einer Nennleistung von höchstens 0,25 kW, deren Unterstützung sich mit zunehmender Geschwindigkeit progressiv verringert und beim Erreichen einer Geschwindigkeit von maximal 25 Kilometern pro Stunde unterbrochen wird (Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke/Hühnermann, StVG, 27. Aufl., § 1 Rn. 8b). Der Kläger verließ den durch die Leitlinien gekennzeichneten Radweg, wodurch es erst zur Kollision mit dem Fahrzeug des Beklagten zu 2.) kommen konnte.

Denn der Beklagte zu 2.) stand zum Unfallzeitpunkt mit der Vorderachse seines Fahrzeugs lediglich auf der Haltelinie. Die "Schnauze" des Fahrzeugs ragte leicht über die Haltelinie, der erst dahinter liegende Radweg wurde dadurch aber nicht blockiert. Es war ausreichend Platz auf dem Radweg, um das Fahrzeug des Beklagten zu 2.) unter Beachtung der unterbrochenen Leitlinie des Geh- und Radweges gefahrlos zu passieren, zumal auf beidseitigen Radwegen ebenfalls das Rechtsfahrgebot gemäß § 2 Abs. 4 S. 4 StVO gilt (OLG Hamm, Urteil vom 25.06.1991 - 27 U 57/91). Selbst zwischen dem Fahrzeug des Beklagten zu 2.) und der Leitlinie des Geh- und Radweges war noch ein ausreichender Abstand zur Vermeidung der Kollision vorhanden.

Davon ist das Gericht aufgrund des Bildberichts aus der beigezogenen Verkehrsunfallanzeige der Polizeistation W. sowie der Vernehmung des Zeugen F. überzeugt. Auf den im Bildbericht zusammengefassten Lichtbildern (insbesondere Bilder 3, 4 und 5, Bl. 28f.) ist deutlich erkennbar, dass der Wagen des Beklagten zu 2.) lediglich mit dem vor der Vorderachse liegenden Teil über die Haltelinie ragte. Auch die aufgrund des bereits eingeleiteten Abbiegevorgangs leicht schräge Positionierung des Fahrzeugs auf der Fahrbahn ändert hieran nichts. Der vorderste Teil des Wagens, die linke Stoßstange, war immer noch etwa 50 Zentimeter von der äußersten Markierung der Leitlinie des Radweges entfernt (Bild 3, Bl. 29).

Die Lichtbilder zeigen die Position des Fahrzeuges, in der es sich zum Zeitpunkt der Kollision befand. Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass das Fahrzeug nach der Kollision nicht mehr bewegt wurde, also auch nicht, bevor die Lichtbilder vom Unfallort aufgenommen wurden. Die Lichtbilder decken sich auch mit den Angaben des Beklagten zu 2., der in seiner uneidlichen Vernehmung angegeben hat, die Schnauze seines Fahrzeuges habe über der Linie aber nicht auf dem Radweg gestanden; die Räder hätten aber genau an der Linie gestanden.

Dem steht nicht die Bekundung des Zeugen entgegen, nach der die "Schnauze" des Fahrzeugs "ein bisschen" in den Radweg hineingeragt habe. Damit hat er ausgeschlossen, dass der Wagen den Radweg zum Unfallzeitpunkt vollständig blockiert hat. Dies wäre ein eindeutiges Bild, an das sich der Zeuge aufgrund seiner lebhaften Erinnerung an den Unfalltag sicherlich erinnert hätte. Der Zeuge F. war als Ersthelfer an der Unfallstelle und hat den Unfall selbst aus etwa 200 Metern Entfernung wahrgenommen, da er zum Unfallzeitpunkt die Kreisstraße XXX aus N. kommend in Richtung A. befuhr. Seine diesbezügliche Aussage ist glaubhaft, da er nicht mit einer der Parteien persönlich verbunden ist oder ein sonstiges Interesse am Ausgang des Verfahrens hat.

Andererseits kommt der Aussage des Zeugen hinsichtlich der zentimetergenauen Position des Fahrzeugs an dem zum Vernehmungszeitpunkt bereits über ein Jahr zurückliegenden Unfalltag nur eine geringe Beweiskraft im Rahmen der freien Beweiswürdigung durch das Gericht gemäß § 286 ZPO zu. Denn neben der zwischen dem Unfalltag und der Vernehmung liegenden Zeit ist nach der Erfahrung des Gerichts auch zu berücksichtigen, dass Zeugen im Nachgang an ein Geschehen häufig Schwierigkeiten haben, Entfernungen korrekt anzugeben. Der Zeuge F. im Besonderen konnte vor allem allgemeine Angaben zum Unfallhergang machen, ohne sich an Details wie die Art der Kopfbedeckung des Klägers oder die Lage des Fahrrads nach dem Unfall zu erinnern. Seine Erinnerung beschränkte sich vor allem auf die Versorgung des Klägers nach dem Unfall, in die er als Ersthelfer selbst stark eingebunden war.

Darüber hinaus entkräften die aufgenommenen Lichtbilder der Verkehrsunfallanzeige die Aussage des Zeugen F. hinsichtlich der genauen Position des Fahrzeugs. Den Lichtbildern kommt eine erhöhte Beweiskraft zu, denn der Zeuge hat auch bestätigt, dass der Beklagte zu 2.) das Fahrzeug nach der Kollision nicht mehr gefahren sei, sodass nach der Aussage des Zeugen die Lichtbilder als genauere Wiedergabe der Position heranzuziehen sind.

Auch die Verkehrsunfallskizze der Polizistin N. (Bl. 10 d. Verkehrsunfallanzeige) veranlasst das Gericht zu keiner anderen Einschätzung. Das Fahrzeug des Beklagten zu 2.) ist deutlich vor der Haltelinie und über die gesamte Breite des Radweges eingezeichnet. Dies steht im Gegensatz zu den kurz nach dem Unfall aufgenommenen Lichtbildern des Bildberichts, die nur ein leichtes Überstehen über die Haltelinie zeigen und auch im Gegensatz zu der Aussage des Zeugen F.. Außerdem ist in die Beweiswürdigung einzustellen, dass Skizzen bereits ihrer Natur nach häufig ungenau sind, da sie nur zu Veranschaulichungszwecken dienen sollen. Des Weiteren wurde die Skizze ausweislich der Angabe auf der oberen rechten Seite des Blattes nicht direkt bei der Aufnahme des Unfalls erstellt, sondern erst zwei Tage später am 12.12.2021, was ihre Beweiskraft weiter schmälert.

Spiegelbildlich ist in der Abwägung des Mitverschuldens zu berücksichtigen, dass der Beklagte zu 2.) keinen vorwerfbaren Verursachungsbeitrag zur Entstehung des Unfalls geleistet hat. Der Beklagte mag zwar nicht weit genug vor der Haltelinie gehalten haben, denn die Schnauze seines Fahrzeuges überragte diese Linie bereits. Für die Entstehung des Unfalls war dies aber nicht maßgeblich, denn es war noch ausreichend Platz bis zum Radweg. Auch die Betriebsgefahr, die sich die Beklagten aufgrund des Betriebes eines Kraftfahrzeuges durch den Beklagten zu 2.) grundsätzlich entgegenhalten zu lassen haben, tritt mangels eines vorwerfbaren Verursachungsbeitrags des Beklagten zu 2.) vollständig zurück (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 10.04.2018 - 7 U 5/18). Der Beklagte zu 2.) tastete sich gemäß § 8 Abs. 2 S. 3 StVO ordnungsgemäß in den Kreuzungsbereich hinein.

II.

Mit dem Hauptanspruch entfällt auch der Anspruch auf vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 709 S. 1, 2 ZPO.