Verwaltungsgericht Oldenburg
Beschl. v. 06.03.2014, Az.: 3 B 402/14

Abschiebungsanordnung; Dublin II; Dublin III; Grundrechte-Charta; humanitäre Gründe; Krankheit; systemische Mängel; Tschechische Republik; Überstellung

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
06.03.2014
Aktenzeichen
3 B 402/14
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 42691
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

1. Zur Verletzung eigener subjektiver Rechte nach Zustimmung im Wiederaufnahmeverfahren.

2. Zum Verstoß gegen Art. 4 GR Charta und Art. 3 EMRK wegen gesundheitlicher Beschwerden.

3. Zu außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründen.

Gründe

1. Die sinngemäß gestellten Anträge der Antragstellerinnen, die aufschiebende Wirkung ihrer Klagen (3 A 401/14) nach den §§ 34 a Abs. 2 Satz 1, 75 Asylverfahrensgesetz (AsylVfG) i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) anzuordnen, soweit sie sich gegen die im Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 24. Januar 2014 enthaltene Abschiebungsanordnung in die Tschechische Republik (Nr. 2 des Bescheidtenors) richten, sind zwar zulässig, aber unbegründet.

Für eine nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Entscheidung ist maßgebend, ob das private Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes vorerst verschont zu bleiben, das öffentliche Interesse am Vollzug des Verwaltungsaktes überwiegt. Bei dieser Abwägung sind die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs vorrangig zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005 - 4 VR 1005/04 -, juris, Rn. 10, mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf BVerwGE 123, 241). Hat der Rechtsbehelf voraussichtlich Erfolg, weil der angegriffene Verwaltungsakt offenbar fehlerhaft ist, überwiegt das Aussetzungsinteresse des Betroffenen das öffentliche Vollzugsinteresse. Der Antrag ist dagegen in aller Regel unbegründet, wenn der Antragsteller im Verfahren zur Hauptsache keinen Erfolg haben wird, insbesondere, wenn die angegriffene Verfügung offensichtlich rechtmäßig ist. Denn an der sofortigen Vollziehung eines offenbar rechtmäßigen Verwaltungsaktes besteht regelmäßig ein besonderes öffentliches Interesse (vgl. OVG Lüneburg, Beschluss vom 30. Oktober 1990 - 3 M 22/90 -, NVwZ 1991, 496). Bei offenem Ausgang des Klageverfahrens ist im Rahmen der Interessenabwägung zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber in den Fällen, die - wie hier - nicht von § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG erfasst werden, einen grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses angeordnet hat (s. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO) und es deshalb besonderer Umstände bedarf, um eine hiervon abweichende Entscheidung zu rechtfertigen. Eine Einzelfallbetrachtung ist grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände geboten, die von den Beteiligten vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist. Dabei ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender die dem Einzelnen auferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der Behörde Unabänderliches bewirken (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 10. Oktober 2003 - 1 BvR 2025/03 -, juris, Rn. 19 ff., mit Veröffentlichungshinweis auf NVwZ 2004, 93; BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005, a.a.O., Rn. 12).

Ausgehend von diesem Maßstab überwiegt das Suspensivinteresse der Antragstellerinnen nicht das öffentliche Vollzugsinteresse. Die im angegriffenen Bescheid enthaltene Abschiebungsanordnung ist aller Voraussicht nach rechtmäßig. Dabei ist auf die zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung bestehenden tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse abzustellen (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).

§ 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG bestimmt ausdrücklich, dass das Bundesamt die Abschiebung anordnet „sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann“. Die Abschiebungsanordnung darf als Festsetzung eines Zwangsmittels erst dann ergehen, wenn alle Zulässigkeitsvoraussetzungen einer Abschiebung nach § 26 a oder § 27 a AsylVfG i.V.m. § 34 a AsylVfG erfüllt sind. Vor Erlass der Abschiebungsanordnung ist zu prüfen, ob die Abschiebung in den Dritt- bzw. Mitgliedstaat - wenn auch nur vorübergehend - rechtlich unzulässig oder tatsächlich unmöglich ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 2. August 2012 - 4 MC 133/12 -, juris, Rn. 5 ff.).

Die Antragstellerinnen soll in einen nach Auffassung des Bundesamtes für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Mitgliedstaat der Europäischen Union (§ 27 a AsylVfG) - nämlich in die Tschechische Republik - abgeschoben werden. Diese Abschiebung (Überstellung) ist weder rechtlich unzulässig noch tatsächlich unmöglich.

Insbesondere ist die Antragsgegnerin für die am 17. Oktober 2012 gestellten Asylanträge der Antragstellerinnen nicht zuständig. Die Prüfung der Zuständigkeit richtet sich trotz des Inkrafttretens der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Neufassung) - Dublin III-VO -, am 19. Juli 2013 (dazu s. Art. 49 Unterabs. 1 Dublin III-VO) nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003, geändert durch Verordnung (EG) Nr. 1103/2008 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Oktober 2008 - Dublin II-VO - (EG-AsylZustVO), weil die Dublin III-VO nicht auf Anträge auf internationalen Schutz anwendbar ist, die - wie hier - vor dem ersten Tag des sechsten Monats nach ihrem Inkrafttreten - also vor dem 1. Januar 2014 -  gestellt wurden und für die vor diesem Zeitpunkt auch um Aufnahme oder Wiederaufnahme nachgesucht wurde (s. Art. 49 Unterabs. 2 Dublin III-VO). Rechtlich unerheblich ist es, wenn ein anderer Mitgliedstaat das Aufnahme- oder Wiederaufnahmegesuch bis zum 31. Dezember 2013 nicht beantwortete. Hierauf kommt es nach Art. 49 Unterabs. 2 Dublin III-VO nicht an („und gilt ab diesem Zeitpunkt … für alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern.“) (vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 3 B 6802/13 -, juris, Rn. 6). Dem Wiederaufnahmegesuch des Bundesamtes vom 11. Dezember 2013, in dem die Eurodac-Nr. „CZ1…“ angegeben wurde - Daten von Asylbewerbern werden mit „1“ gekennzeichnet (s. Art. 2 Abs. 3 Satz 5 der Verordnung (EG) Nr. 407/2002 des Rates vom 28. Februar 2002 zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Verordnung (EG) Nr. 2725/2000 über die Einrichtung von „Eurodac“ für den Vergleich von Fingerabdrücken zum Zwecke der effektiven Anwendung des Dubliner Übereinkommens) -, stimmte die zuständige tschechische Behörde mit Schreiben vom 19. Dezember 2013 unter Hinweis auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. e) Dublin II-VO zu. Danach ist der Mitgliedstaat, der nach der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, gehalten, einen Drittstaatsangehörigen, dessen Antrag er abgelehnt hat und der sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhält, nach Maßgabe des Art. 20 Dublin II-VO wieder aufzunehmen. Außerdem folgt aus dem Hinweis auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. e) Dublin II-VO, dass die Antragstellerinnen in der Tschechischen Republik Asylanträge stellten. Ihr Vorbringen in ihrem Schreiben vom 17. Januar 2014, sie hätten in Tschechien keinen Asylantrag gestellt, ist deshalb und wegen der oben genannten Eurodac-Nr. „CZ1…“ nicht glaubhaft.

Es ist auch weder ersichtlich noch ausreichend dargelegt worden, dass die ursprünglich bestehende Zuständigkeit der Tschechischen Republik erloschen ist.

Die Antragstellerinnen können sich nicht erfolgreich auf eine unangemessen lange Dauer des Verwaltungsverfahrens beim Bundesamt berufen. In diesem Sinne ist ihr Vorbringen im Schriftsatz vom 28. Februar 2014 zu verstehen, weil sie auf zwei Entscheidungen des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 10. Januar 2014 - 25 L 2659/13.A -, und Urteil vom 4. Februar 2014 - 25 K 9751/13.A -, jeweils V.n.b.) Bezug nehmen. Sie stellten zwar bereits am 17. Oktober 2012 einen Asylantrag und das Bundesamt ersuchte die tschechische Behörde erst am 11. Dezember 2013 um Wiederaufnahme. Insoweit machen sie aber nicht die Verletzung eigener subjektiver Rechte geltend (im Ergebnis die gleiche Auffassung vertretend VG Osnabrück, Beschluss vom 19. Februar 2014 - 5 B 12/14 -, juris, Rn. 22, VG Trier, Beschluss vom 11. Februar 2014 - 5 L 95/14.TR -, juris, Rn. 41, VG München, Beschluss vom 23. Dezember 2013 - M 23 S 13.31303 -, juris, Rn. 13).

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in seinem Urteil vom 10. Dezember 2013 (- C-394/12 -, juris, mit Veröffentlichungshinweis auf NVwZ 2014, 208 ff.) die Frage, ob Art. 19 i.V.m. Art. 18 Dublin II-VO so auszulegen sei, dass mit der Zustimmung eines Mitgliedstaats nach diesen Bestimmungen dieser Mitgliedstaat jener sei, der im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Einleitungssatz Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrags zuständig sei, oder ob die nationale Überprüfungsinstanz - also die Verwaltungsgerichtsbarkeit - unionsrechtlich, wenn sie im Zuge eines Verfahrens über einen Rechtsbehelf nach Art. 19 Abs. 2 Dublin II-VO - unabhängig von dieser Zustimmung - zur Anschauung gelange, dass ein anderer Staat gemäß dem Kapitel III der Dublin II-VO der zuständige Mitgliedstaat wäre (auch wenn an diesen Staat kein Aufnahmeersuchen gerichtet worden sei oder er keine Zustimmung erkläre), die Zuständigkeit dieses anderen Mitgliedstaats für ihr Verfahren zur Entscheidung über den Rechtsbehelf als verbindlich feststellen müsse (Rn. 41), dahingehend beantwortet, dass Art. 19 Abs. 2 Dublin II-VO dahin auszulegen sei, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 Dublin II-VO niedergelegten Kriteriums zugestimmt habe, d. h. als der Mitgliedstaat der ersten Einreise des Asylbewerbers in das Unionsgebiet, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten könne, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend mache, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellten, dass er tatsächlich Gefahr laufe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) (ABl. der EU vom 30. März 2010, C 83/389) ausgesetzt zu werden (Rn. 62). Diese Entscheidung gilt nach Auffassung des Gerichts für die Vorschrift des Art. 20 Abs. 1 Buchst. e) Dublin II-VO ebenso, weil sie das Pendant in Wiederaufnahmeverfahren zu Art. 19 Abs. 2 Dublin II-VO in Aufnahmeverfahren darstellt. Grundlage des Urteils des EuGH war ein Fall, in dem ein Aufnahmeverfahren durchgeführt worden war. Für den EuGH war zu klären, „in welchem Umfang die Bestimmungen in Kapitel III der Verordnung Nr. 343/2003 tatsächlich Rechte der Asylbewerber begründen, die die nationalen Gerichte schützen müssen“ (a.a.O., Rn. 49). Für die hier vertretene Meinung spricht außerdem, dass gerade aufgrund des Prinzips des gegenseitigen Vertrauens der Unionsgesetzgeber die Dublin II-VO erlassen hat, um die Behandlung der Asylanträge zu rationalisieren und zu verhindern, dass das System dadurch stockt, dass die staatlichen Behörden mehrere Anträge desselben Antragstellers bearbeiten müssen, und um die Rechtssicherheit hinsichtlich der Bestimmung des für die Behandlung des Asylantrags zuständigen Staates zu erhöhen und damit dem „forum shopping“ zuvorzukommen (vgl. EuGH, Urteil vom 10. Dezember 2013, a.a.O., Rn. 53).

Außerdem ergäbe sich auch keine andere Beurteilung, wenn man im Hinblick auf die Dauer des beim Bundesamt anhängigen Verwaltungsverfahrens anderer Auffassung wäre und annähme, die Antragstellerinnen machten insoweit die Verletzung eigener subjektiver Rechte geltend.

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens ist nicht gemäß Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Dublin II-VO auf die Antragsgegnerin übergegangen, weil das Bundesamt - wie oben ausgeführt - ein Wiederaufnahmegesuch stellte. Für die Frage der Zuständigkeit im Asylverfahren ist hier nicht die Bestimmung des Art. 17 Unterabs. 1 Dublin II-VO einschlägig, wonach in Fällen, in denen ein Mitgliedsstaat, in dem ein Asylantrag gestellt wurde, einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig hält, er so bald wie möglich, in jedem Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Antrags im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Dublin II-VO den anderen Mitgliedstaat ersuchen kann, den Asylbewerber aufzunehmen. Zu unterscheiden ist nämlich - wie sich aus Art. 16 bis 20 Dublin II-VO ergibt - zwischen einer Überstellung des Asylsuchenden in einem Aufnahmeverfahren einerseits und in einem Wiederaufnahmeverfahren andererseits. Das vor dem 31. Dezember 2013 gestellte Wiederaufnahmegesuch des Bundesamtes war nicht an eine Frist seitens des ersuchenden Mitgliedsstaates gebunden (vgl. VG Stade, Beschluss vom 20. Februar 2014 - 1 B 375/14 -, juris, Rn. 5). Das Gericht teilt nicht die in den von den Antragstellerinnen vorgelegten Entscheidungen vertretene Auffassung des Verwaltungsgerichts Düsseldorf, Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO gelte auch für Wiederaufnahmegesuche (vgl. Potsdam, Beschluss vom 20. Dezember 2013 - 6 L 858/13.A -, juris, Rn. 7).

Des Weiteren lässt das Verfahren der Antragstellerinnen eine Verletzung der Rechte aus Art. 18 GR-Charta wegen seiner Dauer nicht erkennen. Nach dieser Norm wird das Recht auf Asyl nach Maßgabe des Genfer Abkommens vom 28. Juli 1951 und des Protokolls vom 31. Januar 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge sowie nach Maßgabe des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union gewährleistet. Der EuGH führte zwar in seinem Urteil vom 21. Dezember 2011 (- C-411/10 und C-493/10 -, juris, mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf NVwZ 2012, 417 ff. [EuGH 21.12.2011 - Rs. C-411/10; C-493/10]) aus, der Mitgliedstaat, in dem sich der Asylbewerber befinde, habe darauf zu achten, dass eine Situation, in der dessen Grundrechte verletzt würden, nicht durch ein unangemessen langes Verfahren zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats verschlimmert werde (Rn. 98 und 108). Zu berücksichtigen ist indes, dass dem Urteil des EuGH Fälle zugrunde lagen, in denen Aufnahmeverfahren durchgeführt, erstmals gestellte Asylanträge inhaltlich noch nicht überprüft worden waren (s. Rn. 34 ff. und 51 f.) und die Überstellung in den nach der Dublin-II-VO eigentlich zuständigen Staat unzulässig war (vgl. auch EuGH, Urteil vom 14. November 2013 - C-4/11 -, juris, mit Veröffentlichungshinweis auf NVwZ 2014, 129 f., dem ebenfalls ein Fall vorlag, in dem ein Aufnahmeverfahren durchgeführt und die Überstellung in den nach der Dublin-II-VO eigentlich zuständigen Staat unzulässig war). In derartigen Fällen mag es zu einer Verletzung der Rechte aus Art. 18 GR-Charta kommen, wenn die Klärung der Zuständigkeit unangemessen lange dauert. Der vorliegende Fall, in dem die Antragstellerinnen den nach der Dublin II-VO zuständigen Staat - nämlich die Tschechische Republik - freiwillig verlassen haben und ihre dort gestellten Asylanträge nach dem Schreiben der tschechischen Behörde vom 19. Dezember 2013 im Hinblick auf den Hinweis auf Art. 16 Abs. 1 Buchst. e) Dublin II-VO bereits abgelehnt worden sind, unterscheidet sich in entscheidungserheblichem Maße von den Fällen, die dem Urteil des EuGH vom 21. Dezember 2011 zugrunde lagen (vgl. VG Berlin, Beschluss vom 24. Oktober 2013 - 33 L 450.13 A -, juris, Rn. 8). Abgesehen hiervon hat sich die Situation der Antragstellerinnen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH nicht verschlimmert, da sie sich während des Verfahrens in dem Staat aufhalten konnten, in dem sie nun Asyl begehren (vgl. VG Augsburg, Beschluss vom 29. Mai 2013 - Au 7 K 13.30134 -, juris, Rn. 17, VG Würzburg, Beschluss vom 26. April 2012 - W 3 E 12.30094 -, juris, Rn. 36).

Ferner ist es rechtlich unzulässig, einen Antragsteller an den ursprünglich nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin II-VO als zuständig bestimmten Mitgliedstaat zu überstellen, wenn dem den zuständigen Mitgliedstaat bestimmenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GR-Charta ausgesetzt zu werden (vgl. EuGH, Urteile vom 14. November 2013, a.a.O., Rn. 29 ff., und 21. Dezember 2011, a.a.O., Rn. 94; für seit dem 1. Januar 2014 gestellte Anträge auf internationalen Schutz s. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin III-VO), der dem wortgleichen Art. 3 der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und der Grundfreiheiten (EMRK) vom 4. November 1950 (BGBl. 1952 II S. 685, 953) entspricht und dieselbe Bedeutung und Tragweite hat (s. Art. 52 Abs. 3 GR-Charta und Erläuterung zu Art. 52 GR-Charta, ABl. der EU vom 14. Dezember 2007, C 303/17) (detaillierter hierzu vgl. VG Oldenburg, Beschluss vom 17. Februar 2014 - 3 B 6974/13 -, a.a.O., Rn. 10 f.). Es reicht allerdings unabhängig vom Erfordernis der Existenz systemischer Mängel des Asylverfahrens und der Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern die drohende Überstellung in einen Mitgliedstaat, in dem die eigene wirtschaftliche Situation schlechter sein wird als in dem überstellenden Mitgliedstaat, nicht aus, die Schwelle der unmenschlichen Behandlung, wie sie von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK verboten wird, zu überschreiten. Diese Regelungen können nicht so ausgelegt werden, dass sie die Mitgliedstaaten verpflichten, jede Person innerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereichs mit einem Obdach zu versorgen. Sie enthalten keine allgemeine Pflicht, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu bieten, um ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen. Ausländern, die von einer Überstellung betroffen sind, gewähren die genannten Regelungen grundsätzlich keinen Anspruch mit dem Ziel, in einem Mitgliedstaat zu verbleiben, um dort weiterhin von medizinischer, sozialer oder anderweitiger Unterstützung oder Leistung zu profitieren. Wenn keine außergewöhnlich zwingenden humanitären Gründe vorliegen, die gegen eine Überstellung sprechen, ist allein die Tatsache, dass die wirtschaftlichen und sozialen Lebensverhältnisse bedeutend geschmälert würden, falls ein Antragsteller überstellt werden würde, nicht ausreichend, einen Verstoß gegen die zuletzt genannten beiden Vorschriften zu begründen (vgl. Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte - EGMR - (3. Kammer), Entscheidung vom 2. April 2013 - 27725/10 -, ZAR 2013, 336 f., Rn. 70 f. - Mohammed Hussein u.a./Niederlande u. Italien -, die offizielle Fassung in der englischen Amtssprache ist abrufbar unter http://hudoc.echr.coe.int/sites/fra/pages/search.aspx?i=001-118927). Die Verantwortlichkeit eines Staates nach Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK wegen der Behandlung eines Ausländers kann allerdings ausnahmsweise begründet sein, wenn dieser vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig ist und behördlicher Gleichgültigkeit gegenübersteht, obwohl er sich in so ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befindet, dass dies mit der Menschenwürde unvereinbar ist (vgl. zur Situation in Griechenland: EGMR - Große Kammer -, Urteil vom 21. Januar 2011 - 30696/09 -, NVwZ 2011, 413 ff., Rn. 253 - M.S. S./Belgien u. Griechenland -, der an anderer Stelle von einer „Situation äußerster materieller Armut“ spricht (s. Rn. 252, situation of extreme material poverty); die offizielle Fassung in der englischen Amtssprache ist abrufbar unter http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-103050; vgl. dazu auch BVerwG, Beschluss vom 25. Oktober 2012 - 10 B 16.12 -, juris, Rn. 9, mit Veröffentlichungshinweis auf InfAuslR 2013, 45; zu den Voraussetzungen vgl. auch VG Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 3 B 6802/13 -, a.a.O., Rn. 8 f.).

Ausgehend von den vorstehend dargestellten Maßstäben ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht davon auszugehen, dass in der Tschechischen Republik die genannten Voraussetzungen vorliegen, um deshalb die Unzulässigkeit der Überstellung der Antragstellerinnen feststellen zu können (die gleiche Auffassung im Ergebnis vertretend VG Frankfurt, Beschluss vom 26. November 2012 - 2 L 4168/12.F.A -, juris). Es ist weder von den Antragstellerinnen substantiiert dargelegt worden noch liegen dem Gericht Erkenntnismittel darüber vor, dass ein „systemisches Versagen“ (vgl. zu diesem Begriff EGMR, Entscheidung vom 2. April 2013, a.a.O., Rn. 78) der Hilfs- und Unterstützungsmaßnahmen vorliegt und das Asylverfahren und die Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in der Tschechischen Republik die oben beschriebenen systemischen Mängel aufweisen. Folglich gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in der Tschechischen Republik im Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht (vgl. allgemein EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, a.a.O., Rn. 80).

Offen bleiben kann, ob ein Antragsteller einer Überstellung weitere den zustimmenden Mitgliedstaat betreffende Gründe erfolgreich geltend machen kann.

So stellt sich die Frage, ob auch das Drohen einer Verletzung von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK im Einzelfall eine Ausnahme von der innereuropäischen Schutzvermutung zu begründen vermag (detaillierter dazu VG Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 3 B 6802/13 -, a.a.O., Rn. 24). Dies braucht hier indes nicht entschieden zu werden. Denn selbst wenn man davon ausgeht, dass eine derartige Einzelfallprüfung notwendig ist, droht den Antragstellerinnen nach summarischer Prüfung im Falle einer Überstellung in die Tschechische Republik aller Voraussicht nach keine Verletzung ihrer Rechte i.S.v. von Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK. Es ist unter Berücksichtigung der oben bereits dargestellten Reichweite des Schutzes dieser Normen bezüglich der Lebensbedingungen in einem Mitgliedstaat und der aktuellen Situation in der Tschechischen Republik weder ersichtlich noch von den Antragstellerinnen substantiiert dargelegt worden, dass sie im Falle einer Überstellung dorthin mit ausreichender Wahrscheinlichkeit in eine Situation gerieten, die einen Verstoß gegen Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK darstellen würde. Dies gilt selbst dann, wenn man der Auffassung ist, es reiche aus, dass es ernsthafte und stichhaltige Gründe dafür gebe, dass der Betroffene im zuständigen Mitgliedstaat tatsächlich Gefahr laufe, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung ausgesetzt zu werden (vgl. EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011, a.a.O., Rn. 365; detaillierter zum möglichen Prüfungsmaßstab bei der Einzelfallbetrachtung VG Oldenburg, Beschluss vom 21. Januar 2014 - 3 B 6802/13 -, a.a.O., Rn. 25)

So lässt sich nicht in ausreichendem Maße erkennen, dass die Antragstellerinnen im Falle eines erneuten Aufenthalts in der Tschechischen Republik mit hinreichender Wahrscheinlichkeit in eine Lage gerieten, die mit derjenigen vergleichbar ist, die der EGMR im genannten Urteil vom 21. Januar 2011 zu beurteilen hatte. Diesem Urteil lag ein Fall zu Grunde, in dem ein Ausländer in Griechenland nach seinen Angaben monatelang in extremer Armut gelebt habe und seine elementaren Bedürfnisse nicht habe befriedigen, sich nicht habe ernähren und nicht waschen können sowie obdachlos gewesen sei (a.a.O., Rn. 254). Des Weiteren ist ihr Vortrag in ihrer Antragsschrift nicht ausreichend, sie seien nach ihrer unzureichenden Befragung am Flughafen Prag „für wenige Wochen“ in einem Flüchtlingscamp eingesperrt worden, bevor es ihnen gelungen sei, die „Flucht“ wie geplant nach Deutschland fortzusetzen. Im Übrigen gaben sie bei ihrer Befragung zur Vorbereitung der Anhörung am 17. Oktober 2012 nicht einmal an, von der Tschechischen Republik ins Bundesgebiet eingereist zu sein.

Außerdem ist nicht in ausreichendem Maße ersichtlich, dass die Antragstellerinnen im Zusammenhang mit ihren gesundheitlichen Beschwerden im Falle einer Überstellung in die Tschechische Republik mit ausreichender Wahrscheinlichkeit in eine Situation gerieten, die einen Verstoß gegen Art. 4 GR-Charta und Art. 3 EMRK darstellen würde. Dabei ist ergänzend zu der oben bereits dargestellten Reichweite des Schutzes dieser Normen (vgl. nochmals EGMR, Entscheidung vom 2. April 2013, a.a.O., Rn. 71) darauf hinzuweisen, dass der Umstand, dass im Fall einer Ausweisung die Lage des Ausländers einschließlich seiner Lebenserwartung erheblich beeinträchtigt würde, nach Auffassung des EGMR nicht allein ausreicht, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen. Die Entscheidung, einen fremden Staatsbürger, der an einer schweren psychischen oder physischen Krankheit leide, in ein Land auszuweisen, in dem die Möglichkeiten einer Behandlung seiner Krankheit geringer seien als im Konventionsstaat, könne eine Frage nach Art. 3 EMRK nur in besonderen Ausnahmefällen aufwerfen, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen eine Ausweisung sprächen. Fortschritte in der Medizin zusammen mit sozialen und wirtschaftlichen Unterschieden zwischen den Staaten führten dazu, dass sich das Niveau einer ärztlichen Behandlung im Konventionsstaat erheblich von dem im Heimatstaat des Betroffenen unterscheiden könne. Doch verpflichte Art. 3 EMRK die Staaten nicht, solche Unterschiede durch freie und unbegrenzte Versorgung von Ausländern ohne Bleiberecht zu beseitigen (EGMR - Große Kammer -, Urteil vom 27. Mai 2008 - 26565/05 -, NVwZ 2008, 1334 ff. [EGMR 27.05.2008 - EGMR (Große Kammer) Nr. 26565/05], Rn. 42 und 44 - N./Vereinigtes Königreich -, zur Ausweisung eines Ausländers in einen Drittstaat, die offizielle Fassung in der englischen Amtssprache ist abrufbar unter http://hudoc.echr.coe.int/sites/eng/pages/search.aspx?i=001-86490; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 -, juris, Rn. 23, mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf BVerwGE 146, 12 ff. = NVwZ 2013, 1167 ff.). Ausgehend von diesen Grundsätzen, die nach Auffassung des Gerichts auch auf eine Überstellung anzuwenden sind, wenn man unterstellt, eine Einzelfallprüfung sei erforderlich, genügt das Vorbringen der Antragstellerinnen nicht. Es ist nicht ersichtlich, dass es sich bei den gesundheitlichen Beschwerden der Antragstellerinnen um besondere Ausnahmefälle handelt, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen eine Überstellung sprechen.

Die Antragstellerin zu 1) beruft sich auf eine ärztliche Bescheinigung einer onkologischen Schwerpunktpraxis vom 5. Februar 2014, in der es heißt, es werde bestätigt, dass sie „aufgrund ihrer Diagnose“ seit dem 21. Dezember 2012 bei ihnen in Behandlung sei. Sie komme turnusgemäß alle drei Monate zu Kontrolluntersuchungen und erhalte entsprechend ein Rezept für ihre notwendige Medikation. Dabei geht das Gericht davon aus, dass die in der Bescheinigung erwähnte „Diagnose“ die nach dem vorläufigen Brief des Städtischen Klinikums Braunschweig gGmbH - Frauenklinik - vom 6. November 2012 diagnostizierte „Asymptomatische HIV-Infektion [Humane Immundefizie“ ist. Nicht ausreichend glaubhaft gemacht hat die Antragstellerin zu 1) dagegen, dass die in dem vorläufigen Brief im Übrigen und in der ärztlichen Bescheinigung vom 8. November 2012 diagnostizierten Beschwerden auch aktuell noch relevant sind. Nach dem vorläufigen Brief war die Antragstellerin zu 1) vom 31. Oktober bis 6. November 2012 in stationärer Behandlung und die im Brief genannte Therapie betrifft - soweit ersichtlich - die übrigen diagnostizierten Beschwerden. Es heißt im Brief sinngemäß u.a., der postoperative Verlauf habe sich komplikationslos gestaltet. Die Abschlussuntersuchung habe reizlose Wundverhältnisse gezeigt, so dass die Antragstellerin zu 1) in subjektiv gutem Allgemeinzustand in die ambulante Weiterbehandlung habe entlassen werden können. Nach der ärztlichen Bescheinigung vom 8. November 2012 befand sich die Antragstellerin zu 1) an diesem Tag in stationärer Behandlung. Unter „Verlauf“ heißt es u.a., es werde eine symptomatische Schmerztherapie mit z.B. Ibuprofen und eine sonographische Verlaufskontrolle empfohlen. In der für die Antragstellerin zu 2) vorgelegten, allerdings undatierten ärztlichen Bescheinigung des Medizinischen Versorgungszentrums Klinikum Leer heißt es unter „Diagnose“ „Epilepsie, idiopathisch-konstitutionell mit Fieberkrämpfen und einem afibrilen großen Anfall“. Weiter wird - teilweise sinngemäß - ausgeführt, sie befinde sich seit dem 31. Januar 2013 in der laufenden ambulanten Behandlung. Die Antragstellerin zu 1) habe berichtet, dass die Antragstellerin zu 2) seit dem Alter von drei Jahren zweimal im Jahr einen Krampfanfall bei Fieber erlitten habe. In Uganda sei eine entsprechende Therapie nicht durchgeführt worden, so dass die Anfälle immer wieder aufgetreten seien. Sie hätten jeweils 20 bis 30 Minuten gedauert. In Deutschland sei ein Fieberkrampf im November 2012 aufgetreten. „Im Juli 2013 dann ein generalisierter tonisch-klonischer Krampfanfall ohne Fieber, stationäre Diagnostik in der Kinderklinik des Klinikums Leer mit unauffälligen Ergebnissen für MRT und EEG. Beginn einer antiepileptischen Langzeittherapie (…). Seit Beginn der antiepileptischen Langzeittherapie sind Krampfanfälle nicht mehr aufgetreten, das heißt seit jetzt knapp einem Jahr.“ Damit sei bewiesen, dass die Antragstellerin zu 2) diese Medikamente zur Anfallskontrolle zwingend benötige. Um eine Schädigung von ihr abzuwenden, sei es erforderlich, dass sie in einem Land lebe, in dem die regelmäßige Medikamentengabe sichergestellt sei, verbunden mit entsprechenden medizinischen Kontrollen einschließlich EEG. Ferner heißt es in einer, allerdings nicht unterschriebenen ärztlichen Bescheinigung des Zentrums Gesundheit in Leer vom 13. Februar 2014 unter „Dauerdiagnose“ „Astigmatismus, Melanose“, und unter „Text“ u.a. „Ordination: diffuse GFAusfälle nach zentral, zunehmende Visusminderung -->Neurologie“. Das Gericht hat keine Zweifel daran, dass die Antragstellerinnen in der Tschechischen Republik unter Berücksichtigung der oben dargestellten Maßstäbe im Falle einer Überstellung in ausreichendem Maße medizinisch versorgt werden könnten. Im Übrigen haben die Antragstellerinnen Gegenteiliges auch nicht substantiiert dargelegt. Die Antragstellerin zu 1) hat in der Klageschrift lediglich geltend gemacht, ihr sei es in der kurzen Zeit des Aufenthalts in Prag gesundheitlich sehr schlecht gegangen. Sie habe dort keinerlei medizinische Versorgung erhalten, obwohl die verantwortlichen Behörden sich auf ihre Angabe hin davon überzeugt hätten, dass sie an einer HIV-Infektion leide. Es bestehen aber Zweifel hinsichtlich der Glaubhaftigkeit des Vorbringens, sie habe in Prag keinerlei medizinische Versorgung erhalten. Abgesehen davon, dass das Vorbringen der Antragstellerinnen, sie hätten in der Tschechischen Republik keinen Asylantrag gestellt, aus den oben genannten Gründen nicht glaubhaft ist, hat die Antragstellerin zu 1) gegenüber der tschechischen Behörde persönliche Daten (Name, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit) für sich und die Antragstellerin zu 2) angegeben, die von denen bei der Asylantragstellung im Bundesgebiet abweichen.

Darüber hinaus lässt sich dem Vorbringen der Antragstellerinnen nicht entnehmen, dass sie weitere außergewöhnlich zwingende humanitäre Gründe im Sinne der Entscheidung des EGMR vom 2. April 2013 (a.a.O., Rn. 71) für sich in Anspruch nehmen können, um im Bundesgebiet bleiben zu dürfen. Sie machen insoweit lediglich geltend, es lebten zwei Schwestern der Antragstellerin zu 1) in Deutschland. Diese habe hier die Möglichkeit, mit ihren Schwestern zusammen zu sein, die ein ähnlich schweres Schicksal hätten wie sie selbst, was in Tschechien nicht möglich wäre. Dabei kann offen bleiben, ob die in Art. 15 Abs. 1 bis 3 Dublin II-VO genannten humanitären Gründe in vollem Umfang derartige Gründe sind. Denn unabhängig hiervon liegen die Voraussetzungen des allein in Betracht kommenden Art. 15 Abs. 1 Dublin II-VO nicht vor. Satz 1 der zuletzt genannten Rechtsnorm spricht von Familienmitgliedern und anderen abhängigen Familienangehörigen. Familienmitglieder sind lediglich die in Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO genannten Familienangehörigen (vgl. Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl. 2010, Stand: 1. Dezember 2009, Art. 15 K 8), zu denen die Schwestern der Antragstellerin zu 1) bzw. Tanten der Antragstellerin zu 2) nicht gehören. Der Begriff der anderen abhängigen Familienangehörigen erfasst darüber hinaus zwar abhängige Verwandte, die nicht Familienangehörige im Sinne des Art. 2 Buchst. i) Dublin II-VO sein müssen. Teilweise wird in diesem Zusammenhang vertreten, es empfehle sich, die Kriterien der verwandtschaftlichen Nahebeziehung und der Intensität der Abhängigkeit in Beziehung zu setzen (vgl. Filzwieser/Sprung, a.a.O.; vgl. auch VG Göttingen, Beschluss vom 8. November 2013 - 2 B 853/13 -, juris, Rn. 5, das das Vorliegen eines intensiven Abhängigkeitsverhältnisses zwischen den Familienangehörigen für maßgeblich hält), oder man ist der Auffassung, unter Abhängigkeit müsse man ein gewisses, die Schwelle der Unerheblichkeit übersteigendes Maß an (Für-)Sorge- und Unterstützungsbedürftigkeit zu verstehen haben, die die qualifizierten Schwellen des Abs. 2 noch nicht erreiche und auch nicht den Sonderfall des Abs. 3 ausmache (Funke/Kaiser, a.a.O., Stand: Oktober 2007, Art. 27 a Rn. 230). Hier kann offen bleiben, wie der Begriff genau auszufüllen ist. Denn unabhängig von vorstehenden Beschreibungen lässt sich nicht feststellen, dass die Antragstellerinnen in Bezug auf die im Bundesgebiet lebenden Schwestern der Antragstellerin zu 1) ein Abhängigkeitsverhältnis substantiiert dargelegt haben.

Ferner ist im Fall des Erlasses einer Abschiebungsanordnung nach § 34 a AsylVfG auch zu überprüfen, ob sich der Ausländer gegen die Modalitäten des Vollzugs der Aufenthaltsbeendigung wendet (vgl. BVerfG, Urteil vom 14. Mai 1996 - 2 BvR 1938/93, 2315/93 -, juris, Rn. 234, mit Veröffentlichungshinweis u.a. auf BVerfGE 94, 49 = NVwZ 1996, 700) oder inlandsbezogene Abschiebungs- oder Vollstreckungshindernisse i.S.v. § 60 a Abs. 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geltend macht, für deren Prüfung in diesem Fall ausnahmsweise das Bundesamt zuständig ist (vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 2. Mai 2012 - 13 MC 22/12 -, juris, Rn. 27, mit Veröffentlichungshinweis auf InfAuslR 2012, 298). Derartige Gründe sind aber ebenfalls weder ersichtlich noch von den Antragstellerinnen substantiiert dargelegt worden. Insbesondere lässt sich den vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen nicht entnehmen, dass sie im Hinblick auf eine Überstellung in die an das Bundesgebiet angrenzende Tschechische Republik reiseunfähig sind.

Weitere Gründe, die dem Begehren der Antragstellerinnen zum Erfolg verhelfen könnten, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1 und 159 Satz 1 VwGO, 100 Abs. 1 Zivilprozessordnung (ZPO), 83 b AsylVfG.