Verwaltungsgericht Oldenburg
Urt. v. 02.04.2014, Az.: 6 A 6199/13

Beihilfe; Fürsorgepflicht; Implantat

Bibliographie

Gericht
VG Oldenburg
Datum
02.04.2014
Aktenzeichen
6 A 6199/13
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2014, 42620
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Amtlicher Leitsatz

Leitsatz

Der Ausschluss der Beihilfefähigkeit bestimmter implantologischer Leistungen nach § 15 BBhV verstößt nicht gegen den Fürsorgegrundsatz.

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Gewährung von Beihilfe für eine Implantatversorgung.

Der Kläger ist mit einem Bemessungssatz von 70 % beihilfeberechtigt. Im Februar 2013 erhielt er durch den Facharzt für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. H. zwei Implantate in regio 25 und 27. Dafür stellte ihm Dr. H. unter dem 17. März 2013 insgesamt 2.645,72 Euro in Rechnung. Unter anderem wegen dieser Aufwendungen beantragte der Kläger am 10. April 2013 bei der Beklagten die Gewährung von Beihilfe.

Mit Beihilfebescheid vom 17. April 2013 erkannte die Wehrbereichsverwaltung West vom Rechnungsbetrag 625,08 Euro als beihilfefähig an und gewährte entsprechend dem Beihilfebemessungssatz des Klägers 437,56 Euro Beihilfe. Im Hinblick auf die teilweise Ablehnung wies sie zum einen darauf hin, dass die geltend gemachten zahntechnischen Leistungen (Material- und Laborkosten) lediglich in Höhe von 40 % beihilfefähig seien. Zum anderen erklärte sie, dass der Kläger bereits zwei Implantate auf Zahn 17 und 15 erhalten habe. Nunmehr habe er zwei weitere Implantate auf Zahn 25 und 27 erhalten. Da je Kiefer jedoch nur zwei Implantate beihilfefähig seien, könnten die Implantate auf Zahn 25 und 27 nicht anerkannt werden.

Der Kläger legte am 24. April 2013 Widerspruch ein. Zur Begründung machte er geltend, sämtliche Behandlungen und Leistungen seien aus medizinischer Sicht notwendig und geboten gewesen. Er könne daher nicht darauf verwiesen werden, dass er bereits zwei Implantate erhalten habe. Die Beklagte sei verpflichtet, die Kosten für eine implantologische Versorgung auch über die Indikationen der Beihilfeverordnung hinaus zu tragen, wenn diese Implantate notwendig gewesen seien. Das sei der Fall gewesen. Die Bestimmungen der Beihilfe stellten gerade keinen abschließenden Katalog medizinischer Indikationen für eine Implantatversorgung auf, sondern griffen lediglich aus einer Vielzahl der Indikationen einige Fallgestaltungen heraus, auf welche die Beihilfefähigkeit begrenzt werden solle. Bei medizinisch gebotenen und notwendigen Behandlungen sei ein Ausschluss von Beihilfeleistungen unvereinbar mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn und eine entsprechende Regelung sei daher unwirksam. Eine Verwehrung der Beihilfe sei daher rechtswidrig. Er habe seit über 20 Jahren eine überbrückte linke Oberkiefernseite, welche dringend wegen des maroden Eckzahns habe entfernt werden müssen. Nach der Extraktion des Eckzahns sei die obere Kieferhälfte zahnlos gewesen. Dies könne nach Aussage des behandelnden Kieferorthopäden nur mit Implantaten geheilt werden. Andere medizinische Lösungen hätten nicht existiert.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2013 half die Beklagte dem Widerspruch des Klägers insoweit ab, als ein weiterer Betrag in Höhe von 73,11 Euro als beihilfefähig anerkannt werde. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Zur Begründung erklärte die Beklagte, dass der Oberkiefer des Klägers bereits im Jahr 2006 mit zwei Implantaten versorgt worden sei, die auch als beihilfefähig anerkannt worden seien. Nunmehr sei eine erneute Implantatversorgung in regio 25 und 27 erfolgt. Da die Voraussetzungen des § 15 BBhV nicht erfüllt seien, könne keine Beihilfe gewährt werden. Daher seien auch die Honorar- sowie Material- und Laborkosten entsprechend zu kürzen gewesen.

Der Kläger hat am 2. Oktober 2013 Klage erhoben. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein bisheriges Vorbringen. Er meint, § 15 BBhV verstoße gegen höherrangiges Recht.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Bescheides der Wehrbereichsverwaltung West vom 17. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen vom 27. August 2013 zu den Aufwendungen für die Implantatbehandlung in regio 25 und 27 eine weitere Beihilfe in Höhe von 1.019,74 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu gewähren und die Zuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie tritt den Ausführungen des Klägers entgegen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug genommen. Sie sind Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung und durch den Einzelrichter entschieden werden konnte, hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid der Wehrbereichsverwaltung West vom 17. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen vom 27. August 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Er hat nicht Anspruch auf die Verpflichtung der Beklagten, ihm weitere Beihilfe zu seinen Aufwendungen für eine Implantatversorgung gemäß der Rechnung des Facharztes für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. H. vom 17. März 2013 zu gewähren.

Rechtsgrundlage des geltend gemachten Anspruchs sind die Beihilfevorschriften des Bundes, die zum Zeitpunkt galten, in dem die Aufwendungen entstanden sind. Das sind vorliegend die Regelungen der Verordnung über Beihilfe in Krankheits-, Pflege- und Geburtsfällen (Bundesbeihilfeverordnung - BBhV -) vom 13. Februar 2009 (BGBl. I S. 326) in der Fassung der 4. Änderungsverordnung vom 12. Dezember 2012 (BGBl. I S. 2657). Danach hat der Kläger keinen weiteren Anspruch auf Beihilfe. Zur Begründung im Einzelnen und zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Einzelrichter gemäß § 117 Abs. 5 VwGO Bezug auf die zutreffenden Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 27. August 2013, denen er folgt.

Im Hinblick auf das Vorbringen des Klägers ist erläuternd bzw. ergänzend Folgendes auszuführen:

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV sind Aufwendungen beihilfefähig, die dem Grunde nach notwendig und wirtschaftlich angemessen sind. Die Beihilfefähigkeit implantologischer Leistungen wird durch § 15 Abs. 1 BBhV konkretisiert und beschränkt. Danach sind Aufwendungen für implantologische Leistungen nach Abschnitt K der Anlage zur Gebührenordnung für Zahnärzte beihilfefähig, wenn eine der fünf dort genannten Indikationen vorliegt (§ 15 Abs. 1 Satz 1 BBhV). Das ist im Fall des Klägers - unstreitig - nicht der Fall. Insbesondere liegt kein zahnloser Ober- oder Unterkiefer vor. Liegt also keiner der genannten Fälle vor, sind gemäß § 15 Abs. 1 Satz 3 BBhV Aufwendungen für höchstens zwei Implantate je Kiefer beihilfefähig; wobei bereits vorhandene Implantate, zu denen Beihilfen oder vergleichbare Leistungen aus öffentlichen Kassen gewährt wurden, zu berücksichtigen sind. So liegt der Fall hier. Der Kläger erhielt im Jahr 2006 bereits zwei Implantate im Oberkiefer, zu denen Beihilfe gewährt wurde. Daher scheidet nach § 15 Abs. 1 Satz 3 BBhV eine weitere Beihilfegewährung für implantologische Leistungen in regio 25 und 27 aus. Dementsprechend waren gemäß § 15 Abs. 1 Satz 4 BBhV die Aufwendungen, einschließlich der Material- und Laborkosten, die gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 BBhV ohnehin nur zu 40 % beihilfefähig sind, entsprechend zu kürzen.

Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt § 15 Abs. 1 BBhV nicht gegen höherrangiges Recht. Diese Regelung ist mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn zu vereinbaren. Insoweit folgt der Einzelrichter nicht der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen (Urteil vom 15. August 2008 - 6 A 2861/06 -, zitiert nach juris).

In dem verfassungsrechtlich durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbereich hat der Dienstherr dafür Sorge zu tragen, dass der Beamte im Krankheitsfall nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleibt, die er - in zumutbarer Weise - aus seiner Alimentation nicht bestreiten kann. Dem Dienstherrn wird durch Art. 33 Abs. 5 GG die Entscheidung überlassen, ob er der Fürsorgepflicht durch eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge oder über Sachleistungen, Zuschüsse oder in anderer geeigneter Weise genügt. Hierdurch wird der Dienstherr von Verfassungs wegen grundsätzlich nicht gehindert, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Eine lückenlose Erstattung aller Kosten in Krankheitsfällen, die nicht durch eine beihilfekonforme Krankenversicherung gedeckt sind, wird durch die Fürsorgepflicht nicht gefordert. Der Dienstherr muss zwar eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleisten. Das bedeutet aber nicht, dass die Aufwendungen einer medizinisch notwendigen Leistung in jedem Fall zu erstatten sind. Bestimmte Leistungen können ganz oder teilweise von der Beihilfe ausgeschlossen werden, solange der Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschritten wird. Dies bedeutet, dass nach dem gegenwärtigen System Leistungen nur dann nicht auszuschließen sind, wenn der absehbare Erfolg einer Maßnahme von existenzieller Bedeutung oder notwendig ist, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können.

Gemessen daran ist der in § 15 Abs.1 BBhV erfolgte Ausschluss der Beihilfefähigkeit bestimmter implantologischer Leistungen nicht zu beanstanden. Die Begrenzung der Beihilfefähigkeit ist Teil des sich aus dem Gesamtzusammenhang der Beihilfevorschriften ergebenden Programms zur Konkretisierung der Fürsorgepflicht im Bereich zahnärztlicher Leistungen. Die Ausschlussregelungen sind nicht willkürlich und haben kein solches Gewicht, dass auch bei typisierender Betrachtung die Beihilfegewährung den Vorgaben des höherrangigen Rechts, insbesondere der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, nicht mehr gerecht würde.

Die Beschränkung der Implantatversorgung erfolgt nicht in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit, sondern im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Angemessenheit der beihilfefähigen Aufwendungen. Hiermit wird der legitime Zweck verfolgt, einer Ausuferung der für die öffentlichen Kassen entstehenden Kosten aufgrund im Allgemeinen kostspieliger Implantatbehandlungen entgegenzuwirken.

Soweit zum Teil die Auffassung vertreten wird, im Falle alternativloser Implantatbehandlungen könnten die Ausschlussregelungen keine Geltung beanspruchen (VGH Mannheim, Urteil vom 15. November 2012 - 2 S 1053/12 -, zitiert nach juris), folgt dem der Einzelrichter nicht. Auch medizinisch indizierte implantologische Leistungen können von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen werden, solange derartige Ausschlüsse nicht insgesamt gesehen einen solchen Umfang und ein solches Gewicht erreichen, dass auch bei typisierender Betrachtung die Beihilfegewährung den Vorgaben des höherrangigen Rechts, insbesondere der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, nicht mehr gerecht würde. Dafür ist nichts ersichtlich. Zudem gelingt dem Kläger der Nachweis der Alternativlosigkeit der Implantatbehandlung nicht. Aus den Ausführungen des Facharztes für Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie Dr. H. im Behandlungsplan und Kostenvoranschlag vom 19. Juni 2012 ergibt sich jedenfalls nicht, dass die Implantatbehandlung alternativlos gewesen wäre. Vielmehr heißt es dort, dass der Kläger über alternativen konventionellen Zahnersatz aufgeklärt worden sei.

Im Übrigen kann schon aus Gründen der Gleichbehandlung einem Beihilfeberechtigten nur in seltenen Ausnahmefällen ein unmittelbarer Anspruch auf Gewährung von Beihilfe unter Anknüpfung an den Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht in Abweichung von den in den Beihilfevorschriften typisierend vorgenommenen Leistungsbegrenzungen zugebilligt werden. Hierzu muss sich die Verweigerung von Beihilfe in dem atypisch gelagerten Fall als besonders grob fürsorgepflichtwidrig darstellen. Das ist hier erkennbar nicht der Fall. Dabei ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Kläger im Jahr 2006 bereits Implantate erhalten hat, für die Beihilfe gewährt wurde. Zudem ist angesichts der hier streitgegenständlichen Kosten eine Verletzung der Fürsorgepflicht fernliegend.