Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.03.2024, Az.: 13 U 39/23
Unterlassung von Werbeaussagen für Nahrungsergänzungsmittel
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 21.03.2024
- Aktenzeichen
- 13 U 39/23
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2024, 24846
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover - 19.07.2023 - AZ: 23 O 160/22
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs. 1 UWG
- § 8 Abs. 3 Nr. 2 UWG
- § 3 UWG
- § 3a UWG
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 13. Zivilsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht ..., den Richter am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... am 21. März 2024 beschlossen:
Tenor:
- 1.
Es wird erwogen, die Berufung der Beklagten durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Der Beklagten wird Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses gegeben.
- 2.
Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für die erste Instanz - in Abänderung der Streitwertfestsetzung des Landgerichts - auf 200.000 € und für die Berufungsinstanz auf 50.000 € festzusetzen.
Gründe
A.
Der Kläger, ein seit dem 15. November 2021 beim Bundesamt für Justiz in der Liste der qualifizierten Wirtschaftsverbände eingetragener Verein, verlangt von der Beklagten, die einen Teleshopping-Sender betreibt, in Bezug auf vier von ihr als Nahrungsergänzungsmittel verkaufte Produkte Werbeaussagen zu unterlassen, die in den für die jeweiligen Produkte ausgestrahlten Werbesendungen getätigt wurden. In der Berufungsinstanz sind nur noch Werbeaussagen betreffend das Produkt "O. P. S." streitgegenständlich.
Mit Urteil vom 19. Juli 2023, auf das wegen der tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen wird, hat das Landgericht die Beklagte gemäß den zuletzt gestellten Anträgen zur Unterlassung sowie zur Zahlung von Abmahnkosten verurteilt.
Hiergegen richtet sich die Beklagte mit ihrer Berufung insoweit, als sie weiterhin die vollständige Abweisung der Klage in Bezug auf die Werbung für das Produkt "O. P. S." begehrt. Das Landgericht habe verkannt, dass einzelne angegriffene Aussagen durch zugelassene Health Claims gedeckt seien. Die unter Nr. 1.2. und 1.3. untersagten Aussagen hätten keinen Gesundheitsbezug, sondern stellten lediglich den geringen Selengehalt der Böden in Deutschland und Europa dar. Die unter Nr. 1.4. bis 1.8. untersagten Aussagen hätten schließlich keinen Krankheitsbezug, sondern stellten lediglich wissenschaftlich bekannte Tatsachen dar.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Hannover mit dem Az.: 23 O 160/22 vom 19.07.2023 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit die Beklagte verurteilt wurde,
es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu verhängenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an dem Geschäftsführer, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu werben:
- 1.
für das Produkt "O. P. S."
- 1.1.
"für das Immunsystem und Schilddrüse"
- 1.2.
"Und da unsere Böden eben in Europa sehr Selen arm sind, sind im Grunde genommen fast alle eben pflanzlichen Dinge, mit nicht ausreichend genug Selen versehen, so dass wir hier ne ganz klar, eindeutige Versorgungslücke haben",
- 1.3.
"Deutschland im kompletten Selenmangel",
- 1.4.
"Also geht es darum bei den Leuten mit Hashimoto aber auch bei denen, die habe ne Unterfunktion in der Regel, aber auch bei Leuten mit ner Überfunktion, das sind die Basedow-Erkrankten, gilt darum, diese Schübe so gut, wie möglich, zu reduzieren, damit nicht eben immer weiter im Entzündungsschub die Schilddrüse sich selbst auffrisst. Und ist uns gelungen, ähm, in zahlriechen Experimenten mit Selen, und zwar einer bestimmten Tagesmenge. 200 Mikrogramm! Sie brauchen 200 Mikrogramm, um überhaupt dieses aufzuhalten",
- 1.5.
"Bei Selen müssen Sie hoch dosieren, damit sie diese Autoimmunerkrankungen eben in den Griff bekommen",
- 1.6.
"Auch derjenige, der nur ne normale Unterfunktion hat, ohne dass er eben ne Autoimmunerkrankung hat, für den lohnt sich Selen auf jeden Fall. Das wäre die große Gruppe der Schilddrüsenerkrankten. Alle die, die jetzt vorm Fernseher sitzen und mit Schilddrüse zu tun haben, Sie werden sehr schnell merken, wie stabil, wie ruhig ihre Schilddrüse wird, wenn Sie der ne entsprechende Menge Selen jeden Tag zur Verfügung stellen",
- 1.7.
"Das Seleno-Protein ist das, was das Selen eben durch den Körper trägt, Und hier sehen Sie den Status des Verstorbenen oder Überlebenden einerseits bezogen nur auf Selen...bezogen auf den Selenmangel sind diese beiden, wo 39% der Leute mit nem ausreichenden Selenstatus sind verstorben. Aber 65% der Leute sind verstorben mit dem nicht ausreichenden Selenmangel. Oder umgekehrt! Das Seleno-Protein, gleiches Verhältnis, 33% Mangel gegen 71% Mangel, und da sehen Sie dann eben den Anteil an, eben entsprechenden Anteil an Patienten, die eben durch Selenmangel alleine schon entsprechend verstorben sind, unter COVID",
- 1.8.
"Und da sehen Sie dann eben, dass der Grippeschutz, was den Titer anbelangt, deutlich höher ausgefallen ist, bei den Leuten, die Selen bekommen haben, als die Leute, die nur nen Placebo zusätzlich bekommen haben. Beide haben die Impfung bekommen. Ja? Und beide haben eben entsprechend sozusagen etwas zusätzlich bekommen. Und die Selengruppe hat eindeutig höherer Titer",
- 1.9.
"...vielleicht aber auch nen bisschen das genutzt, was uns hier zur Verfügung steht, einfach dafür gesorgt, dass das Immunsystem ordentlich Unterstützung kriegt durch O. P. S., durch Nahrungsergänzung, durch eben Produkte, die nachweislich nen Spiegel machen im Blut von verschiedenen Sachen".
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
B.
I. Die Berufung hat offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg.
Das angefochtene Urteil beruht weder auf einem Rechtsfehler (§ 513 Abs. 1, 1. Alt., § 546 ZPO) noch rechtfertigen die nach § 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 529 Abs. 1, 2. Alt. ZPO).
Die Beklagte ist zu Recht zur Unterlassung der in der Berufungsinstanz noch streitgegenständlichen Werbeaussagen verurteilt worden.
1. Es besteht ein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, §§ 3, 3a UWG i.V.m. Art. 7 Abs. 3, 4 lit. a) der VO (EU) 1169/2011 (Lebensmittelinformations-VO, LMIV).
a) Nach Art. 7 Abs. 3, 4 lit. a) LMIV darf die Werbung für ein Lebensmittel diesem keine Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen. Auf die zutreffende Auslegung dieser Bestimmung in dem angefochtenen Urteil unter 1.a) sowie auf die zutreffende Einordnung als Marktverhaltensregelung wird Bezug genommen.
b) Das Landgericht hat zunächst unter 1.b) des angefochtenen Urteils zutreffend erkannt, dass die im Verbotstenor unter Nr. 1.4. bis 1.8. dargestellten Aussagen in der Werbesendung der Beklagten einen hiernach unzulässigen Krankheitsbezug aufweisen.
Dass diese Aussagen nach der Auffassung der Berufung wissenschaftlich bekannte Tatsachen aufzählten, steht dem ebenso wenig entgegen wie der Umstand, dass es das Ziel von Nahrungsergänzungsmitteln sei, eine Ernährungslücke - hier: mit Selen - auszufüllen. Richtig hat das Landgericht insbesondere herausgearbeitet, dass sich sämtliche Aussagen auf die Bedeutung des beworbenen Produkts für die Vorbeugung, Behandlung oder Heilung der dargestellten Autoimmunerkrankungen (Aussagen zu Nr. 1.4. bis 1.6.), SARS-CoV-2/COVID (Aussage zu Nr. 1.7.) und Grippe (Aussage zu Nr. 1.8.) beziehen. Die Aussagen erfolgten insbesondere nicht als Wiedergabe allgemeiner wissenschaftlicher Erkenntnisse ohne Bezug auf ein konkret beworbenes Produkt. Vielmehr hat die Beklagte das fragliche Produkt "O. P. S." ausweislich des Transkripts der Werbesendung, auf das der Kläger mit seinem Unterlassungsantrag als konkrete Verletzungsform Bezug genommen hat (Anlage K 4, Anlagenband Kläger, hier: Seiten 1-12) in der Werbesendung zumindest wiederholt, wenn nicht gar ständig eingeblendet. Der angesprochene Verbraucher bezog die fraglichen Äußerungen daher gerade auf dieses Produkt.
c) Über die Auffassung sowohl des Landgerichts als auch des Klägers hinaus, verstießen auch die weiteren streitgegenständlichen Aussagen unter Nr. 1.1. bis 1.3. sowie 1.9. des Verbotstenors gegen dieses Verbot krankheitsbezogener Werbung.
aa) Bei isolierter Betrachtung weisen diese Aussagen zwar keinen Krankheitsbezug auf. Insbesondere weist die Beklagte in anderem Zusammenhang zutreffend darauf hin, dass die Aussage zu Nr. 1.2. für sich genommen nur die Selenarmut der Böden in Europa und eine darauf beruhende Versorgungslücke darstellt.
Nimmt ein Klageantrag aber - wie vorliegend - unmittelbar auf die beanstandete Anzeige Bezug, deutet dies darauf hin, dass eine konkrete Werbeanzeige untersagt werden soll, die neben den im Antrag umschriebenen Merkmalen noch eine Reihe weiterer Eigenschaften aufweist. Für die Feststellung, welches Verständnis die im Klageantrag in der geschilderten Weise in Bezug genommene Werbeanzeige und etwaige dort getroffene Werbeaussagen bei dem angesprochenen Verkehr erwecken, ist der Gesamteindruck der Werbung zu würdigen und nicht lediglich auf einzelne Elemente derselben abzustellen (BGH, Urteil vom 2. Juni 2022 - I ZR 93/21, juris Rn. 23 m.w.N.). Auch einzelne für sich genommen beispielsweise nicht gesundheitsbezogene Aussagen können aufgrund eines solchen Gesamtzusammenhangs als gesundheitsbezogen zu verstehen sein (OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. August 2015 - 2 U 11/15, juris Rn. 87 a.E.).
bb) Hiernach sind insbesondere die Aussagen unter Nr. 1.1. und 1.9. des Tenors, das Produkt "O. P. S." sei "für das Immunsystem (...)" und unterstütze das Immunsystem, für den angesprochenen Verbraucher im Gesamtzusammenhang der Werbesendung dahin zu verstehen, dass dieses Produkt den dargestellten Erkrankungen zumindest vorbeuge.
Gleiches gilt für die Aussage unter Nr. 1.3. des Tenors. Der dort angesprochene Selenmangel bezieht sich ausweislich des aus dem Transkript der Werbesendung (Anlage K 4, Seite 5) ersichtlichen Zusammenhangs nicht auf den Gehalt von Selen in Böden in Deutschland, sondern zumindest auch auf "die Serumkonzentration beim Menschen gemessen". Im Zusammenhang mit dem in der Werbesendung wiederholt erweckten Eindruck, die Versorgung mit Selen durch das beworbene Produkt beuge Krankheiten vor, unterstreicht diese Aussage zum Selenmangel bei dem angesprochenen Verbraucher die vermeintliche Bedeutung des beworbenen Produkts zur Vorbeugung dieser Krankheiten.
Diesen Bedeutungsgehalt vermittelt schließlich im Gesamtzusammenhang auch die Aussage unter Nr. 1.2. des Verbotstenors. Die dort dargestellte Versorgungslücke führt nach den weiteren Ausführungen zu einem Selenmangel im menschlichen Körper; diese Darstellung hebt damit wiederum die Bedeutung des beworbenen Produkts für die Vorbeugung von Krankheiten hervor.
2. Jedenfalls betreffend die Aussagen zu Nr. 1.1. sowie 1.4. bis 1.9. folgt ein Unterlassungsanspruch auch aus § 8 Abs. 1, 3 Nr. 2, §§ 3, 3a UWG i.V.m. Art. 10 Abs. 1 und 3 bzw. Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1924/2006 (HCVO). Angegriffen ist dies durch die Berufung ohnehin nur für die Aussagen zu 1.1. und 1.9.
Nach der zutreffenden und von der Berufung nicht angegriffenen Auffassung des Landgerichts handelt es sich bei diesen Aussagen um spezielle gesundheitsbezogene Angaben i.S.d. Art. 10 Abs. 1 HCVO oder jedenfalls um allgemeine Verweise i.S.d. Art. 10 Abs. 3 HCVO.
Entgegen der Auffassung der Berufung sind auch die Aussagen zu Nr. 1.1. und 1.9. nicht deshalb nach Art. 10 Abs. 1 HCVO zulässig, weil gemäß der Verordnung (EU) 432/2012 für Selen verschiedene Aussagen zugelassen sind, u.a. "Selen trägt zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei" und "Selen trägt zu einer normalen Schilddrüsenfunktion bei".
a) Zugelassene Gesundheitsangaben müssen nach zutreffender Auffassung zwar nicht unverändert wiedergegeben werden. Neben den in der veröffentlichten Liste aufgeführten Angaben sind insbesondere unter Berücksichtigung von Erwägungsgrund 9 der Verordnung (EU) 423/2012 auch gleichsinnige Angaben zugelassen. Bei der Prüfung, ob eine verwendete gesundheitsbezogene Angabe mit einer zugelassenen gesundheitsbezogenen Angabe gleichbedeutend ist, ist grundsätzlich ein strenger Maßstab anzulegen. Eine verwendete Angabe kann nur dann als gleichbedeutend mit einer zugelassenen Angabe angesehen werden, wenn sich aus der im Zulassungsverfahren abgegebenen Stellungnahme der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) ergibt, dass die mit der verwendeten Angabe aufgestellte Wirkungsbehauptung von der mit der zugelassenen Angabe aufgestellten Wirkungsbehauptung gedeckt ist (zum Ganzen: BGH, Urteil vom 10. Dezember 2015 - I ZR 222/13, juris Rn. 51 ff.).
Hiernach darf die Umformulierung inhaltlich nicht über die Zulassung hinausgehen. So ist beispielsweise die Angabe "stärkt das Immunsystem" nicht gleichsinnig mit der zugelassenen Angabe "trägt zur normalen Funktion des Immunsystems bei" (KG, Urteil vom 18. Juli 2017 - 5 U 132/15, juris Rn. 61; Sosnitza/Meisterernst LebensmittelR/Rathke/Hahn [187. EL August 2023] VO (EG) 1924/2006 Art. 10 Rn. 50; Holle/Hüttebräuker/Hüttebräuker VO (EG) 1924/2006 Art. 10 Rn. 31).
b) Entsprechend diesen Erwägungen geht die Aussage unter Nr. 1.9. des Tenors, das Immunsystem "kriegt durch O. P. ordentlich Unterstützung" über die Aussage hinaus, Selen trage zu einer normalen Funktion des Immunsystems bei. Der angesprochene Verbraucher versteht diese Aussage vielmehr dahin, dass das Immunsystem über die normale Funktionalität hinaus gestärkt werde.
c) Bei der am rechten Bildrand der Werbesendung eingeblendeten Aussage gemäß Nr. 1.1. des Tenors ("für das Immunsystem und Schilddrüse") bleibt schon unklar, wie das Produkt dem Immunsystem und der Schilddrüse dienen soll, ob insbesondere auch eine über die normale Funktionalität hinausgehende Unterstützung erfolgen soll.
Bei dieser Aussage handelt es sich insbesondere um eine nichtspezifische gesundheitsbezogene Angabe, die gemäß Art. 10 Abs. 3 HCVO nur zulässig ist, wenn ihr eine nach Art. 10 Abs. 1 HCVO zulässige spezielle Angabe beigefügt ist.
Für die Abgrenzung zwischen speziellen und nichtspezifischen gesundheitsbezogenen Angaben kommt es darauf an, ob mit der Angabe ein unmittelbarer Wirkungszusammenhang zwischen einer Lebensmittelkategorie, einem Lebensmittel oder einem seiner Bestandteile und einer Funktion des menschlichen Organismus hergestellt wird, dessen wissenschaftliche Absicherung in einem Zulassungsverfahren überprüft werden kann (BGH, Urteil vom 25. Juni 2020 - I ZR 162/16, juris Rn. 23). Insbesondere bei der Aussage, ein bestimmter Stoff oder ein Produkt sei "für" eine bestimmte Körperfunktion handelt es sich um eine solche nichtspezifische Angabe (BGH a.a.O., Rn. 3, 21).
Eine - gegebenenfalls auch gleichsinnig umformulierte - zulässige spezielle Angabe hat die Beklagte der angegriffenen nichtspezifischen Aussage "für das Immunsystem und Schilddrüse" entgegen Art. 10 Abs. 3 HCVO nicht beigefügt.
3. Die Aussagen zu Nr. 1.2. und 1.3. sind zudem auch nach §§ 3, 3a, 5 UWG i.V.m. § 4 Abs. 4 NemV zu unterlassen. Unter Berücksichtigung des nach den vorstehenden Ausführungen maßgeblichen Kontextes der Werbesendung erwecken diese Aussagen bei den angesprochenen Verbrauchern den unzulässigen und irreführenden Eindruck, die Zufuhr einer angemessenen Nährstoffmenge von Selen sei mit einer ausgewogenen und abwechslungsreichen Ernährung nicht möglich, auch wenn diese
Aussagen für sich genommen nur die Selenarmut der Böden in Europa und eine darauf beruhende Versorgungslücke darstellen.
II.
Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung und eine Entscheidung des Berufungsgerichts ist nicht zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich. Auch ist eine mündliche Verhandlung nicht geboten.
C.
Die beabsichtigte Streitwertfestsetzung beruht auf § 51 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GKG.
Wie der Senat bereits entschieden hat (Beschluss vom 13. April 2023 - 13 U 71/22), erscheint für jede beanstandete Werbesendung der Beklagten für ein Nahrungsergänzungsmittel grundsätzlich ein Betrag von 50.000 € angemessen. Die Vielzahl der beim Senat anhängig gewordenen - vergleichbaren - Verfahren wegen unlauterer Werbung der Beklagten für Nahrungsergänzungsmittel spricht dafür, dass die beanstandete Werbung für die Beklagte sehr lukrativ ist. Dies wirkt sich auch auf die Bewertung des für die erstinstanzliche Wertfestsetzung maßgeblichen wirtschaftlichen Interesses des klagenden Wirtschaftsverbandes aus, dessen Interesse im Regelfall ebenso zu bewerten ist wie das eines gewichtigen Mitbewerbers (Köhler/Bornkamm/Feddersen/Köhler/Feddersen, 41. Aufl. 2023, UWG § 12 Rn. 4.8 m.w.N.).
Die beabsichtigte Abänderung des erstinstanzlich durch das Landgericht festgesetzten Streitwerts erfolgt gemäß § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GKG.