Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 21.05.2014, Az.: 10 WF 262/13

Zuständigkeit des Familiengerichts für Freistellungsansprüche eines geschiedenen Ehegatten wegen während der Ehe eingegangener Verbindlichkeiten; Zulässigkeit einer sog. Attributsklage

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
21.05.2014
Aktenzeichen
10 WF 262/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 18613
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2014:0521.10WF262.13.0A

Fundstellen

  • FamRZ 2014, 1728
  • NZI 2014, 6
  • ZInsO 2014, 1497-1498
  • ZVI 2014, 383-384

Amtlicher Leitsatz

1. Das Familiengericht ist gemäß § 266 FamFG zuständig sowohl für einen auf Freistellung von der gesamtschuldnerischen Haftung für während der Ehezeit gemeinsam eingegangenen Verbindlichkeiten gerichteten Antrag als auch für einen solchen, mit dem die Feststellung begehrt wird, dass eine aus einer derartigen gesamtschuldnerischen Haftung herrührende und zur Insolvenztabelle festgestellte Forderung (auch) auf unerlaubter Handlung beruht ("Attributsklage").

2. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen eines Gesamtschuldners kann dieser durch einen anderen Gesamtschuldner nicht mehr auf Freistellung im Innenverhältnis in Anspruch genommen werden.

3. Die Klage bzw. der Antrag auf Feststellung, daß eine zur Insolvenztabelle festzustellende Forderung (auch) auf unerlaubter Handlung beruht ("Attributsklage") ist erst zulässig, wenn diese sowohl dem Grunde und der Höhe nach zur Insolvenztabelle festgestellt als auch vom Gläubiger hinsichtlich ihrer deliktischen Anspruchsgrundlage hinreichend konkret angemeldet worden als auch ein Widerspruch des Schuldners gegen den deliktischen Charakter der Forderung in die Insolvenztabelle eingetragen ist.

Tenor:

Die Beschwerde wird als unzulässig verworfen.

Gründe

I.

Die im Juni 1999 geschlossene Ehe der Beteiligten, aus der zwei Kinder hervorgegangen sind, ist nach im Februar 2012 erfolgter Trennung durch seit dem 13. März 2013 insofern rechtskräftigen Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover geschieden worden.

Im vorliegenden - im Februar 2013 eingeleiteten - Verfahren will die Ehefrau (Antragstellerin) den Ehemann (Antragsgegner) "im Innenverhältnis" auf Freistellung von sämtlichen Ansprüchen der ...Bank AG (...) im Hinblick auf ein "für beide Eheleute geführtes gemeinsames Konto", das zwischenzeitlich aufgelöst wurde, in Anspruch nehmen und hat dafür um Verfahrenskostenhilfe (VKH) nachgesucht.

Nach dem Vortrag der Antragstellerin soll dieses 2009 eröffnete - ausdrücklich so bezeichnete - "gemeinschaftliche Konto" der Eheleute im Mai 2012 um 625,40 € überzogen gewesen sein. Nachdem mit Beschluß vom 15. November 2012 (Amtsgericht Hannover 905 IK 1674/12-5) über das Vermögen des Ehemannes das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, hat die ... Bank mit Schreiben vom 29. November 2012 die Geschäftsverbindung gekündigt und die Antragstellerin zur Zahlung der offenen Gesamtforderung in Höhe von noch 538,21 € aufgefordert.

Mit weiterem Schriftsatz vom 8. April 2013 hat die Antragstellerin vorgetragen, die auf dem - ihr zwischenzeitlich von der ... Bank in Ablichtung übermittelten - Vertrag zur Eröffnung des fraglichen Kontos befindlichen Unterschriften stammten nicht von ihr.

Das Amtsgericht hat der Antragstellerin mit Beschluß vom 26. April 2013 die nachgesuchte VKH versagt. Es hat dabei darauf abgestellt, daß die Rechtsverfolgung angesichts der gerichtsbekannten gänzlichen Vermögenslosigkeit beider Beteiligter verfahrenskostenhilferechtlich mutwillig sei.

Gegen diesen Beschluß richtet sich die form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde der Antragstellerin, die ihr Begehren weiterverfolgt und ergänzende rechtliche Überlegungen anstellt. Dabei verweist sie nunmehr unter anderem darauf, auf die Durchführung dieses Verfahrens auch deshalb angewiesen zu sein, um die verfahrensgegenständliche Forderung unter Angabe des Rechtsgrundes gemäß § 174 Abs. 2 InsO und Darlegung ihrer Herkunft aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung zur Insolvenztabelle anmelden zu können.

Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Senat vorgelegt. Der originär berufene Einzelrichter hat die Sache dem Senat zur Entscheidung übertragen.

II.

1. Die Beschwerde ist bereits gemäß §§ 117 Abs. 3 FamFG, 127 Abs. 2 Satz 2 2. Halbsatz ZPO unzulässig, da der Verfahrenswert der Hauptsache die sog. 'Erwachsenheitssumme', also den in § 511 ZPO genannten Betrag von 600 €, nicht übersteigt. Der erstinstanzliche Verfahrenswert bestimmt sich im Streitfall nach dem Wert der begehrten Freistellung, die vorliegend den Betrag von 538,21 € betrifft. Selbst wenn man die bis zur Anhängigkeit des Antrages am 25. Februar 2013 angefallenen Verzugszinsen, wie sie von der ... Bank geltend gemacht werden, für die Wertbemessung für maßgeblich erachten wollte, würde damit die Erwachsenheitssumme nicht einmal annähernd erreicht.

2. Die Beschwerde wäre jedoch auch in der Sache nicht begründet.

a. Zutreffend sind allerdings Antragstellerin wie Amtsgericht von einer Zuständigkeit des Familiengerichts für die in Rede stehenden Ansprüche ausgegangen. Freistellungsansprüche des einen Ehegatten gegen den anderen im Hinblick auf während der Ehe begründete gesamtschuldnerische Verbindlichkeiten stellen ebenso sonstige Familiensachen im Sinne von § 266 Abs. 1 Nr. 3 FamFG dar wie die Frage einer etwaigen deliktischen Begründetheit derartiger Ansprüche.

b. Dagegen ist der beabsichtigte Antrag der Antragstellerin auf Verpflichtung des Antragsgegners zur Freistellung von Inanspruchnahmen im Zusammenhang mit dem gemeinsamen Konto der Beteiligten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über dessen Vermögen bereits unzulässig.

Denn es handelt sich bei dem von ihr verfolgten Anspruch um eine insolvenzbefangene Forderung. Nach ihren eigenen Angaben wies das gemeinsame Girokonto der Beteiligten nämlich schon im Mai 2012 und damit vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Antragsgegners am 15. November 2012 einen Negativsaldo von 625,40 € auf. Für die Antragstellerin besteht insofern allein die Möglichkeit, einen etwaigen Freistellungsanspruch gegen den Antragsgegner gemäß §§ 174 ff. InsO zur Insolvenztabelle anzumelden.

c. Auch soweit das Beschwerdevorbringen der Antragstellerin dahingehend auszulegen sein sollte, den ursprünglich anhängig gemachten Freistellungsantrag fallenzulassen und auf einen Feststellungsantrag hinsichtlich der Begründung ihres Anspruches (auch) aus unerlaubter Handlung umzustellen, kann sie damit jedenfalls derzeit in keinem Fall Erfolg haben. Denn die Zulässigkeit einer derartigen 'Attributsklage' setzt nach dem unzweideutigen Wortlaut von § 174 Abs. 2 InsO voraus, daß eine entsprechende Forderung auch unter Darlegung ihres deliktischen Charakters zur Tabelle anzumelden ist. Eine gerichtliche Feststellung des deliktischen Anspruchsgrundes im Rahmen der Titulierung, wie dies für noch nicht insolvenzbefangene Ansprüche möglich ist, ist nach Insolvenzeröffnung durch die spezielleren insolvenzrechtlichen Möglichkeiten ausgeschlossen.