Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 12.05.2014, Az.: 15 UF 9/14
Kostenentscheidung im Vaterschaftsfeststellungsverfahren
Bibliographie
- Gericht
- OLG Celle
- Datum
- 12.05.2014
- Aktenzeichen
- 15 UF 9/14
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2014, 18611
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- ECLI:DE:OLGCE:2014:0512.15UF9.14.0A
Verfahrensgang
- vorgehend
- AG Celle - 18.12.2013 - AZ: 8 F 8072/13
Rechtsgrundlagen
- FamFG § 81 Abs. 1 S. 1
- FamFG § 81 Abs. 2 Nr. 1
Fundstellen
- FF 2014, 466
- FamRB 2014, 375-376
- FuR 2014, 600-601
- MDR 2014, 968-969
Amtlicher Leitsatz
Hatte der als Vater festgestellte Mann keine konkreten Anhaltspunkte für einen Mehrverkehr der Mutter, kann die Billigkeitsabwägung gebieten, ihm die gesamten Verfahrenskosten einschließlich der Aufwendungen der Kindesmutter aufzuerlegen.
Tenor:
I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Celle vom 18.12.2013 - 8 F 8072/13 - wird zurückgewiesen.
II. Der Beteiligte zu 2. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf bis zu 2.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Kostenentscheidung, nachdem der Beteiligte zu 2. nach Einholung eines Abstammungsgutachtens als Vater der Antragstellerin festgestellt worden ist.
Die Antragstellerin und die Kindesmutter hatten im Verfahren angegeben, dass die Kindesmutter im gesetzlichen Empfängniszeitraum ausschließlich mit dem Beteiligten zu 2. Geschlechtsverkehr gehabt habe. Das hat die Kindesmutter in der Anhörung vor dem Amtsgericht am 18.09.2013 bekräftigt.
Der Antragsgegner hat vorgetragen, er müsse bestreiten, der Vater der Antragstellerin zu sein. Er habe mit der Kindesmutter eine "Art Beziehung" gehabt, aber lediglich zwei Wochenenden mit ihr verbracht. Die anderen Wochenenden habe die Kindesmutter allein verbracht. Unmittelbar nach Feststellung der Schwangerschaft habe die Kindesmutter den Kontakt zu ihm eingestellt. Es bestehe die Befürchtung, dass die Schwangerschaft durch einen Geschlechtskontakt mit einem anderen Mann eingetreten sei.
Die Kindesmutter hat dazu vorgetragen, es hätten sich alsbald nach der Feststellung der Schwangerschaft Streitigkeiten entwickelt, aufgrund derer sie die Beziehung beendet habe.
Das Amtsgericht hat den Beteiligten zu 2. in der angefochtenen Entscheidung als Vater der Antragstellerin festgestellt und ihm die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Mit seiner Beschwerde wendet sich der Beteiligte zu 2. gegen die Kostenentscheidung.
II.
Die Beschwerde ist gemäß §§ 58 ff FamFG zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Die Verpflichtung des Beteiligten zu 2., die Kosten des Verfahrens zu tragen, beruht auf § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG. Die spezielle Kostenvorschrift des § 183 FamFG gilt nur, wenn ein Antrag auf Anfechtung der Vaterschaft Erfolg hat.
1.
Ist - wie hier - die Kostenentscheidung in das Ermessen des erstinstanzlichen Gerichts gestellt, ist das Beschwerdegericht nicht befugt, die getroffene Entscheidung durch eine eigene Ermessensentscheidung zu ersetzen. Die Überprüfung des Beschwerdegerichts beschränkt sich auf Ermessensfehler in Gestalt von Ermessensnichtgebrauch, Ermessensfehlgebrauch und Ermessensüberschreitung (BGH FamRZ 2007, 893, 895).
Vorliegend hat das Amtsgericht zur Begründung seiner Kostenentscheidung lediglich auf § 81 FamFG Bezug genommen. Es ist daher nicht erkennbar, von welchen Tatsachen es sich bei seiner Entscheidung hat leiten lassen. Das ist ein Fall des Ermessensnichtgebrauchs. Da die Voraussetzungen für eine Aufhebung und Zurückverweisung nach § 69 Abs. 1 S. 2+3 FamFG nicht vorliegen, entscheidet der Senat gemäß § 69 Abs. 1 S. 1 FamFG in der Sache unter Ausübung seines eigenen Ermessens selbst.
2.
Nach § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG hat das Gericht einen weiten Ermessensspielraum, welcher Beteiligte welche Kosten zu tragen hat. Dabei kommt gleichermaßen in Betracht, die Kosten einem Beteiligten ganz aufzuerlegen, sie zwischen den Beteiligten aufzuteilen, die Kosten gegeneinander aufzuheben oder eine Kostenregelung zu treffen, die zwischen den Gerichtskosten und den Aufwendungen der Beteiligten differenziert bis hin zur Entscheidung, von der Erhebung von Kosten ganz oder teilweise abzusehen. Eine Einschränkung des Ermessens kann sich aus § 81 Abs. 2 FamFG ergeben, wonach in den dort aufgeführten Fällen die Kosten einem Beteiligten ganz oder teilweise auferlegt werden sollen (BGH FamRZ 2014, 744 Rn. 11).
Hiernach ist in jedem Verfahren eine Billigkeitsabwägung unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls zu treffen. Ein hiervon unabhängiges Regel-Ausnahme-Verhältnis ist mit der vom Gesetzgeber eingeräumten Gestaltungsfreiheit der Gerichte bei Kostenentscheidungen im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit nicht vereinbar (BGH FamRZ 2014, 744 Rn. 13).
Das Maß des Obsiegens und Unterliegens ist zwar ein Gesichtspunkt, der bei der Kostenentscheidung nach § 81 Abs. 1 S. 1 FamFG berücksichtigt werden kann, doch ist zu beachten, dass Abstammungsverfahren nach der Neugestaltung in §§ 169 ff. FamFG als Antragsverfahren ausgestaltet sind, die nicht mehr als streitige Verfahren geführt werden. Daher kann das Maß des Obsiegens und Unterliegens nicht mehr allein für die Kostenentscheidung maßgebend sein, wenn weitere Umstände vorliegen, die Einfluss auf die Kostenverteilung haben können. Hier kommt insbesondere in Betracht, inwieweit ein Beteiligter Anlass für die Durchführung des Verfahrens gegeben hat (BGH FamRZ 2014, 744 Rn. 16 f.).
Für den Fall des eingeräumten Mehrverkehrs im Empfängniszeitraum ist es daher nicht als billigem Ermessen entsprechend anzusehen, dem festgestellten Kindesvater die gesamten Verfahrenskosten aufzuerlegen, weil er vor Kenntnis des Abstammungsgutachtens über seine Vaterschaft nicht sicher sein konnte, so dass ihm die urkundliche Anerkennung der Vaterschaft nicht zuzumuten war (BGH FamRZ 2014, 744 Rn. 17).
Vorliegend hat der Beteiligte zu 2. zwar eingewandt, er könne nicht sicher sein, der Vater der Antragstellerin zu sein und "müsse" dies bestreiten. Dabei hat er sich darauf berufen, dass die Kindesmutter zahlreiche Wochenenden ohne ihn verbracht habe und die Beziehung unmittelbar nach Bekanntwerden der Schwangerschaft beendet habe.
Demgegenüber hat die Kindesmutter vorgetragen, bald nachdem sie dem Beteiligten zu 2. die Schwangerschaft mitgeteilt habe, sei es vermehrt zu Streit gekommen, in dessen Verlauf sie von ihm bedroht worden sei. Er habe auch unterstellt, nicht der Vater zu sein. Aufgrund dieser Situation habe sie die Beziehung dann beendet. Der Beteiligte zu 2. hat eine Bedrohung der Kindesmutter in Abrede genommen.
In der Gesamtschau dieser Situation hatte der Beteiligte zu 2. keinen Anlass, an seiner Vaterschaft zu zweifeln. Die abstrakte Möglichkeit des Mehrverkehrs besteht grundsätzlich bei jeder Schwangerschaft, so dass der Umstand, dass die Kindesmutter zahlreiche Wochenenden ohne den Beteiligten zu 2. verbrachte, zu keinen Zweifeln Anlass gibt, solange er nicht andere Anhaltspunkte für Mehrverkehr hatte.
Solche ergeben sich insbesondere nicht aus der kurze Zeit nach Bekanntwerden der Schwangerschaft von der Kindesmutter herbeigeführten Beendigung der Beziehung. Der Beteiligte zu 2. ist der Darstellung der Kindesmutter nur insoweit entgegen getreten, dass er sie nicht bedroht habe. Dass es zu Streitigkeiten gekommen ist und diese für die Kindesmutter der Anlass zur Beendigung der Beziehung waren, hat der Beteiligte zu 2. dagegen nicht in Abrede genommen.
Er hatte daher keinen konkreten Anlass, an seiner Vaterschaft zu zweifeln und es war ihm daher zuzumuten, seine Vaterschaft urkundlich nach §§ 1594 Abs. 1, 1597 BGB anzuerkennen, was kostenfrei möglich ist und wozu er von der Antragstellerin aufgefordert worden war. Da er diese Möglichkeit nicht ergriffen hat, entspricht es der Billigkeit, ihm die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Hiervon waren auch nicht die außergerichtlichen Kosten auszunehmen. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung, wonach es in Abstammungssachen grundsätzlich der Billigkeit entspricht, dass jeder Beteiligte seine eigenen Aufwendungen selbst trägt (Senat FamRZ 2010, 1840, 1841; weitere Nachweise bei Keske/Schwonberg in: Schulte-Bunert/Weinreich, FamFG, 4. Auflage 2014, § 183 Rn. 16a) insoweit nicht mehr fest, als dies Fallkonstellationen betrifft, in denen der im gerichtlichen Verfahren als Vater festgestellte Mann keine konkreten Anhaltspunkte für einen Mehrverkehr der Kindesmutter hatte (so auch: OLG Brandenburg FamRZ 2012, 1966 Rn. 5; OLG Oldenburg FamRZ 2012, 733 Rn. 5).
Auch wenn die Schwelle des groben Verschuldens im Sinne von § 81 Abs. 2 Nr. 1 FamFG vorliegend nicht erreicht sein dürfte - es handelt sich nicht um ein vorwerfbares Verhalten, wenn der Beteiligte zu 2. zwar Anlass hatte, die Vaterschaft urkundlich anzuerkennen, er aber die sich aus der Einholung eines Abstammungsgutachtens ergebende Sicherheit vorzog -, so ist die Tatsache, dass es ihm zumutbar war, das gerichtliche Verfahren durch die Anerkennung der Vaterschaft durch eine Urkunde zu vermeiden, gleichwohl im Rahmen des dem Senat eingeräumten Ermessens zu würdigen. In dieser Konstellation wäre es nicht verständlich, warum die Kindesmutter ihre notwendigen Aufwendungen im Verfahren selbst zu tragen hätte, denn sie hatte anders als der Beteiligte zu 2. keine Möglichkeit, das gerichtliche Verfahren zu vermeiden.
III.
Die Kostenentscheidung folgt § 84 FamFG.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf §§ 37 Abs. 3, 40 Abs. 1 S. 1 FamGKG und orientiert sich - nachdem sich der Beteiligte zu 2. gegen die Kostenentscheidung insgesamt wendet - an den gesamten erstinstanzlichen Kosten im Sinne von § 80 S. 1 FamFG, also den Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und den notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.