Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 19.05.2014, Az.: 10 WF 397/13

Unterschiede zwischen einer Berichtigung des Beschlusses bzw. des Tatbestandes und einer Beschlussergänzung gemäß §§ 319, 320, 321 ZPO

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
19.05.2014
Aktenzeichen
10 WF 397/13
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2014, 29450
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2014:0519.10WF397.13.0A

Verfahrensgang

vorgehend
AG Hannover - 17.10.2013

Amtlicher Leitsatz

Die Berichtigung einer Entscheidung gemäß § 319 ZPO, die unabhängig von einer Ausschlussfrist von Amts wegen vorzunehmen ist, kommt allein hinsichtlich offenkundiger Unrichtigkeiten in Betracht, die sich grundsätzlich bereits aus der Entscheidung selbst ergeben müssen.

Eine Berichtigung des Tatbestandes gemäß § 320 ZPO, die auch einen unrichtig wiedergegebenen Sachantrag zum Gegenstand haben kann, kommt nur auf fristgebundenen Antrag in Betracht; durch sie kann nicht unmittelbar eine Änderung des Entscheidungstenors erfolgen.

Die Erweiterung des Tenors um in der ursprünglichen Entscheidung nicht zumindest in den Gründen bereits unzweideutig enthaltene Aussprüche kommt allein durch eine (Urteils- bzw.) Beschlussergänzung gemäß § 321 ZPO in Betracht, die ebenfalls einen fristgebundenen Antrag voraussetzt.

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde wird der Berichtigungsbeschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - Hannover vom 17. Oktober 2013 teilweise geändert und, soweit das Amtsgericht den Tenor des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 19. April 2013 berichtigt hat, aufgehoben. Die Sache wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung über den Antrag des Antragstellers auf Ergänzung des Beschlusses vom 19. April 2013 an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.

Das antragstellende Land (im Folgenden: Antragsteller) gewährte der volljährigen, am ... 1986 geborenen Tochter des Antragsgegners, M.-B. B., für den Zeitraum von September 2006 bis Dezember 2007 Leistungen nach dem BAföG. Hiervon erfolgten Zahlungen in Höhe von 390,69 € monatlich für September bis November 2006, 429,56 € monatlich für Dezember 2006 bis Juni 2007, 584,50 € monatlich für Juli und August 2007 sowie 555,90 € monatlich für September bis Dezember 2007 als Vorausleistung anstelle des Antragsgegners gemäß § 36 BAföG. Der Antragsgegner, dem der Anspruchsübergang in dieser Höhe mit vorgerichtlichen Schreiben vom 23. Mai 2008 und 16. März 2009 jeweils mitgeteilt worden war, zahlte hierauf insgesamt einen Betrag von 1.299,07 €.

Unter dem 28. Dezember 2009 beantragte der Antragsteller beim Amtsgericht - Mahngericht - Uelzen den Erlass eines Mahnbescheides über eine Hauptforderung von insgesamt 5.795,94 € (Unterhaltsrückstände gemäß Schreiben vom 16. März 2009: 3.851,94 €, gemäß Schreiben vom 23. Mai 2008: 1.944,00 €), der am 4. Januar 2010 antragsgemäß erging. Vor dem Amtsgericht - Familiengericht - Hannover als für den Wohnsitz des Antragsgegners zuständigem Streitgericht, an das die Sache nach fristgerechtem Widerspruch des Antragsgegners abgegeben worden war, beantragte der Antragsteller daraufhin mit seiner Anspruchsbegründung vom 19. Juli 2010, den Antragsgegner zur Zahlung des genannten Betrages von 5.795,94 € nebst Zinsen in Höhe von 6 % auf 3.851,94 € seit dem 1. April 2009 sowie auf weitere 1.944,00 € seit dem 1. Juni 2008 zu verpflichten (Bd. I Bl. 12 d. A.). Zur Begründung bezog sich der Antragsteller auf die oben genannten monatlich als Vorausleistung gezahlten Beträge, soweit es den Zeitraum von September 2006 bis Juni 2007 betraf. Hinsichtlich der Monate Juli bis Dezember 2007 legte er lediglich einen mit 486 € monatlich (640 € abzüglich des Kindergeldes von seinerzeit 154 €) bezifferten Bedarf zugrunde, erklärte jedoch zugleich, sich eine Antragserweiterung auf der Grundlage der vollen für Juni bis Dezember 2017 vorausgeleisteten Beträge vorzubehalten, weil die Tochter das Kindergeld nicht erhalten habe und sich ihr Bedarf daher nach seiner Auffassung auf volle 640 € belaufen habe, weshalb der Anspruch auch in voller Höhe der Vorausleistungen übergegangen sei. Der Antragsgegner erhob die Einrede der Verjährung und wandte hilfsweise ein, im damaligen Zeitraum nicht leistungsfähig gewesen zu sein. Der Antragsteller nahm daraufhin mit Schriftsatz vom 26. Oktober 2010 die Erweiterung seines Antrages dahingehend vor, dass nunmehr die Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung von 6.272,52 € nebst Zinsen verlangt wurde (Bd. I Bl. 108 d. A.).

In einer am 19. Oktober 2011 stattgefundenen mündlichen Verhandlung nahm der Antragsteller auf seine Anträge vom 19. Juli 2010 und 26. Oktober 2010 Bezug, der Antragsgegner beantragte Antragsabweisung (Bd. I Bl. 202 d. A.). In der letzten mündlichen Verhandlung vom 5. April 2013 (Bd. II Bl. 81 d. A.) nahmen beide Beteiligten auf ihre Anträge aus der Sitzung vom 19. Oktober 2011 Bezug.

Mit Beschluss vom 19. April 2013 hat das Amtsgericht den Antragsgegner zur Zahlung von "5.795,92 €" nebst 6 % Zinsen auf 3.851,94 € seit dem 1. April 2009 sowie auf weitere 1.944,00 € seit dem 1. Juni 2008 - also aufgrund des Antrags vom 19. Juli 2010 - verpflichtet. In den Gründen der Entscheidung hat das Amtsgericht als Antrag des Antragstellers wiedergegeben:

"Die Antragstellerin beantragt,

zu entscheiden wie erkannt."

Zur Begründung seiner Entscheidung hat es unter anderem ausgeführt, von Juli bis Dezember 2007 seien der Tochter durch den Antragsteller monatlich 486 € geleistet worden. Deren Bedarf habe nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien des Oberlandesgerichts Celle 640 € betragen, wovon das volle staatliche Kindergeld von 154 € in Abzug zu bringen sei, so dass sich für diesen Zeitraum ein restlicher Bedarf von 486 € ergebe. Diesen habe der Antragsteller in diesem Zeitraum auch geleistet, nach monatlich 390,69 € in den Monaten September bis November 2006 und monatlich 429,56 € im Zeitraum von Dezember 2006 bis Juni 2007. Insgesamt sei daher ein Betrag von 7.094,99 € geleistet worden, so dass angesichts der seitens des Antragsgegners darauf erfolgten Zahlungen von insgesamt 1.299,07 € noch der Klagbetrag in Höhe von 5.795,92 € verbleibe. Dieser sei auch nicht verjährt, da die Verjährung infolge des noch am 28. Dezember 2009 beantragten und alsbald erlassenen Mahnbescheides gehemmt sei.

Diese Entscheidung wurde dem Antragsteller am 6. Mai 2013, dem Antragsgegner am 13. Mai 2013 zugestellt.

Mit einem am 17. Mai 2013 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz beantragte der Antragsteller, den vorgenannten Beschluss dahingehend zu ergänzen, dass der Antragsgegner verpflichtet werde, an den Antragsteller - wie beantragt - 6.272,52 € nebst im einzelnen gestaffelter Zinsen zu zahlen (Bd. II Bl. 100 d. A.). Des Weiteren beantragte er, den Tatbestand des Beschlusses dahingehend zu berichtigen, dass er "den Antrag aus dem Schriftsatz vom 19."04."2010 i. V. mit Antrag aus dem Schriftsatz vom 26.10.2010" gestellt habe (Bd. II Bl. 101 d. A.).

Der Antragsgegner wiederum hat mit einem am 11. Juni 2013 beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz gegen den Beschluss vom 19. April 2013 Beschwerde eingelegt, die er nach Vorlage der Akten an den Senat mit Schriftsatz vom 15. Juli 2013 wieder zurückgenommen hat.

Mit Beschluss vom 17. Oktober 2013 (Bd. II Bl. 129 d. A.) hat das Amtsgericht nach Gewährung rechtlichen Gehörs für den Antragsteller ausgesprochen, dass der Tenor des Beschlusses vom 19. April 2013 dahin berichtigt werde, dass der Antragsgegner verpflichtet werde, an den Antragsteller 6.272,52 € nebst im einzelnen gestaffelter Zinsen zu zahlen. Weiter hat es ausgesprochen, die Gründe des Beschlusses würden dahingehend berichtigt, dass auf deren Seite 3 im 2. Absatz nunmehr klarstellend der vorgenannte Antrag über den Betrag von 6.272,52 € wiedergegeben werde. Zur Begründung führt das Amtsgericht aus, die Berichtigung erfolge gemäß § 319 ZPO wegen einer sonstigen offenbaren Unrichtigkeit. In der letzten mündlichen Verhandlung hätten die Parteien mit den zu Protokoll vom 19.10.2011 gestellten Anträgen verhandelt; dort wiederum habe die Antragstellerin den Antrag aus dem Schriftsatz vom 19.07.2010 i. V. mit Antrag aus dem Schriftsatz vom 26.10.2010 gestellt.

Gegen diese ihm am 4. November 2013 zugestellte Entscheidung hat der Antragsgegner "Beschwerde" eingelegt, die er mit Schriftsatz vom 17. Dezember 2013 dahingehend begründet hat, eine offenbare Unrichtigkeit gemäß § 319 ZPO liege hier nicht vor. Zwar hätten die Beteiligten tatsächlich mit den in dem Berichtigungsbeschluss genannten Anträgen verhandelt. Eine offenbare Unrichtigkeit liege im Falle eines Tenorierungsfehlers jedoch nur vor, wenn sich dieser aus dem Vergleich zwischen Tenor und Entscheidungsgründen eindeutig ergebe, was hier jedoch nicht der Fall sei. Aus den Entscheidungsgründen ergebe sich vielmehr, dass das Gericht insgesamt der früheren Berechnung des Antragstellers gefolgt sei, derzufolge sich der vorausgeleistete Betrag auf 7.094,99 € belaufe, so dass sich nach Abzug der von ihm geleisteten Beträge der tenorierte Betrag von nur 5.795,92 € ergeben habe. Nur zu diesem Betrag habe das Amtsgericht in den Gründen Ausführungen gemacht. Dagegen hätte sich das Gericht mit einem Gesamtbetrag von 6.272,52 € überhaupt materiell auseinandersetzen müssen, bevor eine Verpflichtung hierzu erfolgen könne. Da eine derartige Berechnung jedoch nicht geschehen sei, könne eine Korrektur gemäß § 319 ZPO auch nicht erfolgen.

II.

Das als sofortige Beschwerde zulässige Rechtsmittel des Antragsgegners hat Erfolg, soweit es die "Berichtigung" des Tenors der Endentscheidung vom 19. April 2013 betrifft. Hinsichtlich der zugleich erfolgten Berichtigung des Tatbestandes ist es hingegen unbegründet.

1. Rechtsgrundlage für die erfolgte Tatbestandsberichtigung ist richtigerweise nicht § 319 ZPO, sondern § 320 ZPO i.V. mit § 113 Abs. 1 FamFG. Dessen formelle und materielle Voraussetzungen lagen hier jedoch vor, weshalb die Berichtigung insoweit auch zu Recht erfolgt ist. Wie sich aus dem Protokoll der letzten mündlichen Verhandlung vom 5. April 2013, auf die der Beschluss vom 19. April 2013 ergangen ist, nämlich ergibt, verhandelten die Beteiligten zur Sache mit den Anträgen wie in der Sitzung vom 19. Oktober 2011. Weil der Antragsteller dort allerdings auch Bezug auf die Antragserweiterung aus dem Schriftsatz vom 26. Oktober 2010 genommen hatte, war der die tatbestandlichen Feststellungen enthaltende Teil der Gründe des Beschlusses vom 19. April 2013 unvollständig und damit unrichtig i.S. des § 320 ZPO.

2. Für die zugleich erfolgte Berichtigung des Tenors des vorgenannten Beschlusses fehlt es hingegen an den hierfür erforderlichen Voraussetzungen. Auch diese richtet sich im vorliegenden Fall nämlich nicht nach § 319 ZPO i.V. mit § 113 Abs. 1 FamFG. Wie selbst der Antragsteller mit seinem Begehren auf Ergänzung des Beschlusses zutreffend zum Ausdruck bringt, ist über seinen durchaus gestellten Antrag vom 26. Oktober 2010 bislang nicht entschieden worden, soweit dieser über den Umfang des Antrags aus der Anspruchsbegründung hinausgeht. Insofern ist die hier allein maßgebliche Grundlage § 321 ZPO i.V. mit § 113 Abs. 1 FamFG. Danach ist, wenn ein nach dem ursprünglich festgestellten oder - wie hier inzwischen - nachträglich berichtigten Tatbestand von einer Partei geltend gemachter Haupt- oder Nebenanspruch oder der Kostenpunkt bei der Endentscheidung ganz oder teilweise übergangen worden ist, über diesen auf Antrag durch nachträgliche Entscheidung zu befinden und das Urteil - hier gemäß § 38 Abs. 5 FamFG der Beschluss - dementsprechend zu ergänzen.

So liegt der Fall hier. Mit dem über den ursprünglichen Forderungsbetrag von 5.795,94 € hinausgehenden Teilbetrag der Antragserweiterung vom 26. Oktober 2010 hat sich das Amtsgericht in den Gründen des Beschlusses vom 19. April 2013 weder der Höhe nach befasst, noch sich mit der vom Antragsteller aufgeworfenen Rechtsfrage auseinandergesetzt, ob das Kindergeld für die Tochter, welches dem Antragsgegner zugeflossen ist und von diesem unbestrittenermaßen auch nicht an seine Tochter weitergeleitet wurde, von deren Bedarf abzusetzen ist. Schließlich ist schon keine Auseinandersetzung mit der Verjährungseinrede des Antragsgegners erfolgt, die hinsichtlich der nicht bereits mit dem Mahnbescheid geltend gemachten Beträge durchaus beachtlich wäre.

Hierüber zu entscheiden obliegt nunmehr allein dem Erstgericht, zumal der Antrag auf Ergänzung auch fristgerecht (§ 321 Abs. 2 ZPO) gestellt worden ist. Daran ändert auch die nunmehr erfolgte Tatbestandsberichtigung nichts, denn durch diese ist lediglich die zutreffende Antragstellung klargestellt. Die für eine Verpflichtung des Antragsgegners zur Zahlung des Gesamtbetrages von 6.272,52 € erforderliche materielle Begründung des erkennenden Gerichts steht nach wie vor aus. Sie kann auch durch das Beschwerdegericht nicht nachgeholt werden. Der Beschluss vom 17. Oktober 2013 war daher insoweit aufzuheben und die Sache zur weiteren Behandlung und Entscheidung über den Ergänzungsantrag des Antragstellers an das Amtsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird dabei auch die weiteren Verfahrensvorgaben des § 321 Abs. 3 und 4 ZPO i.V. mit § 113 Abs. 1 FamFG zu beachten haben.