Vergabekammer Lüneburg
Urt. v. 30.08.1999, Az.: 203-VgK-8/1999

Beauftragung der Einrichtung und Unterhaltung einer Rettungswache; Gestattung der Inbetriebnahme eines Krankenkraftwagens; Heranziehung des Trägers des Rettungsdienstes zur Erfüllung von Verwaltungsaufgaben

Bibliographie

Gericht
VK Lüneburg
Datum
30.08.1999
Aktenzeichen
203-VgK-8/1999
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1999, 29878
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgegenstand

Leistungen des Rettungsdienstes pp.

In dem Nachprüfungsverfahren
hat der Vorsitzende der Vergabekammer bei der Bezirksregierung Lüneburg
am 30.08.1999
entschieden:

Tenor:

  1. 1.

    Die Anträge werden als unzulässig zurückgewiesen.

  2. 2.

    Die Kosten haben die Antragsteller zu tragen.

  3. 3.

    Die Kosten werden auf 2 500,00 DM festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Antragsgegner ist Träger des Rettungsdienstes nach § 3 NRettDG. 1993 stellte er gemeinsam mit der Stadt einen Bedarfsplan gemäß § 4 Abs. 4 Satz 3 NRettDG auf. Dieser wies für den Bereich des Antragsgegners insgesamt 6 erforderliche Rettungswachen und mit der Stadt gemeinsam insgesamt 8 erforderliche Rettungswagen und 15 Krankentransportwagen aus. Mit der Durchführung der Leistungen wurde der Kreisverband beauftragt. Dazu gehörte auch der Betrieb von 5 der ausgewiesenen Rettungswachen. Eine weitere Rettungswache verblieb bei der Freiwilligen Feuerwehr der Stadt . Außerdem wurden 11 Krankentransportwagen und 5 Rettungswagen für den Kreisverband ausgewiesen. Für die Antragstellerin zu 1 wurden 3 Krankentransportwagen ausgewiesen und für die Antragstellerin zu 2 ein Rettungswagen. Der Bedarfsplan 1993 wurde 1995 fortgeschrieben. Die Antragsteller bemühten sich 1995 und 1996 erfolglos, zusätzlich zum Kreisverband mit der Durchführung von Leistungen des Rettungsdienstes gemäß § 5 NRettDG durch den Antragsgegner beauftragt zu werden. Aus einem Artikel der - und vom 17.07.1999 geht hervor, dass aufgrund des Anstiegs der Notfälle und Krankentransporte die Krankentransportfahrzeuge des Landkreises eigentlich von 15 auf 18 aufgestockt werden müssten. Der Landkreis habe sich aber entschlossen, nur ein zusätzliches Fahrzeug in Dienst zu nehmen. Dabei handelt es sich um einen Mehrzweckwagen, mit dem sowohl Krankentransporte als auch Notfalleinsätze durchgeführt werden können. Standort soll die Gemeinde sein, wo das gemeinsam mit der Kreissiedlungsgesellschaft eine Sozialstation mit einer kleinen Rettungswache einrichtet.

2

Die Antragsteller sind der Auffassung, dass dem Kreisverband gestattet werde, einen zusätzlichen Krankenwagen im Sinne des § 9 NRettDG in Betrieb zu nehmen und eine zusätzliche Rettungswache im Sinne des § 8 NRettDG in einzurichten und zu unterhalten. Sie halten dies für europaweit auszuschreibende Dienstleistungen.

3

Die Antragsteller beantragen,

  1. 1.

    ein Nachprüfungsverfahren gem. §§ 107 ff. GWB einzuleiten,

  2. 2.

    festzustellen, dass es rechtswidrig ist,

    1. a)

      dem Kreisverband zu gestatten, einen zusätzlichen Krankenwagen im Sinne des § 9 NRettDG in Betrieb zu nehmen, um damit Leistungen des Rettungsdienstes gem. § 2 Abs. 2 NRettDG durchzuführen,

    2. b)

      den Kreisverband gem. § 5 Abs. 1 NRettDG mit der Einrichtung und Unterhaltung einer Rettungswache im Sinne des § 8 NRettDG nach § 5 NRettDG zu beauftragen,

      ohne die mit a) und b) genannten Aufträge in einem Offenen Verfahren im Sinne des § 101 Abs. 2 GWB zuvor auszuschreiben,

  3. 3.

    den Antragsgegner anzuweisen, die mit a) und b) genannten Aufträge im Offenen Verfahren nach § 101 Abs. 2 GWB auszuschreiben.

4

Mit Beschluss v. 26.08.1999 hat die Vergabekammer gem. § 105 Abs. 3 GWB das Verfahren dem Vorsitzenden zur alleinigen Entscheidung übertragen.

Entscheidungsgründe

5

Die Anträge sind unzulässig. Bei dem nach dem Nieders. Rettungsdienstgesetz (NRettDG) zu vergebenden Aufträgen und Lizenzen handelt es sich nicht um entgeltliche öffentliche Aufträge im Sinne des § 99 GWB. Derartige Beauftragungen sind daher einer Nachprüfung durch die Vergabekammer nicht zugänglich.

6

Sowohl die Beauftragung der Einrichtung und Unterhaltung einer Rettungswache gem. §§ 5, 8 NRettDG als auch die Gestattung der Inbetriebnahme eines Krankenkraftwagens im Sinne des § 9 NRettDG können entweder in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages oder aber durch Verwaltungsakt erfolgen (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 07.11.1997 - 7 L 5590/96 -, Nds. Rpfl. 1998, S. 94). Diese Aufgaben haben öffentlich-rechtlichen Charakter, was sich schon daraus ergibt, dass gem. § 5 Abs. 1 Satz 2 NRettDG sicherzustellen ist, dass der Beauftragte die ihm übertragene Aufgabe so erfüllt, wie dies der Träger des Rettungsdienstes selbst nach diesem Gesetz oder nach den aufgrund dieses Gesetze erlassenen Verordnungen tun müsste. Die Beauftragung eines Dritten mit Aufgaben nach dem NRettDG erfolgt daher bei mehreren konkurierenden Bewerbern durch ein zweistufiges Verfahren, welches eine Auswahlentscheidung und den auf dieser basierenden eigentlichen Beauftragungsvorgang umfasst; diese können zwar zeitlich zusammenfallen, sind aber rechtlich voneinander zu unterscheiden. Die Auswahlentscheidung ist ihrem Wesen nach immer ein Verwaltungsakt, die Beauftragung kann dagegen entweder ebenfalls durch Verwaltungsakt oder aber in Form eines öffentlich-rechtlichen Vertrages erfolgen. Im Rahmen der Beauftragung nach dem NRettDG zahlt der öffentliche Auftraggeber aber an den Auftragnehmer keine Entgelte. Diese werden vielmehr vom Auftragnehmer von Dritten erhoben.

7

Die fehlende Einschlägigkeit des 4. Abschnitts GWB folgt aber auch aus der Tatsache, dass die Beauftragungen nach dem NRettDG nicht in einem rechtlichen Gleichordnungsverhältnis erfolgen, sondern der Beauftragte vielmehr vom Träger des Rettungsdienstes zur Erfüllung der Verwaltungsaufgaben "Rettungsdienst" herangezogen wird (vgl. Ufer NRettDG, § 5 Anm. 1). Nach anderer Auffassung im Schrifttum ist er sogar als Beliehener einzustufen (vgl. Haussner, Mitwirkung Privater am Rettungsdienst, S. 115). Die Vorschriften des GWB finden nur bei rechtlichen Gleichordnungsverhältnissen Anwendung (vgl. VG Göttingen, Beschluss v. 9. Juni 1999, Az.: 4 B 4105/99). Mit dem im Zuge des Vergaberechtsänderungsgesetzes geschaffenen 4. Teils des GWB in der Neufassung vom 26.08.1998 (BGBl. I S. 2545) hat der Bundesgesetzgeber u.a. die EG-Dienstleistungsrichtlinie (Richtlinie 92/50 EWG, Amtsbl. EG Nr. 1 209, 1) mit Wirkung vom 01.01.1999 in nationales Recht umgesetzt. Ungeachtet der Tatsache, dass sich von daher eine unmittelbare Anwendung der EG-Richtlinie 92/50 verbietet, ließen sich die Anträge der Antragsteller auch nicht auf diese Richtlinie stützen. Nach der Präambel dieser Richtlinie fällt die Erbringung von Dienstleistungen nur insoweit unter diese Richtlinie, wie sie aufgrund von Aufträgen erfolgt. Andere Grundlagen für die Dienstleistung, wie Gesetz oder Verordnung oder Arbeitsverträge, werden nicht erfasst. Im Bereich des NRettDG geht es aber, wie dargelegt, um einen Auftrag aufgrund des Gesetzes, so dass hier kein Raum für die Anwendung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften bleibt (vgl. VG Göttingen, a.a.O., S. 11; Ufer, NRettDG, Stand: März 1998, § 5 Anm. 2 und 4).

8

Auch aus dem von der Antragstellerin zitierten Urteil des EuGH v. 20.02.1997 (Az.: Rs.C - 76/97 -, NVwZ 1999, S. 169) folgt keine andere Beurteilung dieser Rechtslage. Der EuGH hatte sich in diesem Verfahren zwar ebenfalls mit Rettungs- und Krankentransporten zu befassen. Die Klage richtete sich aber nicht, wie hier, gegen eine Beauftragung, sondern gegen die Weigerung der zuständigen Gebietskrankenkassen, mit einem Konzessionsinhaber einen Direktverrechnungsvertrag zu schließen. Auch hat der EuGH ausdrücklich lediglich festgestellt, dass die Erfordernisse einer der Richtlinie 92/50 entsprechenden Auslegung des nationalen Rechts und eines effektiven Schutzes der Rechte des Einzelnen es einem nationalen Gericht gebieten, zu prüfen, ob dem Einzelnen aufgrund der anwendbaren Bestimmungen des nationalen Rechts ein Anspruch auf Nachprüfung der Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge zuerkannt werden kann. Die Klärung der Frage, welcher gerichtliche Rechtschutz auf dem Gebiet des Rettungswesens zu gewähren ist, überlässt der EuGH ausdrücklich den nationalen Gerichten. Aus der von den Verwaltungsgerichten einhellig vertretenen Rechtsauffassung, dass es sich bei der Beauftragung nach dem NRettDG entweder um einen Verwaltungsakt oder aber um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag handelt, folgt daher eindeutig, dass für die Überprüfung derartiger Beauftragungen nur der Verwaltungsrechtsweg gegeben ist (vgl. VG Göttingen, a.a.O., S. 9 ff.; OVG Lüneburg, Urteil v. 07.11.1997 - 7 L 5/96 -, Nds. Rpfl. 1998, S. 94 ff.).

9

Die Zuständigkeit der Vergabekammer gem. § 102 GWB ist daher nicht gegeben. Die Anträge waren daher als unzulässig zurückzuweisen.

10

Kosten

11

Die Kostenentscheidung folgt aus § 128 GWB. Da die angefochtene Beauftragung wegen der Unzulässigkeit der Anträge nicht materiell geprüft werden musste, wird die Mindestgebühr in Höhe von 5 000,00 DM aus Gründen der Billigkeit gem. § 128 Abs. 2 GWB auf 2 500,00 DM bzw. 1 278,22 EURO ermäßigt. Die Antragstellerin wird gebeten, den Betrag in Höhe von 2 500,00 DM bzw. 1 278,22 EURO auf eines der nachfolgenden Konten unter Angabe des Az.: ... zu überweisen. Überweisung an Regierungsbezirkskasse Lüneburg ... .