Oberlandesgericht Celle
Urt. v. 11.09.2008, Az.: 8 U 88/08

Rechtmäßigkeit der Vereinbarung einer 15-Monats-Frist für eine Invaliditätsfeststellung bei Geltendmachung von Ansprüchen aus einer Unfallversicherung

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
11.09.2008
Aktenzeichen
8 U 88/08
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2008, 36802
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2008:0911.8U88.08.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Hannover - 18.03.2008 - AZ: 2 O 210/07

In dem Rechtsstreit
...
hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle
auf die mündliche Verhandlung vom 5. September 2008
durch
die Richter am Oberlandesgericht Dr. K. und Dr. G. sowie
den Richter am Landgericht Dr. Gü.
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 18. März 2008 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger bleibt nachgelassen, die Zwangsvollsteckung wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 60.000 EUR festgesetzt.

Gründe

1

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Leistungen aus einer Unfallversicherung geltend.

2

Seit dem 6. November 2003 bestand zwischen den Parteien ein Unfallversicherungsvertrag (s. Versicherungsschein, Anlage K 1 zur Klageschrift, Bl. 6.. d.A.), dem die Versicherungsbedingungen für die H.-Unfallvers. (AUB 2000) zugrunde lagen (vgl. Anlage B 1, Bl. 33 ff. d.A.). Am 19. Oktober 2005 erlitt der Kläger einen Verkehrsunfall. Unter dem 19. Dezember 2005 reichte er bei der Beklagten eine Ablichtung der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige ein. Zum Unfallhergang ist darin lediglich vermerkt, dass an beiden Fahrzeugen ein Sachschaden entstanden sei. Personenschäden bzw. Gesundheitsbeeinträchtigungen der Unfallbeteiligten sind dagegen nicht erwähnt. Auf der Ablichtung ergänzte der Kläger handschriftlich: "Ich bin T. P.. Ich habe Unfallversicherung No: ... . Ich melde Unfall wie Ihnen telafanis besprochen habe Ihre Postkasten gelengt." Dieses Schreiben (Bl. 45 d.A.) gelangte bei der Beklagten in die Akte zur Fahrzeugversicherung, die der Kläger dort ebenfalls abgeschlossen hatte.

3

Der Kläger hat vorgetragen, er habe unmittelbar nach dem Unfall diesen der Beklagten telefonisch gemeldet. Ca. eine Woche danach habe seine Ehefrau nochmals bei der Beklagten angerufen. Da entgegen entsprechenden Zusagen aber keine Schadensanzeige an ihn übersandt worden sei, habe er die Beklagte ca. drei bis vier Wochen später in ihrer Niederlassung in H. aufgesucht, wo der Vorgang am Empfang nochmals aufgenommen worden sei. Der Kläger habe dort darauf hingewiesen, dass er in ärztlicher Behandlung sei. Auch danach sei ihm die in Aussicht gestellte Schadensanzeige nicht übersandt worden.

4

Der Kläger hat behauptet, er sei infolge der unfallbedingten Verletzung zu 100% invalide. Psychische Beschwerden seien bereits durch das H.-stift mit Bericht vom 20. Dezember 2005 festgestellt worden. Dass er dauerhaft unter den traumatischen Folgen des Unfalls leide, ergebe sich auch aus dem sozialmedizinischen Gutachten des Dr. M. vom 17. November 2006 (Anlage K 2, Bl. 7 ff. d.A.), in dem u.a. eine mangelnde psychische Verarbeitung des Unfallgeschehens festgestellt wird und es u.a. bei der abschließenden Beurteilung heißt: "Die Dauer der AU kann zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgegrenzt werden. ... Aus medizinischer Sicht auf Zeit AU ... Minderung der EF nicht sicher beurteilbar." (Bl. 11 d.A.). Ferner hat sich der Kläger darauf berufen, dass er seit dem 7. Februar 2006 bei Dr. K. G. in ärztlicher Behandlung sei, und dieser innerhalb der 15-Monats-Frist die unfallbedingte Dauerschädigung infolge der nach dem Unfall bestehenden posttraumatischen Belastungsstörung festgestellt habe. Dazu hat der Kläger eine mit "Feststellung" überschriebene schriftliche Bestätigung des Dr. G. vom 31. Januar 2008 (Bl. 73 d.A.) vorgelegt.

5

Der Kläger ist der Ansicht gewesen, dass er seine Invaliditätsansprüche rechtzeitig gegenüber der Beklagten geltend gemacht habe. Anlässlich der außergerichtlichen Telefonate und schriftlichen Anzeigen habe sie ihn darüber belehren müssen, dass er bestimmte Fristen wahrzunehmen habe, was - unstreitig - nicht geschehen ist. Eine Belehrungsbedürftigkeit habe insbesondere auch im Hinblick auf seine schlechten Deutschkenntnisse bestanden. Das Berufen der Beklagten auf die 15-Monats-Frist für die Feststellung der Invalidität sei treuwidrig.

6

Der Kläger hat beantragt (Bl. 2 d.A.),

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 16.000 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

7

Die Beklagte hat beantragt (Bl. 30 d.A.),

die Klage abzuweisen.

8

Sie hat vorgetragen, dass der Kläger einen unfallbedingten Invaliditätsanspruch erstmals am 21. März 2007 gegenüber ihrer Mitarbeiterin F. angemeldet habe. Bereits bei dieser Schadenmeldung sei der Anspruch als verfristet zurückgewiesen worden. Die Beklagte hat sich darauf berufen, dass eine Invaliditätsfeststellung nicht innerhalb der vereinbarten 15-Monats-Frist erfolgt sei. Im Übrigen hat die Beklagte auf den vereinbarten Risikoausschluss in den Versicherungsbedingungen (Nr. 5.2.5) zu krankhaften Störungen infolge psychischer Reaktionen hingewiesen.

9

Nachdem das Landgericht bereits mit Beschluss vom 7. Dezember 2007 auf die mangelnde Schlüssigkeit der Klage wegen nicht fristgerechter ärztlicher Feststellung der Invalidität hingewiesen hat (Bl. 50 f. d.A.), hat es mit Urteil vom 18. März 2008 die Klage abgewiesen (Bl. 80 - 85 d.A.). Zur Begründung hat es ausführt, dass die Klage an der Ausschlussfrist der Ziffer 2.1 der vereinbarten AUB 2000 scheitere, wonach Voraussetzung für eine Invaliditätsleistung u.a. sei, dass die Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt worden ist. Daran fehle es im vorliegenden Fall. Unabhängig von der Frage, ob die schriftliche Bestätigung des Dr. G. vom 31. Januar 2008 hinreichend substantiiert sei, sei diese nicht innerhalb der 15-Monats-Frist nach dem Unfall erstellt worden. Die von dem Kläger im Übrigen eingereichten Gutachten bzw. ärztlichen Stellungnahmen aus den ersten 15 Monaten nach dem Unfall genügten den Anforderungen nicht. Denn sie enthielten keine auf einen Dauerschaden bezogene und auf objektiven Befunden beruhende ärztliche Prognose für eine unfallbedingte dauernde Beeinträchtigung der körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit des Klägers.

10

Auch sei es der Beklagten nicht gem. § 242 BGB verwehrt, sich auf die Fristversäumung zu berufen. Insbesondere der bloße Hinweis des Klägers vom 19. Dezember 2005 auf das Bestehen seiner Unfallversicherung habe der Beklagten keine Veranlassung zu einer Aufklärung geben müssen. Denn dieses Schreiben habe lediglich Anlass zur Bearbeitung des Sachschadens gegeben. Dass bei dem Kläger auch ein Schaden körperlicher oder/und psychischer Art als Folge des Unfalls zusätzlich eingetreten sein solle, sei noch nicht einmal angedeutet worden.

11

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers (Bl. 95 f., 109 ff. d.A.), mit der er seinen erstinstanzlichen Klageantrag in vollem Umfang weiterverfolgt (Bl. 109 d.A.). Er beruft sich weiterhin darauf, dass eine dauernde unfallbedingte Beeinträchtigung innerhalb der 15-Monats-Frist festgestellt worden sei, und zwar durch den Arzt Dr. G., bei dem der Kläger seit dem 7. Februar 2006 in Behandlung sei. Die schriftliche Bestätigung des Dr. G. vom 31. Januar 2008 belege, dass bereits vor dem 18. Januar 2007 ein unfallbedingter Dauerschaden bei dem Kläger festgestellt worden sei.

12

Weiterhin hält der Kläger das Berufen der Beklagten auf die 15-monatige Ausschlussfrist für die ärztliche Feststellung der Invalidität für treuwidrig. In diesem Zusammenhang wiederholt er noch einmal seinen Sachvortrag zu den telefonischen Unfallmeldungen bei der Beklagten und dem Aufsuchen ihrer Niederlassung in H. drei bis vier Wochen nach dem Unfall. Auch weist er nochmals auf die Übersendung der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige vom 19. Dezember 2005 mit seiner handschriftlichen Zusatzerklärung sowie auch auf seine Anwaltsschreiben vom 22. März 2007 und 7. Mai 2007 an die Beklagte hin, die unbeantwortet blieben.

13

Hilfsweise beruft der Kläger sich darauf, dass ihm ein Schadensersatzanspruch zustünde, weil die von der Beklagten zugesagte Übersendung einer Schadenanzeige und auch seine Belehrung über die erforderliche Form der Geltendmachung der Schäden in der Unfallversicherung durch die Mitarbeiter der Beklagten unterblieben seien. In diesem Zusammenhang sei zu berücksichtigen, dass er als ausländischer Mitbürger der deutschen Sprache nicht vollständig mächtig gewesen sei. Schließlich beruft sich der Kläger darauf, dass das Erfordernis der schriftlichen Feststellung der Invalidität innerhalb von 15 Monaten gegen § 305 c Abs. 2 BGB verstoße.

14

Die Beklagte, die Zurückweisung der Berufung beantragt (Bl. 101 d.A.), verteidigt das angefochtene Urteil unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrages.

15

II.

Die Berufung des Klägers hat keinen Erfolg. Weder weist das angefochtene Urteil Rechtsfehler auf noch rechtfertigen die gem.§ 529 ZPO zugrundezulegenden Tatsachen eine andere Entscheidung.

16

Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung von 60.000 EUR aus der zwischen den Parteien bestehenden Unfallversicherung wegen des Unfalls vom 19. Oktober 2005 gem. § 1 Abs. 1 S. 2 VVG i.V.m. Ziffern 1, 2.1 AUB 2000 zu. Denn es fehlt an einer fristgerechten Invaliditätsfeststellung gem. Ziffer 2.1.1.1 der zwischen den Parteien vereinbarten AUB 2000, wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat.

17

1.

Nach Ziffer 2.1.1.1 ist Voraussetzung für die Invaliditätsleistung u.a., dass die Invalidität innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall von einem Arzt schriftlich festgestellt worden sein muss. Diese fristgerechte ärztliche Feststellung der Invalidität stellt eine Anspruchsvoraussetzung dar, durch die im Interesse einer rationellen, arbeits- und kostensparenden Abwicklung Spätschäden auch dann vom Versicherungsschutz ausgenommen werden sollen, wenn der Versicherungsnehmer an der Einhaltung der Frist schuldlos ist oder die Invalidität nicht rechtzeitig erkennbar und ärztlich feststellbar gewesen ist (BGH VersR 2007, 1114, 1115; 2006, 352; 2005, 639; Senat in VersR 2008, 670 ff. unter II. 1.; VersR 2004, 1258 ff. unter 2. c)). Das Erfordernis dieser fristgerechten ärztlichen Feststellung als solche entspricht dem Transparenzgebot (BGH VersR 2005, 639 [BGH 23.02.2005 - IV ZR 273/03]) und verstößt nicht gegen § 307 BGB (BGH VersR 1998, 175 [BGH 19.11.1997 - IV ZR 348/96]). Die darin liegende Härte lässt sich nur mit dem berechtigten Interesse des Versicherers an einer baldigen Klärung seiner Leistungspflicht rechtfertigen (BGH VersR 1988, 286, 287 [BGH 16.12.1987 - IV a ZR 195/86]). Das Nichtvorliegen der ärztlichen Feststellung kann nicht entschuldigt werden (BGH VersR 2006, 352 [BGH 30.11.2005 - IV ZR 154/04]).

18

Für die Wahrung der Frist ist erforderlich, dass ein unfallbedingter Dauerschaden bezeichnet wird, der durch bestimmte Symptome gekennzeichnet ist (BGH VersR 1997, 442, 443 [BGH 06.11.1996 - IV ZR 215/95]; 1988, 286; Senat, a.a.O.). Der ärztlichen Feststellung muss sich also die angenommene Ursache und die Art ihrer dauerhaften Auswirkung auf die Gesundheit des Versicherten entnehmen lassen (BGH VersR 2007, 1114). Zwar sind inhaltlich an die ärztliche Feststellung der Invalidität keine zu hohen Anforderungen zu stellen (BGH VersR 1998, 175, 176 [BGH 19.11.1997 - IV ZR 348/96]; 1997, 442; Senat, a.a.O.). Namentlich braucht noch nicht zu einem bestimmten Grad der Invalidität abschließend Stellung genommen zu werden. Erst recht ist es nicht erforderlich, dass die Feststellung einen an der Gliedertaxe ausgerichteten Invaliditätsgrad enthält. Auch ist es unerheblich, ob die Feststellungen zur Ursache der gesundheitlichen Beeinträchtigungen und der Art ihrer Auswirkungen richtig sind. Indessen muss sich der ärztlichen Feststellung aber jedenfalls eine Prognose über eine bereits eingetretene bzw. zu erwartende Invalidität entnehmen lassen, wofür es nicht reicht, wenn eine dauernde Beeinträchtigung nur als möglich bezeichnet wird (Senat, a.a.O., sowie in r+s 2002, 260).

19

Vorliegend fehlt es an einer derartigen fristgerechten Invaliditätsfeststellung. Der Arztbrief von Frau Dr. U. vom 14. November 2006, in dem als Diagnose für den Kläger u.a. eine posttraumatische Belastungsstörung und eine somatoforme Schmerzstörung aufgeführt sind, endet mit der Prognose: "Bei Schmerzgeneralisation mit Entwicklung eines sekundären Fibromyalgiesyndroms langwierig und unbestimmt." (vgl. Bl. 15 d.A.). Das sozialmedizinische Gutachten von Dr. M. vom 17. November 2006 (Anlage K 7, Bl. 7 ff. d.A.) kommt bei der abschließenden Beurteilung zu dem Ergebnis, dass die Dauer der Arbeitsunfähigkeit "zum jetzigen Zeitpunkt nicht abgegrenzt werden" könne, eine "Minderung der Erwerbsfähigkeit nicht sicher beurteilbar" sei (Bl. 11 d.A.). Diese ärztlichen Stellungnahmen aus den ersten 15 Monaten nach dem Unfall reichen, wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat, nicht aus, weil sich ihnen eine Prognose über eine bereits eingetretene bzw. zu erwartende Invalidität, die auf dem Unfallgeschehen vom 19. Oktober 2005 beruht, nicht entnehmen lässt. Zur Dauerhaftigkeit der dort beschriebenen gesundheitlichen Störungen wird nicht eindeutig Stellung genommen; auch eine kausale Verbindung zu dem Unfallgeschehen wird nicht hergestellt.

20

Soweit der Kläger nochmals auf die schriftliche "Feststellung" des Arztes Dr. G. vom 21. Januar 2008 (Bl. 73 d.A.) hinweist, hilft ihm auch dies nicht weiter. Denn diese schriftliche Feststellung zu einem sog. unfallbedingten Dauerschaden ist, unabhängig von der Frage ihres Inhaltes, erst nach Ablauf der 15-Monats-Frist nach dem Unfall vom 19. Oktober 2005 getroffen worden. Sie ist nämlich erst unter dem 31. Januar 2008 von Dr. G. verfasst worden.

21

Ob Dr. G. noch innerhalb der 15-Monats-Frist eine unfallbedingte Dauerschädigung jedenfalls mündlich festgestellt und dem Kläger auch mitgeteilt hat, was der Kläger allerdings nicht einmal im einzelnen dargetan hat, ist unerheblich. Denn nach dem eindeutigen Wortlaut der hier vereinbarten Ziffer 2.1.1.1 der AUB 2000, die insoweit von § 7 I Abs. 1 S. 3 AUB 94 abweicht, ist eine fristgerechteschriftliche Feststellung der Invalidität erforderlich. Gegen die Wirksamkeit der hier vereinbarten Klausel bestehen keine Bedenken; insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die hier vereinbarte Regelung gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB (§ 9 AGBGB) verstößt. Anders als in dem vom OLG Hamm mit Urteil vom 19. Oktober 2007 - 20 U 215/06 - (veröffentlicht in VersR 2008, 811 f.) entschiedenen Fall, wo bei ansonsten ähnlichen Versicherungsbedingungen neuerer Art insoweit Zweifel angemeldet worden sind, hat die Beklagte hier auch nach der Überschrift "Der Versicherungsfall" unter Ziffer 7 zu der Frage "Was ist nach einem Unfall zu beachten?" ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die zur Invalidität in Ziffer 2.1.1.1 genannte Frist Anspruchsvoraussetzung ist und bei deren Nichteinhaltung "kein Anspruch auf eine Leistung" besteht. Für den Kläger als durchschnittlichen Versicherungsnehmer ist damit ohne weiteres auch an dieser Stelle erkennbar gewesen, dass er nach einem Unfall die 15-Monats-Frist für die schriftliche Feststellung der Invalidität durch einen Arzt einzuhalten hatte.

22

Im übrigen hat der Senat in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden Auffassung (vgl. OLG Düsseldorf, r+s 2007, 256; 1999, 391; OLG Stuttgart, r+s 2003, 311; OLG Hamm, VersR 2004, 187; r+s 1998, 260; r+s 1996, 202; r+s 1993, 395; OLG Hamburg, VersR 1998, 1412; OLG Koblenz, VersR 1999, 12217; 1993, 1262; OLG Oldenburg, r+s 1997, 263; OLG Frankfurt, VersR 1996, 618; OLG München, VersR 1995, 565; Grimm, AUB, 4. Aufl., § 7 Rdnr. 11; Jacob VersR 2007, 456; a.A.: OLG Karlsruhe, VersR 2005, 1230 [OLG Karlsruhe 07.02.2005 - 12 U 304/04]; r+s 1996, 331; OLG Frankfurt, VersR 1993, 174 [OLG Karlsruhe 19.03.1992 - 12 U 219/91]; Wussow/Pürckhauer, AUB, 6. Aufl., § 7 Rdnr. 19; zweifelnd auch Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., § 7 AUB 94, Rdnr. 15; Marlow, r+s 2004, 353, 358) schon die Regelung in § 7 I Abs. 1 S. 3 AUB 94, in der lediglich allgemein, ohne ausdrückliches Schriftformerfordernis, von der ärztlichen Feststellung der Invalidität die Rede ist, so verstanden, dass dazu eine schriftliche ärztliche Bescheinigung vorzulegen ist, eine lediglich mündliche Feststellung der Invalidität innerhalb der 15-Monatsfrist also nicht ausreicht (vgl. Senat in VersR 2008, 670 ff. unter II. 2.; r+s 2002, 260).

23

Im Ergebnis bleibt es also dabei, dass entsprechend dem ausdrücklichen Wortlaut der hier vereinbarten, wirksamen Versicherungsbedingungen eine schriftliche ärztliche Invaliditätsbescheinigung, die innerhalb der 15-Monats-Frist erstellt worden ist, erforderlich ist. Diese liegt im vorliegenden Fall aber nicht vor.

24

2.

Die Beklagte ist auch nicht daran gehindert, sich im vorliegenden Fall auf den Fristablauf zu berufen. Der Versicherer ist zunächst grundsätzlich nicht verpflichtet, den Versicherungsnehmer nach erfolgter Schadensmeldung auf die 15-Monats-Frist für die ärztliche Feststellung der Invalidität noch einmal gesondert hinzuweisen. Eine Ausnahme davon kann nach Trau und Glauben (§ 242 BGB) allenfalls dann in Betracht kommen, wenn nach dem Inhalt der Schadensanzeige oder sonstigen Umständen eine Invalidität möglich erscheint oder jedenfalls nicht fernliegt und der Versicherer in Kenntnis dieser Umstände gleichwohl nicht auf die Frist hinweist, obwohl er erkennt, dass der Versicherungsnehmer trotz des wahrscheinlichen Vorliegens der Anspruchsvoraussetzungen aus Unkenntnis diese Frist versäumen könnte (BGH VersR 2006, 352, 639 [BGH 30.11.2005 - IV ZR 154/04]; Senat in VersR 2004, 1258 ff. unter 2. c); VersR 2008, 670 ff. unter II. 3.; OLG Düsseldorf, VersR 2001, 449, 451; OLG Köln, VersR 1995, 907). Ein solcher Fall liegt hier indessen nicht vor.

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In diesem Zusammenhang hilft dem Kläger sein Hinweis auf seine nach seinem Vorbringen mehrfachen Schadensanzeigen nicht weiter. Nach seinem eigenen Vortrag hat der Kläger damit lediglich den Unfall als solchen gemeldet und angesprochen, dass er in ärztlicher Behandlung sei. Hinweise auf unfallbedingte Gesundheitsbeeinträchtigungen solcher Art, die eine Prognose für eine bereits eingetretene bzw. zu erwartende Invalidität rechtfertigen könnten, sind mit diesen Schadensanzeigen aber nicht vorgetragen worden. Gleiches gilt auch für die Übersendung der polizeilichen Verkehrs-Unfallanzeige vom 19. Dezember 2005 mit der handschriftlichen Zusatzerklärung des Klägers darauf. In der Schilderung des Unfallherganges bzw. der Besonderheiten ist nur von einem Sachschaden an beiden Fahrzeugen die Rede, nicht von Verletzungen oder gar dauerhaften Gesundheitsbeeinträchtigungen bei dem Kläger. Dass bei dem Kläger unfallbedingt ein Schaden körperlicher oder/und psychischer Art eingetreten ist, der Invalidität nahe legt, ist auch darin nicht einmal angedeutet worden, wie bereits das Landgericht zutreffend festgestellt hat. Auch der bloße Hinweis auf das Bestehen einer Unfallversicherung in der handschriftlichen Zusatzerklärung genügt nicht. Sollten ihm tatsächlich Formulare für Schadensanzeigen entgegen bereits gemachter Zusagen nicht übersandt worden sein, hätte der Kläger sich darum selbst weiter kümmern müssen oder eben ohne ein solches Formular frei die wesentlichen Umstände vortragen müssen, die für die Geltendmachung von Ansprüchen aus seiner Anfallversicherung notwendig waren. Dabei waren zur Anzeige der erlittenen Gesundheitsverletzungen und insbesondere auch zur Vorlage entsprechender ärztlicher Atteste, aus denen Feststellungen zu einer möglichen unfallbedingten Invalidität enthalten waren, vertiefte Deutschkenntnisse nicht erforderlich.

26

Durch ihr späteres Verhalten, insbesondere die Nichtbeantwortung der Anwaltsschreiben vom 22. März und 7. Mai 2007, hat die Beklagte auch nicht auf die Einhaltung der 15-Monats-Frist verzichtet. Einen solchen Verzicht hat die Beklagte weder ausdrücklich noch konkludent erklärt. Im Gegenteil hat sie vorgetragen, nach erstmaliger Geltendmachung von Invaliditätsansprüchen aus der Unfallversicherung am 21. März 2007 durch ihre Mitarbeiterin F. den Anspruch nach Schadenmeldung bereits als verfristet zurückgewiesen zu haben. Unabhängig davon wäre auch das erstmalige Berufen der Beklagten auf das Fehlen einer fristgerechten ärztlichen Feststellung unfallbedingter Invalidität im Rechtsstreit nicht treuwidrig. Die erstmalige Geltendmachung von Verteidigungsrechten im gerichtlichen Verfahren, die der Versicherer außergerichtlich noch nicht geltend gemacht, aber auch nicht erkennbar fallengelassen hatte, ist nämlich zulässig und bedeutet nicht, dass der Versicherer auf sie für eine spätere streitige Auseinandersetzung verzichtet hätte. Hinzu kommt, dass aus den bis dahin vorliegenden ärztlichen Berichten bzw. Stellungnahmen mit einer dauernden unfallbedingten Beeinträchtigung des Klägers nicht ansatzweise zu rechnen war. Insoweit ist auch nicht erkennbar, dass die Beklagte die Förmlichkeit der Ziffer 2.1.1.1 ausschließlich dazu ausgenutzt hätte, sich einer auch für sie ersichtlich zweifelsfrei bestehenden materiell-rechtlichen Verpflichtung zu entziehen (vgl. BGH VersR 2006, 352 f. [BGH 30.11.2005 - IV ZR 154/04]; Senat in VersR 2008, 670 ff. unter II. 3.; VersR 2004, 1258 ff. unter 2. d)).

27

3.

Soweit der Kläger seinen Zahlungsanspruch in der Berufungsinstanz nunmehr erstmalig auch auf einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung vertraglicher (Neben-)Pflichten durch die Beklagte stützt, stellt sich bereits die Frage, ob das diesbezügliche Vorbringen gemäß § 531 Abs. 2 ZPO in der Berufungsinstanz noch Berücksichtigung finden kann. Unabhängig davon ist bereits oben im Einzelnen dargelegt worden, dass die Beklagte nicht verpflichtet war, den Kläger hinsichtlich der erforderlichen Form und Frist für die Geltendmachung von Ansprüchen in der Unfallversicherung gesondert zu belehren. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen. Aus dem Unterbleiben einer solcher Belehrung und auch daraus, dass dem Kläger keine Formulare für Schadensanzeigen übersandt worden sind, können demnach einen Schadensersatzanspruch begründende Pflichtverletzungen der Beklagten nicht hergeleitet werden.

28

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

29

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen dafür gem. § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen.