Oberlandesgericht Celle
Beschl. v. 05.05.2011, Az.: 13 W 42/11

Bei fehlender Anhängigkeit einer Klage ist eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO nicht statthaft; Voraussetzungen für eine Kostenentscheidung nach angeblicher Klagerücknahme

Bibliographie

Gericht
OLG Celle
Datum
05.05.2011
Aktenzeichen
13 W 42/11
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2011, 15162
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:OLGCE:2011:0505.13W42.11.0A

Verfahrensgang

vorgehend
LG Stade - 18.03.2011 - AZ: 5 O 173/10

Fundstellen

  • FamRZ 2011, 1748
  • JurBüro 2011, 433-434
  • MDR 2011, 879-880
  • NJW-RR 2011, 1564-1565

Amtlicher Leitsatz

1. Für eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist kein Raum, wenn zum Zeitpunkt der "Klagerücknahme" eine Klage noch gar nicht anhängig ist.

2. Wird nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Klage vom Antragsteller keine den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechende Klageschrift eingereicht, sondern stattdessen vom Gericht dem Gegner lediglich eine Abschrift des Prozesskostenhilfegesuchs zugestellt, kann eine Anhängigmachung der Klage erst zu dem Zeitpunkt als erfolgt angesehen werden, wenn der Antragsteller in der mündlichen Verhandlung zu erkennen gibt, dass er den Prozesskostenhilfeantrag nunmehr als Klageschrift ansehen will.

Tenor:

Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stade vom 18. März 2011 - im Umfang seines Kostenausspruchs - aufgehoben und der Antrag des Antragstellers, der Antragsgegnerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Beschwerdewert wird auf bis 900 € festgesetzt.

Gründe

1

I. Der Antragsteller hat mit Schriftsatz vom 10. Juni 2010 Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Unterlassungsklage beantragt. Mit Beschluss vom 12. November 2010 hat das Landgericht antragsgemäß Prozesskostenhilfe bewilligt. Zur Einreichung einer den Anforderungen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechenden Klageschrift hat es den Antragsteller im Folgenden nicht aufgefordert. Es hat stattdessen der Antragsgegnerin eine Abschrift des Prozesskostenhilfeantrages zugestellt und zugleich das schriftliche Vorverfahren angeordnet. Zeitlich hierauf, noch vor einer zwischenzeitlich seitens des Landgerichts anberaumten mündlichen Verhandlung, hat der Antragsteller seine Klage unter Berufung auf ein erledigendes Ereignis zurückgenommen, das in einem Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 21. Oktober 2010 zu sehen ist, den das Landgericht dem Antragsteller zugeleitet hat, der nach dessen Behauptung ihm aber nicht zugegangen und dessen Inhalt ihm erst zeitlich nach der erfolgten Bewilligung von Prozesskostenhilfe bekannt geworden sein soll.

2

Das Landgericht hat die Kosten des Rechtsstreits der Antragsgegnerin auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auch die Fälle umfasse, in denen der Klageanlass bereits vor Eintritt der Anhängigkeit weggefallen ist, wenn der Kläger in Unkenntnis des Wegfalls Klage erhoben und diese dann unverzüglich zurückgenommen hat. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin.

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II. Die gem. § 269 Abs. 5 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin hat Erfolg. Für eine Kostenentscheidung nach § 269 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 ZPO, wie sie das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss vorgenommen hat, ist vorliegend kein Raum.

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Nach § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO ist über die Kosten unter Berücksichtigung des bisherigen Sach und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden, wenn der Anlass zur Einreichung der Klage vor Rechtshängigkeit weggefallen ist und die Klage daraufhin unverzüglich zurückgenommen wird. dies gilt auch, wenn die Klage nicht zugestellt wurde.

5

Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht gegeben. Auf die in dem angefochtenen Beschluss angesprochene Streitfrage, ob § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO auch die Fälle erfasst, in denen der Klageanlass bereits vor Eintritt der Anhängigkeit weggefallen ist, wenn der Kläger in Unkenntnis des Wegfalls Klage erhoben und diese dann unverzüglich zurückgenommen hat (vgl. dazu im Überblick Musielak/Foerste, ZPO, 8. Aufl., § 269 Rdnr. 13 b), kommt es nicht an.

6

Die Vorschrift des § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO setzt ein Prozessrechtsverhältnis voraus. Erforderlich ist also, dass eine Klageschrift bei Gericht eingereicht worden ist. (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 8. Februar 2005 - 1 WF 41/05, zitiert nach juris, Tz. 5. OLG Celle, Beschluss vom 2. März 2010 - 4 W 30/10, zitiert nach juris, Tz. 5). Das ist vorliegend indes nicht der Fall.

7

Der Schriftsatz vom 10. Juni 2010 enthielt lediglich den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für eine nur beabsichtigte Klage. Durch dessen Zuleitung an die Antragsgegnerin im Prozesskostenhilfeverfahren ist noch kein Prozessrechtsverhältnis zwischen den Parteien zustande gekommen (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. Juni 2008 - 14 U 195/07, zitiert nach juris, Tz. 13. OLG Dresden, Beschluss vom 17. April 1997 - 6 W 0287/97, NJWRR 1997, 1424). Nachdem das Landgericht dem Antragsteller Prozesskostenhilfe für die beabsichtige Klage bewilligt hat, hätte es diesem oblegen, eine den Erfordernissen des § 253 Abs. 2 ZPO entsprechende Klageschrift einzureichen. Erst dies hätte eine ausreichende Grundlage für ein weiteres Tätigwerden des Landgerichts darstellen können (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 1972 - IV ZR 65/71, NJW 1972, 1373, 1374). Eine derartige Klageschrift hat der Antragsteller - der hierzu vom Landgericht allerdings auch nicht aufgefordert worden ist - nicht bei Gericht eingereicht. Dass das Landgericht statt dessen ausweislich des Empfangsbekenntnisses des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 17. November 2010 (Bl. 24 d. A.) dieser offenbar eine Abschrift des Prozesskostenhilfeantrages des Antragstellers vom 10. Juni 2010 zugestellt hat, bewirkte als solches keine Anhängigmachung der Klage. Die Klage hätte vielmehr frühestens in einer etwaigen mündlichen Verhandlung als eingereicht angesehen werden können, wenn der Antragsteller in einer solchen Verhandlung zu erkennen gegeben hätte, dass er den Prozesskostenhilfeantrag nunmehr als Klageschrift ansehen wollte (vgl. BGH, Urteil vom 24. Mai 1972 - IV ZR 65/71, NJW 1972, 1373, 1374. BGH, Urteil vom 8. Februar 1996 - IX ZR 107/95, zitiert nach juris, Tz. 7. OLG Karlsruhe, Urteil vom 20. Juni 2008 - 14 U 195/07, zitiert nach juris, Tz. 13. OLG Dresden, Beschluss vom 17. April 1997 6 W 0287/97, NJWRR 1997, 1424, 1425). Zu einer derartigen mündlichen Verhandlung ist es vorliegend aber nicht mehr gekommen, nachdem der Antragsteller seine "Klage" bereits vor der vom Landgericht anterminierten mündlichen Verhandlung zurückgenommen hat.

8

Mangels Vorliegens eines Prozessrechtsverhältnisses zwischen den Parteien ist für eine Anwendung von § 269 ZPO daher kein Raum, weshalb es für eine Kostenentscheidung zu Lasten der Antragsgegnerin an einer Rechtsgrundlage fehlt (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 8. Februar 2005 - 1 WF 41/05, zitiert nach juris, Tz. 5). Auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin war daher der angefochtene Beschluss aufzuheben und der Antrag des Antragstellers, der Antragsgegnerin die Kosten des Rechtsstreits aufzuerlegen, zurückzuweisen.

9

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

10

Der Beschwerdewert richtet sich nach den (hypothetischen) Gerichtskosten und außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in erster Instanz, berechnet nach einem Streitwert von 6.000 €. Denn derartige Kosten hätte die Antragsgegnerin zu tragen gehabt, wäre der angefochtene Beschluss des Landgerichts in Bestandskraft erwachsen.